Achtundzwanzigstes Capitel - Ein moslemischer Gesandte
wird in Syrien ermordet – Kriegszug, seinen Tod zu rächen –
Schlacht von Muta – Ergebnisse derselben
Unter den verschiedenen Gesandtschaften, welche Mohammed,
um die benachbarten Fürsten zur Annahme seiner Religion
aufzufordern, über Arabiens Gränzen abschickte, war auch eine
an den Befehlshaber von Bosra, dem größten Handelsplatze auf
Syriens Gränze, wohin er in den Tagen der Jugend die erste
Karavanenreise gemacht hatte. Syrien hatte sich abwechselnd
unter römischer und persischer Herrschaft befunden, war aber
in dieser Zeit dem Kaiser unterworfen, obschon wahrscheinlich
in dem Zustande großer Verwirrung. Der Gesandte Mohammeds war
zu Muta, einer drei Tagereisen östlich von Jerusalem
entlegenen Stadt, ermordet worden. Derjenige, welcher ihn
erschlug, war ein Araber des christlichen Stammes Gassan und
ein Sohn des Emirs Schorhail, der im Namen des Heraklius Muta
regierte.
Um den Tod des Gesandten zu rächen und den Botschaftern für
die Zukunft Achtung zu sichern, traf Mohammed Anstalten, wider
die mißfällige Stadt eine Armee von dreitausend Mann zu
schicken. Es war ein wichtiger Kriegszug, da er die Waffen des
Islams mit denen des römischen Reiches zum ersten Male in
Berührung bringen konnte; aber Mohammed verließ sich auf seine
wachsende Macht, auf die Energie seiner Truppen und auf den
verworrenen Zustand der syrischen Verhältnisse. Mit dem
Oberbefehle wurde sein Freigelassener Zeid betraut, welcher
dadurch, daß er ihm seine schöne Gattin Zainab ausantwortete,
einen ausgezeichneten Beweis seiner Ergebenheit geliefert
hatte. Mehrere ausgewählte Officiere wurden ihm beigesellt.
Einer derselben war Mohammeds Vetter Jaafar (Dschaafar), Abu
Talebs Sohn und Alis Bruder, derselbe, welcher die Lehren des
Islams durch seine Beredsamkeit vor dem abyssinischen Könige
vertheidigt und die Absicht der koreischitischen Gesandtschaft
vereitelt hatte. Er stand jetzt in seinem Blüthenalter und war
wegen großen Muthes und männlicher Schönheit berühmt. Ein
anderer der beigesellten Officiere war der Dichter Abdallah
Ibn Kawaha, der sich aber in den Waffen ebenso wie in der
Dichtkunst ausgezeichnet hatte. Ein dritter war der
Neubekehrte Khaled, der sich aus Begierde, die Aufrichtigkeit
seiner Bekehrung durch das Schwert zu beweisen, als
Freiwilliger dem Kriegszuge anschloß.
Zeid hatte den Befehl, schnell zu marschiren sowie die
Stadt unvermuthet zu überfallen, die Bewohner zur Annahme des
Glaubens aufzufordern und sie mit Milde zu behandeln. Frauen,
Kinder, Mönche und Blinde sollten auf alle Fälle geschont,
auch weder Häuser zerstört noch Bäume niedergeschnitten
werden. Die kleine Armee rückte in dem vollen Vertrauen aus,
über den Feind unversehens herzufallen. Auf dem Marsche
erfuhren sie jedoch, daß ein weit überlegenes Heer Römer, oder
vielmehr Griechen und Araber, gegen sie im Anzuge wäre. Es
wurde ein Kriegsrath berufen. Einige waren dafür, daß man
stehen bliebe und weitere Befehle von Mohammed abwartete; aber
Abdallah, der Dichter, entschied sich für furchtloses
Vorwärtsgehen, ohne die Stärke der Armeen zu berücksichtigen.
»Wir fechten für den Glauben!« rief er; »wenn wir fallen, ist
das Paradies unsere Belohnung. Vorwärts denn zum Siege oder
zum Märtyrerthume!«
Alle empfingen einen Funken von dem Feuer oder richtiger
von der Schwärmerei des Dichters. Bei Muta stießen sie auf den
Feind und griffen ihn vielmehr mit Wuth als mit Tapferkeit an.
In der Hitze des Gefechtes erhielt Zeid eine tödtliche Wunde.
Das heilige Banner fiel aus seiner Hand, wurde aber von Jaafar
ergriffen und hoch getragen. Die Schlacht drängte sich um ihn
zusammen, denn das Banner war der Gegenstand des heißesten
Streites. Er vertheidigte es mit verzweifelnder Tapferkeit.
Die Hand, mit welcher er es hielt, wurde ihm abgehauen; er
faßte es mit der andern. Auch diese verlor er; er umschlang es
mit seinen blutenden Armen. Ein Säbelhieb spaltete ihm den
Schädel; todt sank er auf das Feld nieder, die Fahne des
Glaubens noch umklammernd. Abdallah, der Dichter, erhob das
Banner zunächst, aber auch er fiel unter dem Schwerte. Khaled,
der Neubekehrte, sah die drei moslemischen Führer
hingestreckt, ergriff die verhängnißschwere Fahne und in
seiner Hand blieb sie hoch erhoben. Seine Stimme brachte die
wankenden Moslemen zum Stehen; sein gewaltiger Arm brach Bahn
durch den dichtesten Haufen der Feinde. Wenn seine eigene
Erzählung geglaubt werden kann, und er war derjenige, dessen
Thaten keine Übertreibung bedurften, so wurden durch die Wucht
der Schläge, welche in dem mörderischen Kampfe von ihm geführt
wurden, neun Säbel in seiner Hand zerbrochen.
Die Nacht trennte die Kämpfer. Am Morgen erwies sich
Khaled, welchen die Armee als ihren Feldherrn anerkannte,
ebenso umsichtig, als er tapfer war. Durch Märsche und
Gegenmärsche zeigte er seine Streitkräfte auf so vielen
Standpuncten, daß die Feinde rücksichtlich ihrer Zahl
getäuscht wurden und vermutheten, er hätte eine bedeutende
Verstärkung erhalten. Bei seinem ersten Angriffe zogen sie
sich daher zurück; ihr Rückzug wurde bald zur Flucht, auf
welcher sie unter vielem Blutvergießen verfolgt wurden.
Hierauf plünderte Khaled das Lager derselben, in welchem er
große Beute fand. Unter den auf dem Schlachtfelde Erschlagenen
wurde auch Jaafars Körper gefunden; er war mit Wunden bedeckt,
aber alle befanden sich auf der Vorderseite. Aus Achtung vor
seiner Tapferkeit und Verwandtschaft mit dem Propheten befahl
Khaled, daß sein Leib nicht auf dem Platze begraben, sondern
zu ehrenvoller Bestattung in Medina zurückgetragen werden
sollte.
Bei der Rückkehr betrat die Armee, obgleich mit gewonnenem
Gut beladen, die Stadt mehr wie ein Leichenzug als wie ein
triumphirendes Heer, und wurde mit Freudengeschrei, in welches
sich Klagen mischten, empfangen. Während die Leute sich am
Erfolg ihrer Waffen ergötzten, trauerten sie über den Verlust
dreier von ihren Lieblingsfeldherrn. Alle beklagten das
Geschick Jaafars, der als entstellte Leiche in die Stadt
zurückgebracht wurde, aus der sie ihn so frisch, in vollem
Stolze kühner Männlichkeit, ein Gegenstand der Bewunderung für
jeden Beschauer, hatten ausziehen sehen. Er hinterließ eine
schöne Gattin und einen zarten Sohn. Mohammeds Herz wurde
durch die Trauer derselben gerührt; er nahm das verwaiste Kind
auf die Arme und benetzte es mit seinen Thränen. Aber am
meisten wurde er ergriffen, als die jugendliche Tochter seines
treuen Zeid ihm nahte. Er fiel ihr um den Hals und weinte in
sprachloser Bewegung. Ein Nebenstehender drückte Erstaunen
aus, daß er wegen eines Todes, der nach der Moslemenlehre nur
ein Schlüssel zum Paradiese wäre, Thränen fließen ließe.
»Leider!« entgegnete der Prophet; »das sind die Thränen der
Freundschaft über den Verlust eines Freundes!«
Das Leichenbegängniß Jaafars wurde am dritten Tage nach der
Ankunft der Armee vollzogen. In dieser Zwischenzeit hatte
Mohammed seine Selbstbeherrschung wieder erlangt und war
wiederum der Prophet. Mild verwies er der Menge die
leidenschaftlichen Klagen und nahm dabei Veranlassung, eine
der weltklügsten und tröstlichsten Lehren seines Glaubens
derselben einzuprägen. »Weinet nicht mehr,« sagte er, »über
den Tod dieses meines Bruders. Statt der zwei Hände, welche er
bei der Vertheidigung der Glaubensfahne verlor, sind ihm zwei
Flügel gegeben worden, um ihn in das Paradies zu tragen, damit
er die endlosen Freuden, welche allen in der Schlacht
fallenden Gläubigen gesichert sind, daselbst genieße.«
In Folge der Tapferkeit und des Feldherrntalentes, das
Khaled in dem gefährlichen Kampfe entwickelt hatte, beehrte
ihn Mohammed mit dem Namen »das Schwert Gottes«, durch welchen
er nachher berühmt wurde.