Erstes Capitel - Einleitende Nachricht über Arabien und
die Araber
Während einer langen Reihe von Zeitaltern, vom Anfange der
aufgezeichneten Geschichte bis zum siebenten Jahrhunderte der
christlichen Zeitrechnung, blieb die große Halbinsel, welche
von dem rothen Meere, dem Euphrat, dem persischen Meerbusen
und dem indischen Oceane gebildet wird, und unter dem Namen
Arabien bekannt ist, unverändert und von den Ereignissen,
welche das übrige Asien bewegten und Europa und Asien bis zu
ihrem Mittelpunkte erschütterten, beinahe unberührt. Während
Königreiche und Kaiserthümer entstanden und verfielen, während
alte Herrscherfamilien verschwanden, während die Gränzen und
Namen von Ländern sich veränderten und ihre Bewohner
vertrieben oder in Gefangenschaft geführt wurden: so bewahrte
Arabien, obgleich seine Gränzprovinzen einige Veränderungen
erfuhren, in den Tiefen seiner Wüsten die ursprüngliche
Beschaffenheit und Unabhängigkeit, und niemals hatten seine
Nomadenstämme die stolzen Nacken unter das Joch der
Knechtschaft gebeugt.
Die Araber führen die Ueberlieferungen von ihrem Lande bis
in das höchste Alterthum zurück. Es wurde, sagen sie, durch
die Nachkommen Sems, eines Sohnes Noahs, bald nach der
Sündfluth bevölkert; diese bildeten allmälig mehrere Stämme,
von denen die Aditen und Thamuditen die bekanntesten sind.
Alle diese ursprünglichen Stämme sollen entweder zur Strafe
für ihre Bosheit von der Erde verbannt worden sein, oder bei
den nachfolgenden Umwandlungen der Geschlechter sich verloren
haben, so daß außer dunkeln Sagen und einigen Stellen im Koran
über dieselben Weniges vorhanden ist. Sie werden in der
morgenländischen Geschichte als »die alten ursprünglichen
Araber«, als »die verlornen Stämme« gelegentlich erwähnt.
Die fortdauernde Bevölkerung der Halbinsel wird von Kahtan
oder Joctan, einem Abkömmlinge Sems in der vierten Generation
(1. Mos. 10, 25 und 26) nach denselben Erzählungen abgeleitet.
Seine Nachkommenschaft breitete sich über den südlichen Theil
der Halbinsel und längs des rothen Meeres aus. Yaarab (Ja-arab),
einer seiner Söhne, gründete das Königreich Yemen, in welchem
die Landschaft Araba nach ihm genannt wurde, wovon die Araber
ihren eigenen Namen und den ihres Landes ableiten. Jurham (Dschurham)
ein anderer Sohn, gründete das Königreich Hedjaz (Heddschaß),
über welches seine Nachkommen viele Zeitalter hindurch die
Oberherrschaft ausübten. Unter diesen Leuten fand Hagar und
ihr Sohn Ismael freundliche Aufnahme, als sie vom Erzvater
Abraham aus der Heimath verwiesen wurden. Im Laufe der Zeit
nahm Ismael die Tochter Modad's, eines regierenden Fürsten aus
Jurhams Familie, zum Weibe, und so wurde ein Fremder und
Hebräer dem arabischen Urstamme einverleibt. Er erwies sich
als ein fruchtbares Reis. Ismaels Weib gebar zwölf Söhne,
welche die Herrschaft über das Land erwarben, und deren
fruchtbares, in zwölf Stämme getheiltes Geschlecht den Urstamm
Joctans vertrieb oder unterjochte und in Vergessenheit
brachte. Das ist die Auskunft, welche die Araber der Halbinsel
über ihren Ursprung geben.
Außer den Arabern der Halbinsel, welche sämmtlich Sems
Geschlechte angehörten, gab es noch andere, die Chusiten
hießen, weil sie von Chus, dem Sohne Hams abstammten. Sie
bewohnten die Ufer des Euphrats und des persischen Meerbusens.
Der Name Chus wird in der Schrift häufig sowol den Arabern
überhaupt, als auch ihrem Lande gegeben. Wahrscheinlich sind
es solche Araber, welche gegenwärtig die wüsten Landstriche
des alten Assyriens durchziehen und in der neueren Zeit zur
Ausgrabung der lang verschütteten Ruinen von Ninive verwendet
worden sind. Bisweilen werden sie syrische Araber genannt. Die
gegenwärtige Darstellung bezieht sich jedoch nur auf die
Araber der Halbinsel oder auf das eigentliche Arabien.
Jene Vermehrung und Herrschaft der Nachkommen Ismaels
betrachten christliche Schriftsteller als Erfüllung der
Verheißung, welche Abraham von Gott gegeben wurde und die in
der heiligen Schrift (1. Mos. 17, 18 und 20) so lautet: »Und
Abraham sprach zu Gott: Ach, daß Ismael leben sollte vor dir!
Dazu um Ismael habe ich dich auch erhöret. Siehe, ich habe ihn
gesegnet und will ihn fruchtbar machen und mehren fast sehr.
Zwölf Fürsten wird er zeugen, und will ihn zum großen Volk
machen.«
Diese zwölf Fürsten nebst ihren Stämmen werden nachher in
der Bibel (1. Mos. 25, 18) genannt als Insassen des Landes
»von Hevila bis gen Sur gegen Aegypten, wenn man gen Assyrien
gehet«, also eines Landstriches, welcher von den biblischen
Geographen für einen Theil Arabiens gehalten wird. Die
Beschreibung derselben stimmt mit der der jetzigen Araber
überein. Einige werden als Besitzer von Städten und
Schlössern, andere als Bewohner von Zelten, noch andere als
Inhaber von Dörfern bezeichnet. Nebaioth und Kedar, die zwei
Erstgebornen Ismaels, sind wegen ihres Reichthums an Schaf-
und Rinderheerden und wegen der feinen Wolle ihrer Schafe
unter den Fürsten am berühmtesten. Von Nebaioth stammen die
Nabathäer ab, welche das steinichte Arabien bewohnten, während
der Name Kedar in der heiligen Schrift gelegentlich gebraucht
wird, um die ganze arabische Nation zu bezeichnen. »Wehe mir«,
sagt der Psalmist (120, 5), »daß ich ein Fremdling bin unter
Mesech; ich muß wohnen unter den Hütten Kedars.« Beide
scheinen die Stammväter der wandernden oder nomadischen
Araber, der freien Herumzügler in der Wüste, gewesen zu sein.
Auf sie ist die Stelle des Propheten Jeremias (49, 31) zu
beziehen. »Wohlauf, ziehet herauf wider ein Volk, das genug
hat und sicher wohnet, spricht der Herr: sie haben weder Thür
noch Riegel und wohnen allein.
Zwischen den Arabern, welche »Städte und Burgen inne
hatten,« und denen, »welche in Zelten wohnten,« entstand in
den frühesten Zeiten ein bedeutender Unterschied. Einige der
Ersteren besaßen die fruchtbaren Thäler, welche sich hier und
da zwischen den Gebirgen ausbreiteten; daselbst waren die
Städte und Burgen von Weinbergen und Obstgärten, von
Palmenwäldchen, Getreidefeldern und gut bewachsenen
Weideplätzen umgeben. Sie waren in ihren Verhältnissen
geordnet, widmeten sich der Bebauung des Bodens und der
Viehzucht. Andere derselben Classe befaßten sich mit dem
Handel; sie hatten Häfen und Städte am rothen Meere, auf den
südlichen Gestaden der Halbinsel und am persischen Meerbusen,
und trieben vermittels Schiffen und Karavanen auswärtigen
Handel. Das waren besonders die Völkerschaften von Yemen oder
dem glücklichen Arabien, von dem Lande der Gewürze, der
Parfümerien und des Weihrauchs. Sie gehörten zu den thätigsten
Handels-Seefahrern der östlichen Meere. Ihre Schiffe brachten
die Myrrhe und den Balsam von der entgegengesetzten Küste der
Berbern nebst dem Golde, den Gewürzen und andern theuern
Kostbarkeiten aus Indien und dem tropischen Afrika nach ihren
Gestaden. Diese Produkte wurden mit denen ihres Landes von
Karavanen durch die Wüsten nach den halbarabischen Staaten
Ammon, Moab und Edom oder Idumäa, nach den phönicischen Häfen
des Mittelmeeres geführt und von da der westlichen Welt
mitgetheilt.
Das Kameel ist das Schiff der Wüste genannt worden, die
Karavane kann die Flotte derselben heißen. Die Karavanen von
Yemen wurden gemeiniglich von den nomadischen Arabern, von den
Bewohnern der Zelte, ausgerüstet, bemannt, geführt und
beschützt; in dieser Beziehung kann man sie die Schiffer der
Wüste nennen. Sie lieferten die unzählbaren Kameele, welche
erforderlich waren, und trugen auch durch die feinen Felle
ihrer unberechenbaren Schafheerden zur Befrachtung bei. Die
Schriften der Propheten zeigen die Wichtigkeit, welche diese
inländische Handelskette im biblischen Zeitalter hatte, da
durch sie die reichen Länder des Südens, Indien, Aethiopien
und das glückliche Arabien, mit dem alten Syrien verbunden
wurden.
In den Klagen über Tyrus ruft Ezechiel (27, 21 – 24) aus:
»Arabien, und alle Fürsten von Kedar haben mit dir gehandelt
mit Schafen, Widdern und Böcken. Die Kaufleute aus Saba und
Raema haben mit dir gehandelt und allerlei köstliche Specerei
und Edelsteine und Gold auf deine Märkte gebracht. Haran und
Kanne und Eden (Aden)Haran, Kanne und Aden waren Häfen am
indischen Meere. sammt den Kaufleuten aus Seba, Assur und
Kilmad sind auch deine Kaufleute gewesen. Die haben alle mit
dir gehandelt mit köstlichem Gewand, mit seidenen und
gestickten Tüchern, welche sie in köstlichen Kasten, von
Cedern gemacht und wohl verwahrt, auf deine Märkte geführt
haben.« Und Jesaias spricht (60, 6 u. 7) zu Jerusalem und
sagt: »Die Menge der Kameele wird dich bedecken, die Läufer
aus Midian und Epha. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und
Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen. Alle Heerden
aus Kedar sollen zu dir versammelt werden und die Böcke
Nebajoths sollen dir dienen.«
Jedoch die Ackerbau und Handel treibenden Araber, die
Bewohner der kleinen und großen Städte, sind niemals als das
wahre Urbild dieses Volksstammes betrachtet worden. Sie wurden
durch geordnete und friedliche Beschäftigungen milder und
verloren durch den Verkehr mit den Fremden viel von dem
ursprünglichen Gepräge. Jemen wurde auch wiederholt feindlich
angefallen und unterjocht, da es zugänglicher war als die
übrigen Theile Arabiens und den Räubern größere Versuchung
bot.
Bei der andern Classe der Araber, bei den Wanderern der
Wüste, bei den »Bewohnern der Zelte«, welche die bei weitem
zahlreichste Classe bildeten, wurde der volksthümliche
Charakter in der ganzen ursprünglichen Stärke und Frische
bewahrt. Nomadisch in ihren Sitten, hirtenmäßig in ihren
Beschäftigungen und durch Erfahrung und Ueberlieferung mit
allen verborgenen Hülfsmitteln der Wüste bekannt, zogen sie
von einem Platze zum andern, um jene Wasserbehälter und
Quellen aufzusuchen, welche seit den Tagen der Patriarchen der
Sammelpunkt ihrer Väter gewesen waren, schlugen das Lager
überall auf, wo sie Dattelbäume zum Schatten, Unterhalt und
Weide für ihre Schafe und Kameele finden konnten und änderten
den Wohnplatz, wenn der zeitweilige Vorrath erschöpft war.
Die nomadischen Araber waren durch Abtheilungen und
Unterabtheilungen in unzählige kleine Stämme geschieden; jeder
hatte seinen Sheikh (Scheik) oder Emir als Stellvertreter des
ehemaligen Patriarchen, dessen neben dem Zelte aufgepflanzte
Lanze das Zeichen der Herrschaft war. Sein Amt war jedoch,
obgleich es viele Zeitalter hindurch in derselben Familie
blieb, nicht ausdrücklich erblich, sondern hing von der Gunst
des Stammes ab. Er konnte abgesetzt und ein Anderer aus einer
von dieser verschiedenen Linie an seine Stelle gewählt werden.
Dazu war seine Gewalt beschränkt und wurde von seinem
persönlichen Verdienste und dem auf ihn gesetzten Vertrauen
abhängig gemacht. Sein Vorrecht bestand in der Leitung der
Verhandlungen über Krieg und Frieden, in der Führung des
Stammes gegen den Feind, in der Wahl des Lagerplatzes und in
dem Empfange und der Unterhaltung angesehener Fremden. In
Ausübung dieser und ähnlicher Vorrechte sogar wurde er durch
die Meinungen und Neigungen seiner Leute beschränkt.
Wie zahlreich und klein die Abtheilungen eines Stammes
immer sein mochten, so wurden doch die verwandtschaftlichen
Beziehungen unter einander sorgfältig im Gedächtnisse bewahrt.
Alle Sheikhs desselben Stammes erkannten ein gemeinsames
Oberhaupt an, welches der Sheikh aller Sheikhs genannt wurde.
Dieser hatte das Recht, bei irgend einem das gemeinsame Wohl
betreffenden Ereignisse alle zerstreuten Zweige unter seiner
Standarte zu versammeln, gleichviel ob er in einem
Felsenschlosse verschanzt war, oder mitten unter seinen Schaf-
und Rinderheerden in der Wüste lagerte.
Die Menge dieser wandernden Stämme, von denen jeder einen
kleinen Fürsten und ein kleines Gebiet hatte, die aber ohne
ein Nationaloberhaupt waren, erzeugte häufige Streitigkeiten.
Rache zumal war fast ein religiöser Grundsatz unter ihnen.
Einen getödteten Verwandten zu rächen, war die Pflicht seiner
Familie, und oft erforderte es die Ehre seines Stammes; oft
blieben diese Blutschulden Zeitalter hindurch ungesühnt und
erzeugten tödtliche Fehden.
Die Nothwendigkeit, zur Vertheidigung der Schafe und Rinder
stets in Bereitschaft zu stehen, machte den Araber der Wüste
mit der Handhabung der Waffen von Kindheit an vertraut. Keiner
übertraf ihn im Gebrauche des Bogens, der Lanze, des krummen
Säbels und in der geschickten und anmuthigen Lenkung des
Rosses. Er war auch ein raubsüchtiger Krieger. Denn obwohl er
zu Zeiten in den Dienst des Kaufmanns trat, indem er ihn mit
Kameelen und Führern und Treibern zum Transporte der Waaren
versah: so war er noch geneigter, der Karavane Tribut
(Abgaben) aufzulegen oder sie bei dem beschwerlichen Zuge
durch die Wüste gänzlich auszuplündern. Dieses Alles
betrachtete er als einen rechtmäßigen Gebrauch der Waffen,
indem er auf die gewinnreichen Söhne des Handels als wie auf
ein geringeres Geschlecht blickte, welches sich durch
verwerfliche Sitten und Bestrebungen erniedrigt hätte.
Das war der Araber der Wüste, der Bewohner der Zelte, an
welchem die prophetische Bestimmung seines Urahnen Ismael
erfüllt wurde. »Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand
wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn« (1. Mos. 16,
12). Die Natur hatte ihn für diese Bestimmung ausgerüstet.
Sein Körper war dünn und mager, aber sehnig und behend und
fähig, große Strapazen und Mühseligkeiten zu ertragen. Er war
mäßig und sogar enthaltsam, indem er nur wenig Nahrung und die
von der einfachsten Art verlangte. Sein Geist wie sein Körper
war gewandt und beweglich. Er besaß im höchsten Grade die
Verstandeseigenschaften des semitischen Stammes, einen
durchdringenden Scharfsinn, einen feinen Witz, eine schnelle
Fassungs- und eine feurige Einbildungskraft. Seine
Empfindungen waren lebendig und heftig, obschon nicht
ausdauernd; ein stolzer und herausfordernder Muth war seinem
blassen Gesichte aufgeprägt und blitzte aus seinem dunkeln und
feurigen Auge. Er wurde leicht durch die Erzeugnisse der
Beredsamkeit aufgeregt und durch die Anmuth der Dichtkunst
entzückt. Da er eine zum Uebermaße reiche Sprache redete,
deren Worte mit den Edelsteinen und Blumen verglichen worden
sind: so war er von Natur ein Redner; aber er ergötzte sich
mehr an Sprüchwörtern und Denksprüchen als an dem hohen Fluge
feierlicher Rede, und war geneigt, seine Gedanken nach
morgenländischer Weise in lehrreichen Fabeln und
Gleichnisreden mitzutheilen.
Obschon ein rastloser und raubsüchtiger Krieger, war er
doch edelmüthig und gastfreundlich. Er fand an der Austheilung
von Geschenken Vergnügen; seine Thüre war dem Wanderer stets
geöffnet und er war bereit, mit demselben seinen letzten
Bissen zu theilen; auch sein Todfeind konnte, hatte er einmal
mit ihm Brod gebrochen, unter der unverletzlichen Heiligkeit
seines Zeltes sicher ruhen.
In Rücksicht der Religion betheiligten sich die Araber an
den Glaubenslehren der Sabier und der Magier, von denen die
der Letzteren zu jener Zeit in der östlichen Welt am weitesten
verbreitet waren. Der sabäische Glaube war jedoch derjenige,
welchem die Araber zumeist anhingen. Sie wollten ihn von Sabi,
einem Sohne Seths, herleiten, welcher nebst seinem Vater und
Bruder Enoch nach ihrer Annahme in den Pyramiden begraben
wurde. Andere leiten den Namen von dem hebräischen Worte Saba,
d. i. Stern, her und schreiben den Ursprung dieses Glaubens
den assyrischen Hirten zu, welche, wenn sie des Nachts auf den
flachen Ebenen und unter wolkenlosem Himmel die Heerden
bewachten, das Aussehen und die Bewegung der Himmelskörper
aufzeichneten und über den guten und bösen Einfluß derselben
auf die menschlichen Angelegenheiten Lehren aufstellten, die
freilich sehr schwankend waren und die von den chaldäischen
Weltweisen und Priestern zu einem Ganzen bereinigt worden
sind, welches angeblich das religiöse Lehrgebäude der
Aegyptier an Alter noch übertrifft. Von Anderen werden die
sabäischen Religionslehren aus einer noch weiter rückwärts
liegenden Quelle abgeleitet und für den Glauben der
vorsündfluthlichen Welt gehalten. Derselbe überdauerte, wie
man sagt, die Sündfluth und bestand unter den Erzvätern fort.
Er wurde von Abraham verkündigt, von seinen Nachkommen, den
Israeliten, beibehalten und in den Gesetzestafeln, welche
Moses übergeben wurden, auf dem Berge Sinai unter Donner und
Blitz bestätigt.
In dem ursprünglichen Zustande war die sabäische Religion
rein und geistig, da sie den Glauben an die Einheit Gottes,
die Lehre von dem künftigen Zustande der Belohnung und
Bestrafung und die Nothwendigkeit eines tugendhaften und
heiligen Lebens zur Erlangung einer seligen Unsterblichkeit
einschärfte. So tief war die Ehrfurcht der Sabäer vor dem
höchsten Wesen, daß sie dessen Namen niemals aussprachen und
meinten, daß sie sich demselben nur durch vermittelnde Geister
oder Engel nahen dürften. Sie glaubten, daß diese die
Himmelskörper in derselben Weise bewohnten und belebten, wie
der menschliche Körper von einer Seele bewohnt und belebt
wird, daß sie dorthin versetzt wären, um das Weltall zur
Unterstützung des höchsten Wesens zu überwachen und zu
regieren. Wenn sich daher die Sabäer an die Sterne und andere
himmlische Lichtkörper wendeten, so verehrten sie dieselben
nicht als Gottheiten, sondern suchten nur die sie bewohnenden
Engel als Vermittler bei dem höchsten Wesen günstig zu
stimmen, indem sie nur durch diese höheren Creaturen zu Gott
dem großen Schöpfer aufschauten.
Allmälig verlor diese Religion ihre ursprüngliche
Einfachheit und Reinheit und wurde durch Geheimnißlehren
verdunkelt und durch Abgötterei entstellt. Die Sabäer
verehrten die Himmelskörper als Gottheiten, anstatt sie, wie
ihre Altvordern thaten, als Wohnungen von Vermittlern zu
betrachten, stellten ihnen zu Ehren in heiligen Hainen und in
der Dunkelheit der Wälder gehauene Bildnisse auf, umschlossen
diese Götzenbilder mit Tempeln und verehrten sie, als wenn sie
göttlicher Natur wären. Der sabäische Glaube erfuhr überhaupt
in den verschiedenen Ländern, über welche er verbreitet war,
Veränderungen und Beschränkungen. Aegypten ist lange angeklagt
worden, ihn auf die letzte Stufe der Entartung erniedrigt zu
haben, da man die Bildsäulen, die Bilderschrift und die
gemalten Grabstätten dieses geheimnißvollen Landes als
Urkunden der Anbetung nicht blos von himmlischen Wesen,
sondern auch von Geschöpfen der niedrigsten Gattung und sogar
von unbelebten Gegenständen betrachtete. Neuere Untersuchungen
befreien jedoch allmälig diese verständigste Nation des
Alterthums von dieser Verleumdung. Da man nämlich den Schleier
des Geheimnisses, welcher über Aegyptens Grabmäler gedeckt
liegt, nach und nach lüftet: so findet man, daß alle diese
Gegenstände scheinbarer Anbetung nur Sinnbilder der
verschiedenen Eigenschaften des Einen höchsten Wesens waren,
dessen Name eine zu große Heiligkeit hatte, um von Sterblichen
ausgesprochen zu werden. Unter den Arabern wurde der sabäische
Glaube mit gränzenlosem Aberglauben vermischt und durch groben
Götzendienst herabgewürdigt. Jeder Stamm verehrte seinen
besonderen Abgott oder Planeten, oder stellte sein besonderes
Götzenbild auf. Kindermord mischte seine Schrecken mit ihren
religiösen Gebräuchen. Bei den Nomadenstämmen wurde die Geburt
einer Tochter als ein Mißgeschick betrachtet, da ihr
Geschlecht sie zu geringem Dienste bei einem wandernden und
räuberischen Leben befähigte, während sie durch üble
Aufführung oder Gefangenschaft Schimpf und Unglück über die
Familie bringen konnte. Beweggründe einer unnatürlichen
Staatskunst mögen sich daher mit den religiösen Gefühlen
gemischt haben, wenn sie weibliche Kinder den Götzen opferten
oder sie lebendig begruben.
Die mit der sabäischen Secte um den Vorrang, streitenden
Magier oder Guebern (Feueranbeter), welche, wie wir gesagt
haben, die Religionsherrschaft über den Osten theilte, hatten
ihren Ursprung in Persien, wo die erst mündlich
fortgepflanzten Lehren nach einiger Zeit durch ihren großen
Propheten und Lehrer Zoroaster in seinem Buche Zendavesta
schriftlich niedergelegt wurden. Die Glaubenslehre der Magier
war, wie die der Sabäer, ursprünglich einfach und geistig,
indem sie den Glauben an Einen höchsten und ewigen Gott, in
welchem und durch welchen das Weltall besteht, forderte. Nach
derselben brachte der Eine Gott zwei wirkende Urwesen, nämlich
Ormuzd, das Urwesen oder den Engel des Lichts oder des Guten,
und Ahriman, das Urwesen oder den Engel der Finsterniß oder
des Bösen, durch sein schöpferisches Wort hervor. Diese
bildeten, wird weiter gelehrt, aus einer Mischung ihrer
entgegengesetzten Urstoffe die Welt und geriethen bei der
Regulirung der Weltangelegenheiten in einen Kampf, welcher
seitdem zu keinem Ende gekommen ist. Daher kommen, heißt es,
die Abwechselungen von Heil und Uebel, je nachdem der Engel
des Lichts oder der Engel der Finsterniß die Oberhand hat.
Dieser Streit wird bis ans Ende der Welt fortdauern, wo eine
allgemeine Auferstehung und ein Tag des Gerichts stattfinden
wird; der Engel der Finsterniß wird mit seiner Genossenschaft
an einen Ort wehvoller Finsterniß verbannt werden, ihre Gegner
aber werden in das wonnevolle Reich ewig währenden Lichtes
eingehen.
Die ursprünglichen Gebräuche dieser Religion waren höchst
einfach. Die Magier hatten weder Tempel noch Altäre, noch
religiöse Sinnbilder irgend einer Art, sondern sie richteten
ihre Gebete und Preisgesänge geradezu an die Gottheit, wobei
sie sich die Sonne als ihren Wohnort dachten. Sie ehrten
diesen Lichtkörper als die Wohnung derselben und als die
Quelle des Lichtes und der Wärme, woraus nach ihrer Meinung
alle Himmelskörper zusammengesetzt sind, und zündeten auf
Berggipfeln Feuer an, um während der Abwesenheit der Sonne
Licht zu verbreiten. Zoroaster führte zuerst die Tempel ein,
in denen ein heiliges Feuer, das angeblich vom Himmel gekommen
war, durch die Priester, welche Tag und Nacht über dasselbe
wachten, beständig lebendig erhalten wurde.
Im Laufe der Zeit verlor diese Secte wie die der Sabäer den
Gedanken von dem göttlichen Urwesen in dem Sinnbilde, betete
das Feuer oder Licht als den wirklichen Gott an und
verabscheute die Finsterniß als den Satan oder Teufel. In
ihrem fanatischen Eifer pflegten die Magier die Ungläubigen
aufzugreifen und sie in den Flammen zu opfern, um ihre feurige
Gottheit zu verehren.
Auf die Lehren dieser zwei Secten wird in folgender Stelle
der Weisheit Salomonis Bezug genommen: »Es sind zwar alle
Menschen natürlich eitel, so von Gott Nichts wissen und an den
sichtbarlichen Gütern den, der es ist, nicht kennen, und sehen
an den Werken nicht, wer der Meister ist; sondern halten
entweder das Feuer oder Wind oder schnelle Luft oder die
Sterne oder mächtiges Wasser oder die Lichter am Himmel, die
die Welt regieren, für Götter« (Weish. Sal. 13, 1 u. 2).
Von diesen zwei Religionsformen war die sabäische, wie wir
oben bemerkt haben, die bei weitem vorherrschendste unter den
Arabern, aber in einer höchst entarteten Gestalt, mit allen
Arten von Mißbräuchen vermengt und unter den verschiedenen
Stämmen verschieden. Der Magierglaube herrschte unter
denjenigen Stämmen, welche zufolge ihrer Gränzlage mit Persien
häufigen Umgang hatten, während andere Stämme an dem
Wahnglauben und der Abgötterei der Nationen, an welche sie
gränzten, theilnahmen.
Der Judaismus hatte in einer frühen Zeit, aber in sehr
unbestimmter und unvollständiger Weise, den Weg nach Arabien
gemacht. Jedoch viele gottesdienstliche Formen und Gebräuche
und sonderbare Ueberlieferungen wurden in das Land verpflanzt.
In späterer Zeit aber, als Palästina von den Römern verwüstet,
die Stadt Jerusalem erobert und zerstört wurde, suchten viele
Juden unter den Arabern einen Zufluchtsort, wurden den
eingebornen Stämmen einverleibt, bildeten sich zu
Gemeindewesen aus, erwarben den Besitz fruchtbarer
Landstriche, bauten Burgen und Festungen und erhoben sich zu
beträchtlicher Gewalt und großem Einflusse.
Die christliche Religion hatte ebenfalls Anhänger unter den
Arabern. St. Paulus selbst erklärt in seinem Briefe an die
Galater (1, 17.), daß er bald »hinzog nach Arabien«, nachdem
er zur Predigt des Christenthums unter den Heiden berufen
worden war. Auch die Streitigkeiten, welche in der
morgenländischen Kirche in dem ersten Theile des dritten
Jahrhunderts entstanden und sie in Parteien zerspalteten, von
denen jede, wenn sie zur Ueberlegenheit gelangte, die andern
verfolgte, zwangen Viele zur Auswanderung nach den entfernten
Ländern des Ostens, füllten die Wüsten Arabiens mit
Einsiedlern und verpflanzten den christlichen Glauben unter
einige der vorzüglichen Stämme.
Die vorhergehenden Verhältnisse können von den Ursachen,
welche die Araber Zeitalter hindurch in einem unveränderten
Zustande erhielten, einen Begriff geben. Während ihre
abgesonderte Lage und ihre ungeheuern Wüsten sie vor
Unterjochung schützten, hielten sie ihre inneren Kämpfe und
der Mangel eines gemeinsamen politischen oder religiösen
Bandes ab, als Eroberer furchtbar zu sein. Sie waren eine
ungeheure Masse unterschiedlicher Parteien, voll persönlicher
Kraft; aber sie ermangelten der vereinigten Macht. Obschon ihr
nomadisches Leben sie kühn und unternehmend machte; obschon
die meisten unter ihnen von Kindheit an Krieger waren: so
führten sie die Waffen doch nur wider einander, einige
Gränzstämme ausgenommen, welche gelegentlich bei auswärtigen
Kriegen als Söldner in Dienste traten. Während daher die
andern Nomadenvölker Mittelasiens, welche keine größere
Tüchtigkeit als jene zur Kriegführung besaßen, einige
Zeitalter hindurch die civilisirte Welt mit Erfolg überfluthet
und erobert hatten, war dieser kriegerische Stamm, seiner
Macht sich unbewußt, in den Tiefen der heimathlichen Wüsten
getrennt und unschädlich geblieben.
Endlich kam die Zeit herbei, wo diese entzweiten Stämme in
Einem Glauben vereinigt und durch Eine gemeinsame Sache belebt
werden sollten, wo ein mächtiger Geist aufstehen sollte, der
sich berufen fühlte, diese zerstreuten Glieder zusammen zu
bringen, sie mit seinem schwärmerischen und kühnen Geiste zu
beseelen und sie vorwärts zu führen, um als ein Riese der
Wüste die Reiche der Erde zu erschüttern und umzustürzen.