Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

An Bord des »Tonnerre«.

Lorient, 3. Februar 1878.

Ich kam vom Friedhof zurück. Dort hatte man einen jungen Artillerieoffizier begraben, der sich unter den Fenstern seiner Angebeteten aus unglücklicher Liebe erschossen hatte.

Mein Freund, der Schiffsfähnrich d'Esguiyen, mit dem ich eine Stunde geplaudert hatte, verließ mich plötzlich, um so schnell als möglich, auf einem Querweg, heimzugelangen. »Weil man mich zu Hause erwartet,« sagte er. »Man« waren sein junges Weib und sein blondes einjähriges Töchterchen, die seiner Heimkunft harrten ... Ich aber schlenderte trübselig meinem leeren Zimmer entgegen. Die Winternacht fiel herein, grauer Dämmerdunst umhüllte die Stadt, und die gelben Lichter der Gaslaternen flammten langsam im kalten Nebel auf. Hafenarbeiter kamen aus dem Dienst, müde und froh zugleich, – auch auf sie wartete »man« am heimischen Herd...

Arme, liebe kleine Aziyadé, Stambul liegt fern, doch die Februarnacht sinkt düster und geheimnisvoll auch auf die Haremsgebäude nieder und auf die mächtigen Tempel des Islam, die zweifellos bald nicht mehr sein werden. Liebe kleine Aziyadé, ich liebe dich mit meiner ganzen Seele und meinem ganzen Herzen noch ebenso wie einst beim bitteren Scheiden.

Vielleicht kommt einst der Tag, wo »man« mich auch daheim erwarten wird, eine andere, eine Unbekannte, deren Dasein mir noch fremd ist, die mir heut' noch nichts bedeutet ... Vielleicht auch Kinder, kleine Kinder, und es werden nicht deine Kinder sein ...

Meinst du, ich könnte jemals kleine Kinder lieben, wenn nicht in ihren Adern dein Blut und meines gemeinsam fließt? ...

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de