An Bord des »Petrel«.
An der Mündung von Mellacoree, Guinea, November 1873.
An einem herrlich tropischen Abend gehen wir in Benty ans
Land, und man führt uns sofort zu Miß Mary Parker.
Miß Mary, die Königin des Ortes, befindet sich in einer
strohgedeckten Hütte, in der sich die verschiedensten Dinge
angehäuft finden, die alle zum Verkauf aufgestapelt sind –
übrigens der einzige Laden in der Gegend.
Miß Mary, die etwa zwanzig Jahre zählt, ist aus Sierra
Leone gebürtig, und, ich gestehe es, sie ist ein sehr
gelungenes Exemplar jener Negerrassen, die dort die Engländer
in Kleidung und Gehaben imitieren. Miß Mary ist schwarz und
hat welliges Haar. Sie ist ein pikantes Gemisch von exotischer
Miß und Affenweibchen: ein komisches Geschöpf, aber sie hat
Geist und sogar Charme.
Der Flecken Benty am Eingang des Flusses Melitacorée
besteht nur aus wenigen Indianerhütten und aus einem einzigen
weißen Haus, um das herum viel Blumen blühen. Das Ganze ist in
Tropenwälder eingebettet. Und nach Senegambiens öden
Sandflächen wäre es hier gut zu leben. Doch wird man gleich
beim Landen von unerklärlichem Unbehagen befallen, die Hitze
wirkt entkräftigend, und Fieberdünste liegen in der Luft.
Die Tage vergehen für uns mit Streifungen und Jagdzügen,
erfüllt von Müdigkeit und wechselndem Erleben, und jeden Abend
ist Gesellschaft im Warenlager von Miß Mary. Es weht durch
diesen Raum eine unbeschreiblich drückende Hitze und ein
aromatischer Duft sui generis.
Miß Mary empfängt mit englischem Zeremoniell, das an jedem
anderen Ort unerträglich wäre, das aber hier erheiternd wirkt,
in der weltfernen Hütte der jungen Negerin.
Sie benützt übrigens diese Abende, um uns eine Unzahl von
Dingen zu verkaufen und kredenzt uns Ströme lauwarmen Wassers,
die sie mit einem Absud aus bitteren Kräutern vermischt.
In Guineas Wälder dringt man auf kaum gebahnten Wegen ein,
wo reichlich Schlangen hausen ... Nirgends ein Sichwohlfühlen,
niemals ein frisches Lüftchen auf diesen engen Pfaden. Ob
morgens, abends oder nachts, – immer die gleiche feuchte
Stickluft, man fühlt, wie ungesund der Duft all dieser
Pflanzen ist, und wie mit jedem Atemzug das Fieber in den
Körper dringt ...
Die größere Hälfte das Bodens besteht aus völlig
unzugänglichen Sümpfen, die ungezählte Sumpfblüten an ihrer
Oberfläche und im Innern Herde tödlichen Giftes tragen.
Dies Land bleibt wohl für alle Zeiten verdammter Grund ohne
jede Zivilisation, und Europäer werden wohl nur als
Flüchtlinge ihren Fuß hierher setzen, um hier ihr Glück zu
versuchen, koste es auch Gesundheit und Leben ...
Als unser Abschied von Mellacorée herannaht, verfällt Miß
Mary in einen Zustand höchster Aufregung, sie kann nicht
schnell genug alles verpacken, was sie uns verkauft hat, und
die Menge der Pakete verwirrt sie. Unsere Einkäufe waren Zöpfe
und Halsketten aus Beeren, deren herber, durchdringender Duft
charakteristisch ist für die Küste von Guinea. Besonders viel
kauften wir jedoch von den kleinen ebereschenähnlichen
Früchten, die hier im Überfluß gedeihen und die einer der
Lieblingsleckerbissen der Senegalneger sind.
In ihrer Geschäftigkeit verliert Miß Mary ihr Haarnetz, und
ihr kurzes Krepphaar steht in steifen Zöpfchen wie eine Unzahl
Fühler von ihrem Kopf weg. Das wirkt ungeheuer komisch.
Nichts Damenhaftes ist mehr an ihr zu erblicken, das
Affenweibchen hat die Oberhand. Doch ist sie drollig und
gutmütig dabei, daß man sie fast noch reizend finden könnte.
Vor unserer Abreise bittet sie uns, ihr aus St. Louis, dem
Ziel unserer nächsten Reise, einen Hut mit rosenroten Blüten
mitzubringen, bei dessen Wahl sie das beste Vertrauen zu
unserem guten Geschmack hat.