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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Ömer Fahrettin Türkkan, bekannt als
Fahrettin Pascha (oder Fahreddin geschrieben), war der letzte Kommandeur der
Osmanen in der Stadt
Medina.
Er ist am 4. Januar 1868 in Rusçuk im heutigen
Bulgarien, das damals zum
Osmanischen Reich gehörte, als Kind von Fatma Adile und
Mehmed Nahid Bey geboren. Die Familie musste aufgrund des
Russisch-Türkischen Krieges die Stadt verlassen und flüchtete
nach
Istanbul, wo er die Offiziersausbildung antrat und 1888
abschloss. Von französischen Arbeitskollegen des Vaters wurde
er in Französisch und Mathematik unterrichtet - von ihnen
bekam er auch Einblick in die Fotografie. Mit 17 Jahren erwarb
er seine erste Kamera, mit der er sein Leben lang viel
fotografiert hat.
Seinen ersten Militärdienst absolvierte er im 4. Heer (Dördüncü
Ordu) an der armenischen Grenze. 1908 wurde zum 1. Heer (Birinci
Ordu) beordert. Im Zeitraum 1911–12 wurde er nach
Libyen
entsandt. Während des Balkankriegs wurde ihm die Führung der
in Gallipoli stationierten 31. Division anvertraut. Seine
Einheiten marschierten zusammen mit denen von Enver Pascha in
das durch Bulgarien kontrollierte
Edirne
ein.
1914 wurde Fahrettin Pascha dem in Mossul stationierten
siebten Heer zugeteilt und später stellvertretender Kommandant
des Vierten Heeres (Dördüncü Ordu) in
Aleppo.
Auf Befehl Cemal Paschas marschierte er am 23. Mai 1916 in
Richtung
Medina.
Sein Auftrag lautete die Stadt und die Hedschasbahn gegen
Angriffe der Briten und Araber zu verteidigen.
Kurze Zeit später erklärten Faisal I. und Abdallah ibn
Husain I. die arabische Revolte gegen die
Osmanen. Den zweitägigen Angriff Faisals I. schlug er
zurück und verjagte die arabischen Einheiten. Zum Schutz
zahlreicher heiliger Gegenstände in der
Prophetenmoschee, ließ er diese im Schutz von 2000
Soldaten nach
Istanbul bringen, was sich im Nachhinein als sehr nützlich
erwiesen hat, da die Saudis fast alles zerstören ließen, was
sie erobert haben. Die Gegenstände sind heute im
Topkapi Palast ausgestellt. Im Folgenden nahmen seine
Truppen trotz seiner sehr begrenzten Möglichkeiten die unter
den arabischen Rebellen stehenden Städte Yanbu und Rabegh ein.
Es gelang ihm, die mit britischer Hilfe entfachte Revolte in
der Anfangsphase nahezu vollständig zu zerschlagen. Seine
begrenzten Möglichkeiten und fehlender Nachschub zwangen ihn,
sich am 18. Januar 1917 in das Hauptquartier
Medina
zurückzuziehen. Den Aufständischen gelang es mit der
Organisation durch T. E. Lawrence die Truppen in
Medina
zu belagern. Während dieser Belagerung gab Fahrettin Pascha
die in der Türkei bekannte Heuschrecken-Anordnung (Çekirge
Talimatnamesi):
„Was unterscheidet eine Heuschrecke von einem Spatzen?
Sie hat nur keine Federn... Sie ist genauso beflügelt, fliegt
herum, frisst auch Gras, isst frische und saubere Sachen. Sie
werden sogar süchtig und haben Geschmack, mögen Zitronen und
Tabak. Die Beduinen verdanken ihre Zähigkeit dem Verzehr von
Heuschrecken. [...] Man sagt, es gäbe auch ein Hadith unseres
Propheten zur Frage der Essbarkeit. [...] Auf welchen Sektor
auch die Heuschrecken auftauchen, bitte ich euch, sie nach
meinen beschriebenen Verfahren zu verzehren und sie mir zu
schenken.“
Bereits vor dem Waffenstillstand von Mudros hatte er
die Stadt zwei Jahre und sieben Monate verteidigt, weshalb er
von den Türken "Wüsten-Tiger" und von den Briten "Lion of the
Desert" (Löwe der Wüste) genannt wurde.
Mit dem Waffenstillstand von Mudros am 30. Oktober 1918 und
der darin enthaltenen Regelung, dass die
osmanischen Generäle sich dem nächsten alliierten
Truppenführer zu unterstellen hätten, wurde die Aufgabe
Medinas
erwartet. Fahrettin Pascha war mit seinen Soldaten völlig
allein und verbündete Einheiten waren 1300 km entfernt.
Dennoch gab er nicht auf. Die Briten stellten nach
unbeantworteten Kapitulationsaufforderungen ein Ultimatum bis
Mitte Dezember und hoffte auf eine unblutige Lösung. Trotz
Aufrufen aus der
Hohen Pforte war Fahrettin Pascha nicht bereit, die Stadt
kampflos zu übergeben.
Nach Augenzeugenberichten des türkischen Autors Feridun
Kandemir, der zu dieser Zeit in
Medina
ein Freiwilliger des roten Halbmondes war, hielt der Pascha im
Frühjahr 1918, nach dem
Freitagsgebet [salat-ul-dschuma] in der
Prophetenmoschee eine Ansprache die Truppen mit folgendem
Inhalt:
"Soldaten! Ich appelliere an Sie im Namen des
Propheten, er ist mein Zeuge. Ich befehle Ihnen, ihn und
seine Stadt bis zur letzten Patrone und dem letzten Atemzug zu
verteidigen, ungeachtet der Stärke des Feindes. Möge
ALLAH uns helfen, und mögen die Gebete
Muhammads (s.) mit uns sein... Offiziere der heroischen
türkischen Armee! O kleine
Muhammads, kommt her und versprecht mir, vor unserem Herrn
und dem Propheten, euren Glauben mit dem höchsten Opfer eures
Lebens zu ehren."
Fahrettin Pascha behauptete, dass er in einem Traum eine
Vision hatte, dass
Prophet Muhammad (s.) ihm befohlen habe, sich nicht zu
unterwerfen. Im August 1918 erhielt er einen Ruf zur Übergabe
von Scharif Husain von Mekka. Fahrettin Pascha antwortete ihm
mit folgenden Worten:
"Von Fakhr-ud-Din, General, Verteidiger der Heiligsten
Stadt von Medina. Diener des Propheten. - Im Namen Allahs, des
Gnädigen, des Begnadenden. Wer die Macht des
Islam
brach, Blutvergießen unter Muslimen verursachte, gefährdete
das Kalifat des Obersten der Gläubigen und setzte es der
Herrschaft der Briten aus. ... Am Donnerstagabend, dem
vierzehnten von
Dhul-Hidscha, lief ich müde und erschöpft durch die
Schutz- und Verteidigungstruppen von
Medina,
als ich mich unter unbekannten Männern befand, die auf einem
kleinen Platz arbeiteten. Dann sah ich, wie ein Mann vor mir
stand mit einem erhabenen Antlitz. Er war der
Prophet (s.). Sein linker Arm ruhte auf seiner Hüfte unter
seiner Robe, und er sagte zu mir in einer schützenden Art:
"Folge mir." Ich folgte ihm zwei oder drei Schritte und wachte
auf, ging sofort zu seiner
Prophetenmoschee und warf mich im Gebet und Dank (in der
Nähe seines Grabes) nieder. ... Ich stehe jetzt unter dem
Schutz des
Propheten, meines Oberbefehlshabers. Ich beschäftige mich
damit, die Verteidigungsanlagen zu stärken, Straßen und Plätze
in
Medina
zu bauen. Übersende mir nicht nutzlose Angebote."
Er weigerte sich, sein Schwert zu übergeben, obwohl er
einen direkten Befehl des osmanischen Kriegsministers erhalten
hatte. Die osmanische Regierung war verärgert über sein
Verhalten und der Sultan
Mehmed VI. entließ ihn von seinem Posten. Er lehnte dies
ab und behielt die Flagge des osmanischen Sultans in Medina
bis 72 Tage nach dem Ende des Krieges hoch.
72 Tage nach Unterzeichnung des Waffenstillstands von
Mudros kam es angeblich zu einer Meuterei unter seinen eigenen
Truppen. Eigene Soldaten verhafteten ihn in einem Hinterhalt
und arrangierten die Stadtübergabe. Kurz darauf marschierten
die Rebellen ein und er kam in britische Kriegsgefangenschaft.
Die Briten deportierten ihn über
Kairo
in ihr Gefängnis in Malta. Dort verbrachte er die Zeit mit
Lektüre und dem Lernen der englischen Sprache. Aufgrund des
Ausgehens von Munition und Lebensmitteln unter Belagerung kann
die Meuterei aber auch auf Befehl von Fahrettin Pascha erfolgt
sein, damit er als Alleinschuldiger die Last der
Gefangenschaft auf sich nahm und seine Soldaten zurück in die
Heimat konnten.
Zwischenzeitlich wurde er von den
Osmanen wegen Befehlsverweigerung bei der Übergabe
Medinas
durch die zum Tode verurteilt, was aber mit dem Zusammenbruch
des
Osmanischen Reichs hinfällig geworden ist. 1921 haben ihn
die Briten entlassen und er schloss sich der türkischen
Unabhängigkeitsbewegung unter
Mustafa Kemal Atatürk an. Das Parlament entsandte ihn als
Diplomaten nach
Afghanistan, wo er finanzielle Mittel für den
Unabhängigkeitskrieg auftrieb. 1926 endete sein diplomatischer
Dienst und er arbeitete bis 1936 in einem Militärgericht.
Im Jahr 1900 hatte er Ayşe Sıdıka Hanımefendi (1884-1959),
die Tochter von Ferik Ahmet Pascha geheiratet und mit ihr
zusammen fünf Kinder
- Suphiye Türkkan 1904-1978 (Tochter)
- Mehmed Selim Türkkan 1908-1991(Sohn)
- Mehmed Orhan Türkkan 1910-1994 (Sohn), er war 1965–1969
Abgeordneter der Adalet Partisi
- Ayşe Nermin Türkkan 1919-1997 (Tochter)
- Ayhan Türkkan 1928-4.2.1959 (Sohn)
Ömer Fahrettin Türkkan verstarb am 22. November 1948 in
einem Zug in der Nähe von Eskişehir an einem Herzinfarkt.
Gemäß seinem Testament wurde er auf dem
Aschiyan Friedhof in
Istanbul im
Fahrettin Pascha Grab begraben.
Im Dezember 2017 löste Abdullah bin Zayed Al Nahyan,
Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, einen
diplomatischen Eklat mit der
Türkei aus, indem er einen Beitrag in seinem persönlichen
Netzwerk veröffentlichte, in dem er Fahrettin Pascha und seine
Streitkräfte wegen Diebstahls von Manuskripten aus
Medina
und anderer Verbrechen gegen die Einheimischen während der
Belagerung beschuldigte. Der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdoğan veranlasste daraufhin, dass die Straße, in der sich
die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate befand, in
Fahrettin Pascha Straße umbenannt worden ist.