.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Mustafa Raschid Pascha, bekannt als
Kodscha Mustafa Raschid Pascha (Koca Mustafa Reşid Paşa
(wörtlich Mustafa Raschid Pascha
der Große) war mehrfach
Großwesir der
Osmanen und gilt als Hauptarchitekt hinter den als
Tanzimat bekannten Umbaumaßnahmen des
Osmanischen Reichs, die den Untergang beschleunigten.
Mustafa Raschid wurde am 13. März 1800 in
Istanbul geboren. Sein Vater, Mustafa Efendi, arbeitete
als Beamter, starb jedoch, als Mustafa Raschid erst zehn Jahre
alt war. Mustafa hatte eine
Madrasa
besucht, in der Hoffnung auf eine spätere Führungsrolle. Als
sein Vater starb, musste er seine Ausbildung beenden, um bei
seinem Onkel Ispartalı Ali Pascha zu leben, der zu dieser Zeit
ein Hofkammerherr unter
Mahmut
II. war. Mustafa Raschid konnte an einer Schreibanstalt
des Hofs studieren. Als Ispartalı Ali Pascha 1816 zum
Gouverneur von Morea Eyalet im Süden Griechenlands befördert
wurde, reiste Raschid mit ihm und lernte als 16-jähriger
Diplomatische Umgangsformen.
Während des griechischen Unabhängigkeitskrieges zwischen
1820 und 1822, der während der zweiten Amtszeit seines Onkels
als Gouverneur von Morea stattfand und Griechenland von großen
europäischen Ländern unterstützt wurde, fungierte Mustafa
Raschid als Siegelträger für den Großwesir und für den
Oberbefehlshaber Seyyid Ali Pascha. Während des Krieges
bemerkte Mustafa Raschid die Rückständigkeit der
osmanischen Armee und Bürokratie. Gleichzeitig wuchs seine
Verehrung für die europäischen Mächte.
Nach der Niederlage und Flucht bekam er eine Anstellung in
der
Hohen Pforte und arbeitete als Angestellter unter dem
Außenminister. Er fand schnell den Respekt und das Lob seiner
Vorgesetzten und stieg auf. Während des russisch-türkischen
Krieges (1828–29) sandte Raschid Berichte über den Krieg zur
Hohen Pforte. Seine gute Arbeit während des Krieges
erregte die Aufmerksamkeit von
Mahmut
II. der Raschid in das Büro seiner Staatsekretäre (Amedi
Odasi) beförderte, wo er als Sekretariat für eingehende
Korrespondenz arbeitete. Bei Kriegsende wurde Mustafa Rascid
1829 zum Leiter der osmanischen Delegation bei den
Friedensgesprächen in
Edirne
ernannt.
Während dieser Zeit wurde er ein Anhänger von
Ethem Pertev Pascha, seinem Vorgesetzten im Büro für
eingehende Korrespondenz.
Ethem Pertev Pascha war Anhänger der
Westlichen Welt und pflegte eine starke pro-britische
Politik und Beziehung zum britischen Botschafter Lord Ponsonby.
Mustafa Raschid hat
Ethem Pertev Pascha auch während der Verhandlungen in
Ägypten mit dem abtrünnigen
Muhammad Ali Pascha begleiten.
Muhammad Ali Pascha nahm Mustafa Raschids Fähigkeiten als
Diplomat und Schreiber zur Kenntnis und bot dem jungen
Bürokraten eine hohe Position unter der ägyptischen Verwaltung
an, aber Mustafa Raschid lehnte das Angebot ab. Seine
Vertrautheit mit ägyptischen Angelegenheiten brachte ihn dazu,
mit Muhammad Alis Sohn Ibrahim Pascha zu sprechen.
Mustafa Raschid wurde erstmals 1834 nach Paris geschickt,
um
Algerien aus der jüngsten französischen Besetzung
zurückzuerhalten. Obwohl er letztendlich scheiterte, blieb er
als ständiger Botschafter in Paris, bis er 1836 nach London
versetzt wurde. Dort baute er enge Beziehungen zur britischen
Regierung auf, insbesondere zum Londoner Diplomaten Ponsonby,
zu dem auch sein Mentor
Ethem Pertev Pascha enge Beziehungen unterhielt. Sein
größter Erfolg während seiner Amtszeit als Botschafter war die
Unterstützung der britischen Regierung für den Sultan gegen
Muhammad Ali Pascha in
Ägypten. Nachdem Mustafa Raschid 1838 n.Chr. zum
Außenminister ernannt worden war und den Titel eines
Paschas erhalten hatte, kehrte er erneut nach London
zurück, um ein Verteidigungsbündnis gegen
Muhammad Ali Pascha zu bilden. Die Gespräche führten zu
nichts.
Mustafa Raschid Pascha konnte am 16. August 1838, den
Vertrag von
Balta Liman Vertrag aushandeln, der aber letztendlich die
Ausbeutung der
Osmanen erleichtert hat. Als einer der größten und
vielseitigsten Staatsmänner seiner Zeit, der mit der
europäischen Politik bestens vertraut war galt er auch als
Anhänger des westlichen Lebensstils. Zudem war er mit
nationalen und internationalen Angelegenheiten vertraut. Seine
Bemühungen, Reformen innerhalb der Regierung zu fördern,
führten dazu, dass viele andere Reformer wie z.B.
Mehmet Fuad Pascha Karriere machten.
In 1840 folgte sein Einsatz währen der Orientalischen
Krise, wobei er einige Übereinkünfte erzielen konnte, die aber
den Zerfall des
Osmanischen Reichs nicht aufhalten konnten. Im Anschluss
wurde er als Außenminister abgesetzt und kehrte 1841 als
Botschafter zurück nach Paris, wo er bis 1845 blieb. Dort
verhandelte er intensiv über eine Zukunft des
Libanon, wobei die Franzosen allerdings fast alle ihre
Teilungs- und Spaltungspläne durchsetzen konnten.
Zu Beginn des Jahres 1853 hatte Mustafa Raschid kein
politisches Amt inne. In den Jahren 1852 bis 1853 nahmen die
Spannungen zwischen Russland und Frankreich über
Palästina zu. Die Russen versuchten über Mustafa Raschid
Pascha einen Zugang zum Palast zu erhalten, bemerkten jedoch
nicht, dass Raschid Pascha eng mit seinen britischen
Beziehungen, insbesondere zu Botschafter Stratford, verbunden
war und anti-russische Überzeugungen hatte. Nach der Vorlage
der russischen Forderungen an die
Hohe Pforte am 5. Mai 1853 und der anschließenden
Ablehnung dieser Forderungen am 10. Mai gewann Mustafa Raschid
seine Position als Außenminister zurück. Mustafa Raschid
Pascha versuchte sofort, den russischen Diplomaten zur
Übereinkunft zu überreden. Nach einer weiteren Verzögerung von
fünf Tagen lehnte die
Hohe Pforte am 15. Mai jegliche Vorschläge der russischen
Seite zu Gegenseitigen Vereinbarungen ab, was zur Evakuierung
der russischen Botschaft und zum Ende der russisch-osmanischen
Diplomatie am 21. Mai führte.
Während dieser Zeit traf sich Mustafa Raschid Pascha
mehrmals persönlich und schrieb gleichzeitig an den russischen
Botschafter Menschikow und den Briten Stratford. In
Menschikows Schriften beschrieb er Mustafa Raschid Pascha als
fast verlegen, über die einstimmige Ablehnung des russischen
Vorschlags zu sprechen, und gab den Russen auch einen
türkischen Gegenvorschlag, zu dessen Vorlage er sich zu
schämen schien, da er erklärte, er könne sie nicht
überarbeiten. Auch nach Menschikow hatte Reşid eindeutig die
Verhandlungen erneuern wollen, war aber von Lord Stratford
anders beraten worden.
Ende Juli 1853 trafen sich Diplomaten der vier Großmächte
Frankreich, Großbritannien, Österreich und Preußen in Wien und
entwickelten eine eigene Lösung für die russisch-türkische
Krise auf der Grundlage eines früheren französischen
Vorschlags, der bereits vom Zaren angenommen worden war. Die
Wiener Note, wie sie genannt wurde, wurde von den Regierungen
aller vier neutralen Mächte und von Russland akzeptiert, stieß
jedoch in der
Hohen Pforte unter der Führung von Mustafa Raschid Pascha
Gegenwehr.
Am 26. September hielt die
Hohe Pforte nach den russischen Fortschritten auf dem
Balkan eine zweitägige Konferenz ab, um eine Lösung für das
russische Problem zu finden, sei es Krieg oder Diplomatie.
Während viele der Beamten für den Krieg waren, warnte Mustafa
Raschşid Pascha sie. Er warnte, dass der Staat nicht
militärisch bereit sei, Russland in einem Krieg zu bekämpfen.
Er fügte jedoch hinzu, dass es die Entscheidung der
Hohen Pforte sei, obwohl die europäischen Mächte ihnen
geraten hätten, keinen Krieg zu führen. Er bemerkte auch, dass
die europäischen Mächte nicht gegen den Krieg sind, sondern
überzeugend sein müssten, um ihre Streitkräfte zur
Unterstützung des osmanischen Unternehmens einzusetzen. Auf
die Frage nach den christlichen Untertanen und ihrer Loyalität
antwortete Mustafa Raschid, dass
Christen und
Muslim
interne Unterschiede hätten und sich nicht nur aufgrund ihrer
Religion gegenseitig unterstützen würden. Obwohl er
ursprünglich gegen den Krieg und für die Diplomatie gewesen zu
sein schien, wird Mustafa Raschid am Ende der Treffen mit den
Worten zitiert: "Es ist besser, mit Waffen in der Hand zu
sterben, als mit gefesselten Händen zu sterben. Wenn Gott
will, werden wir siegen."
England und Frankreich hatten Mustafa Raschid Pascha
gewarnt, dass sie nicht hinter den
Osmanen stehen würden, wenn sie den Krieg beginnen würden.
Es scheint jedoch, dass Mustafa Raschid Paschas Argumente die
anderen Beamten überzeugt hatten, und am Ende der Konferenz
entwarf Mustafa Raschid Pascha eine Resolution zum Krieg, die
am 30. September und 4. Oktober vom Sultan geschickt und
akzeptiert wurde. Das Osmanische Reich erklärte Russland
offiziell den Krieg um durch Russen eroberte Gebiete zurück zu
gewinnen.
Mustafa Raschid Pascha konzentrierte sich nunmehr auf die
Diplomatie hinter dem Krieg. Er bemühte sich um europäische
Unterstützung. Am 8. Oktober 1853, nur vier Tage nach der
Kriegserklärung, bat er die britischen und französischen
Botschafter um ihre Unterstützung in Form von Marineschiffen
in der Straße von Dardanellen. Am 20. Oktober wurden die
Anforderungen erfüllt und beide Flotten segelten zur Meerenge.
Zwei Tage zuvor, am 18. Oktober, hatte Mustafa Raschid Pascha
den osmanischen Streitkräften befohlen, mit den Kämpfen zu
beginnen, die am 23. Oktober begannen. Nach einer Niederlage
der osmanischen Marine in der Bucht von Sinop und Gerüchten
über die Friedensverhandlungen von Mustafa Raschid Pascha
begannen Studenten im Dezember in den Straßen
Istanbuls zu rebellieren und zwangen Mustafa Raschid
Pascha und viele seiner Anhänger, sich zu verstecken. Mustafa
Raschid Pascha reichte sofort seinen Rücktritt ein, aber er
wurde nicht akzeptiert. Die Rivalität von Mustafa Raschid
Pascha mit einem seiner früheren Schützlinge, Mehmed Emin Ali,
kam auch in dieser Zeit zum Tragen. Im Frühjahr 1854 nutzte
Mustafa Raschid Pascha seine Position als Außenminister, um
die osmanischen Seebewegungen mit Frankreich und
Großbritannien zu koordinieren. Er konnte auch Großbritannien
und Frankreich mit einem Militärbündnis im März 1854 offiziell
in den Krieg ziehen. Im November dieses Jahres wurde er mit
einer Ernennung zum
Großwesir belohnt. Im Mai 1855, nur wenige Monate später,
wurde er jedoch aus dem Amt entfernt, wodurch er aus dem Rest
des Krieges und den darauf folgenden Friedensgesprächen
ausgeschlossen wurde.
Mustafa Raschid Pascha wird eine führende Rolle bei der
Urheberschaft des Dekrets zugeschrieben, mit dem die
Tanzimat-Ära begann. Ihm ist auch die maßgebliche
Beteiligung am
Edikt von Gülhane zuzuschreiben. Mustafa Raschid
Pascha sandte am 11. August 1839, als er noch als Botschafter
in London war, ein vertrauliches Memorandum an den damaligen
britischen Botschafter Lord Palmerston, mit dem er eine enge
Beziehung hatte. Das Memorandum war kein osmanisches Dokument,
sondern nur die persönlichen Ansichten von Mustafa Raschid
Pascha. Er sagte Lord Palmerston, dass eine Reform innerhalb
der
Hohen Pforteo dringend erforderlich sei nach dem Tod von
Mahmut
II. Und dem Aufstieg des jungen
Abdülmecit I., der in die richtige Richtung geführt werden
müsse, sei eine gute Voraussetzung für die Reformen. Aus der
Schrift wird deutlich, dass Mustafa Raschid Pascha die naive
Vorstellung hatte, die Engländer und Franzosen könnten sich
für die territoriale Integrität des
Osmanischen Reichs einsetzen. Offensichtlich war es sein
Ziel das
Osmanischen Reich zu retten, aber seine naiven und teils
schwärmerischen Vorstellungen von der
Westlichen Welt führten zur Beschleunigung des Zerfalls.
Alle von der
Westlichen Welt propagierten Änderungen fanden sich dann
im
Edikt von Gülhane wieder.
Mustafa Raschid Pascha gilt als Vater der
Tanzimat-Reformen, die von 1839 mit der Lesung des
Edikts von Gülhane bis 1876 und der Schaffung der
Verfassung andauerten. Während dieser Zeit diente Mustafa
Raschid Pascha sechsmal als
Großwesir und mehrmals als Außenminister. Er schrieb
damals: "Wir besitzen nicht die notwendige [militärische]
Macht, um die territoriale Integrität unseres Staates
aufrechtzuerhalten. Folglich ist es unsere [geografische]
Position, die uns helfen wird, [diese Integrität] zu bewahren.
[Um dies zu tun] müssen wir Aufbau einer guten Verwaltung
umsetzen. Die ausländischen Staaten werden uns nicht in
Frieden lassen. Alle Staaten streben danach, Konstantinopel zu
besitzen, aber die Stadt ist unteilbar. Wenn wir nicht in der
Lage sind, eine gute Verwaltung zu schaffen, werden die
ausländischen Mächte eine gemeinsame Verwaltung [in
Konstantinopel] einrichten ] auch ".
Mustafa Raschid Pascha strukturierte die neue Armee, die
die
Janitscharen nach ihrem Sturz 1826 abgelöst hatte, und
benannte sie in Asakir-i Nizamiye-i Şihane um. Er schuf auch
einen neuen Gerichtshof innerhalb des ebenfalls neu
eingerichteten Handelsministeriums, von dem er hoffte, dass er
den Außenhandel fördern würde. Das neue Gericht sollte
Handelsstreitigkeiten beurteilen. Gleichzeitig schuf er ein
neues Handelsgesetzbuch für Insolvenzen, Partnerschaften und
Wechsel, das weitgehend auf französischen Vorbildern beruhte.
Auf die kritische Befragung durch die
Gelehrter [faqih] diesbezüglich antwortete er, dass der
Islam
keine Relevanz für diese Codes habe, was zu seiner sofortigen
Amtsenthebung als Außenminister führte.
Er sorgte für die endgültige Abschaffung der Sklaverei und
des Sklavenhandels innerhalb des Imperiums, was im Kerngebiet
bereits seit Jahrhunderten verboten war. Mustafa Raschid
Pascha bemühte sich auch um eine Verbesserung des
Bildungssystems. 1846 gründete er das Meclis-i Maarif, ein
Bildungskomitee, das den Einfluss der
Gelehrten [faqih] auf die Bildung verringern und ein
wesentliches säkulares Lernsystem schaffen sollte. Ab 1847
gründete die
Hohe Pforte mehrere Mittelschulen sowie eine Schule für
Lehrer. 1852 gründete er eine Akademie für Wissenschaften,
Endjümen-i Daniş, die einer französischen Akademie
nachempfunden war. Er bemühte sich auch um die Vereinfachung
der türkischen Sprache. 1846 befahl Mustafa Raschid Pascha die
Einrichtung eines Archivsystems in der erhabenen Pforte,
genannt Hazine-yi Ewraq.
Mustafa Raschid Pascha heiratete zwei Mal zu Lebzeiten und
hatte fünf Söhne, davon eine mit seiner ersten Frau und vier
weitere mit der zweiten. Er starb an einem Infarkt am 7.
Januar 1858 n.Chr. in
Istanbul.