Almansor

Almansor

Heinrich Heine

siehe: Almansor von Heinrich Heine

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Almansor

Kapitel 7

Almansor ohne ihn zu bemerken, noch immer mit dem Dolche sprechend:

Du murmelst was von Allah und dergleichen.
Bedarf der Dolch noch eines spitz'gen Wortes,
Um mir das Herz im Leibe zu verwunden?

Hassan:

Was Allah tut, ist wohlgetan.

Almansor immer noch mit dem Dolche sprechend:

Ha, ha, ha!
Moralisieren, scheint es, will der Dolch!
Ich rate, schweig, denn schweigend sprichst du mehr,
Als mancher Moralist mit seinem Wortschwall.

Hassan seufzend:

Almansor ben Abdullah, was beginnst du?

Almansor Hassan erblickend:

Ha! ha! Du sprachst, zweibeinig kluges Ding!
Trägst du nicht Hassans Bart und Hassans Augen?
Bist du gar Hassan selbst? Das ist recht schön.
Wir wollen Abschied nehmen. Lebe wohl!
Gleich reis ich ab!

Zeigt ihm den Dolch.

Sieh, diese schmale Brücke
Führt aus dem Land der Trauer in das Land
Der Freude. Drohend steht am Eingang zwar,
Mit blankem Schwert, ein kohlenschwarzer Riese –
Der ist dem Feigen furchtbar, doch der Mut'ge
Geht ungestört hinein ins Land der Freude.
Ja, dorten ist die wahre Freude, oder –
Was doch dasselbe ist – die wahre Ruh.
Dort summt ins Ohr kein überläst'ger Käfer,
Und keine Mücke kitzelt dort die Nase;
Dort fällt kein grelles Licht ins blöde Aug;
Und nimmer quält dort Hitz, und Frost, und Hunger
Und Durst; und was das beste ist, dort schläft man
Den ganzen Tag, und obendrein die Nacht.

Hassan:

Nein, Sohn Abdullahs, feige ist der Schwächling,
Der keine Kraft hat mit dem Schmerz zu ringen,
Und ihm den Nacken zeigt, und zaghaft von
Des Lebens Kampfplatz flieht – steh auf, Almansor!

Almansor hebt eine Kastanie von der Erde:

Durch wessen Schuld liegt diese Frucht am Boden?

Hassan:

Durch Wurm und Sturm; der Wurm zernagt die Fasern,
Und leicht wirft dann der Sturm die Frucht herab.

Almansor:

Soll nun der Mensch, die allerschwächste Frucht,
Nicht auch zu Boden fallen, wenn der Wurm,

Zeigt aufs Herz.

Der schlimmste Wurm die Lebenskraft zernagte,
Und der Verzweiflung wilder Sturm ihn rüttelt?

Hassan:

Steh auf, steh auf, Almansor! Nur der Wurm
Mag sich am Boden krümmen, doch der Aar
Fliegt stolz hinauf zum ew'gen Sonnenlichte.

Almansor:

Reiß du dem Aar die mächt'gen Flügel aus,
Und auch der Aar ist Wurm und kriecht am Boden.
Des Mißmuts Schere hat mir längst zerschnitten
Die goldnen Flügel, die mich einst als Knabe
Gen Himmel trugen, hoch, gar hoch hinauf.

Hassan:

Oh, zeig mir einen Stein, der kalt und stumm ist,
Und sprich: das ist Almansor! Ich will's glauben.
Doch du bist's nicht, du, der mit offnen Augen
Dort zaghaft liegst, und liegst, und glotzend zusiehst,
Wie man die Schmach auf deine Brüder wälzt,
Wie span'scher Übermut der Mauren beste
Und edelste Geschlechter frech verhöhnt,
Wie man sie schlau beraubt, und händeringend,
Und nackt und hülflos aus der Heimat peitscht –
Du bist Almansor nicht, sonst dränge dir
Ins Ohr der Greise und der Weiber Wimmern,
Das span'sche Hohngelächter und der Angstruf
Der edlen Opfer auf dem glühnden Holzstoß.

Almansor:

Glaub mir, ich bin's. Ich seh den span'schen Hund!
Dort spuckt er meinem Bruder in den Bart,
Und tritt ihn noch mit Füßen obendrein.
Ich hör's; dort weint das arme Mütterchen;
Sie aß am Freitag gerne Gänsebraten,
Drum bratet man sie selbst jetzt, Gott zu Ehren.
Am Pfahl daneben steht ein schönes Mädchen –
Die Flammen sind in sie verliebt, umschmeicheln,
Umlecken sie mit lüstern roten Zungen;
Sie schreit und sträubt sich holderrötend gegen
Die allzu heißen Buhlen, und sie weint –
O schade! aus den schönen Augen fallen
Hellreine Perlen in die gier'ge Glut.
Jedoch was sollen diese Leute mir?
Mein Herz ist ganz durchstochen wie ein Sieb,
Hat keinen Raum für neue Schmerzenstiche.
Der blut'ge Mann, der auf der Folter liegt,
Hat kein Gefühl für einer Biene Stachel.
Glaub mir's, ich bin Almansor noch, und gastfrei
Steht meine Brust noch offen fremden Schmerzen;
Doch, durch die engen Pförtlein Aug und Ohr,
Sind Riesenleiden in die Brust gestiegen,
Die Brust ist voll – Ängstlich leise: Gar ein'ge wunde Gäste
Sind, herbergsuchend, mir ins Hirn gestiegen.

Hassan:

Steh auf! steh auf! sonst sag ich dir ein Wort,
Das dich aufgeißeln wird, und neue Glut
In deine Adern gießt – Sich zu ihm herabbeugend. Zuleima
Liegt heute Nacht in eines Spaniers Armen.

Almansor aufspringend und sich krampfhaft windend:

Die Sonne ist mir auf den Kopf gefallen,
Das Hirn ist eingebrochen, und die Gäste,
Die dort sich eingenistet taumeln auf,
Umflirren mich, wie graue Fledermäuse,
Umsummen mich, umächzen mich, umnebeln
Mich mit dem Duft vergifteter Gedanken!

Hält sich den Kopf.

O weh! o weh! die Alte faßt mich an,
Reißt mir das Haupt vom Rumpf, und schleudert es
In einen Hochzeitsaal, wo zärtlich bellend
Ein span'scher Hund mein süßes Liebchen küßt,
Und schnalzend küßt und herzt – O weh! O hilf mir!

Wirft sich zu Hassans Füßen.

O hilf dem blut'gen, abgerißnen Kopf,
Der keine Arme hat, den Hund zu würgen –
O leih mir deine Arme, Hassan! Hassan!

Hassan:

Ja, meinen Arm will ich dir leihn, Almansor,
Und auch die starken Arme meiner Freunde.
Wir wollen würgen jenen span'schen Hund,
Der dir entreißen will dein Eigentum.
Steh auf! Du sollst Zuleima bald besitzen.

Almansor steht auf.

Als ich eur gestrig Nachtgespräch belauscht,
Riet ich zu schneller Flucht, allein vergebens;
Doch soll Almansor nicht verzweifeln dacht ich.
Ich habe meine Freunde hergeführt;
Sie harren meines Winkes, und wir stürmen
Nach Alis Schloß, wir ungeladne Gäste.
Du nimmst dir deine Braut, und bringst sie mit
Nach unserm Schiff, das an der Küste liegt.
Zuleimas Liebe wird schon wiederkommen.

Almansor:

Ha, ha, ha! Liebe! Liebe! Fades Wort,
Das einst, mit schläfrig halbgeschloßnen Augen,
Ein Engel gähnend sprach. Er gähnte wieder,
Und eine Welt voll Narren, alt und jung,
Hat gähnend nachgelallet: Liebe! Liebe!
Nein, nein! ich bin kein schmächt'ger Zephyr mehr,
Der schmeichelnd fächelt eines Mädchens Wange;
Ich bin der Nordsturm, der ihr Haar zerzaust,
Und rasend mit sich reißt die scheue Braut.
Ich bin kein süßes Weihrauchdüftchen mehr,
Das einer Jungfrau Nase zärtlich kitzelt;
Ich bin der Gifthauch, der sie dumpf betäubt,
Und schwelgend dringt in alle ihre Sinne.
Ich bin das Lamm nicht mehr, das, fromm und mild,
Sich hinschmiegt zu den Füßen seiner Schäfrin;
Ich bin der Tiger, der sie wild umkrallt,
Und wollustbrüllend ihren Leib zerfleischt.
Zuleimas Leib ist's, was ich jetzt verlange;
Ich will ein glücklich Tier sein, ja, ein Tier;
Und in des Sinnenrausches Taumel will ich
Vergessen daß es einen Himmel gibt.

Ergreift hastig Hassans Hand.

Ich bleibe bei dir, Hassan! ja wir wollen
Auf wilder See ein lustig Reich begründen;
Tribut soll uns der stolze Spanier zollen;
Wir plündern seine Küst und seine Schiffe; –
Auf dem Verdecke kämpf ich dir zur Seite; –
Mein Säbel spaltet stolze Spanierschädel –
Die Hunde über Bord! – das Schiff ist unser!
Ich aber eile jetzt, mich zu erquicken,
Nach der Kajüte, wo Zuleima wohnt,
Umfasse sie mit meinen blut'gen Armen,
Und küsse ab von ihrer weißen Brust
Die roten Flecken – Ha! sie sträubt sich noch?
Zu meinen Füßen, Sklavin, sollst du wimmern,
Ohnmächtig Ding, das meine Sinne kühlt
Nach wilder Kampfeshitze – Sklavin, Sklavin,
Gehorche mir, und fächle meine Glut!

Beide eilen fort.

Saal in Alis Schloß. Ritter und Frauen sitzen, festlich geschmückt, an einer Speisetafel. Ali. Don Enrique. Zuleima. Ein Abt. Musikanten. Speisenauftragende Bediente.

Ein Ritter steht auf mit einem gefüllten Becher in der Hand:

Ein schöner Name klingt in meiner Brust:
Es lebe Isabella von Kastilien! Er trinkt.

Ein Teil der Gäste:

Hoch lebe Isabella von Kastilien!

Bechergeklirr und Trompetentusch.

Der Abt:

Noch einen Namen nenn ich euch: Ximenes,
Erzbischof von Toledo, lebe hoch! Er trinkt.

Ein Teil der Gäste:

Hoch lebe der Erzbischof von Toledo!

Bechergeklirr und Trompetentusch.

Ein anderer Ritter:

Laßt uns die besten Namen nicht vergessen.
Stoßt an: Es lebe hoch das edle Brautpaar! Er trinkt.

Alle:

Hoch lebe Donna Clara und Enrique.

Bechergeklirr und Trompetentusch. Zuleima und Enrique verneigen sich.

Don Enrique:

Ich danke Euch.

Zweiter Ritter:

Doch Eure Braut ist stumm.

Don Enrique:

Die holde Clara spricht zwar wenig heut,
Doch heut bedarf's nur eines einz'gen Wortes,
Des Jaworts am Altar, und ich bin glücklich.

Zuleima:

Die Brust ist mir so sehr beklommen, Señor.

Dritter Ritter:

Ein schlimmes Zeichen ist es, Don Enrique,
Daß Ihr das Salzfaß eben umgestoßen.

Vierter Ritter:

Ein schlimmres Zeichen wär's, wenn Ihr den Becher
Mitsamt dem Weine umgestoßen hättet.

Dritter Ritter:

Don Carlos ist ein Säufer.

Vierter Ritter:

Ja! Gottlob,
Und kein trübselig Sonntagskind, wie Ihr,
Dem gleich das beste Mahl versalzen ist,
Wenn jemand unversehns das Salzfaß umwirft.
Ja, ja der Wein, das ist mein Element!
In seinen goldig hellen Liebesfluten
Will ich gesund die kranke Seele baden;
Und lachen muß ich immer, wenn ich denke,
Wie Mekkas nüchterner Prophet –
Ja, Señor,
Der Wein, der Wein, ja, ja, ich wollte sagen
Der Wein ist gut –

Ali:

Pedrillo! Hör Pedrillo!

Pedrillo:

Genäd'ger Herr?

Ali:

Laß alle Possenreißer,
Und alle Gaukler kommen, alle Springer,
Und auch den Harfenspieler, das Gesindel
Aus Barcelona.

Pedrillo:

Versteh schon, gnäd'ger Herr! Geht ab.

Fünfter Ritter im Gespräch mit einer Dame:

Heuraten werd ich nimmermehr, Señora.

Die Dame:

Ihr scherzt, Ihr seid bei Laune, Don Antonio;
Ihr seid ein Damenfreund, und Freund der Liebe.

Fünfter Ritter:

Ich liebe wohl die Myrte, ich ergötze
Mein Auge an dem frischen Grün der Blätter,
Erquicke mir das Herz an ihrem Duft;
Doch hüt ich mich, daß ich die Myrte koche,
Um als Gemüse sie zu speisen – bitter,
Señora, bitter schmeckt ein solch Gericht.

Der Abt im Gespräche mit seinem Nachbar:

Das war ein herrliches Autodafé;
So etwas labt das Herz des frommen Christen,
Und schreckt die starren Sünder auf den Bergen –

Zu Ali:

Wißt Ihr die Nachricht schon vom Sieg der Unsern
Und von der Heiden blut'ger Niederlage?
Sie haben sich zerstreut, unweit von hier
Durchstreifen sie die Gegend –

Ali nach der Türe sehend:

Gott sei Dank!
Ich hab es schon gehört, ehrwürd'ger Herr –
Doch soll uns jetzt das Gaukelspiel ergötzen –

Possenreißer, Gaukler, Springer, und ein Harfenspieler treten herein.

Burleskes Ballett.

Der Harfenspieler singt:

In dem Hofe des Alhambras
Stehn zwölf Löwensäul von Marmor;
Auf den Löwen steht ein Becken
Von dem reinsten Alabaster.

In dem Becken schwimmen Rosen,
Rosen von der schönsten Farbe;
Das ist Blut der besten Ritter,
Die geleuchtet in Granada.

Ali:

Ein traurig Lied. Es ist zu melancholisch.
Gebt uns ein lustig Hochzeitlied, recht lustig.

Der Harfenspieler singt:

Es war mal ein Ritter, trübselig und stumm,
Mit hohlen, schneeweißen Wangen;
Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,
In dumpfen Träumen befangen.
Er war so hölzern, und täppisch, und links,
Die Blümlein und Mägdlein, die kicherten rings,
Wenn er stolpernd vorbeigegangen.

Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;
Er hat sich vor Menschen verkrochen.
Da streckte er sehnend die Arme aus,
Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.
Kam aber die Mitternachtstunde heran,
Ein seltsames Singen und Klingen begann,
An die Türe da hört er es pochen.

Da kommt seine Liebste geschlichen herein,
Im rauschenden Wellenschaumkleide.
Sie blüht und glüht, wie ein Röselein,
Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.
Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,
Die Äuglein grüßen mit süßer Gewalt-
In die Arme sinken sich beide.

Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,
Der Hölzerne steht jetzt in Feuer;
Der Blasse errötet, der Träumer erwacht,
Der Blöde wird freier und freier.
Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,
Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt
Mit dem weißen, demantenen Schleier.

In einen kristallenen Wasserpalast
Ist plötzlich gezaubert der Ritter.
Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast,
Vor alle dem Glanz und Geflitter.
Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,
Der Ritter ist Bräut'gam, die Nixe ist Braut,
Ihre Jungfraun spielen die Zither.

Sie spielen und singen; es tanzen herein
Viel winzige Mädchen und Bübchen.
Der Ritter der will sich zu Tode freun,
Und fester umschlingt er sein Liebchen –

Pedrillo stürzt ängstlich herein.

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