Leben Mohammeds

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten

deutsche Übersetzung des englischen Buches "Mahomet and His Successors"

von

Washington Irving

Inhaltsverzeichnis

Das dreißigste Capitel - Ueberrumpelung und Einnahme Mekkas

Jetzt rüstete sich Mohammed zu einem geheimen Kriegszuge, um Mekka durch einen Handstreich zu nehmen. Seine Verbündeten wurden aus allen Theilen nach Medina gefordert; aber keine Mittheilung wurde ihnen über das Ziel gemacht, welches er im Auge hatte. Alle nach Mekka führenden Straßen wurden versperrt, um zu verhindern, daß den Koreischiten irgend eine Nachricht über seine Bewegungen gebracht würde. Bei aller Vorsicht jedoch wäre das Geheimniß beinahe bekannt geworden. Unter seinen aus Mekka geflohenen Gläubigen befand sich ein gewisser Hateb, dessen Familie zurückgeblieben war, und die ohne Verbindungen und Freunde dastand, welche an ihrem Wohlergehen ein Interesse nehmen konnten. Hateb glaubte nun, unter den Koreischiten Wohlwollen für sie zu gewinnen, wenn er Mohammeds Pläne verriethe. Demnach schrieb er einen Brief, welcher die beabsichtigte Unternehmung enthüllte, und gab ihn einer Sängerin, die Sara hieß und eine haschemitische Sclavin war, zur Besorgung, und sie unternahm es auch ihn nach Mekka zu tragen.

Sie war bereits auf der Straße, als Mohammed von der Verrätherei Nachricht erhielt. Ali und fünf Andere wurden wohl beritten abgeschickt, um der Briefträgerin nachzusetzen. Bald holten sie dieselbe ein, doch umsonst visitirten sie ihre Person. Die Meisten von ihnen würden das Nachsuchen aufgegeben haben und zurückgekehrt sein, aber Ali hatte die Zuversicht, daß der Prophet Gottes weder sich irren, noch falsch berichtet sein könnte. Daher zog er den Säbel und schwur, daß er der Abgeschickten den Kopf abschlagen würde, wenn sie den Brief nicht vorwiese. Diese Drohung wirkte. Unter ihren Haaren zog sie den Brief hervor.

Als Hateb wegen seiner Treulosigkeit angeklagt wurde, so bekannte er sie; er schützte aber die Sorge vor, seiner verlassenen Familie Wohlwollen zu sichern, und die Ueberzeugung, daß der Brief unschädlich sein und den Plänen des Apostels Gottes keinen Eintrag thun würde. Omar verachtete seine Entschuldigungen und wollte ihm den Kopf abschlagen; aber Mohammed, welcher sich ins Gedächtniß rief, daß Hateb zum Schutze des Glaubens in der Schlacht von Beder brav gefochten hatte, ließ seine Entschuldigungen gelten und vergab ihm.

Mit zehntausend Mann brach der Prophet zu diesem wichtigen Unternehmen auf. Omar, welcher den Auftrag hatte, den Marsch zu regeln und die Lagerplätze zu bestimmen, führte die Armee durch einsame Gebirgspässe; er gestattete nicht das Blasen der Trompete oder etwas Anderes, was ihre Bewegungen verrathen konnte. Als sie auf dem Marsche waren, vereinigte sich mit Mohammed dessen Oheim Al Abbas, welcher mit seiner Familie aus Mekka heraus kam, um sich unter die Fahnen des Glaubens zu stellen. Huldvoll empfing ihn Mohammed, doch mit einer Anspielung auf seine Säumigkeit. »Du bist der letzte unter den Emigranten«, sagte er, »wie ich der letzte unter den Propheten bin.« Al Abbas schickte seine Familie weiter nach Medina, er selbst wendete um und begleitete den Zug. Ohne bemerkt zu werden, erreichte die Armee das Thal Azzahran, nahe bei der heiligen Stadt. Die Nacht brach an, als sie schweigend die Zelte aufrichteten, und jetzt erlaubte ihnen Omar zum ersten Male, die Wachtfeuer anzuzünden.

Indessen war Al Abbas, obschon er sich mit Aufrichtigkeit der Fahne des Glaubens zugesellt hatte, doch höchst beunruhigt, als er sah, daß sein Neffe mit einer so gewaltigen Heeresmacht und mit so feindlicher Absicht gegen Mekka vorrückte; er befürchtete die gänzliche Vernichtung der Koreischiten, wofern sie nicht zu rechtzeitiger Uebergabe beredet werden könnten. In der tiefen Stille der Nacht bestieg er Mohammeds weißes Maulthier Fadda und ritt hinaus, um zu recognosciren. Als er um das Lager ging, hörte er Tritte von Leuten und den Schall von Stimmen. Eine Patrouille brachte zwei Gefangene ein, welche bei der Stadt aufgegriffen worden waren. Al Abbas näherte sich und fand, daß die Gefangenen Abu Sofian und dessen Hauptmann waren. Man führte sie zu dem Wachtfeuer Omars, welcher Abu Sofian beim Lichte erkannte. »Gott sei gepriesen,« rief er, »daß ich einen solchen Feind und dazu ohne Bedingungen in meinen Händen habe.« Sein bereit liegender Säbel möchte diesen Worten eine verhängnißvolle Bedeutsamkeit gegeben haben, wäre Al Abbas nicht vorgetreten und hätte Abu Sofian nicht unter seinen Schutz genommen, bis der Wille des Propheten bekannt sein würde. Omar eilte hinweg, um über diesen Willen Gewißheit zu erhalten, oder vielmehr um das Leben des Gefangenen zu fordern; aber Al Abbas nahm den Letzteren hinter sich, gab dem Maulthiere die Sporen und erreichte zuerst das Zelt des Propheten; Omar folgte ihm auf der Ferse und verlangte schreiend den Kopf Abu Sofians.

Auf diese Weise sah Mohammed den hartnäckigsten Feind, welcher ihn aus Heimath und Vaterland vertrieben und seine Familie und Freunde verfolgt hatte, in seiner Gewalt; aber er sahe in ihm den Vater seiner Gattin Omm Habiba und fühlte sich zur Milde gestimmt. Jegliche Entscheidung in der Sache verschob er bis auf den Morgen, und übergab Abu Sofian der Aufsicht von Al Abbas.

Als der Häuptling am folgenden Morgen vor ihn gebracht wurde, rief er: »Wohl, Abu Sofian, ist es nicht die höchste Zeit zu bekennen, daß es keinen andern Gott giebt außer Gott?« »Dies wußte ich bereits«, entgegnete Abu Sofian. »Gut! und ist es nicht Zeit für dich, mich als den Apostel Gottes anzuerkennen?« »Theurer bist du mir als mein Vater und meine Mutter«, erwiderte Abu Sofian, eine orientalische Höflichkeitsphrase gebrauchend, »aber ich bin noch nicht vorbereitet, dich als einen Propheten anzuerkennen.« »Hole dich der Henker!« schrie Omar; »gieb sogleich der Wahrheit die Ehre, oder dein Kopf soll dir vom Rumpfe getrennt werden.« Zu diesen Drohungen fügte Al Abbas, welcher sich als wirklicher Freund in der Noth bewies, Rathschläge und Bitten. Schon durch die unerwartete Milde Mohammeds war Abu Sofians Groll theilweise gedämpft worden; so erkannte er, aus der Noth eine Tugend machend, die Göttlichkeit seiner Sendung an, und lieferte damit eine Erläuterung der moslemischen Regel: »Um hartnäckige Ungläubige zu überzeugen, giebt es keinen Beweisgrund als das Schwert.«

Nachdem Abu Sofian den Glauben angenommen hatte, erhielt er auch für die Bevölkerung Mekkas, im Falle ihrer Unterwerfung, günstige Bedingungen. Keinem sollte ein Leid zugefügt werden, welcher ruhig in seinem Hause bleiben, oder in den Häusern Abu Sofians und Hakims, oder unter der Fahne Abu Rawaihas seine Zuflucht suchen würde.

Damit Abu Sofian eine richtige Vorstellung von der Armee, welche wider die Stadt aufgestellt war, in sie zurückbringen möchte: so stellte man ihn mit Al Abbas an einen schmalen Engpaß, wo das ganze Heer die Musterung passirte. Als die mannichfaltigen arabischen Stämme mit ihren verschiedenen Waffen und Feldzeichen vorbei zogen, gab Al Abbas den Namen und das Land eines jeden an. Abu Sofian war über die Zahl, Zucht und Ausstattung der Truppen erstaunt; denn die Moslemen hatten sich in den Geräthen und in der Kunst des Krieges schnell vervollkommnet; aber da Mohammed in der Mitte einer auserlesenen Leibwache, welche über und über gerüstet war und von Stahl glänzte, sich näherte: so überstieg sein Erstaunen alle Gränzen. »Hier gilt kein Widerstand!« rief er Al Abbas mit einem Eide zu; – »wahrlich! dein Neffe führt ein gewaltiges Heer.« »Ganz so ist es«; erwiderte der Andere; »kehre denn um zu deinen Leuten, sorge für ihre Sicherheit und warne sie, sich dem Apostel Gottes zu widersetzen.«

Abu Sofian eilte nach Mekka zurück, und nachdem er die Einwohner zusammen berufen hatte, erzählte er ihnen von dem mächtigen Heere, welches zur Hand wäre und von Mohammed angeführt würde, von den günstigen Bedingungen, die man im Fall ihrer Unterwerfung angeboten hätte und von der Nutzlosigkeit jeglichen Widerstandes. Da Abu Sofian in Bekämpfung Mohammeds und seiner Lehren die Seele gewesen war, so hatten seine Worte die augenblickliche Wirkung in einem Falle, welcher keine Wahl zu lassen schien, die Zustimmung zu erzeugen. Der größere Theil der Bewohner schickte sich daher an, ohne Widerstand von dem Einzuge des Propheten Zeuge zu sein.

Indessen traf Mohammed, welcher nicht wußte, was für ein Widerstand ihm begegnen möchte, eine sorgfältige Vertheilung seiner Streitkräfte, als er sich der Stadt näherte. Während die Hauptmasse unmittelbar vorwärts marschirte, setzten sich starke Abteilungen über die Anhöhen auf jeder Seite in Bewegung. Ali, der eine ansehnliche Reiterei commandirte, wurde die heilige Fahne anvertraut, um sie auf dem Berge Hadjun (Haddschun) aufzupflanzen und sie dort zu beschirmen, bis der Prophet ankäme. Allen Führern wurden ausdrückliche Befehle gegeben, Nachsicht zu üben und in keinem Falle den ersten Angriff zu machen; denn es war das ernstlichste Verlangen Mohammeds, Mekka durch Mäßigung und Sanftmuth vielmehr zu gewinnen, als durch Gewaltthätigkeit zu unterjochen. Zwar sollten Alle, welche bewaffneten Widerstand leisten würden, nieder gehauen werden, aber Niemandem, der sich ruhig unterwürfe, sollte ein Leid widerfahren. Als einer der Hauptleute dies überhörte und in der Hitze des Eifers ausrief, daß »kein Platz heilig wäre am Schlachttage«, so bestimmte er augenblicklich einen kaltblütigeren Commandanten an dessen Stelle.

Das Hauptcorps des Heeres rückte ohne Belästigung weiter. Mohammed, in ein Scharlachgewand gekleidet und sein Lieblingskameel Al Kaswa reitend, führte den Nachtrab. Jedoch nur langsam zog er weiter, weil die ungeheure Menge, welche sich um ihn herum drängte, seine Bewegungen hemmte. Nach seiner Ankunft auf dem Berge Hadjun, wo Ali die Fahne des Glaubens aufgepflanzt hatte, wurde für ihn ein Zelt aufgeschlagen. Hier stieg er ab, zog das Scharlachgewand aus und legte den schwarzen Turban und das Pilgergewand an. Einen Blick in die Ebene werfend, gewahrte er jedoch mit Kummer und Unwillen das Blitzen der Schwerter und Lanzen, und Khaled, welcher den linken Flügel commandirte, in vollem Gange des Gemetzels. Die Truppen desselben, aus arabischen, zum Glauben bekehrten Stämmen bestehend, waren durch Pfeile aus einer koreischitischen Abtheilung geneckt worden; hierauf fiel der feurige Krieger mit Schwert und Lanze in den dichtesten Haufen derselben; seine Mannschaften drängten ihm nach; sie schlugen den Feind in die Flucht; drangen mit ihnen vermischt durch die Thore Mekkas hinein, und Nichts als die schnellen Befehle des Propheten bewahrten die Stadt vor einem allgemeinen Blutbade.

Als der Metzelei Einhalt gethan war und weiterer Widerstand sich nicht zeigte, so stieg der Prophet vom Berge hinab und näherte sich den Thoren; er selbst saß auf seinem Kameele, Abu Beker geleitete ihn auf seiner rechten Hand, und Osama, der Sohn Zeids folgte ihm. Die Sonne ging gerade auf, als er mit der Strahlenkrone eines Eroberers, aber mit dem Gewande und der Demuth eines Pilgers in die Thore seiner Geburtsstadt einritt. Er zog ein unter Wiederholung von Versen aus dem Koran, welche ihm in Medina geoffenbart worden sein sollen und die eine Vorherverkündigung dieses Ereignisses waren. Er triumphirte in dem Geiste eines religiösen Eiferers, nicht eines Kriegers. »Gotte«, sagte er, »gehören die Heere des Himmels und der Erde und Gott ist mächtig und weise. Jetzt hat Gott dem Apostel die Vision bestätigt, in welcher er sagte, ihr werdet gewißlich den heiligen Tempel von Mekka in voller Sicherheit betreten.«

Ohne abzusitzen, begab sich Mohammed unmittelbar zur Kaaba, an den Ort seiner früheren Andachtsübungen, zu dem heiligen Hause der Anbetung seit den Tagen der Patriarchen, das er als den ursprünglichen Tempel des einen wahren Gottes betrachtete. Hier hielt er sieben Umgänge um das heilige Gebäude, was ein Gebrauch der Ehrerbietung ist aus den Tagen der religiösen Reinheit, mit derselben Inbrunst berührte er jedes Mal mit dem Stabe den schwarzen Stein, ihn als eine heilige Reliquie betrachtend. Er würde in die Kaaba hineingegangen sein, wenn nicht Othman Ibn Talha, der alte Aufseher, das Thor geschlossen hätte. Ali entriß ihm die Schlüssel, aber Mohammed ließ sie dem ehrwürdigen Beamten zurückgeben und nahm ihn durch seine Freundlichkeit dergestalt für sich ein, daß er nicht blos die Thore öffnete, sondern auch nachher den Islam annahm, worauf er fortdauernd in dem Amte verblieb.

Mohammed verschritt nun zur Erreichung des höchsten Gegenstandes seiner religiösen Bestrebungen, zur Reinigung des heiligen Gebäudes von den Symbolen der Abgötterei, mit welchen es angefüllt war. Alle Götzenbilder in und um dasselbe, an Zahl drei hundert und sechzig, wurden niedergeworfen und zerstört. Unter diesen war das berühmteste Hobal, ein aus Balka in Syrien herübergebrachter Abgott, welcher die Kraft besitzen sollte, Regen zu verleihen. Er war, wie sich von selbst versteht, ein wichtiger Gegenstand der Verehrung unter den Bewohnern der versengten Wüste. Es waren auch Standbilder von Abraham und Ismael da, welche sie mit den weissagenden Pfeilen in den Händen darstellten; »eine Beschimpfung ihres Andenkens«, sagte Mohammed, »da sie Symbole einer teuflischen Kunst sind, welche sie nie geübt haben«. Aus Ehrerbietung vor dem Andenken an dieselben wurden daher diese Standbilder zerschlagen. Es waren auch Gemälde da, welche Engel in der Gestalt schöner Frauen zeigten. »Die Engel«, sagte Mohammed mit Unwillen, »sind keine solchen Wesen. Das sind himmlische Houris, welche im Paradiese zur Erquickung für alle wahren Gläubigen bereit gehalten werden; aber die Engel sind dienstbare Geister des Allerhöchsten und von einer zu reinen Beschaffenheit, als daß sie etwas Geschlechtliches annehmen sollten.« Die Gemälde wurden demgemäß vertilgt. Sogar eine aus Holz zierlich geschnitzte Taube zerbrach er mit seinen eigenen Händen und warf sie auf den Boden, weil sie nach Abgötterei schmecke.

Aus der Kaaba ging er an den Brunnen Zem Zem. Er war in seinen Augen heilig wegen des Glaubens, daß er ganz derselbe wäre, welcher Hagar und Ismael in ihrer äußersten Bedrängniß von dem Engel gezeigt wurde; er betrachtete den an dieselbe geknüpften Gebrauch als unverfälscht und heilig und behielt ihn in seiner Religion bei. Als er sich dem Brunnen näherte, so reichte ihm sein Oheim Al Abbas einen Krug Wasser, damit er trinken und die Waschung vollziehen möchte. Zum Andenken an diese fromme Handlung bestimmte er seinen Oheim zum Hüter des Brunnenbechers; ein Amt von heiliger Würde, welches seine Nachkommen bis auf diesen Tag verwalten.

Auf seinen Befehl berief zu Mittage von der Zinne der Kaaba einer der Gläubigen die Leute zum Gebete, – ein Gebrauch, welcher seitdem stets in mohammedanischen Ländern von den auf jeder Moschee angebrachten Minarets oder Thürmen fortgesetzt wird. Auch bestimmte er das Kebla, nach welchem der Gläubige in jedem Welttheile das Gesicht beim Gebete richten sollte.

Hierauf wendete er sich in einer Art Predigt an das Volk, in welcher er seine Hauptlehren darlegte und den Sieg des Glaubens als eine Erfüllung der prophetischen Verheißung verkündigte. Freudengeschrei brach zur Entgegnung aus der Menge hervor: »Allah Achbar! Gott ist groß!« riefen sie. »Es ist kein Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.«

Nach Beendigung der religiösen Feierlichkeiten nahm Mohammed seinen Standort auf dem Hügel Al Safa, und die Bevölkerung Mekkas, männliche und weibliche, ging bei ihm vorüber, indem sie ihm als dem Apostel Gottes den Eid der Treue leistete und dem Götzendienste entsagte. Dies geschah in Folge einer Offenbarung in dem Koran: »Gott hat seinen Apostel mit der Religion der Wahrheit und mit der Vorschrift gesendet, daß er dieselbe über jede Religion erhebe. Wahrlich, diejenigen, welche ihm Treue schwören, schwören Gott Treue; die Hand Gottes ist über ihren Händen.« Mitten in seinem Triumphe wies er jedoch alle Huldigungen, welche ihm ausschließlich gezollt wurden, und alle königliche Machtvollkommenheit zurück. »Warum zitterst Du?« sagte er zu einem Manne, welcher sich mit schüchternen und schwankenden Schritten näherte. »Weshalb stehest du in Furcht? Ich bin kein König, sondern der Sohn eines koreischitischen Weibes, welche in der Sonne getrocknetes Fleisch aß.«

Seine Lindigkeit war gleichmäßig sichtbar. Die ehemals so hochmüthigen Häuptlinge der Koreischiten erschienen vor dem Manne, welchen sie verfolgt hatten, mit niedergeschlagenem Gesichte, denn ihr Leben stand in seiner Hand. »Was könnt ihr von mir erwarten?« fragte er finster. »Barmherzigkeit, o edler Bruder! Barmherzigkeit, Sohn einer edeln Familie!« »Es sei so!« rief er mit einer Mischung von Verachtung und Mitleid. »Hinweg! Fort! Ihr seid frei!«

Einige der Gläubigen, welche die Verfolgungen mit ihm getheilt hatten, wurden in ihrer Erwartung blutiger Rache getäuscht und murrten über seine Milde; aber er beharrte bei derselben und bestimmte Mekka zum unverletzlichen Heiligthume oder zur Zufluchtsstätte, als welche es bis zur endlichen Auferstehung fortbestehen sollte. Er behielt sich jedoch das Recht vor, in dem gegenwärtigen Falle und während dieses besonderen Tages Einige von der Bevölkerung Mekkas zu bestrafen, welche arg gesündigt hatten und ausdrücklich geächtet worden waren; jedoch selbst diese erhielten größtentheils zuletzt Verzeihung.

Unter den koreischitischen Frauen, welche zur Ablegung des Eides herbeikamen, entdeckte er Henda, Abu Sofians Gattin, jenes grausame Weib, das die Ungläubigen in der Schlacht von Ohod entflammt und zur Rache für den Tod ihres Vaters das Herz Hamzas benagt hatte. In dem vorliegenden Falle hatte sie sich, um der Entdeckung zu entgehen, verkleidet; als sie aber die Augen des Propheten auf sich gerichtet sah, so warf sie sich ihm zu Füßen und rief aus: »Ich bin Henda! Verzeihung! Verzeihung!« Mohammed verzieh ihr und seine Menschlichkeit wurde dadurch vergolten, daß sie seine Lehren zum Gegenstande geringschätzender Stichelreden machte.

Unter den zur Bestrafung Bestimmten befand sich auch der Aethiopier Wacksa, welcher Hamza getödtet hatte; aber er war bei dem Einzuge der Armee aus Mekka entflohen. In der Folgezeit stellte er sich vor den Propheten und legte das Glaubensbekenntniß ab, bevor er erkannt wurde. Er erhielt Vergebung und wurde veranlaßt, die Einzelheiten von Hamzas Tode zu erzählen, worauf ihn Mohammed mit dem ausdrücklichen Befehle entließ, ihm niemals wieder vors Gesicht zu kommen. Er lebte bis in die Zeit von Omars Kalifat, während dessen Regierung er wiederholt wegen Trunkenheit gepeitscht wurde.

Zu den Geächteten gehörte auch Abdallah Ibn Saad, ein junger Koreischite, der ebenso sehr durch Witz und Laune wie durch kriegerische Eigenschaften sich auszeichnete. Da er die Feder eines gewandten Schriftstellers führte, so verwendete ihn Mohammed zur Niederschreibung der Offenbarungen des Korans. Dabei hatte er oft den Text geändert und verbessert; ja es wurde ferner entdeckt, daß er ihn gelegentlich, aus Fahrlässigkeit oder mit Absicht, sogar verfälscht und widersinnig gemacht hatte. Er war noch weiter gegangen und hatte seine Veränderungen und Verbesserungen als Stoff zu Spott und Scherze unter seinen Genossen gebraucht, indem er bemerkte, daß wenn der Koran Mohammed als Propheten erwiese, so müßte er selbst ein halber Prophet sein. Als seine Einschiebsel entdeckt wurden, floh er vor dem Zorne Mohammeds, kehrte nach Mekka zurück und verfiel wieder in Abgötterei. Nach der Einnahme der Stadt hatte ihn sein Milchbruder in seinem Hause verborgen, bis sich der Tumult gelegt hatte, wo er ihn vor den Propheten führte und um seine Begnadigung bat. Das war die härteste Prüfung der Sanftmuth Mohammeds. Der Verbrecher hatte sein Vertrauen getäuscht, ihn ins Lächerliche gezogen, seine apostolische Sendung bezweifelt und selbst die Grundlage des Glaubens angegriffen. Einige Zeit beobachtete er ein düsteres Schweigen in der Hoffnung, daß, wie er später erklärte, irgend ein eifriger Jünger dem Missethäter den Kopf abschlagen möchte. Es rührte sich jedoch Niemand; daher gewährte er ihm, den Bitten Othmans nachgebend, Verzeihung. Abdallah erneuerte augenblicklich das Glaubensbekenntniß und blieb ein guter Muselman. Der Name desselben wird in den Kriegen der Kalifen vorkommen. Er war einer der gewandtesten Reiter seines Stammes und bewies seine herrschende Leidenschaft bis ans Ende, denn er verschied unter der Wiederholung der hundertsten Sure des Korans, welche »die Streitrosse« betitelt ist. Vielleicht war es diejenige, welche seine Verfälschung erfahren hatte.

Einer der Geächteten war auch Akrema Ibn Abu Jahl, welcher bei vielen Gelegenheiten eine tödtliche, von dem Vater geerbte Feindseligkeit gegen den Propheten an den Tag gelegt hatte. Bei dem Einzuge Mohammeds in Mekka hatte sich Akrema auf ein schnelles Pferd geworfen und war durch ein entgegengesetztes Thor entkommen, seine schöne Gattin Omm Hakem, mit der er seit Kurzem verbunden war, zurücklassend. Sie nahm den Islam an, erfuhr jedoch bald, daß ihr Gatte bei dem Versuche, zur See nach Jemen zu entkommen, wieder in den Hafen zurückgetrieben worden wäre. Sie eilte in die Versammlung bei dem Propheten, warf sich in ungeordneten Kleidern, mit aufgelösten Haaren und unverschleiert vor ihm auf die Kniee und flehte um Gnade für ihren Gatten. Der Prophet, wahrscheinlich mehr durch ihre Schönheit als durch ihren Kummer bewogen, hob sie freundlich von der Erde auf und sagte ihr, daß ihre Bitte bewilligt wäre. Nach dem Seehafen jagend kam sie gerade an, als das Fahrzeug, auf welchem ihr Gatte sich eingeschifft hatte, unter Segel gehen wollte. Sie kehrte, hinter ihm aufsitzend, nach Mekka zurück und brachte ihn, einen wahren Gläubigen, in die Versammlung des Propheten. Bei dieser Gelegenheit war sie jedoch so dicht verschleiert, daß blos ihre schwarzen Augen sichtbar waren. Mohammed hörte Akrema's Glaubensbekenntniß an, gab ihm den Befehl über ein Bataillon Hawazeniten als Brautgeschenk seiner schönen und ergebenen Gattin und ertheilte dem jungen Paare reichliche Geschenke. Gleichwie viele andere bekehrte Feinde, zeigte sich auch Akrema bei verschiedenen Gelegenheiten als braver Krieger und fiel, von Schwertern und Lanzen zerhauen und durchstochen, in einer Schlacht.

Das gesammte Verhalten Mohammeds nach der Besitzergreifung von Mekka beweiset, daß es mehr ein religiöser als ein kriegerischer Triumph war. Dazu wurde sein Herz gegen die Vaterstadt erweicht, jetzt wo sie in seiner Gewalt war; seine Rachegefühle wurden durch den glücklichen Erfolg ausgelöscht, und alle seine Neigungen gingen auf Vergebung.

Die Ansaren oder Hülfsvölker Medinas, welche ihn bei dem Feldzuge begleitet hatten, begannen zu fürchten, daß der glückliche Ausgang desselben für ihr eigenes Interesse unheilbringend werden könnte. Sie horchten ängstlich, als er eines Tages nach dem Gebete auf dem Hügel Al Safa saß und auf Mekka, den Schauplatz seines früheren Kampfes und seines jetzigen Ruhmes, gedankenvoll niederschauend sagte: »Wahrlich, du bist die schönste unter den Städten und die von Allah geliebteste! Wäre ich nicht von meinem eigenen Stamme aus dir vertrieben worden, so würde ich dich niemals verlassen haben.« Als dies die Ansaren hörten, sagten sie zu einander: »Sehet! Mohammed ist Eroberer und Herr seiner Geburtsstadt; ohne Zweifel will er sich hier niederlassen und Medina aufgeben!« Ihre Worte erreichten sein Ohr, und er wendete sich an sie mit vorwurfsvoller Begeisterung und rief: »Nein! als ihr mir Treue gelobtet, so schwur ich, mit euch zu leben und zu sterben. Ich würde nicht als der Diener Gottes, auch nicht als sein Gesandter handeln, wenn ich euch verließe.« Diesen Worten gemäß handelte er, und Medina, welches seine Zufluchtsstadt gewesen war, blieb seine Residenz bis an seinen Todestag.

Mohammed begnügte sich nicht mit der Reinigung der Kaaba und mit der Verbannung des Götzendienstes aus seiner Vaterstadt; er sandte seine Feldherrn an der Spitze bewaffneter Schaaren aus, um die Götzenbilder der verschiedenen Stämme, welche in den benachbarten Städten und Dörfern aufgestellt waren, niederzuwerfen und die Verehrer derselben zu seinem Glauben zu bekehren. Unter allen diesen militärischen Aposteln war keiner so eifrig wie Khaled, dessen Geist von der frischen Bekehrung noch im Gähren begriffen war. Als er in Naklah ankam, wo sich die götzendienerischen Koreischiten versammelten, um am Altare Uzza's anzubeten: so drang er in den heiligen Hain, verheerte den Tempel und warf das Götzenbild zu Boden. Eine schreckliche Unholdin, schwarz und nackt, mit aufgelöstem Haar, stürzte kreischend und die Hände ringend hervor; aber Khaled hieb sie mit einem einzigen Schlage seines Säbels mitten auseinander. Er berichtete Mohammed die That, den Zweifel aussprechend, ob es eine Priesterin oder ein böser Geist gewesen wäre. »In Wahrheit«, erwiderte der Prophet, »es war die Uzza selbst, welche du vernichtet hast.«

Bei einer ähnlichen Botschaft in die benachbarte Provinz Tehama hatte Khaled drei hundert und fünfzig Mann, Einige derselben aus dem Stamme Suleim, bei sich, und wurde von Abda'lrahman, einem der frühesten Bekenner des moslemischen Glaubens begleitet. Die Verhaltungsbefehle des Propheten an ihn lauteten dahin, daß er Frieden und Wohlwollen predigen, den Glauben einprägen und sich jeder Gewaltthätigkeit, wofern er nicht angegriffen würde, enthalten sollte. Als er ungefähr zwei Tagereisen weit auf dem Wege nach Tehama sich befand, so hatte er durch das Gebiet des Stammes Jadsima (Dschadsima) zu ziehen. Die meisten Bewohner hatten den Glauben angenommen, aber einige waren noch der sabäischen Religion zugethan. Bei einer früheren Gelegenheit hatte der Stamm einen Oheim Khaleds, auch Abda'lrahmans Vater und mehrere Suleimiten auf einer Rückreise aus dem glücklichen Arabien ausgeplündert und erschlagen. Aus Furcht, daß Khaled und dessen Heer wegen dieser Missethaten Rache nehmen möchten, bewaffneten sie sich bei der Annäherung derselben. Khaled freute sich heimlich, als er sah, daß sie ihm in dieser kriegerischen Verfassung entgegen geritten kamen. Mit gebieterischem Tone sie grüßend fragte er, ob sie Moslemen oder Ungläubige wären? Mit wankender Stimme antworteten sie: »Moslemen«. »Warum kommt ihr uns denn mit Waffen in der Hand entgegen?« »Weil wir Feinde unter einigen Stämmen haben, die uns unversehens angreifen könnten.« Finster befahl ihnen Khaled, abzusteigen und die Waffen niederzulegen. Einige thaten es und wurden augenblicklich ergriffen und gebunden; die Uebrigen flohen. Da er ihre Flucht für ein Schuldbekenntniß hielt, so verfolgte er sie unter vielem Blutvergießen, verwüstete das Land, und in dem Aufbrausen der Hitze erschlug er sogar einige Gefangene. Als Mohammed diese ohne Herausforderung begangene Ungerechtigkeit erfuhr, hob er die Hände gen Himmel und rief Gott zum Zeugen an, daß er an derselben unschuldig wäre. Khaled wurde wegen derselben bei seiner Rückkehr getadelt und würde den Vorwurf gern Abda'lrahman zugeschoben haben; aber mit Unwillen wies Mohammed die Anschuldigung eines der frühsten und würdigsten unter seinen Bekennern zurück. Der edelherzige Ali wurde sofort abgeschickt, um der Bevölkerung von Jadsima (Dschadsima) das, was ihr Khaled entrissen hatte, wieder zuzustellen, und den Verwandten der Erschlagenen eine Vergütung an Geld zu geben. Das war eine mit seinem Charakter zusammenstimmende Sendung, und er führte sie treulich aus. Er erforschte die Verluste und Leiden einer jeden Person und bezahlte sie zu ihrer vollen Zufriedenheit. Als jeder Schade gut gemacht und für alles Blut Entgelt geleistet war: so vertheilte er das übrige Geld unter das Volk, jedes Herz durch seine Güte erfreuend. Daher empfing Ali die Danksagungen und Lobpreisungen des Propheten, aber der rachsüchtige Khaled wurde sogar von denen getadelt, welchen er zu gefallen geglaubt hatte. »Siehe!« sagte er zu Abda'lrahman, »ich habe den Tod deines Vaters gerächt.« »Sage lieber«, erwiderte der Andere mit Unwillen, »du hast den Tod deines Oheims gerächt. Du hast durch eine eines Götzendieners würdige Handlung den Glauben geschändet.«

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