Achtes Capitel - Abriß des mohammedanischen Glaubens
Obgleich es hier nicht beabsichtigt wird, auf die von
Mohammed verkündigten Lehren vollständig einzugehen, so ist es
doch zur richtigen Würdigung seines Charakters und Verhaltens,
sowie der in der nachfolgenden Erzählung mitgetheilten
Ereignisse und Umstände wichtig, die Hauptzüge derselben
darzustellen.
Es muß besonders zum vollkommnen Bewußtsein gebracht
werden, daß Mohammed nicht bekannte, eine neue Religion
gründen, sondern die von Gott selbst in den frühesten Zeiten
ausgegangene wieder herstellen zu wollen. »Wir befolgen,« sagt
der Koran, »die Religion des rechtgläubigen Abraham, welcher
kein Götzendiener war. Wir glauben an Gott und das, was uns
geoffenbart, und an das, was Abraham und Ismael, und Isaak und
Jakob und den Stämmen geoffenbart, und an das, was Moses und
Jesu, und an das, was den Propheten vom Herrn gegeben worden
ist; wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen und wir sind
Gott ergeben.«Koran, Sure II.
Der Koran, das große Buch seines Glaubens, wurde stückweise
von Zeit zu Zeit, je nach der Erregung seiner Empfindungen
oder nach dem Bedürfnisse der Umstände, mitgetheilt. Er wurde
nicht als sein Werk, sondern als göttliche Offenbarung, als
das Wort Gottes gegeben. Die Gottheit wird in jedem Falle
redend eingeführt. »Wir haben dir das Buch der Wahrheit
hinabgesendet, um die Schrift, welche vor demselben
geoffenbart wurde, zu bestätigen und dieselbe in ihrer
Reinheit zu bewahren«.Koran, Sure V.
Das Gesetz Mosis, wurde gesagt, wäre eine Zeit lang der
Leiter und die Regel menschlichen Verhaltens gewesen. Bei der
Ankunft Jesu Christi wäre es durch das Evangelium abgeschafft
worden; beide müßten dem Koran weichen, weil dieser
vollständiger und deutlicher wäre als die vorhergehenden
Gesetzbücher und die Bestimmung hätte, die Mißbräuche, welche
durch Sorglosigkeit oder Verdorbenheit ihrer Bekenner sich in
dieselben eingeschlichen hätten, umzugestalten. Er wäre die
Vollendung des Gesetzes; nach ihm würde es keine göttlichen
Offenbarungen weiter geben. Mohammed wäre der letzte, weil der
größte, in dem Geschlechte der Propheten, welche Gott gesandt
hätte, um seinen Willen bekannt zu machen.
Die Einheit Gottes war der Eckstein dieser verbesserten
Religion. »Es ist kein Gott außer Gott,« war der oberste
Glaubenssatz derselben. Daher erhielt sie den Namen Religion
des Islam, d. i. die Religion der Hingebung an Gott, der
Gottergebenheit, oder des wahren Glaubens. Zu dieser
Grundlehre wurde hinzugefügt: »Mohammed ist der Prophet
Gottes«, ein berechtigter Zusatz, da er durch die göttliche
Ankündigung gerechtfertigt wurde, und wichtig war, um zu einer
bereitwilligen Annahme seiner Offenbarungen zu erwecken.
Außer der Einheit Gottes wurde auf den Glauben an seine
Engel oder dienstbaren Geister, an seine Propheten, an die
Auferstehung des Leibes, an das letzte Gericht und an einen
künftigen Zustand der Belohnung und Bestrafung und an die
Vorherbestimmung gedrungen. Vieles in dem Koran ist der Bibel
und dem TalmudDer Talmud ist das Gesetzbuch der neueren Juden
oder die zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhunderte der
christlichen Zeitrechnung veranstaltete Sammlung jüdischer
Ueberlieferungen und Gesetze, welche die ganze Lehre und
Wissenschaft der Juden, das göttliche und menschliche Recht
enthält. der Juden nachgeahmt, besonders seine seltsamen,
obgleich häufig schönen Auslassungen über die Engel, die
Propheten, die Erzväter und die guten und bösen Genien. Für
den jüdischen Glauben hatte er frühzeitig Ehrfurcht eingesogen,
da seine Mutter, wie verlautet, dieser Religion angehört hat.
Die im Koran niedergelegten Glaubenssätze wurden jedoch
wesentlich auf die christlichen Lehren, welche im Neuen
Testamente vorgetragen sind, in der Weise gegründet, wie
dieselben Mohammed von den christlichen Sectirern Arabiens
ausgelegt und in verdorbener Gestalt und in verfälschter
Fassung mitgetheilt worden waren. Vor dem Erlöser Jesu Christo
hatte er zwar die höchste Ehrfurcht und bezeichnete ihn als
einen gottbegeisterten, ja als den höchsten Propheten, welcher
vor ihm erschienen wäre, um das Gesetz zu reformiren; aber die
Lehre von seiner Gottheit verwarf er als eine gottlose und die
von der heiligen Dreieinigkeit rügte er als eine grobe
Versündigung an der Einheit Gottes. Beide Glaubenssätze
erklärte er für Irrthümer und Einschiebsel der Ausleger.
Die Anbetung der Heiligen und die Einführung von Bildern
und Gemälden, welche sie darstellten, wurden als abgöttischer
Abfall von dem reinen christlichen Glauben verdammt, und das
waren eben die Grundsätze der Nestorianer, mit welchen
Mohammed bekanntlich vielen Verkehr hatte.
Alle Gemälde, welche lebende Wesen darstellten, wurden
verboten. Mohammed pflegte zu sagen, daß die Engel ein Haus,
in welchem sich solche Gemälde befänden, nicht betreten
möchten, und daß diejenigen, welche sie verfertigten, in der
andern Welt zur Strafe an ihren Plätzen Seelen finden würden.
Die meisten von den milden Sittenlehren unsers Erlösers
wurden dem Koran einverleibt. Häufiges Almosengeben wurde als
eine gebieterische Pflicht eingeschärft, und das
unabänderliche Gesetz von Recht und Unrecht, »Thue einem
Andern, was du wünschen würdest, daß er dir thun sollte«,
wurde für das sittliche Verhalten des Gläubigen gegeben.
»Handelt nicht ungerecht gegen Andere«, sagt der Koran,
»und ihr werdet nicht ungerecht behandelt werden. Wenn ein
Schuldner Schwierigkeit hat, seine Schulden zu bezahlen, so
mag der Gläubiger warten bis es für ihn leicht ist, es zu thun;
aber wenn er es zu Almosen überläßt, so wird es besser für ihn
sein.«
Mohammed drang auf edle Redlichkeit und Aufrichtigkeit im
Handel. »O Kaufleute!« sagte er gewöhnlich, »Falschheit und
Betrug pflegen im Handel zu herrschen, sühnt ihn daher mit
Almosen; gebet Etwas in Liebe zur Genugthuung; denn Gott wird
durch Hinterlist im Handel erzürnt, aber Barmherzigkeit
sänftiget seinen Zorn. Derjenige, welcher eine schadhafte
Sache verkauft und den Schaden verheimlicht, wird den Zorn
Gottes und die Verwünschungen der Engel herausfordern.«
»Benutze nicht die Noth eines Andern, um Dinge zu einem
Opfer zu kaufen; erleichtere vielmehr seine Dürftigkeit.«
»Speise den Hungrigen, besuche den Kranken, und befreie den
Gefangenen, wenn er ungerechterweise eingekerkert ist.
»Blicke nicht verächtlich auf deinen Nächsten; auch betritt
nicht die Erde mit Uebermuth; denn Gott liebt nicht den
Hochmüthigen und Ruhmredigen. Sei gemessen in deinem Schritte
und sprich in einem gemäßigten Tone; denn die unangenehmste
Stimme unter allen ist die Stimme von Eseln«.Die folgenden
Worte Mohammeds, welche von einem seiner Schüler aufbewahrt
worden sind, scheinen durch Matth. 25, 35–42 an die Hand
gegeben worden zu sein:
»Wahrlich! Gott wird am Tage der Auferstehung sagen: O
Söhne Adams! Ich war krank, und ihr besuchtet mich nicht. Dann
werden sie sagen: Wie konnten wir dich besuchen? denn du bist
der Herr des Weltalls und bist frei von Krankheit. Und Gott
wird erwidern: Wußtet ihr nicht, daß einer von meinen Dienern
krank war und ihr besuchtet ihn nicht? hättet ihr diesen
Diener besucht, es würde euch zur Gerechtigkeit gerechnet
worden sein. Und Gott wird sagen: O Söhne Adams! Ich bat euch
um Speise, und ihr gabt mir sie nicht. Und die Söhne Adams
werden sprechen: Wie konnten wir dir Speise geben, da wir
sahen, daß du der Erhalter des Weltalls und frei von Hunger
bist. Und Gott wird sprechen: Solch einer von meinen Dienern
bat euch um Brod, und ihr verweigertet es ihm. Hättet ihr ihm
zu essen gegeben, ihr würdet den Lohn von mir empfangen haben.
Und Gott wird sagen: O Söhne Adams, ich bat euch um Wasser,
und ihr gabt mir es nicht. Sie werden entgegnen: O unser
Versorger, wie konnten wir dir Wasser geben, da wir sahen, daß
du der Erhalter des Weltalls und dem Durste nicht ausgesetzt
bist? Und Gott wird sprechen: Einer meiner Diener bat euch um
Wasser und ihr gabt es ihm nicht. Hättet ihr es gethan, ihr
würdet euren Lohn von mir erhalten haben.«
Abgötterei jeder Art wurde streng verboten; sie war in der
That das, was Mohammed am meisten verabscheute. Viele von den
religiösen Gebräuchen jedoch, welche seit undenklicher Zeit
unter den Arabern herrschten, an welche er sich von Kindheit
an gewöhnt hatte, und die mit der Lehre von der Einheit Gottes
nicht unverträglich waren, wurden noch beibehalten. Dahin
gehört die Wallfahrt nach Mekka einschließlich aller an die
Kaaba, an die Quelle Zem Zem und andere geheiligte Orte in der
Nähe geknüpften Gebräuche, abgesehen jedoch von jeglicher
Verehrung der Götterbilder, durch welche sie entweiht worden
wären.
Der alte arabische Gebrauch, nach welchem beim Gebete eine
Waschung stattfand oder demselben voranging, wurde aufrecht
erhalten. Gebete zu bestimmten Stunden des Tages und der Nacht
wurden wirklich vorgeschrieben; sie waren einfach in Form und
Ausdruck und wurden mit gewissen Verbeugungen oder zu Zeiten
mit gänzlicher Niederwerfung des Körpers und mit dem Gesichte
nach dem Kebla oder Anbetungspuncte gewendet, unmittelbar an
Gott gerichtet.
Am Schlusse eines jeden Gebetes wurde die folgende Stelle
aus der zweiten Sure des Korans wiederholt. Sie soll in der
arabischen Urschrift große Schönheit haben und wird auf
goldene und silberne Schmucksachen wie auf Edelsteine, welche
man als Schutzmittel gegen Zauberei und Krankheit trägt,
gravirt. »Gott ist Gott! Es ist kein Gott außer ihm, dem
Lebendigen, dem Ewigen; er schläft nicht, noch schlummert er.
Ihm gehört der Himmel und die Erde und Alles, was sie
enthalten. Wer soll bei ihm Vermittler sein ohne seine
Bewilligung? Er kennt das Vergangene und das Zukünftige, aber
Niemand kann außer dem, was er offenbart, Etwas von seinem
Wissen erfassen. Sein Thron ist über den Himmel und die Erde
ausgespannt, und die Erhaltung Beider ist ihm keine Bürde. Er
ist der Erhabene, der Mächtige!«
Mohammed war stets darauf bedacht, die Wichtigkeit und
Wirksamkeit des Gebetes zu bekräftigen. »Engel«, sagte er,
»kommen bei Nacht und Tag zu euch; hierauf steigen die der
Nacht in den Himmel, und Gott fragt sie, wie sie seine
Geschöpfe verließen. Wir fanden dieselben, sagen sie, bei
ihren Gebeten und wir verließen sie bei ihren Gebeten.«
Die Lehren des Korans über die Auferstehung und das letzte
Gericht waren denen der christlichen Religion in manchen
Beziehungen ähnlich; aber sie wurden mit seltsamen, aus andern
Quellen hergeleiteten Begriffen vermischt. Denn die Freuden
des moslemischen Himmels, obschon theilweise geistig, wurden
durch die sinnlichen Genüsse der Erde belastet und unter die
unaussprechliche Reinheit und geistige Glückseligkeit des
Himmels, welcher von unserm Erlöser verheißen ist, unendlich
tief hinabgedrückt.
Dessenungeachtet hat die Schilderung des letzten Tages, wie
sie in der einundachtzigsten Sure des Korans enthalten ist,
Erhabenheit; sie muß von Mohammed beim Anfange seines
Auftretens in Mekka als eine seiner ersten Offenbarungen
gegeben worden sein. »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Ein
Tag soll kommen, wo die Sonne sich verhüllen wird und die
Sterne vom Himmel fallen werden, wo die gebärenden Kameele
werden verlassen und wilde Thiere sich zu Heerden vereinigen
werden aus Furcht; wo die Wogen des Meeres brausen und die
Seelen der Todten mit den Leibern sich wieder vereinigen
werden; wo das Mädchen, welches man lebendig begrub, fragen
wird, um welches Verbrechens willen wurde ich geopfert? und
die ewigen Bücher werden aufgeschlagen liegen; wo der Himmel
wie eine Pergamentrolle vergehen und die Hölle lichterloh
brennen wird, und die Freuden des Paradieses werden offenbar
werden. An diesem Tage wird jede Seele erfahren, was sie
gethan hat. Wahrlich, ich schwöre euch bei den Sternen, welche
sich schnell bewegen und im Glanze der Sonne sich verlieren,
und bei der Finsterniß der Nacht, und bei dem Aufgange des
Tages: das sind nicht die Worte eines bösen Geistes, sondern
eines Engels von Würde und Macht, welcher Allah's Vertrauen
besitzt und von den Engeln unter seinem Befehle geehrt wird.
Auch ist euer Gefährte Mohammed kein Besessener. Er sah den
himmlischen Boten im Lichte des hellen Horizontes und die ihm
geoffenbarten Worte sind zu einer Ermahnung an alle Creaturen
bestimmt.«
Anmerkung. Zu Mohammeds Zeit hatten langwierige und heftige
Streitigkeiten unter den Christen namentlich der
morgenländischen Kirche den wahren Christenglauben vielfach
verunstaltet. Parteien über Parteien waren entstanden, hatten
einander verfolgt, verketzert und verdammt. Aus ihren, oft
einander widersprechenden Ansichten hatte sich Mohammed seinen
Begriff vom christlichen Glauben gebildet. Besonders die Lehre
von der heiligen Dreieinigkeit und der Gottheit Christi hatte
die Kirche erschüttert und zur Bildung von allerlei Secten
geführt. Da gab es solche, welche die Gottheit des heiligen
Geistes leugneten, andere, welche behaupteten, daß Christus
vor der Menschwerdung gänzlich Gott, während seines Wandels
auf Erden aber gänzlich Mensch gewesen sei; zu ihnen gehörten
die in Arabien zahlreich wohnenden Jacobiten. Die Nazaräer
oder Nazarener, eine judenchristliche Secte betrachteten
Christum als den Messias, der von einer Jungfrau durch den
heiligen Geist geboren wäre und Etwas vom göttlichen Wesen
besäße. Von diesen waren die Ebioniten wenig unterschieden.
Sie hielten Christum für einen puren Menschen, für den größten
Propheten. Sowol diese als die Nazaräer hatten in Arabien
viele Anhänger. Schon dieser kurze Hinweis auf die Meinungen,
welche Christen von Christo hatten, wird genügen, um Mohammed
von wissentlicher und absichtlicher Gotteslästerung frei zu
sprechen. Aus einer trüben Quelle kann man kein klares Wasser
schöpfen, und ein Blinder kann einem Blinden den Weg nicht
weisen.