Al-Mizan - Auslegung des
Qur’an
„dem Herrn
der Welten (2), dem Allerbarmer, dem Barmherzigen (3)
“Ar-Rabb“ (Herr, Gebieter, Meister)
ist der Herr, der alle Angelegenheiten Seines Dieners regelt.
Das Wort konnotiert die Idee des Eigentumsrechts, des
Besitzes. Eigentümerschaft in unserer sozialen Struktur ist
eine spezielle Beziehung zwischen Dingen – eine Beziehung, die
dem Eigentümer erlaubt, so mit dem Eigentum zu verfahren, wie
es ihm beliebt. Wenn wir sagen: „Dieses Ding gehört uns“,
dann zeigt das, dass wir in einer speziellen Beziehung zu
diesem Ding stehen, die uns erlaubt damit zu verfahren, wie
auch immer wir es wollen.
Ohne diese Beziehung, würden wir über
keine Autorität gegenüber jenem Ding verfügen. Aus jenem
sozialen Kontext heraus betrachtet, handelt es sich dabei um
ein Konzept, das von der Gesellschaft entwickelt wurde,
welches aber über keine reale Existenz außerhalb unserer
Vorstellungskraft verfügt. Diese Idee wiederum ist als
Ableitung von einem anderen Konzept zu sehen, welches im
Gegensatz dazu real und deutlich erfahrbar ist und das
ebenfalls als “Eigentümerschaft“ bezeichnet wird:
Unsere Gliedmaßen und unsere Sinne, wie
das Sehen, das Hören, die Hände und Füße, gehören uns – sie
existieren nur wegen unserer Existenz. D.h.: Sie besitzen
keine unabhängige Existenz, sondern sie sind vollkommen
abhängig von uns in ihrem Bestehen und in ihrer Fortdauer. Wir
verwenden sie so, wie wir es wollen. Hierbei handelt es sich
nun um ein reales Besitzverhältnis.
Bei jenem Eigentumsrecht, das Allah
zugeordnet werden kann, handelt es sich jedenfalls um dieses
reale Besitzverhältnis, das nicht nur auf einer subjektiven
Sichtweise basiert. Jenes reale Besitzverhältnis kann nicht
getrennt von der Verwaltung der Angelegenheiten, die das
Eigentum betreffen, betrachtet werden. Denn das Eigentum ist
nicht nur in seiner Existenz vollkommen abhängig vom
Eigentümer, sondern auch in Bezug auf alle Angelegenheiten,
die seine Existenz betreffen.
Allah ist „ar-Rabb“, der Herr
aller Dinge, denn der Herr ist der Eigentümer, der sich um die
Angelegenheiten aller Dinge in Seinem Besitz kümmert und diese
verwaltet – und nur Allah alleine besitzt diese Eigenschaft.
„al-'Ālamīn“ ist der Plural von
al-'Ālam (die Welt), was wörtlich bedeutet: „Das, womit
jemand vertraut ist, was er kennt“. Das grammatikalische
Schema, das hierbei zur Anwendung kommt, bezeichnet für
gewöhnlich Instrumente oder Mittel. So beispielweise
al-Qālab (Gussform, Schablone, Instrument, um etwas zu
formen), al-Chātam (Siegel, Instrument, das zum
versiegeln verwendet wird) und aṭ-Ṭāba'
(Stempel, Instrument, womit ein Abdruck gemacht werden kann).
Das Wort al-'Ālam wird zur
Bezeichnung des Universums verwendet – was die gesamte
Schöpfung beinhaltet. Es wird aber auch verwendet um jede
Gattung oder Spezies individuell und getrennt voneinander zu
bezeichnen, wie beispielsweise die anorganische Welt, die
Pflanzenwelt, die Tierwelt, die Menschenwelt. Es kann auch
angewendet werden um eine Untergruppe einer Spezies zu
bezeichnen, wie die Arabische Welt, die Afrikanische Welt usw.
Diese letztere Bedeutung trifft für den Kontext dieser Verse
am besten zu: Jene Verse, die die besten Eigenschaften von
Allah aufzählen, bis zum „Herrscher am Tages des Gerichts“.
Das Gericht ist alleine den Menschen vorbehalten, gemeinsam
noch mit den Dschinn (Dämonen; Feuerwesen, die wie der
Mensch einen freien Willen besitzen). Demnach beziehen sich
jene “Welten“ auf die Welten der Menschen und der Dschinn
und deren Untergruppen. Das Wort „al-'Ālamīn“ (die Welten)
wurde in dieser Bedeutung auch in anderen qur´anischen
Versen verwendet. So sagt Allah: „... Allah hat dich
auserwählt und gereinigt und erwählt vor den Frauen der
Welten“ (3:42); „...auf dass er ein Warner für die Welten sei“
(25:1); „...Wollt ihr eine Schandtat begehen, wie sie keiner
in den Welten vor euch begangen hat?“ (7:80).