Auswahl seiner Vorzüge, seiner hervorragenden
Eigenschaften und charakterlichen Anlagen, die ihn von anderen
hervorhoben
Abu al-Hassan
Musa (a.) war der Frömmste seiner Zeit, der Kenntnisreichste
im islamischen Recht, der Großzügigste und der Edelste an
Gesinnung. Es wurde überliefert, dass er das Nafila-Gebet
in der Nacht (so lange) zu verrichten pflegte, bis die Zeit
des Morgengebets anbrach, und dass er danach Bittgebete (Du´a)
las, bis die Sonne aufging. Er verharrte in der Niederwerfung
vor Allah und erhob nicht seinen Kopf von Bittgebeten und
Lobpreisungen, bis die Sonne kurz davor war, ihren Zenith zu
überschreiten.
Er pflegte viele Bittgebete zu rezitieren, wobei er sprach:
„O Allah, ich erbitte von Dir Erleichterung beim Tod und
Vergebung bei der Abrechnung“,
und er wiederholte jenes (oft).
Eines seiner
Gebete war: „Wie groß ist die Sünde vor dir, darum lasse
Vergebung dir gut erscheinen.“
Er pflegte aus
Furcht vor Allah zu weinen, bis sein Bart vor Tränen feucht
war. Er war der freundlichste der Männer zu seiner Familie und
seinen Verwandten. Er suchte nachts die Armen von Medina auf
und trug einen Korb bei sich mit Geld, Mehl und Datteln. Er
ließ ihnen das alles zukommen, ohne dass sie von irgendwoher
wussten, dass es von ihm war.
Al-Scharif Abu
Muhammad al-Hassan ibn Muhammad ibn Yahya berichtete mir:
„Mein Großvater Yahya ibn al-Hassan ibn Dscha´far sagte uns: ‚Isma´il
ibn Ya´qub sagte uns: ‘Muhammad ibn Abdullah al-Bakri
berichtete uns: ‚Ich (Muhammad ibn Abdullah) kam nach Medina,
um eine Schuld einzutreiben, und es machte mich überdrüssig.
Ich sagte (zu mir selbst): ‚Wäre ich doch zu Abu al-Hassan
Musa (a.) gegangen und hätte mich bei ihm beklagt’, so ging
ich zu ihm nach Naqama,
in sein Anwesen. Er kam zu mir heraus, und bei ihm war ein
Diener, der einen Korb bei sich trug, worin sich etwas
getrocknetes in Streifen geschnittenes Fleisch befand. Niemand
sonst war bei ihm, er aß, und ich aß mit ihm. Dann fragte er
mich nach meinem Wunsch. So erzählte ich ihm meine Geschichte.
Er ging hinein, und es dauerte nicht lange, bis er zu mir
herauskam, und die (anwesenden) Diener zum Gehen aufforderte.
Dann streckte er seine Hand nach mir aus und reichte mir eine
Geldbörse, in der sich dreihundert Dinare befanden. Darauf
erhob er sich und wandte sich ab. Ich bestieg mein (Reit-)Tier
und ritt davon.“
Al-Scharif Abu
Muhammad al-Hassan ibn Muhammad berichtete mir von seinem
Großvater, von einem anderen seiner Gefährten und Lehrern:
„Ein Mann aus der Familie von Omar ibn al-Chattab war in
Medina, versuchte, Abu al-Hassan Musa (a.) Schaden zuzufügen,
beschimpfte ihn, wann immer er ihn sah und schmähte Ali (a.).
Eines Tages sagte zu ihm einer von denjenigen, die an seinen
(Imam Musas, a.) Versammlungen teilnahmen: ‚Lasst uns
diesen Sünder töten.’ – Er (Imam Musa, a.) verbot ihnen
das mit Nachdruck und tadelte sie streng. Er fragte nach dem
Nachkommen von Omar, und man sagte ihm, dass er eine Farm in
einem Vorort von Medina bewirtschafte. Er ritt hinaus und fand
ihn auf seiner Farm. Als er die Farm mit seinem Esel betrat,
rief der Nachkomme Omars aus: ‚Tritt nicht auf mein
Saatfeld!’ Doch Abu al-Hassan (a.) betrat es mit seinem
Esel (weiterhin), bis er bei ihm ankam. Er stieg ab und setzte
sich zu ihm. Er war freundlich und lachte mit ihm und sagte zu
ihm: ‚Wie viel hast du bezahlt, um dein Land zu bebauen?’
– ‚Hundert Dinar’, erwiderte er. ‚Und wie viel
hoffst du davon zu bekommen?’, fragte der Imam. ‚Ich
kenne nicht das Verborgene’, war die Antwort. ‚Ich
fragte dich nur, wie viel du hoffst, dass es dir bringen wird’,
sagte der Imam. ‚Zweihundert Dinar,’ antwortete er. Abu
al-Hassan zog einen Geldbeutel mit dreihundert Dinar hervor
und sagte: ‚Dies ist (was du ausgegeben hast für) deine
Saat in ihrem jetzigen Zustand (d.h. was du ausgegeben hast,
um es zu sähen) und was du dafür zu verdienen hoffst. Möge
Allah dir gewähren, was du dir davon erhoffst.’ Da erhob
sich der Nachkomme Omars, küsste seinen (Abu al-Hassans) Kopf
und bat für seine vorherigen (voreiligen) Worte um Verzeihung.
Abu al-Hassan (a.) lächelte und ging fort.
Er ging
(später) in die Moschee und fand den Nachkommen Omars dort
sitzend. Als dieser ihn erblickte, rief er aus: ‚Allah weiß
am besten, wohin er seine (prophetische) Botschaft entsendet.’
Seine Gefährten eilten (überrascht) zu ihm und fragten:
‚Was ist deine Geschichte (hinter dem, was du sagst), du hast
(vorher) anders gesprochen.’ – ‚Ihr habt gehört, was
ich jetzt gesagt habe,’ sagte er, und er begann, für Abu
al-Hassan (a.) zu werben. Sie widersprachen ihm, und er
widersprach ihnen. Als Abu al-Hassan (a.) zu seinem Haus
zurückkehrte, sagte er zu den (um ihn) Versammelten, die von
ihm die Tötung des Omar-Nachkommens verlangt hatten: ‚Was
war besser, das, was ihr wolltet, oder das, was ich wollte?
Ich richtete seine Angelegenheit in dem Maße, wie euch (jetzt)
deutlich wurde. Ich war genug für das Böse in ihm.’“
Eine Gruppe
der Gelehrten (ahl-al-’ilm) erwähnte, dass Abu al-Hassan (a.),
immer mit zwei- bis dreihundert Dinar zu reisen pflegte (um es
zu spenden), und die Geldbörsen Abu al-Hassans (a.) waren
sprichwörtlich.
Ibn Ammar und
andere Überlieferer berichteten: „Als al-Raschid sich auf den
Weg zur Hadsch (Große Pilgerfahrt) machte und sich Medina
näherte, trafen ihn die Anführer ihrer (Medinas) Einwohner.
Musa ibn Dscha´far (a.) kam (auch) zu ihnen (allerdings nur)
auf einem Maultier. ‚Wie! Ist dies das Tier, auf dem du den
Fürsten der Gläubigen treffen wirst?’,
fragte ihn al-Rabi’. ‚Wenn du darauf etwas erreichen
willst, wirst du es nicht erlangen können, und wenn du
verfolgt wirst (während du auf ihm reitest), kannst du nicht
entkommen’ (sagte al-Rabi’). – ‚Es ist unter dem
Stolz von Pferden, und es ist über der Niedrigkeit von
Wildeseln, und die besten Dinge sind diejenigen in der Mitte.’
Als Harun
al-Raschid nach Medina kam, machte er einen Besuch bei dem
(Grab) des Propheten (s.), und die Leute gingen mit ihm. Er
näherte sich dem Grab des Gesandten Allahs (s.) und sagte:
‚Friede sei mit dir, o Gesandter Allahs, Friede mit dir. o
Cousin!,’ und er wollte damit seine stolze Position
gegenüber den anderen zur Geltung bringen. Da näherte sich Abu
al-Hassan (a.) dem Grab und sprach: ‚Friede sei mit dir, o
Gesandter Allahs, Friede sei mit dir, Vater!’.
Da änderte sich Raschids Gesichtsausdruck, und sein Ärger
wurde damit offensichtlich.“
Abu Zaid
überlieferte: „Abd al-Hamid informierte mich: Muhammad ibn
al-Hassan fragte Abu al-Hassan Musa (a.) nach der
Zusammenkunft mit al-Raschid - und sie waren in Mekka - wobei
er sich erkundigte: ‚Ist es einem Muhrim
erlaubt, dass seine Kamelsänfte ihn (von der Sonne)
überschattet?’ – ‚Es ist für ihn nicht erlaubt’,
erwiderte Musa (a.), ‚wenn er irgendeine (andere) Wahl
hat.’ – ‚Ist es ihm erlaubt,’ fragte Muhammad ibn
al-Hassan, ‚unter (natürlichem) Schatten aus freiem Willen
zu wandeln?’ – ‚Ja’, antwortete Musa (a.). Muhammad
ibn al-Hassan lachte darüber. ‚Verwundert dich die Sunna
des Propheten und seiner Familie (s.)’, fragte Abu
al-Hassan Musa (a.), ‚so dass du darüber spottest? Der
Prophet (s.) entdeckte den (natürlichen) Schatten (d.h. nutzte
ihn) in seinem Ihram-Zustand, und er wandelte im (natürlichen
Schatten), während er Muhrim
war, und die Vorschriften Allahs - o Muhammad - unterliegen
nicht dem Analogieschluss (Vergleich).
Wer bei ihnen den Analogieschluss anwendet, ist von rechten
Weg abgewichen.’ Muhammad ibn al-Hassan schwieg und
erwiderte nichts mehr.“
Die Leute
überlieferten von Abu al-Hassan Musa (a.), und sie waren sehr
zahlreich, denn wie wir vorher schon erwähnten, war er der
Bewandertste im islamischen Recht (fiqh) in seiner Zeit, der
beste Kenner des Buches Allahs und er hatte die schönste
Stimme beim Qur´an-Rezitieren. Wenn immer er rezitierte,
wurden seine Zuhörer traurig und weinten (vor Rührung) durch
seine Lesung. Die Bewohner Medinas pflegten ihn „Zain-al-Mutahadschidin“
(„Zier der nachts Wachenden“) zu nennen. Er wurde auch „al-Kazim“
(„Der Zurückhaltende“) genannt wegen der Beherrschung seines
Zorns und seiner Geduld gegenüber den Taten seiner
Unterdrücker, bis er starb, ermordet in ihrem Kerker und ihren
Fesseln.