Buch der Rechtleitung
Buch der Rechtleitung [kitab-ul-irschad]

Aussprache: kitaab-ul-irschaad
arabisch:
كتاب الارشاد
persisch:
كتاب الارشاد
englisch: Book of Guidance [kitab al irshad]

Hintergrundinformationen zum Buch siehe: Buch der Rechtleitung [kitab-ul-irschad]

Auswahl seiner Vorzüge, seiner hervorragenden Eigenschaften und charakterlichen Anlagen, die ihn von anderen hervorhoben

Abu al-Hassan Musa (a.) war der Frömmste seiner Zeit, der Kenntnisreichste im islamischen Recht, der Großzügigste und der Edelste an Gesinnung. Es wurde überliefert, dass er das Nafila-Gebet[1] in der Nacht (so lange) zu verrichten pflegte, bis die Zeit des Morgengebets anbrach, und dass er danach Bittgebete (Du´a) las, bis die Sonne aufging. Er verharrte in der Niederwerfung vor Allah und erhob nicht seinen Kopf von Bittgebeten und Lobpreisungen, bis die Sonne kurz davor war, ihren Zenith zu überschreiten.[2] Er pflegte viele Bittgebete zu rezitieren, wobei er sprach: „O Allah, ich erbitte von Dir Erleichterung beim Tod und Vergebung bei der Abrechnung“[3], und er wiederholte jenes (oft).

Eines seiner Gebete war: „Wie groß ist die Sünde vor dir, darum lasse Vergebung dir gut erscheinen.“[4]

Er pflegte aus Furcht vor Allah zu weinen, bis sein Bart vor Tränen feucht war. Er war der freundlichste der Männer zu seiner Familie und seinen Verwandten. Er suchte nachts die Armen von Medina auf und trug einen Korb bei sich mit Geld, Mehl und Datteln. Er ließ ihnen das alles zukommen, ohne dass sie von irgendwoher wussten, dass es von ihm war.[5]

Al-Scharif Abu Muhammad al-Hassan ibn Muhammad ibn Yahya berichtete mir: „Mein Großvater Yahya ibn al-Hassan ibn Dscha´far sagte uns: ‚Isma´il ibn Ya´qub sagte uns: ‘Muhammad ibn Abdullah al-Bakri berichtete uns: ‚Ich (Muhammad ibn Abdullah) kam nach Medina, um eine Schuld einzutreiben, und es machte mich überdrüssig. Ich sagte (zu mir selbst): ‚Wäre ich doch zu Abu al-Hassan Musa (a.) gegangen und hätte mich bei ihm beklagt’, so ging ich zu ihm nach Naqama[6], in sein Anwesen. Er kam zu mir heraus, und bei ihm war ein Diener, der einen Korb bei sich trug, worin sich etwas getrocknetes in Streifen geschnittenes Fleisch befand. Niemand sonst war bei ihm, er aß, und ich aß mit ihm. Dann fragte er mich nach meinem Wunsch. So erzählte ich ihm meine Geschichte. Er ging hinein, und es dauerte nicht lange, bis er zu mir herauskam, und die (anwesenden) Diener zum Gehen aufforderte. Dann streckte er seine Hand nach mir aus und reichte mir eine Geldbörse, in der sich dreihundert Dinare befanden. Darauf erhob er sich und wandte sich ab. Ich bestieg mein (Reit-)Tier und ritt davon.“[7]

Al-Scharif Abu Muhammad al-Hassan ibn Muhammad berichtete mir von seinem Großvater, von einem anderen seiner Gefährten und Lehrern: „Ein Mann aus der Familie von Omar ibn al-Chattab war in Medina, versuchte, Abu al-Hassan Musa (a.) Schaden zuzufügen, beschimpfte ihn, wann immer er ihn sah und schmähte Ali (a.). Eines Tages sagte zu ihm einer von denjenigen, die an seinen (Imam Musas, a.) Versammlungen teilnahmen: ‚Lasst uns diesen Sünder töten.’ – Er (Imam Musa, a.) verbot ihnen das mit Nachdruck und tadelte sie streng. Er fragte nach dem Nachkommen von Omar, und man sagte ihm, dass er eine Farm in einem Vorort von Medina bewirtschafte. Er ritt hinaus und fand ihn auf seiner Farm. Als er die Farm mit seinem Esel betrat, rief der Nachkomme Omars aus: ‚Tritt nicht auf mein Saatfeld!’ Doch Abu al-Hassan (a.) betrat es mit seinem Esel (weiterhin), bis er bei ihm ankam. Er stieg ab und setzte sich zu ihm. Er war freundlich und lachte mit ihm und sagte zu ihm: ‚Wie viel hast du bezahlt, um dein Land zu bebauen?’ – ‚Hundert Dinar’, erwiderte er. ‚Und wie viel hoffst du davon zu bekommen?’, fragte der Imam. ‚Ich kenne nicht das Verborgene’, war die Antwort. ‚Ich fragte dich nur, wie viel du hoffst, dass es dir bringen wird’, sagte der Imam. ‚Zweihundert Dinar,’ antwortete er. Abu al-Hassan zog einen Geldbeutel mit dreihundert Dinar hervor und sagte: ‚Dies ist (was du ausgegeben hast für) deine Saat in ihrem jetzigen Zustand (d.h. was du ausgegeben hast, um es zu sähen) und was du dafür zu verdienen hoffst. Möge Allah dir gewähren, was du dir davon erhoffst.’ Da erhob sich der Nachkomme Omars, küsste seinen (Abu al-Hassans) Kopf und bat für seine vorherigen (voreiligen) Worte um Verzeihung. Abu al-Hassan (a.) lächelte und ging fort.

Er ging (später) in die Moschee und fand den Nachkommen Omars dort sitzend. Als dieser ihn erblickte, rief er aus: ‚Allah weiß am besten, wohin er seine (prophetische) Botschaft entsendet.’ Seine Gefährten eilten (überrascht) zu ihm und fragten: ‚Was ist deine Geschichte (hinter dem, was du sagst), du hast (vorher) anders gesprochen.’‚Ihr habt gehört, was ich jetzt gesagt habe,’ sagte er, und er begann, für Abu al-Hassan (a.) zu werben. Sie widersprachen ihm, und er widersprach ihnen. Als Abu al-Hassan (a.) zu seinem Haus zurückkehrte, sagte er zu den (um ihn) Versammelten, die von ihm die Tötung des Omar-Nachkommens verlangt hatten: ‚Was war besser, das, was ihr wolltet, oder das, was ich wollte? Ich richtete seine Angelegenheit in dem Maße, wie euch (jetzt) deutlich wurde. Ich war genug für das Böse in ihm.’[8]

Eine Gruppe der Gelehrten (ahl-al-’ilm) erwähnte, dass Abu al-Hassan (a.), immer mit zwei- bis dreihundert Dinar zu reisen pflegte (um es zu spenden), und die Geldbörsen Abu al-Hassans (a.) waren sprichwörtlich.[9]

Ibn Ammar und andere Überlieferer berichteten: „Als al-Raschid sich auf den Weg zur Hadsch (Große Pilgerfahrt) machte und sich Medina näherte, trafen ihn die Anführer ihrer (Medinas) Einwohner. Musa ibn Dscha´far (a.) kam (auch) zu ihnen (allerdings nur) auf einem Maultier. ‚Wie! Ist dies das Tier, auf dem du den Fürsten der Gläubigen treffen wirst?[10], fragte ihn al-Rabi’. ‚Wenn du darauf etwas erreichen willst, wirst du es nicht erlangen können, und wenn du verfolgt wirst (während du auf ihm reitest), kannst du nicht entkommen’ (sagte al-Rabi’). – ‚Es ist unter dem Stolz von Pferden, und es ist über der Niedrigkeit von Wildeseln, und die besten Dinge sind diejenigen in der Mitte.’ [11]

Als Harun al-Raschid nach Medina kam, machte er einen Besuch bei dem (Grab) des Propheten (s.), und die Leute gingen mit ihm. Er näherte sich dem Grab des Gesandten Allahs (s.) und sagte: ‚Friede sei mit dir, o Gesandter Allahs, Friede mit dir. o Cousin!,’ und er wollte damit seine stolze Position[12] gegenüber den anderen zur Geltung bringen. Da näherte sich Abu al-Hassan (a.) dem Grab und sprach: ‚Friede sei mit dir, o Gesandter Allahs, Friede sei mit dir, Vater!’[13]. Da änderte sich Raschids Gesichtsausdruck, und sein Ärger wurde damit offensichtlich.“[14]

Abu Zaid überlieferte: „Abd al-Hamid informierte mich: Muhammad ibn al-Hassan fragte Abu al-Hassan Musa (a.) nach der Zusammenkunft mit al-Raschid - und sie waren in Mekka - wobei er sich erkundigte: ‚Ist es einem Muhrim[15] erlaubt, dass seine Kamelsänfte ihn (von der Sonne) überschattet?’‚Es ist für ihn nicht erlaubt’, erwiderte Musa (a.), ‚wenn er irgendeine (andere) Wahl hat.’‚Ist es ihm erlaubt,’ fragte Muhammad ibn al-Hassan, ‚unter (natürlichem) Schatten aus freiem Willen zu wandeln?’‚Ja’, antwortete Musa (a.). Muhammad ibn al-Hassan lachte darüber. ‚Verwundert dich die Sunna des Propheten und seiner Familie (s.)’, fragte Abu al-Hassan Musa (a.), ‚so dass du darüber spottest? Der Prophet (s.) entdeckte den (natürlichen) Schatten (d.h. nutzte ihn) in seinem Ihram-Zustand, und er wandelte im (natürlichen Schatten), während er Muhrim[16] war, und die Vorschriften Allahs - o Muhammad - unterliegen nicht dem Analogieschluss (Vergleich)[17]. Wer bei ihnen den Analogieschluss anwendet, ist von rechten Weg abgewichen.’ Muhammad ibn al-Hassan schwieg und erwiderte nichts mehr.“[18]

Die Leute überlieferten von Abu al-Hassan Musa (a.), und sie waren sehr zahlreich, denn wie wir vorher schon erwähnten, war er der Bewandertste im islamischen Recht (fiqh) in seiner Zeit, der beste Kenner des Buches Allahs und er hatte die schönste Stimme beim Qur´an-Rezitieren. Wenn immer er rezitierte, wurden seine Zuhörer traurig und weinten (vor Rührung) durch seine Lesung. Die Bewohner Medinas pflegten ihn „Zain-al-Mutahadschidin“ („Zier der nachts Wachenden“) zu nennen. Er wurde auch „al-Kazim“ („Der Zurückhaltende“) genannt wegen der Beherrschung seines Zorns und seiner Geduld gegenüber den Taten seiner Unterdrücker, bis er starb, ermordet in ihrem Kerker und ihren Fesseln.

[1] Ein freiwilliges Gebet (Anm. d. Übers.)

[2] Al-Chatib wies in seiner Geschichtsschreibung darauf hin 13:31, und ibn Sabagh in „al-Fudhul al-Muhimma“: 238, und Al-Tabrassi erwähnte es in „A´lam al-Wara“ 296, und Allamah al-Madschlisi überlieferte es in „al-Bihar“ 48:101/5

[3] „A´lam al-Wara“: 296 und in „Manaqib Aal-i-Abi Talib („Die hervorragenden Charaktereigenschaften der Familie Abu Talibs“) 4:318, „al-Fusul-al-Muhimma“: 237

[4] „Tarich-i-Baghdad“ 13:27, und „Manaqib ibn Schahraschub“: 4:318, mit leichter Abweichung.

[5] Ibn Schahraschub erwähnte dies in „Manaqib“ 4:381, und Al-Tabrassi in „A´lam al-Wara“: 296, und Allamah al-Madschlisi überlieferte es in „al-Bihar“ 48:101/ Anhang zum Hadith

[6] Naqama: Ein Ort auf dem Lande, der zu Medina al-Munawwara („die Erleuchtete“) gehörte, er war im Besitze der Familie Abu Talibs (a.)

[7] „Tarich al-Baghdad“ 13:28, und Allamah al-Madschlisi überlieferte es in „al-Bihar“ 48:102/6

[8] Al-Chatib al-Bagdadi führte es mit leichter Abweichung in seinem Geschichtswerk auf 13:28, und Abu al-Faradsch al-Isfahani überlieferte es in „Maqatil al-Talibiyyin“ 499, Ibn Schahraschub in „al-Manaqib“: 4:319, und Al-Tabrassi erwähnte es in „A´lam al-Wara“: 296 und Allamah al-Madschlisi berichtete es in „al-Bihar“ 48:102/7.

[9] „Maqatil al-Talibiyyin“: 499, „Tarich Baghdad“: 13:28, „A´lam al-Wara“: 296, „Manaqib Aal-i-Abi Talib“: 4:320, mit geringer Abweichung, und Allamah al-Madschlisi überlieferte es in „al-Bihar“ 48:103

[10] Gemeint ist, dass Imam Musa den damaligen Kalifen Harun genannt al-Raschid treffen würde (Anm. d. Übers.)

[11] „Maqatil al-Talibiyyin“: 500. „A´lam al-Wara“: 296, „Manaqib Aal-i-Abi Talib“, 4:320 mit geringer Abweichung, und ‘Allamah al-Madschlisi berichtete es in „al-Bihar“ 48:103

[12] Seine Verwandtschaft zum Propheten (s.)

[13] Mit „Vater“ wird auch der Urgroßvater bezeichnet. Haruns Verwandtschaft war weitaus entfernter (Anm. d. Übers.)

[14] „Tarich al-Baghdad“ 13:31, und „Kifaya al-Talib: 457, „Tadhkira al-Chawas“: 314, „A´lam al-Wara: 297, „Manaqib ibn Schahraschub“ 4:320, „al-Ihtidschadsch“: 393, und Allamah al-Madschlisi erwähnte es in „al-Bihar“: 48:103

[15] Bezeichnung für einen Pilger im Weihezustand (Ihram), Näheres in „Manasik al-Hadsch“ von Ayatullah al-Uzma’ Imam Sayyid Ali al-Hussaini al-Khamene´i

[16] Jemand im Weihezustand (ihram) - (Anm. d. Übers.)

[17] Damals hatte sich die Methode des Analogieschlusses (qiyas) relativ neu unter einigen Gelehrten etabliert (Anm. d. Übers.)

[18] „A´lam al-Wara“: 298, „al-Ihtidschadsch“: 394, und Allamah al-Madschlisi erwähnte es in „al-Bihar“ 99:176/1

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