Leben Mohammeds

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten

deutsche Übersetzung des englischen Buches "Mahomet and His Successors"

von

Washington Irving

Inhaltsverzeichnis

Fünfunddreißigstes Capitel - Abu Beker führt die jährliche Pilgerschaft nach Mekka – Ali's Sendung zur Verkündigung einer Offenbarung

Der heilige Mond der jährlichen Pilgerfahrt stand jetzt bevor; aber Mohammed war mit öffentlichen und häuslichen Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, als daß er sich aus Medina hätte entfernen können. Daher bevollmächtigte er Abu Beker, für ihn als Emir oder Befehlshaber der Pilger, welche von Medina nach Mekka sich zu begeben gedächten, einzutreten. Demgemäß reiste Abu Beker an der Spitze von dreihundert Pilgern mit zwanzig Kameelen zum Opfer ab.

Nicht lange hernach forderte Mohammed seinen Schwiegersohn und ergebenen Jünger Ali zu sich, und indem er ihn auf Al Adha oder das Kameel mit geschlitzten Ohren, das flüchtigste von seinen Kameelen, setzte, drang er in ihn, in der größten Schnelligkeit nach Mekka zu eilen, um dort vor der Menge der aus allen Gegenden zusammengekommenen Pilger eine wichtige Sure, d. i. ein Capitel des Korans, welches er so eben vom Himmel empfangen hätte, zu verkündigen. Ali vollführte mit gewohntem Eifer und Treue die Sendung. Er erreichte die heilige Stadt, da sie sich auf dem Gipfel der großen religiösen Festlichkeit befand. Als am Opfertage mit dem Schlachten der Opferthiere im Thale Mina die Feierlichkeiten der Wallfahrt vollendet waren, und Abu Beker gepredigt und das Volk in den Lehren und Gebräuchen des Islams unterrichtet hatte: so erhob sich Ali vor der ungeheuren, auf dem Hügel Al Akaba versammelten Menge und kündigte sich als Boten des Propheten an, welcher eine wichtige Offenbarung überbrächte. Hierauf las er die Sure vor, deren Träger er war und in der die Religion des Schwertes in ihrer ganzen Strenge dargelegt wurde. Sie entband Mohammed von jedem Waffenstillstande und von jedem Bündnisse mit den Götzendienern und andern Ungläubigen, wenn sie in irgend einer Weise ihren Zusicherungen untreu gewesen wären oder seinen Feinden Beistand geleistet hätten. Sie gewährte Ungläubigen vier Monate Duldung von der Zeit dieser Verkündigung an, während welcher Monate sie auf der Erde sicher hin und her gehen möchten, aber am Ende dieses Zeitraumes würde alle Nachsicht aufhören; Kriege würden auf jede Weise, zu jeder Zeit und an jedem Orte, mit offener Gewalt und mit List gegen diejenigen, welche im Unglauben beharrten, geführt werden; es würde ihnen keine Wahl gelassen, als den Glauben anzunehmen oder Tribut zu zahlen. Die heiligen Monate und Orte würden ihnen nicht länger Schutz bieten. »Wenn die Monate, in denen ihr sie nicht angreifen dürft, vorüber sind,« sagte die Offenbarung, »so tödtet die Ungläubigen, wo ihr sie nur findet, oder macht sie zu Gefangenen; belagert sie oder lauert ihnen auf.« Die Bande des Blutes und der Freundschaft mußten gleicher Weise gering geachtet werden; die Gläubigen durften keine Gemeinschaft mit den nächsten Verwandten und theuersten Freunden unterhalten, würden diese im Götzendienste beharren. Nach dem Schlusse des laufenden Jahres durfte es keinem Ungläubigen gestattet werden, die heiligen Gränzen Mekkas zu betreten oder in den Tempel Allahs einzugehen, ein Verbot, welches bis auf den heutigen Tag fortbesteht.

Dieses nachdrückliche Capitel des Korans ist, wie man glaubt, großen Theils durch das Verhalten einiger jüdischen und abgöttischen Araber hervorgerufen worden, mit welchen Mohammed Verträge geschlossen, die aber mit ihm unredlich gespielt und sogar verrätherische Angriffe auf sein Leben gemacht hatten. Es beweist jedoch das gestiegene Vertrauen, welches er in Folge des Todes seines hinterlistigen und mächtigen Feindes, Abdallah Ibn Obbas, und in Folge der Bekehrung oder Unterjochung der arabischen Stämme fühlte. Es war in der That ein entscheidender Schlag für die ausschließliche Herrschaft seines Glaubens.

Als Abu Beker und Ali nach Mekka zurückkehrten, so sprach der Erstere Staunen und Unzufriedenheit darüber aus, daß nicht er zum Verkündiger einer so wichtigen Offenbarung gemacht worden wäre, da sie mit seiner jetzigen Stellung im Zusammenhange zu stehen schiene; er wurde aber durch die Versicherung beruhigt, daß alle neuen Offenbarungen entweder vom Propheten selbst, oder von Einem aus seiner unmittelbaren Familie veröffentlicht werden müßten.

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