Sechzehntes Capitel - Das Schwert wird als das Instrument
des Glaubens angekündigt – Erster Zug gegen die Koreischiten –
Ueberfall einer Karavane
Wir kommen jetzt zu einem wichtigen Abschnitte in der
Laufbahn Mohammeds. Bis hieher hatte er sich, um Bekenner zu
gewinnen, auf Beweis und Ueberzeugung gestützt; er hatte
dasselbe seinen Schülern aufgetragen. Seine Ermahnung an
dieselben, die Gewaltthätigkeit der Feinde mit Geduld und
Langmuth zu ertragen, wetteiferte fast mit der sanften Lehre
unsers Erlösers: »Wenn man dich auf den einen Backen schlägt,
so biete ihnen den andern auch dar.« Jetzt gelangte er auf
einen Punct, wo er von dem himmlischen Geiste der christlichen
Lehren vollständig abwich und seine Religion mit dem Zusatze
trüglicher Menschlichkeit versetzte. Seine menschliche Natur
war nicht fähig, die erhabene Geduld, welche er bis hieher
empfohlen hatte, auszuüben. Vierzehn Jahre sanftmüthiger
Ausdauer waren durch Nichts als durch verstärkte Beleidigung
und Beschimpfung vergolten worden. Seine ärgsten Verfolger
waren die Genossen seines eigenen Stammes, die Koreischiten,
gewesen, besonders die Glieder der Linie Abd Schems, deren
rachgieriges Oberhaupt Abu Sofian jetzt in Mekka die
Herrschaft besaß. Durch ihre giftige Feindschaft war sein
Vermögen vernichtet, seine Familie erniedrigt, in Armuth
gestoßen und zerstreut, und er selbst in die Verbannung gejagt
worden. Alles dieses hätte er ferner mit unwillkürlicher
Sanftmuth ertragen mögen, hätten sich ihm nicht Mittel der
Wiedervergeltung unerwartet in seinem Bereiche dargeboten. Als
ein Flüchtling, welcher ein Asyl suchte und nur um eine ruhige
Heimath dringend bat, war er nach Medina gekommen. In geringer
Frist und wahrscheinlich zu seiner eigenen Ueberraschung fand
er eine Armee zu seinem Befehle. Denn unter den vielen
Neubekehrten, welche täglich in Medina gemacht wurden, unter
den Flüchtlingen aus Mekka, welche sich um ihn schaarten, und
unter den neuen Bekennern aus den Stämmen der Wüste, waren
Männer entschlossenen Geistes, geübt im Gebrauche der Waffen
und eingenommen für freibeuterischen Kriegsdienst. Menschliche
Leidenschaften und Gefühle tödtlicher Rache wurden durch
diesen plötzlichen Zuwachs von Macht geweckt. Sie mischten
sich mit jenem Eifer für religiöse Reform, welche noch sein
vorherrschender Beweggrund war. In der Aufwallung seines
enthusiastischen Geistes suchte er sich zu überreden, und that
es vielleicht wirklich, daß die innerhalb seines Bereiches
also aufgestellte Macht zum Mittel bestimmt wäre, seinen
großen Plan auszuführen, und daß ein göttlicher Befehl ihn
berufen hätte, sich derselben zu bedienen. Das ist wenigstens
der Sinn des denkwürdigen Manifests, welches er auf diesem
Wendepuncte ergehen ließ, und welches den ganzen Ton und das
Geschick seines Glaubens änderte.
»Verschiedene Propheten«, sagte er, »sind von Gott gesendet
worden, um die verschiedenen Eigenschaften desselben ans Licht
zu bringen, Moses, um seine Milde und Fürsehung; Salomo, um
seine Weisheit, Majestät und Herrlichkeit; Jesus Christus, um
seine Gerechtigkeit, Allwissenheit und Macht zu offenbaren;
seine Gerechtigkeit nämlich durch die Reinheit des Wandels,
seine Allwissenheit durch die Kenntniß, welche er von den
Geheimnissen aller Herzen entfaltete, seine Macht durch die
Wunder, welche er vollbrachte. Keine dieser Eigenschaften ist
jedoch ausreichend gewesen, um Ueberzeugung zu erzwingen, und
die Wunder Mosis und Jesu sind sogar mit Unglauben behandelt
worden. Ich, der letzte unter den Propheten, werde daher mit
dem Schwerte gesendet! Diejenigen, welche meinen Glauben
ausbreiten, sollen sich weder auf einen Beweis, noch auf eine
Auseinandersetzung einlassen, sondern Alle tödten, welche dem
Gesetze den Gehorsam verweigern. Wer nur für den wahren
Glauben kämpft, mag er fallen oder siegen, wird sicherlich
eine herrliche Vergeltung empfangen.«
»Das Schwert«, fügte er hinzu, »ist der Schlüssel zu Himmel
und Hölle; Alle, welche es in der Glaubensangelegenheit
ziehen, werden mit zeitlichen Vortheilen belohnt werden; jeder
Tropfen ihres Blutes, den sie vergießen, jede Gefahr und
Beschwerde, die sie ertragen, wird in der Höhe eingezeichnet
werden als verdienstlicher, denn sogar Fasten und Beten. Wenn
sie in der Schlacht fallen, so werden ihre Sünden auf einmal
ausgelöscht und sie selbst in das Paradies versetzt, um
daselbst im Genusse ewiger Freuden in den Armen schwarzäugiger
Houris zu jubeln.«
Die Prädestination wurde aufgestellt, um diese
kriegerischen Lehren zu unterstützen. Jedes Ereigniß ist nach
dem Koran von Ewigkeit vorherbestimmt und kann nicht vermieden
werden. Niemand kann früher oder später sterben als zu seiner
bestimmten Stunde, und wenn sie herbeikommt, so ist es
einerlei, ob der Todesengel ihn auf seinem Ruhebette oder
mitten im Schlachtensturme findet.
Das waren die Lehren und Offenbarungen, welche den
Islamismus aus einer Religion der Sanftmuth und
Menschenfreundlichkeit zu einer der Gewalt und des Schwertes
umformten. Den Arabern waren sie besonders angenehm, weil sie
mit ihren Gewohnheiten harmonirten und ihre räuberischen
Neigungen bestärkten. Sie waren kräftige Räuber der Wüste, und
daher darf man sich nicht darüber wundern, daß sie nach dieser
offenen Verkündigung der Religion des Schwertes sich
haufenweise um die Fahne des Propheten schaarten. Noch keine
Gewaltthat wurde von Mohammed gegen diejenigen gut geheißen,
welche im Unglauben verharrten, wenn sie sich seiner
zeitlichen Herrschaft bereitwillig unterwarfen und
Tributzahlung bewilligten; und hier sehen wir, wie das erste
Zeichen weltlichen Ehrgeizes und ein Verlangen nach zeitlicher
Gewalt in seinem Gemüthe aufsteigt. Noch wird gefunden werden,
daß der so erhobene Tribut seiner leitenden Leidenschaft
diente und von ihm auf die Ausbreitung des Glaubens
hauptsächlich verwendet wurde.
Die ersten kriegerischen Unternehmungen Mohammeds
verriethen die versteckte Rachgier, welche wir angedeutet
haben. Sie waren gegen mekkanische Karavanen gerichtet, welche
seinen unversöhnlichen Feinden, den Koreischiten, gehörten.
Die drei ersten befehligte Mohammed in Person, aber ohne
irgend ein materielles Ergebniß. Die vierte wurde einem
Moslemen, Namens Abdallah Ibn Jasch (Dschasch), anvertraut,
welcher mit acht oder zehn entschlossenen Gläubigen auf die
Straße nach Südarabien abgeschickt wurde. Da es gerade der
heilige Monat Raddschab war, welcher durch Gewaltthätigkeit
und Räuberei nicht entweiht werden durfte: so erhielt Abdallah
versiegelte Befehle, welche bis an den dritten Tag nicht
geöffnet werden sollten. Diese Befehle waren unbestimmt,
jedoch bedeutsam abgefaßt. Abdallah war beauftragt, nach dem
Thale Naklah zwischen Mekka und Tayef (demselben, wo Mohammed
die Offenbarung der Genien hatte) sich zu begeben, um daselbst
einer erwarteten Karavane der Koreischiten aufzulauern.
»Vielleicht«, fügte die Instruction schlau hinzu, »vielleicht
vermagst du uns einige Botschaft darüber zu bringen.«
Abdallah verstand den wahren Sinn des Schreibens und
verfuhr demselben gemäß. Bei der Ankunft im Thale Naklah
erspähte er die Karavane, welche aus mehreren mit Waare
beladenen Kameelen bestand und von vier Mann geführt wurde. Er
folgte ihr in einiger Entfernung und schickte Einen von seinen
Leuten, als Pilger verkleidet, voran, um sie einzuholen. Aus
den Worten des Letzteren schlossen die Koreischiten, daß seine
Gefährten, wie er selbst, Mekka verpflichtete Pilger wären.
Außerdem war es der heilige Monat Raddschab, wo die Wüste
sicher bereist werden konnte. Kaum waren sie jedoch an einen
Halteplatz gekommen, als Abdallah mit seinen Waffenbrüdern
über sie herfiel, Einen tödtete und zwei gefangen nahm; der
vierte entfloh. Hierauf kehrten die Sieger mit den Gefangenen
und der Beute nach Medina zurück.
Ganz Medina war über den Bruch des heiligen Monats empört.
Da Mohammed merkte, daß er sich zu weit gewagt hatte, so gab
er vor, über Abdallah erzürnt zu sein, und weigerte sich, den
ihm angebotenen Theil der Beute anzunehmen. Im Vertrauen auf
die Vieldeutigkeit seiner Instruktion bestand er darauf, daß
er Abdallah nicht befohlen hätte, Blut zu vergießen oder
irgend eine Gewaltthat während des heiligen Monats zu begehen.
Das dennoch fortdauernde Geschrei, welches bei den
Koreischiten Mekkas Wiederhall fand, veranlaßt folgenden
Ausspruch im Koran: »Sie werden dich über den heiligen Mond
befragen, ob sie innerhalb desselben Krieg führen dürfen.
Antworte: Zu kriegen in demselben ist abscheulich; doch Gott
zu verleugnen, den Weg Gottes vor seinem Volke zu
verschließen, die wahren Gläubigen aus seinem heiligen Tempel
zu vertreiben und Götzenbilder anzubeten, sind weit
schrecklichere Sünden als in dem heiligen Monde zu tödten.«
Da Mohammed auf diese Weise die göttliche Bestätigung der
That verkündigt hatte, so säumte er auch nicht länger, seinen
Antheil an der Beute in Empfang zu nehmen. Einen von den
Gefangenen entließ er gegen Lösegeld, der andere trat zum
Islam über.
Die angeführte Stelle des Korans jedoch, mag sie auch den
eifrigen Moslemen Genüge geleistet haben, wird kaum
ausreichen, um ihren Propheten in den Augen der Profanen zu
entschuldigen. Abdallah Ibn Jasch's Expedition war eine
beklagenswerte practische Erläuterung der neuen Religion des
Schwertes. Sie wird nicht allein als ein Act der Plünderung
und Rache, – eine in den Augen der Araber erlaubte und, weil
gegen die Feinde des Glaubens gerichtet, durch die neuen
Lehren gerechtfertigte Handlung –, sondern auch als eine grobe
Verletzung des heiligen Monats betrachtet, welcher Zeitraum
gegen Gewalttätigkeit und Blutvergießen seit undenklichen
Zeiten gesichert war, und den in Ehren zu halten Mohammed
selbst bekannte. Die Schlauheit und Heimlichkeit auch, mit
welcher das Ganze ausgesonnen und geleitet wurde, die
versiegelte Instruction Abdallahs, welche erst am Schlusse
dreier Tage, auf dem Schauplatze des beabsichtigten Vergehens
eröffnet werden durfte, und in unbestimmter, doppelsinniger,
dennoch für den Beauftragten in hinlänglich deutlicher Sprache
abgefaßt war: Alles dies stand in geradem Widerspruche mit
Mohammeds Verhalten in der früheren Zeit seiner Laufbahn, als
er es wagte, öffentlich den Weg der Pflicht zu verfolgen,
»wenn auch die Sonne zu seiner Rechten und der Mond zu seiner
Linken wider ihn aufgestellt sein würde«; Alles zeigt, daß er
sich der Schimpflichkeit der Handlung, welche er gut hieß,
bewußt war. Daß er die von Abdallah begangene Gewaltthat
verwarf, daß er dennoch den Koran zu seiner Hülfe herbeizog,
um sich in den Stand zu setzen, von derselben mit
Straflosigkeit Nutzen zu ziehen; das wirft noch dunklere
Schatten auf den Vorgang. Dieses zusammengenommen beweist, wie
plötzlich und weit er irre ging in dem Augenblicke, wo er von
dem wohlwollenden Geiste des Christenthums, mit welchem er
anfänglich zu wetteifern suchte, abwich. Weltliche
Leidenschaften und weltliche Interessen erhielten über die
religiöse Begeisterung, welche ihn erst beseelte, die
Oberhand. In dieser Beziehung ist schön bemerkt worden: »Der
erste Tropfen Blut, welcher in seinem Namen in der Heiligen
Woche vergossen worden ist, zeigte ihn als einen Mann, in
welchem der Schlamm der Erde die heilige Flamme der Prophetie
ausgelöscht hatte.«