Das ABC des Islam
Das ABC des Islam

von

Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai

 

bullet Zum Inhaltsverzeichnis

Unterscheiden sich ihre Standpunkte und Taktiken?

Dem äußeren Schein nach unterscheidet sich das Vorgehen dieser beiden großen “Guides”, die der Gesandte Gottes selbst als rechtmäßige Imame bezeichnete. Einige meinen, der Nachweis dafür, dass ihre Ansichten hinsichtlich Taktik und Methode auseinander gingen”, werde daraus ersichtlich, dass sich der eine trotz eines Heeres von 40000 Mann zu einem fragwürdigen Frieden mit dem Feind bereiterklärte, dieweil der andere mit nur vierzig seiner Gefährten - abgesehen von seinen Angehörigen - dem Gegner Widerstand leistete und selbst seinen kleinen Sohn -ein Säugling noch - auf diesem Wege hingab.

Bei ein wenig genauerem Hinsehen aber wird deutlich, dass von einer Gegensätzlichkeit im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihres Imamats keinesfalls die Rede sein kann! Das jene, die so denken, einem Irrtum erlegen sind.

Imam Hassan (a.) hatte nahezu neuneinhalbe Jahre unter Druck und Vorherrschaft Muawiahs zugebracht, erhob sich aber - aus guten Gründen- nicht zu einem offenen Widerstand. Auch Imam Hussayn (a.) brachte es. neuneinhalb Jahre im Gewaltregime des Yazid zu, ohne auch nur ein Wort über einen offenen Kampf verlauten zu lassen.

Das bedeutet also, dass die Frage anders lauten muss. Und zwar, wie war es um den Herrschaftsstil der beiden Umayyaden-Kalifen Muawiah und Yazid bestellt? Unterschied sich das Vorgehen Muawiahs von dem seines Sohnes Yazid, so das sich Imam Hussayn (a.s.) schließlich zu einem offenen Widerstand gegen das herrschende Kalifat entschloß?

Nun..., Muawiahs Regierungsweise war von jener sichtbaren Amoral als auch offenkundigen Gegensätzlichkeit gegen die göttlichen Gebote - etwas, aus dem sein Sohn Yazid keinen Hehl machte - nicht gekennzeichnet. Er bezeichnete sich selbst als “Sahabeh”, als Prophetengefährte, und als einer derjenigen, die den Koran niedergeschrieben hatten. Da seine Schwester eine Gattin des Gesandten Gottes und somit “Umm ul Mu’minun” war, nannte er sich selbst “Hal ul Mu’minun”, d.h. “Onkel der Gläubigen”. Und weil der Großteil der Bevölkerung Umar, dem zweiten Kalifen, vertraut und dieser Muawiah verehrt und gewürdigt hatte, hielt es erstere, das heißt die Gesellschaft, mehr oder weniger ebenso. Abgesehen davon waren die meisten der noch lebenden Prophetengefährten - wie Abu Hurayrah, Amr As, Samreh, Yassar, Murayrat Ibn Schubah und andere - die die Zuneigung der Bevölkerung besaßen, mit Posten, Ämtern und wichtigen Staatsaufgaben betraut worden. Sie. sorgten nun ihrerseits für die positive Einstellung der muslimischen Gesellschaft Muawiah gegenüber.

Zudem kursierten zahlreiche “Überlieferungen” in der damaligen Gesellschaft, in denen von der Tugend und Hervorragendheit der Prophetengefährten die Rede war, von ihrer “religiösen Immunität” und darüber, dass niemand an dem, was sie taten, etwas aussetzen dürfe_.

Mit dem Resultat, dass Muawiahs Tun und Lassen, das ganz allgemein von den Sahabeh bestätigt wurde, nicht angezweifelt wurde bzw. nicht angezweifelt werden durfte. Wenn jedoch hin und wieder jemand Kritik äußerte, wurde er auf fürstliche Weise “belohnt”, richtiger gesagt, “bestochen”. Wer sich jedoch als unempfänglich für derlei “Belohnungen” erwies, fand den Tod. Durch Muawiahs Helfer und Helfershelfer. Zigtausend unschuldiger Freunde und Anhänger Imam Alis (a.s.) als auch jener aus den Reihen der übrigen Muslime und sogar der “Sahabeh” hatten aus diesem Grunde ihr Leben verloren.

Muawiah zeigte sich stets im Mäntelchen der Rechtschaffenheit. Bezeichnete sich als jemand, der auf der Seite von Recht und Gerechtigkeit steht. Mit erstaunlicher Geduld und Beharrlichkeit verfolgte er seine Ziele. Und da er sich milde und nachsichtig gab, brachte ihm die Bevölkerung Zuneigung und Gehorsam entgegen. Selbst wenn ihm der eine oder andere Vorhaltungen machte, reagierte er besonnen und langmütig und antwortete mit milden Worten. Das war sein politischer Stil, mit dem er das, was er wollte, erreichte.

Imam Hassan und Imam Hussayn (a.) gegenüber wahrte er - scheinbaren - Respekt und bedachte sie mit kostbaren Geschenken. Andererseits aber drohte er einem jeden, der würdigend über Ahl-ul-Bayt (a.s.) sprach oder entsprechende Riwayat verbreitete, schwere Strafe an. Derartiges war strikt untersagt, und Ehre, Eigentum und Leben dessen, der sich derlei “Frevel” schuldig machte, gerieten in akute Gefahr.

Muawiah ordnete an, dass ein jeder, der die Minbar bestieg, in seiner Rede unbedingt Ali (a s.) zu verunglimpfen und zu schmähen hatte. Zudem erteilte er den Befehl, dass Ali Ibn Abi Talibs Anhänger, wo immer man auf sie stoße, zu töten seien.

Seine Anweisungen wurden ausgeführt. Man ging dabei so unerbittlich und geradezu “blind” vor, dass selbst etliche jener, die Ali (a.) feindlich gesonnen waren, unter der Anschuldigung, sie seien seine Freunde gewesen, ums Leben gebracht wurden.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass Imam Hassan (a.) gar nicht anders vorgehen konnte, als er vorging. Hatte er offenen Widerstand gegen Muawiah geleistet, wäre das unweigerlich zum Nachteil der islamischen Sache gewesen. Er hätte nichts erreicht als nur, dass sein Blut und das seiner Mitstreiter vergossen worden wäre.

Zudem lag es nahe, dass Muawiah Imam Hassan (a.) durch jemanden aus dessen Reihen würde töten lassen, um dann in geheuchelter Trauer an dessen Begräbnis teilzunehmen und - sozusagen in bitterer Vergeltung - unter der Schiah ein Blutbad anzurichten. Unter dem Vorwand: Sie, die Schiiten, waren es, die Imam Hassan (a.) töteten. Sie müssen daher das Verbrechen sühnen!

In dem Stile, wie er im Zusammenhang mit Uthmans Tod vorgegangen war...

Yazids Methode war eine völlig andere und in keinster Weise mit der Strategie seines Vaters zu vergleichen. Er war ein arroganter junger Mann, zügellos, unbeherrscht, roh und gewalttätig. Das, was die Bevölkerung über ihn dachte, interessierte ihn nicht und was sie wünschte, war ihm völlig unwichtig. Was dem Islam zuvor - insgeheim, sozusagen hinter dem Vorhang - angetan worden war, ließ er während seiner kurzen Herrschaftszeit völlig unbemantelt zu Tage treten. Im ersten Jahr seines Kalifats richtete er die Lanzen gegen jene aus dem Hause des Propheten und ließ einen jeden von ihnen, dessen seine Häscher habhaft werden konnten, töten.

Im zweiten Jahr verwüstete er Medina. Drei Tage lang wüteten seine Soldaten in der “Stadt des Propheten” und mordeten, plünderten und schindeten in grauenvoller Weise.

Im dritten Jahr dann ordnete Yazid die Zerstörung der Ka’ba an. Sein rohes und skrupelloses Vorgehen aber war es, was die Gesellschaft für die Botschaft der Bewegung Hussayns (a.) empfänglich machte. Mehr und mehr erkannte sie deren Sinn. Es kam zu blutigen Aufstanden gegen das tyrannische Kalifat, und die Gemeinschaft jener Muslime, die sich auf die Seite von Recht und Wahrheit stellten und sich als Freunde, als “Schi’ah” AhI-ul-Bayts (a.) bezeichneten, wuchs und wuchs...

Eine solche Entwicklung aber hatte Muawiah verhindern wollen, weshalb er Yazid nachdrücklich angewiesen hatte, nichts gegen Hussayn (a.) zu unternehmen und ihn nicht zu provozieren. Jedoch..., als ob Yazid in seiner Selbstherrlichkeit und Borniertheit zwischen dem, was ihm zu Wohle war oder zum Schaden gereichte, hätte differenzieren können...

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de