Almansor
Kapitel 7
Almansor ohne ihn zu
bemerken, noch immer mit dem
Dolche sprechend:Du murmelst was von Allah und
dergleichen.
Bedarf der Dolch noch eines
spitz'gen Wortes,
Um mir das Herz im Leibe zu
verwunden?
Hassan:
Was Allah tut, ist wohlgetan.
Almansor immer noch
mit dem Dolche sprechend:
Ha, ha, ha!
Moralisieren, scheint es, will
der Dolch!
Ich rate, schweig, denn
schweigend sprichst du mehr,
Als mancher Moralist mit seinem
Wortschwall.
Hassan
seufzend:
Almansor ben Abdullah, was
beginnst du?
Almansor Hassan
erblickend:
Ha! ha! Du sprachst, zweibeinig
kluges Ding!
Trägst du nicht Hassans Bart und
Hassans Augen?
Bist du gar Hassan selbst? Das
ist recht schön.
Wir wollen Abschied nehmen. Lebe
wohl!
Gleich reis ich ab!
Zeigt ihm den
Dolch.
Sieh, diese
schmale Brücke
Führt aus dem Land der Trauer in
das Land
Der Freude. Drohend steht am
Eingang zwar,
Mit blankem Schwert, ein
kohlenschwarzer Riese –
Der ist dem Feigen furchtbar,
doch der Mut'ge
Geht ungestört hinein ins Land
der Freude.
Ja, dorten ist die wahre Freude,
oder –
Was doch dasselbe ist – die wahre
Ruh.
Dort summt ins Ohr kein
überläst'ger Käfer,
Und keine Mücke kitzelt dort die
Nase;
Dort fällt kein grelles Licht ins
blöde Aug;
Und nimmer quält dort Hitz, und
Frost, und Hunger
Und Durst; und was das beste ist,
dort schläft man
Den ganzen Tag, und obendrein die
Nacht.
Hassan:
Nein, Sohn Abdullahs, feige ist
der Schwächling,
Der keine Kraft hat mit dem
Schmerz zu ringen,
Und ihm den Nacken zeigt, und
zaghaft von
Des Lebens Kampfplatz flieht –
steh auf, Almansor!
Almansor hebt eine
Kastanie von der Erde:
Durch wessen Schuld liegt diese
Frucht am Boden?
Hassan:
Durch Wurm und Sturm; der Wurm
zernagt die Fasern,
Und leicht wirft dann der Sturm
die Frucht herab.
Almansor:
Soll nun der Mensch, die
allerschwächste Frucht,
Nicht auch zu Boden fallen, wenn
der Wurm,
Zeigt aufs
Herz.
Der
schlimmste Wurm die Lebenskraft
zernagte,
Und der Verzweiflung wilder Sturm
ihn rüttelt?
Hassan:
Steh auf, steh auf, Almansor! Nur
der Wurm
Mag sich am Boden krümmen, doch
der Aar
Fliegt stolz hinauf zum ew'gen
Sonnenlichte.
Almansor:
Reiß du dem Aar die mächt'gen
Flügel aus,
Und auch der Aar ist Wurm und
kriecht am Boden.
Des Mißmuts Schere hat mir längst
zerschnitten
Die goldnen Flügel, die mich
einst als Knabe
Gen Himmel trugen, hoch, gar hoch
hinauf.
Hassan:
Oh, zeig mir einen Stein, der
kalt und stumm ist,
Und sprich: das ist Almansor! Ich
will's glauben.
Doch du bist's nicht, du, der mit
offnen Augen
Dort zaghaft liegst, und liegst,
und glotzend zusiehst,
Wie man die Schmach auf deine
Brüder wälzt,
Wie span'scher Übermut der Mauren
beste
Und edelste Geschlechter frech
verhöhnt,
Wie man sie schlau beraubt, und
händeringend,
Und nackt und hülflos aus der
Heimat peitscht –
Du bist Almansor nicht, sonst
dränge dir
Ins Ohr der Greise und der Weiber
Wimmern,
Das span'sche Hohngelächter und
der Angstruf
Der edlen Opfer auf dem glühnden
Holzstoß.
Almansor:
Glaub mir, ich bin's. Ich seh den
span'schen Hund!
Dort spuckt er meinem Bruder in
den Bart,
Und tritt ihn noch mit Füßen
obendrein.
Ich hör's; dort weint das arme
Mütterchen;
Sie aß am Freitag gerne
Gänsebraten,
Drum bratet man sie selbst jetzt,
Gott zu Ehren.
Am Pfahl daneben steht ein
schönes Mädchen –
Die Flammen sind in sie verliebt,
umschmeicheln,
Umlecken sie mit lüstern roten
Zungen;
Sie schreit und sträubt sich
holderrötend gegen
Die allzu heißen Buhlen, und sie
weint –
O schade! aus den schönen Augen
fallen
Hellreine Perlen in die gier'ge
Glut.
Jedoch was sollen diese Leute
mir?
Mein Herz ist ganz durchstochen
wie ein Sieb,
Hat keinen Raum für neue
Schmerzenstiche.
Der blut'ge Mann, der auf der
Folter liegt,
Hat kein Gefühl für einer Biene
Stachel.
Glaub mir's, ich bin Almansor
noch, und gastfrei
Steht meine Brust noch offen
fremden Schmerzen;
Doch, durch die engen Pförtlein
Aug und Ohr,
Sind Riesenleiden in die Brust
gestiegen,
Die Brust ist voll –
Ängstlich
leise: Gar ein'ge wunde
Gäste
Sind, herbergsuchend, mir ins
Hirn gestiegen.
Hassan:
Steh auf! steh auf! sonst sag ich
dir ein Wort,
Das dich aufgeißeln wird, und
neue Glut
In deine Adern gießt –
Sich zu ihm
herabbeugend. Zuleima
Liegt heute Nacht in eines
Spaniers Armen.
Almansor aufspringend
und sich krampfhaft windend:
Die Sonne ist mir auf den Kopf
gefallen,
Das Hirn ist eingebrochen, und
die Gäste,
Die dort sich eingenistet taumeln
auf,
Umflirren mich, wie graue
Fledermäuse,
Umsummen mich, umächzen mich,
umnebeln
Mich mit dem Duft vergifteter
Gedanken!
Hält sich den
Kopf.
O weh! o weh!
die Alte faßt mich an,
Reißt mir das Haupt vom Rumpf,
und schleudert es
In einen Hochzeitsaal, wo
zärtlich bellend
Ein span'scher Hund mein süßes
Liebchen küßt,
Und schnalzend küßt und herzt – O
weh! O hilf mir!
Wirft sich zu
Hassans Füßen.
O hilf dem
blut'gen, abgerißnen Kopf,
Der keine Arme hat, den Hund zu
würgen –
O leih mir deine Arme, Hassan!
Hassan!
Hassan:
Ja, meinen Arm will ich dir leihn,
Almansor,
Und auch die starken Arme meiner
Freunde.
Wir wollen würgen jenen
span'schen Hund,
Der dir entreißen will dein
Eigentum.
Steh auf! Du sollst Zuleima bald
besitzen.
Almansor
steht auf.
Als ich eur
gestrig Nachtgespräch belauscht,
Riet ich zu schneller Flucht,
allein vergebens;
Doch soll Almansor nicht
verzweifeln dacht ich.
Ich habe meine Freunde
hergeführt;
Sie harren meines Winkes, und wir
stürmen
Nach Alis Schloß, wir ungeladne
Gäste.
Du nimmst dir deine Braut, und
bringst sie mit
Nach unserm Schiff, das an der
Küste liegt.
Zuleimas Liebe wird schon
wiederkommen.
Almansor:
Ha, ha, ha! Liebe! Liebe! Fades
Wort,
Das einst, mit schläfrig
halbgeschloßnen Augen,
Ein Engel gähnend sprach. Er
gähnte wieder,
Und eine Welt voll Narren, alt
und jung,
Hat gähnend nachgelallet: Liebe!
Liebe!
Nein, nein! ich bin kein
schmächt'ger Zephyr mehr,
Der schmeichelnd fächelt eines
Mädchens Wange;
Ich bin der Nordsturm, der ihr
Haar zerzaust,
Und rasend mit sich reißt die
scheue Braut.
Ich bin kein süßes
Weihrauchdüftchen mehr,
Das einer Jungfrau Nase zärtlich
kitzelt;
Ich bin der Gifthauch, der sie
dumpf betäubt,
Und schwelgend dringt in alle
ihre Sinne.
Ich bin das Lamm nicht mehr, das,
fromm und mild,
Sich hinschmiegt zu den Füßen
seiner Schäfrin;
Ich bin der Tiger, der sie wild
umkrallt,
Und wollustbrüllend ihren Leib
zerfleischt.
Zuleimas Leib ist's, was ich
jetzt verlange;
Ich will ein glücklich Tier sein,
ja, ein Tier;
Und in des Sinnenrausches Taumel
will ich
Vergessen daß es einen Himmel
gibt.
Ergreift
hastig Hassans Hand.
Ich bleibe
bei dir, Hassan! ja wir wollen
Auf wilder See ein lustig Reich
begründen;
Tribut soll uns der stolze
Spanier zollen;
Wir plündern seine Küst und seine
Schiffe; –
Auf dem Verdecke kämpf ich dir
zur Seite; –
Mein Säbel spaltet stolze
Spanierschädel –
Die Hunde über Bord! – das Schiff
ist unser!
Ich aber eile jetzt, mich zu
erquicken,
Nach der Kajüte, wo Zuleima
wohnt,
Umfasse sie mit meinen blut'gen
Armen,
Und küsse ab von ihrer weißen
Brust
Die roten Flecken – Ha! sie
sträubt sich noch?
Zu meinen Füßen, Sklavin, sollst
du wimmern,
Ohnmächtig Ding, das meine Sinne
kühlt
Nach wilder Kampfeshitze –
Sklavin, Sklavin,
Gehorche mir, und fächle meine
Glut!
Beide eilen
fort.
Saal in Alis
Schloß.
Ritter und
Frauen
sitzen, festlich geschmückt, an
einer Speisetafel.
Ali.
Don Enrique.
Zuleima.
Ein Abt.
Musikanten.
Speisenauftragende
Bediente.
Ein
Ritter steht auf mit einem gefüllten
Becher in der Hand:
Ein schöner Name klingt in meiner
Brust:
Es lebe Isabella von Kastilien!
Er trinkt.
Ein Teil
der Gäste:
Hoch lebe Isabella von Kastilien!
Bechergeklirr
und Trompetentusch.
Der Abt:
Noch einen Namen nenn ich euch:
Ximenes,
Erzbischof von Toledo, lebe hoch!
Er trinkt.
Ein Teil
der Gäste:
Hoch lebe der Erzbischof von
Toledo!
Bechergeklirr
und Trompetentusch.
Ein
anderer Ritter:
Laßt uns die besten Namen nicht
vergessen.
Stoßt an: Es lebe hoch das edle
Brautpaar! Er
trinkt.
Alle:
Hoch lebe Donna Clara und
Enrique.
Bechergeklirr
und Trompetentusch. Zuleima und
Enrique verneigen sich.
Don
Enrique:
Ich danke Euch.
Zweiter
Ritter:
Doch Eure Braut ist stumm.
Don
Enrique:
Die holde Clara spricht zwar
wenig heut,
Doch heut bedarf's nur eines
einz'gen Wortes,
Des Jaworts am Altar, und ich bin
glücklich.
Zuleima:
Die Brust ist mir so sehr
beklommen, Señor.
Dritter
Ritter:
Ein schlimmes Zeichen ist es, Don
Enrique,
Daß Ihr das Salzfaß eben
umgestoßen.
Vierter
Ritter:
Ein schlimmres Zeichen wär's,
wenn Ihr den Becher
Mitsamt dem Weine umgestoßen
hättet.
Dritter
Ritter:
Don Carlos ist ein Säufer.
Vierter
Ritter:
Ja! Gottlob,
Und kein trübselig Sonntagskind,
wie Ihr,
Dem gleich das beste Mahl
versalzen ist,
Wenn jemand unversehns das
Salzfaß umwirft.
Ja, ja der Wein, das ist mein
Element!
In seinen goldig hellen
Liebesfluten
Will ich gesund die kranke Seele
baden;
Und lachen muß ich immer, wenn
ich denke,
Wie Mekkas nüchterner Prophet –
Ja, Señor,
Der Wein, der Wein, ja, ja, ich
wollte sagen
Der Wein ist gut –
Ali:
Pedrillo! Hör Pedrillo!
Pedrillo:
Genäd'ger Herr?
Ali:
Laß alle Possenreißer,
Und alle Gaukler kommen, alle
Springer,
Und auch den Harfenspieler, das
Gesindel
Aus Barcelona.
Pedrillo:
Versteh schon, gnäd'ger Herr!
Geht ab.
Fünfter
Ritter im Gespräch mit einer Dame:
Heuraten werd ich nimmermehr,
Señora.
Die Dame:
Ihr scherzt, Ihr seid bei Laune,
Don Antonio;
Ihr seid ein Damenfreund, und
Freund der Liebe.
Fünfter
Ritter:
Ich liebe wohl die Myrte, ich
ergötze
Mein Auge an dem frischen Grün
der Blätter,
Erquicke mir das Herz an ihrem
Duft;
Doch hüt ich mich, daß ich die
Myrte koche,
Um als Gemüse sie zu speisen –
bitter,
Señora, bitter schmeckt ein solch
Gericht.
Der Abt im Gespräche
mit seinem Nachbar:
Das war ein herrliches Autodafé;
So etwas labt das Herz des
frommen Christen,
Und schreckt die starren Sünder
auf den Bergen –
Zu Ali:
Wißt Ihr die
Nachricht schon vom Sieg der
Unsern
Und von der Heiden blut'ger
Niederlage?
Sie haben sich zerstreut, unweit
von hier
Durchstreifen sie die Gegend –
Ali
nach der Türe
sehend:
Gott sei Dank!
Ich hab es schon gehört,
ehrwürd'ger Herr –
Doch soll uns jetzt das
Gaukelspiel ergötzen –
Possenreißer,
Gaukler,
Springer,
und ein
Harfenspieler treten
herein.
Burleskes
Ballett.
Der
Harfenspieler
singt:
In dem Hofe des Alhambras
Stehn zwölf Löwensäul von
Marmor;
Auf den Löwen steht ein
Becken
Von dem reinsten Alabaster.
In dem Becken
schwimmen Rosen,
Rosen von der schönsten
Farbe;
Das ist Blut der besten
Ritter,
Die geleuchtet in Granada.
Ali:
Ein traurig Lied. Es ist zu
melancholisch.
Gebt uns ein lustig Hochzeitlied,
recht lustig.
Der
Harfenspieler
singt:
Es war mal ein Ritter,
trübselig und stumm,
Mit hohlen, schneeweißen
Wangen;
Er schwankte und schlenderte
schlotternd herum,
In dumpfen Träumen befangen.
Er war so hölzern, und
täppisch, und links,
Die Blümlein und Mägdlein,
die kicherten rings,
Wenn er stolpernd
vorbeigegangen.
Oft saß er im
finstersten Winkel zu Haus;
Er hat sich vor Menschen
verkrochen.
Da streckte er sehnend die
Arme aus,
Doch hat er kein Wörtlein
gesprochen.
Kam aber die
Mitternachtstunde heran,
Ein seltsames Singen und
Klingen begann,
An die Türe da hört er es
pochen.
Da kommt
seine Liebste geschlichen
herein,
Im rauschenden
Wellenschaumkleide.
Sie blüht und glüht, wie ein
Röselein,
Ihr Schleier ist eitel
Geschmeide.
Goldlocken umspielen die
schlanke Gestalt,
Die Äuglein grüßen mit süßer
Gewalt-
In die Arme sinken sich
beide.
Der Ritter
umschlingt sie mit
Liebesmacht,
Der Hölzerne steht jetzt in
Feuer;
Der Blasse errötet, der
Träumer erwacht,
Der Blöde wird freier und
freier.
Sie aber, sie hat ihn gar
schalkhaft geneckt,
Sie hat ihm ganz leise den
Kopf bedeckt
Mit dem weißen, demantenen
Schleier.
In einen
kristallenen Wasserpalast
Ist plötzlich gezaubert der
Ritter.
Er staunt, und die Augen
erblinden ihm fast,
Vor alle dem Glanz und
Geflitter.
Doch hält ihn die Nixe
umarmet gar traut,
Der Ritter ist Bräut'gam, die
Nixe ist Braut,
Ihre Jungfraun spielen die
Zither.
Sie spielen
und singen; es tanzen herein
Viel winzige Mädchen und
Bübchen.
Der Ritter der will sich zu
Tode freun,
Und fester umschlingt er sein
Liebchen –
Pedrillo
stürzt ängstlich herein.