Zustand des Staatsschatzes
Der vorige König, Friedrich der Große, war ein Philosoph,
ein weiser und umsichtiger Mann. In dem von ihm verfassten,
die Staatsverwaltung betreffenden Testament heißt es: "für den
Staatsschatz eines Landes muss man: Erstens Ursachen und
Umstände schaffen zur Hebung von Ackerbau und Bodenkultur.
Zweitens die Handwerker so unterstützen, dass sich kein
Arbeitsloser im Lande befindet. Drittens muss jeder Staat sich
bemühen und anstreben, die Waren und Sachen, die im eigenen
Land nicht vorhanden sind und notwendigerweise aus anderen
Gegenden bezogen werden müssen, im eigenen Lande zu gewinnen.
Dazu viertens, die Handelsbilanz so regeln, dass nur wenig
Waren eingeführt, aber viele ausgeführt werden wodurch das
Geld des Staates im Lande selbst bleibt. Fünftens muss, wenn
der Ochse eines Untertanen verunglückt ist oder sein Getreide
von einem Unheil betroffen wurde, ihm ein Ochse und Sämerei
gegeben werden, damit er nicht außerstand gesetzt wird,
weiterzuarbeiten. Oder wenn einer in dem Dorfe, wo er wohnt,
nicht genügend Feld hat, so muss er an einem günstigeren und
anbaufähigeren Ort angesiedelt werden. Und wo ein ödes aber
für Ackerbau und Landwirtschaft taugliches Land sich findet,
da muss durch Fällen der darauf stehenden Wälder Feld gewonnen
werden, so dass die Ackerbauer und Landwirte des Landes hieran
keinen Mangel haben. Sechstens dürfen die im Lande erzeugten
Lebensmittel nicht mit Zwang aus den Händen der Bevölkerung
genommen werden, sondern man muss sie sie selbst in die Städte
bringen und dort, wie es die Zeit und Verhältnisse erfordern,
zu ihrer Zufriedenheit, an wen sie wollen, verkaufen lassen.
Siebentens muss man solche Hausierer und Bettler, die im Lande
ohne Beruf und Arbeit sind, aber gesunde Gliedmaßen haben, in
den errichteten Fabriken unterbringen und dort Arbeit
verrichten lassen, damit sie so ihren Lebensunterhalt finden.
Achtens muss jeder Staat, der etwas erreichen will, das, was
er unternimmt, auf fester Grundlage anordnen können, und diese
Anordnung darf weder durch Bitte noch Fürbitte der Gefahr
ausgesetzt werden, Einbuße zu erleiden, derart dass das Gesetz
immer befolgt und in Kraft gehalten wird. Wenn dies der Fall
ist, blüht und gedeiht der Staat, niemand bleibt mittellos;
und da jeder imstande ist, sich zu unterhalten, gibt es keinen
Raub. Das Land ist in ruhigem Zustande. Dadurch mehren sich
seine Erzeugnisse und Waren, wodurch wiederum der Handel
Aufschwung nimmt, so dass das Geld des Landes von Tag zu Tag
im Steigen ist.
Wo das aber nicht der Fall ist, wird die Staatsordnung
Schaden erleiden; jeder wird mit der Absicht, seine Neigung
und Begierde auszuführen, auf allerhand Korruption bedacht
sein, wodurch die Ehrsamen der Bevölkerung ihrer Ruhe beraubt
werden. Außerdem werden die Faulenzer zunehmen und zur Plage
der Bevölkerung werden, während die Bevölkerung selbst
ohnmächtig und energielos ist. So wird das Land verfallen und
unbewohnt werden. Ja wie viel reiche Schätze ein Land auch
haben mag, so werden diese durch das Eintreten von
Weltgeschehnissen doch gänzlich aufgezehrt werden, und dieser
Staat wird dadurch in große Schwierigkeit geraten. Wohingegen
jener Staat zu keiner Zeit Schwierigkeit haben wird, wenn
seine Bevölkerung und Untertanen in Schutz und Schirm vor
Grausamkeit und Ungerechtigkeit, in glücklichen Verhältnissen
leben und so gleichsam selbst den Staatsschatz bilden.
Als der vorige verstorbene König den Königsthron bestieg,
war das jährliche Staatseinkommen 25 000 Beutel. Durch
Befolgung jener feinen Grundsätze jedoch hat er es auf 60000
Beutel gebracht. So berichtet das genannte Testament. Heute
ist das jährliche Einkommen des preußischen Staates annähernd
80000 Beutel. Von dieser Summe sind etwa 45 000 Beutel für
Militärbesoldung, für Artillerie- und Munitionsarsenale und
sonstige Feldzugsbedürfnisse sowie zur Instandsetzung von
Festungen und Forts. Ferner werden 23000 Beutel für die
königliche Zivilliste nebst den Gehältern der Minister und der
mit den übrigen Staatsgeschäften betrauten Beamten sowie für
irgendwohin bestimmte 432 Gesandte ausgegeben. Auch die
Ausgaben für Brücken- und Weginstandsetzung, wie die
Wiederaufrichtung der Häuser der Dörfer, die bei einer durch
Gottes Vorsehung entstandenen Feuersbrunst niedergebrannt
sind, und sonstige wichtige Angelegenheiten sind hierin
einbegriffen. Der danach sich ergebende Rest von 12000 Beutel
soll im Kriegsfall ausgegeben werden, um diese Last vom Volk
fernzuhalten, und wird in der Schatzkammer des Königs
aufbewahrt.
Als der vorige König im Jahre 71 [1758] mit mehreren
Ländern 7 Jahre ununterbrochen Krieg führte, wurde sein
vorhandener Bestand an Geldmitteln aufgebraucht. Damit nun
seine Feinde nicht sagen sollten, er wäre bankrott, ließ er am
Ende des Feldzuges außerhalb der 5 bis 6 Stunden von Berlin
entfernten Stadt Potsdam, die zur Sommerszeit ein Ausflugsort
der preußischen Könige ist, ein großes Schloss bauen. So gab
er, wie von unterrichteten Leuten bestätigt wird, den anderen
Staaten zu wissen, dass noch ein Teil seines Geldbestandes
vorhanden war. (Ich überlasse jedoch die Verantwortung für die
Wahrheit dieser Erzählung dem Erzähler.)