Achtzehntes Capitel - Tod Rokaia's, der Tochter des
Propheten – Zurückführung seiner Tochter Zeinab – Erfüllung
des Fluches, welchen der Prophet gegen Abu Lahab und dessen
Familie aussprach – Wahnsinnige Wuth Henda's, des Weibes von
Abu Sofian – Mohammed entgeht mit genauer Noth dem
Meuchelmorde – Gesandtschaft der Koreischiten – Der König von
Abyssinien
Mohammed kehrte mit der Beute und den Gefangenen, welche er
in der ersten Schlacht gewonnen hatte, triumphirend nach
Medina zurück. Seinem Jubel wurde jedoch durch häuslichen
Kummer Einhalt gethan. Seine geliebte Tochter Rokaia, die erst
neulich aus der Verbannung zurückgekehrt war, war nicht mehr.
Der Bote, welcher Mohammed mit der Siegesnachricht voranging,
begegnete am Thore der Stadt dem Leichenzuge, welcher sie zum
Grabe begleitete.
Die Betrübniß des Propheten wurde kurz nachher gemildert,
da seine Tochter Zeinab unter der Obhut des treuen Zeid aus
Mekka eintraf. Zeids Sendung war mit Schwierigkeiten verbunden
gewesen. Die Bevölkerung Mekkas war über die letzte Niederlage
und über die Notwendigkeit, die Gefangenen loszukaufen,
erbittert. Zeid blieb daher außerhalb der Stadtmauern, und
sandte eine Botschaft an Kenanah, den Bruder des Abul Aaß,
hinein, um ihn von dem Vertrage zu benachrichtigen und einen
Platz zu bestimmen, wo Zeinab in seine Hände geliefert werden
sollte. Kenanah machte sich auf, sie in einer Sänfte dorthin
zu geleiten. Unterwegs wurde er von einem Haufen Koreischiten
umringt, der entschlossen war zu verhindern, daß Mohammed die
Tochter zurückgegeben würde. In der Verwirrung führte ein
gewisser Habbar Ibn Oswad nach der Sänfte einen Lanzenstoß,
welcher, hätte ihn Kenanah nicht mit dem Bogen ausparirt, für
Zeinab sich todbringend erwiesen haben möchte. Abu Sofian
wurde durch das Geräusch und den Lärm auf den Platz geführt
und tadelte Kenanah, daß er Mohammeds Tochter so öffentlich
zurücksendete, weil dies als Zugeständniß der Schwäche
gedeutet werden könnte. Zeinab wurde daher wieder in ihre
Wohnung gebracht, und Kenanah übergab sie Zeid heimlich
während der folgenden Nacht.
Als Mohammed den Angriff auf seine Tochter erfuhr, so wurde
er so aufgebracht, daß er befahl, Jeder, welcher Habbar
ergreifen würde, sollte ihn lebendig verbrennen. Als sich der
Ingrimm gelegt hatte, änderte er diesen Befehl ab. »Es kommt
Gotte allein zu, den Menschen mit Feuer zu strafen«, sagte er.
»Wird Habbar aufgegriffen, so soll er mit dem Schwerte zum
Tode gebracht werden.«
Der neue Triumph der Moslemen am Beder erfüllte die
Koreischiten mit Erstaunen und Aerger. Der Mann, welcher ganz
neulich als Flüchtling aus ihren Mauern vertrieben worden war,
hatte sich plötzlich zum mächtigen Feinde erhoben. Mehrere von
ihren tapfersten und hochgestelltesten Männern waren unter
seinem Schwerte gefallen; andere waren seine Gefangenen und
erwarteten eine demüthigende Auslösung. Abu Lahab, Mohammeds
Oheim und stets sein heftiger Gegner, hatte wegen Krankheit
nicht zu Felde ziehen können. Wenig Tage nach Empfang der
Siegesbotschaft starb er, indem sein Tod durch Aufregung
seiner Gefühle beschleunigt wurde. Fromme Moslemen schreiben
ihn jedoch dem Fluche zu, welchen Mohammed ehemals über ihn
und seine Familie ausgesprochen hatte, als er seine Hand
erhob, um einen Stein auf dem Hügel Safa nach dem Propheten zu
schleudern. Auch auf dessen Sohn Otho, welcher des Propheten
Tochter Rokaia verstoßen hatte, fiel dieser Fluch vom Himmel;
auf einer Reise nach Syrien wurde er angesichts einer ganzen
Karavane von einem Löwen in Stücke gerissen.
Keiner empfand die neuliche Niederlage am Beder so heftig,
als Abu Sofian. Zwar erreichte er mit der Karavane Mekka in
Sicherheit; aber er mußte von dem Triumphe des Mannes hören,
welchen er verabscheute, und fand sein Haus in Trostlosigkeit.
Sein Weib Henda bestürmte ihn mit wahnsinnigen Klagen über den
Tod ihres Vaters, ihres Oheims und ihres Bruders. Wuth mischte
sich mit dem Kummer, und Tag und Nacht schrie sie nach Rache
an Hamza und Ali, durch deren Hände sie gefallen waren.Es ist
ein bei allen Arabern angenommenes Gesetz, daß Jeder, welcher
das Blut eines Menschen vergießt, der Familie der getödteten
Person Blut schuldet. Dies alte Gesetz wird durch den Koran
bestätigt. »O ihr wahren Gläubigen, das Gesetz der
Wiedervergeltung wird euch wegen des Todschlags gegeben; der
Freie soll für den Freien sterben.« Die Blutrache oder der
Thar, wie sie im Arabischen benannt wird, wird von den
Anverwandten Aller, welche in offenen Kriege getödtet worden
sind, in Anspruch genommen, und nicht blos gegen den
eigentlichen Mörder, sondern auch gegen alle seine
Blutsverwandten. Für diejenigen, welche in Kriegen zwischen
zwei Stämmen getödtet worden sind, wird der Blutpreis von den
Personen gefordert, welche als die eigentlichen Mörder erkannt
werden.
Der Araber rechnet die Blutrache zu seinen heiligsten
Rechten und Pflichten; keine irdische Rücksicht kann ihn
bewegen, dieselbe aufzugeben. Er hat ein Sprüchwort: »Sollte
auch das Höllenfeuer mein Loos sein, so wollte ich doch den
Thar nicht verlassen.« –
Abu Sofian bot zweihundert schnelle Reiter auf, jeden mit
einem Sack Mehl, dem knappen Proviant eines Arabers für einen
Feldzug, im Sattelbug. Als er ausrückte, gelobte er, weder das
Haupt zu salben und den Bart zu parfümiren, noch ein Weib zu
berühren, als bis er sich mit Mohammed gemessen habe. Er
durchstreifte das Land bis auf drei Meilen vor den Thoren
Medinas, tödtete dabei zwei Anhänger des Propheten, verheerte
die Felder und brannte die Dattelbäume nieder.
Mohammed rückte ihm an der Spitze einer überlegenen
Streitmacht entgegen. Unbekümmert um das Gelübde, erwartete
ihn Abu Sofian nicht, sondern wendete um und floh. Seine
Schaar sauste hinter ihm her und warf in dem Getümmel der
Flucht die Säcke Mehl weg, weshalb diese Ausreißerei spöttisch
der »Krieg der Mehlsäcke« genannt wurde.
Moslemische Schriftsteller erzählen von einer dem Propheten
drohenden Gefahr, während er bei dieser Veranlassung noch im
Felde stand. Eines Tages schlief er in einer Entfernung vom
Lager allein am Fuße eines Baumes, als er durch ein Geräusch
geweckt wurde und Durthur, einen feindlichen Krieger,
erblickte, der mit gezücktem Schwerte bei ihm stand. »O
Mohammed«, rief er, »wer wird dich jetzt retten?« »Gott!«
erwiderte der Prophet. Durthur ließ, von der Widerlegung
betroffen, das Schwert fallen, welches Mohammed augenblicklich
aufhob. Die Waffe schwingend rief er seinerseits: »Wer wird
dich jetzt retten, o Durthur?« »Leider Niemand!« entgegnete
der Krieger. »Dann lerne von mir barmherzig sein.« So
sprechend gab er das Schwert zurück. Des Kriegers Herz war
überwunden; er erkannte Mohammed als den Propheten Gottes an
und trat zum Glauben desselben über.
Gleich als wenn diese Anekdote nicht wundervoll genug wäre,
so betheuern andere andächtige Moslemen, daß Mohammeds
Befreiung durch die Dazwischenkunft des Engels Gabriel
geschehen sei; dieser habe Durthur in dem Augenblicke, wo er
im Begriffe gewesen sei, zuzuschlagen, mit seiner unsichtbaren
Hand einen Schlag auf die Brust gegeben, welcher verursachte,
daß er das Schwert fallen ließ.
Um diese Zeit erinnerten sich die mekkanischen Koreischiten
der Verwandten und Schüler Mohammeds, welche wegen der
Verfolgung nach Abyssinien geflohen waren; die meisten
derselben befanden sich noch dort unter dem Schutze des
abyssinischen Königs. An diesen Fürsten schickten die
Koreischiten eine Gesandtschaft, um von ihm die Personen der
Flüchtlinge zu erhalten. Einer der Gesandten war Abdallah Ibn
Rabia; ein anderer war Amru Ibn Al Aaß, der ausgezeichnete
Dichter, welcher Mohammed zu Anfang seiner Sendung mit Satyren
und Spottgedichten angegriffen hatte. Jetzt stand er in
reiferem Alter und war ebenso merkwürdig wegen seines großen
Scharfsinns, als wegen seiner dichterischen Talente. Er war
noch ein furchtbarer Gegner des Islams, zu dessen tapfersten
und ausgezeichnetsten Kämpen er in späteren Jahren gehörte.
Amru und Abdallah eröffneten in orientalischer Weise durch
Ausstellung reicher Geschenke ihre Gesandtschaft, und baten
dann im Namen der koreischitischen Behörden Mekkas, daß ihnen
die Flüchtlinge ausgeliefert werden möchten. Der König war ein
gerechter Mann und forderte die Moslemen vor sich, damit sie
ihm diese neue und gefährliche Ketzerei, deren sie angeklagt
wurden, auseinandersetzten. Unter ihrer Zahl war Giafar oder
Jaffar, Abu Taleb's Sohn und Alis Bruder, folglich Mohammeds
Vetter. Er war ein Mann von überzeugender Beredtsamkeit und
eine höchst einnehmende Erscheinung. Er führte bei dieser
Gelegenheit das Wort und trug die Lehren des Islams mit Kraft
und Wärme vor. Der König, welcher, wie bemerkt worden ist, ein
nestorianischer Christ war, fand diese Lehren in vielen
Beziehungen denen seiner Secte dermaßen ähnlich und der groben
Abgötterei der Koreischiten so entgegengesetzt, daß er, weit
entfernt, die Flüchtlinge aufzugeben, ihnen vielmehr seine
Gunst und seinen Schutz noch mehr zuwendete, Amru und Abdallah
die Geschenke, welche sie mitgebracht hatten, zurückgab und
sie von seinem Hofe entließ.