Das ABC des Islam
Das ABC des Islam

von

Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai

 

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Über die Hintergründe dieser Differenzen

Sämtliche Kalifen, die nach dem Dahinscheiden des Gesandten Gottes (s.) das Zepter ergriffen und ihre Herrschaft als eine islamische bezeichneten, waren von Grund auf gegen Ahl-ul-Bayt (a.s.) eingestellt. Ihre kontinuierliche Feindschaft wurde durch eine “Wurzel” ernährt, die niemals “vertrocknete”.

Der Gesandte Gottes (s.) hatte im Zusammenhang mit seinem Ahl-ul-Bayt (a.) gesagt, dass es mit außerordentlichen Qualitäten ausgerüstet sei. Unter anderem mit vollständigem Wissen über Inhalt und Aussagen des Heiligen Koran sowie all das, was “halal” und “haram” ist Auch das die islamische Ummah verpflichtet sei, die Unfehlbaren Imame (a s) und deren hohen Rang zu respektieren und zu würdigen Dieser Aufforderung kamen jedoch nicht alle der islamischen Gesellschaft nach.

Zudem machte Hadrat Muhammad (s.) gleich zu Beginn seiner öffentlichen Verkündigung seine Verwandtschaft - die er zu sich eingeladen hatte, um ihr seine Prophetenschaft und die göttliche Botschaft kundzutun - darauf aufmerksam, dass Ali (a.) sein Nachfolger sei. Auf diesen Tatbestand hatte er die Muslime des öfteren, unter anderem in den letzten Tagen seines Lebens, hingewiesen.

Dennoch..., nach seinem Dahinscheiden wählte die Ummah andere als Ali Ibn Abi Talib zu ihrem Kalifen bzw. “Statthalter des Propheten”. Sie verweigerten - dem Wort des Propheten zuwiderhandelnd - Ahl-Bayt (a.s.) die Führung der islamischen Gesellschaft, sahen in ihnen ständige “Konkurrenten” und eine große Gefahr für ihren “Thron”. Kurz, sie fürchteten das Da-Sein Ahl-Bayts (a.s.) und nutzten jede Gelegenheit, es zu vernichten.

Die wesentliche Ursache der Differenzen zwischen ihnen und Ahl-Bayt (a.s.) aber beruhte in folgendem: Obwohl eine jede islamische Regierung verpflichtet ist, die islamischen Weisungen und Gebote zu beachten und für deren Durchführung zu sorgen, fühlten sich die Kalifen, die nach dem Gesandten Gottes (s.a.a.s) die Herrschaft in die Hand nahmen, an diese ihre Aufgabe nicht gebunden. Weder achteten sie auf eine gewissenhafte Praktizierung der göttlichen Gebote noch hielten sie sich getreulich an die Sunna des Propheten.

An mehreren Stellen des Heiligen Koran warnt der Erhabene Gott die islamische Ummah vor Entstellung und Abänderung Seiner Gebote. Hadrat Muhammad (s.) lebte den Muslimen die gewissenhafte Einhaltung und Praktizierung dieser himmlischen Weisungen vor und machte ihnen im Verlaufe seiner Prophetenschaft klar, dass die Gesetze der Religion Gottes unantastbar und durchzuführen sind. Wo und wann und im Zusammenhang mit welchen Personen auch immer...

Die Anordnungen Gottes - die “Schari’ah” - sind allzeit verbindlich, für jedermann. Selbst für den Propheten. Niemand ist berechtigt, sie zu übergehen oder abzuwandeln.

Wird dieses Prinzip - das heißt, dass Weisungen und Richtlinien des Gesetzes für alle gelten - beachtet, kann soziale Gerechtigkeit entstehen und wird es möglich, dass Privilegien und Bevorzugungen aus der menschlichen Gesellschaft schwinden. Selbst der Gesandte Gottes, der von Gott eingesetzte “Dirigent” der Gesellschaft, dem diese zu Gehorsam verpflichtet war und ist, nahm für sich nicht das geringste Privileg in Anspruch.

Was für die anderen galt, galt auch für ihn. Sein Leben war in keinster Weise üppiger oder prächtiger als das der einfachen Bevölkerung. Im Gegenteil, er lebte bewusst so schlicht und bescheiden, dass in den Ärmsten der damaligen Gesellschaft kein “Nagen” entstand..., mit anderen Worten, dass sie ihr Dasein im Vergleich mit dem seinen nicht ais “armselig” empfanden. Kurz, sein Lebensstandard war nicht höher als der der Allgemeinheit.

Was das “offizielle Protokoll” anbelangt, ist zu sagen, dass er keines wollte. Er regierte ohne Aufwand und Prunk, schlicht und einfach. Er hielt es nicht für richtig und angebracht, das Öffentliche Budget mit derlei unnötigen Ausgaben zu belasten oder gar die Bevölkerung dafür aufkommen lassen. Mit anderen Worten, er lebte und residierte so bescheiden, dass niemand, der ihn nicht kannte, ihn auf den ersten Blick als Oberhaupt des islamischen Staates erkannt hätte...

Niemanden bevorzugte er vor den anderen. Alle waren in seinen Augen gleichwertig..., Frauen und Männer, Angehörige angesehene Familien oder die Durchschnittsbevölkerung, arm und reich, stark und schwach, Städter oder Beduinen, Freie oder Unfreie. Und niemanden verpflichtete er zu mehr als das Gebot Gottes auftrug. Das er sich vor den Einflußreichen und Mächtigen verneigt oder sich der Willkür irgendwelcher Tyrannen gefügt hätte, war ausgeschlossen.

Bei ein wenig Nachdenken wird deutlich - besonders auch unter Berücksichtigung all der Erfahrungen und Erkenntnisse, die die islamische Gemeinde nach dem Dahinscheiden des Gesandten Gottes bis zum heutigen Tage machte - das Hadrat Muhammad (s.) mit seinem Vorgehen und Verhalten eine einheitliche und gewissenhafte Durchführung der göttlichen Gebote und Weisungen in der Gesellschaft bezweckte als auch, dass sie gegen Veruntreuung, Entstellung und dergleichen bewahrt blieben.

Die Kalifate nach ihm jedoch orientierten sich nicht an seinem Brauch und Vorbild (Sunna). Ihr Vorgehen und Herrschaltsstil entsprach keinesfalls dem seinen. Sie handelten nach ihrem eigenen Gusto, ohne sich nach dem zu richten, was der Prophet ihnen “vorgelebt” hatte. Mit dem Resultat, das sich

Erstens: innerhalb kürzester Zeit starke Klassenunterschiede in der Gesellschaft bemerkbar machten. Die Ummah zerfiel in zwei Gruppen, in die der Mächtigen und Schwachen. Leben, Ehre und Besitz der einen wurden zum Spielzeug der anderen.

Zweitens: Die Kalifate begannen, die islamischen Gesetze abzuändern. Sie verstießen gegen die göttlichen Weisungen..., bisweilen unter dem Vorwand, der Gesellschaft damit einen Dienst zu erweisen oder aber um ihre eigene Macht und Politik dadurch abzusichern.

Diese Situation faste von Tag zu Tag mehr Fuß, breitete sich aus und spitzte sich schließlich so zu, das sich die Kalifate - wenngleich sie sich als “islamische Regierungen” bezeichneten - keinen Deut darum scherten, ob die islamischen Gesetze eingehalten wurden oder nicht. Was aber mit Bestimmungen und Weisungen geschieht, für deren rechte Durchführung nicht gesorgt wird, ist allseits bekannt.

Kurz..., dieweil die sogenannten islamischen Regierungen zu Zeiten AhI-ul-Bayts (a.) die göttlichen Gebote nach eigenem Gusto abänderten und gar außer acht ließen - weshalb sich ihr Lebens- und Herrschaftsstil von dem des Gesandten Gottes (s.) so grundlegend unterschied -betrachteten es die Imame (a.) als unbedingt erforderlich, das die koreanischen, d.h. göttlichen Gesetze und die Sunna des Propheten getreulich eingehalten wurden.

Diese ihre Ansicht, auf der sie beharrten, war den Kalifen ein “Dorn im Auge”. Daher war ihnen jedes Mittel recht, Ahl-ul-Bayt (a.) aus dem Wege zu räumen und das Licht ihrer Rechtleitung zum Erlöschen zu bringen.

Die Rechtleitenden Imame (a.) aber verzagten nicht, sondern bemühten sich trotz aller Schwierigkeiten und Repressalien unermüdlich darum, ihrer göttlichen Aufgabe nachzukommen, die Gesellschaft über die Wahrheiten aufzuklären und redliche, aufgeklärte Muslime heranzubilden.

Um sich über ihre Erfolge ein Bild machen zu können, empfiehlt es sich, in die Geschichte hineinzuschauen. Wie groß war die schiitische Gemeinschaft bereits in den fünf Jahren, in denen Amir at Muminin AIi (a.) das Kalifat innehatte! Allerdings war sie schon in den 25 Jahren, in denen Ali ibn Abi Talib (a.) das Regierungsamt verweigert ward und er in seien eignen bescheidenen vier Wänden ein zurückgezogenes, einsames Dasein fristete, zu einer stattlichen Anzahl angewachsen.

In Scharen strömte die Schi’ah - herangebildet von Imam Sadschad (a.) - zum Hause Imam Baqirs (a.s.). Und Hunderttausende scharten sich um Imam Ridha (a.)..., ein Ergebnis der Bemühungen Imam Mussa ibn Dschafars, der selbst in finsteren Kerkerzellen jede Gelegenheit nutzte, die Wahrheiten zu publizieren.

Ja, aufgrund der ununterbrochen erfolgenden Aufklärung und Unterrichtung Ahl-ul-Bayts (a.) vermochte sich die Schiah, die nach dem Dahinscheiden des Gesandten Gottes nur eine kleine Gruppe darstellte, zu jener umfangreichen Gesellschaft zu entwickeln, zu der sie bis zu jener Zeit, da die “Gaybat” des Zwölften Imam (a.) begann, herangewachsen war.

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