Siebenunddreißigstes Capitel - Von den zwei falschen
Propheten, Al Aswad und Moseïlma
Mohammeds Gesundheit verfiel nach der Rückkehr nach Medina
immer mehr; dessenungeachtet war der Eifer, sein religiöses
Reich zu erweitern, ungeschwächt, und er rüstete sich in
umfänglicher Weise zu einem Einfalle in Syrien und Palästina.
Während er jedoch an die Eroberung auswärtiger Gebiete dachte,
erhoben sich zwei nebenbuhlerische Propheten, um ihm die
Herrschaft über Arabien streitig zu machen. Der eine hieß Al
Aswad, der andere Moseïlma; von den Gläubigen erhielten sie
die Benennung: »die zwei Lügner.«
Al Aswad, ein scharfsinniger und mit überzeugender
Beredtsamkeit begabter Mann, war ursprünglich Götzendiener,
dann Bekenner des Islams, von welchem er abfiel, um sich
selbst für einen Propheten auszugeben und eine Religion
eigener Erfindung zu gründen. Seine Wankelmüthigkeit in
Glaubenssachen verschaffte ihm den Beinamen »Wetterhahn«.
Mohammed nacheifernd behauptete er, durch Vermittelung zweier
Engel Offenbarungen vom Himmel zu empfangen. Da er in
Taschenspielerkünsten und natürlicher Magie bewandert war, so
wurde die Menge von ihm durch gespenstisches Blendwerk,
welches er als Wunder hinstellte, dermaßen in Staunen und
Verwirrung gesetzt, daß moslemische Schriftsteller glauben, er
sei wirklich von zwei bösen Geistern oder Dämonen unterstützt
worden. Seine Pläne wurden eine Zeit lang mit großem Erfolge
gekrönt, und dies zeigt uns, wie unbeständig die Araber jener
Tage in Glaubenssachen waren, und wie bereitwillig, jeden
neuen Glauben anzunehmen. In diesem Jahre starb der Perser
Budhan, welchen Mohammed als Vicekönig über das glückliche
Arabien gesetzt hatte; darauf ermordete Al Aswad, welcher
jetzt an der Spitze einer mächtigen Secte stand, den Sohn und
Nachfolger desselben, heirathete dessen Wittwe nach
Hinrichtung ihres Vaters und ergriff die Zügel der Regierung.
Die Bewohner von Najran (Nadschran) luden ihn in ihre Stadt
ein; die Thore Sanaa's, der Hauptstadt von Yemen, wurden ihm
gleichfalls geöffnet, so daß sich das ganze glückliche Arabien
seiner Herrschaft in kurzer Frist unterwarf. Die Nachrichten
von dieser Besitzergreifung trafen Mohammed, als er an den
ersten Anfällen einer gefährlichen Krankheit litt und sich mit
Rüstungen zum Einfalle in Syrien lebhaft beschäftigte.
Unwillig über jede Unterbrechung seiner Pläne und erwägend,
daß die vorliegende ganze Gefahr und Verwickelung von dem
Leben eines Einzelnen abhing, sandte er an zuverlässige von
seinen Anhängern, welche um Al Aswad waren, den Befehl,
denselben durch offenbare Gewalt oder durch List aus dem Wege
zu räumen, da zufolge der neulichen durch Ali verkündigten
Offenbarung wider die Feinde des Glaubens jeder Weg
gerechtfertigt wäre. Zwei Personen unterzogen sich der
Aufgabe, weniger jedoch aus religiösen Beweggründen als aus
Rache. Der Eine, Namens Rais, war von dem Thronräuber tödtlich
beleidigt worden, der Andere, Firuz der Daïlemite genannt, war
der Vetter von Al Aswad's neulich geehelichtem Weibe und der
Neffe ihres ermordeten Vaters. Sie begaben sich zu dem Weibe,
deren Ehe mit dem Thronräuber wahrscheinlich erzwungen gewesen
war, und stellten ihr eindringlich die Pflicht vor, den Tod
ihres Vaters und ersten Gatten dem arabischen Blutgesetze
gemäß zu rächen. Mit vieler Mühe bewogen sie dieselbe, ihnen
in der Stille der Nacht den Eingang in das Zimmer zu
erleichtern, wo Al Aswad schlief. Firuz stach mit einem Dolche
nach dem Halse. Der Stoß war wirkungslos, Al Aswad sprang auf
und sein Geschrei setzte die Wache in Bewegung. Die Gattin
ging jedoch hinaus und beruhigte sie. »Der Prophet«, sagte
sie, »befindet sich unter dem Eindrucke einer Eingebung.« Um
diese Zeit hörte das Geschrei auf, denn die Meuchelmörder
hatten dem Schlachtopfer den Kopf abgeschlagen. Als der Tag
dämmerte, wehte Mohammeds Fahne wiederum auf den Wällen der
Stadt, und ein Herold verkündigte bei Trompetenschalle den Tod
Al Aswad's, auch der Lügner und Betrüger genannt. Seine Macht
begann und endete innerhalb des Zeitraumes von vier Monaten.
Die glaubenswilligen Bewohner nahmen den Islam mit ebenso viel
Leichtigkeit wieder an, als sie ihn verlassen hatten.
Moseïlma, der andere Betrüger, war ein Araber des Stammes
Honeifa und herrschte über die Stadt und Provinz Yamama,
welche zwischen dem rothen Meere und dem persischen Meerbusen
liegt. Im neunten Jahre der Hegira war er an der Spitze einer
Gesandtschaft aus seinem Stamme nach Mekka gekommen und hatte
in Mohammeds Hände das Glaubensbekenntniß abgelegt; aber nach
der Rückkehr in das eigene Land hatte er verkündigt, daß ihn
Gott gleicherweise mit der Prophetengabe ausgerüstet und
bestimmt hätte, Mohammed in der Bekehrung des
Menschengeschlechts zu unterstützen. Zu diesem Zwecke schrieb
er gleichfalls einen Koran, welchen er als ein Buch göttlich
eingegebener Wahrheit veröffentlichte. Seine Glaubenslehre ist
dadurch merkwürdig, daß er der Seele eine niedrigere Wohnung
in der Gegend des Unterleibes anwies. Da er ein Mann von
Einfluß und Gewandtheit war, so sammelte er bald Schaaren
Neubekehrter unter seinen leichtgläubigen Landsleuten. Durch
Erfolg dreist gemacht, richtete er an Mohammed einen Brief,
welcher, wie folgt, anfängt: Moseïlma, der Prophet Allah's, an
Mohammed, den Propheten Allah's! Komme jetzt und laß uns eine
Theilung der Welt vornehmen, und laß die eine Hälfte mein, die
andere dein sein!« Dieser Brief kam in Mohammeds Hände, als er
von Krankheit niedergebeugt wurde und sich mit militärischen
Rüstungen beschäftigte. Er begnügte sich vor der Hand mit
folgender Erwiderung: »Mohammed, der Prophet Gottes, an
Moseïlma, den Lügner! Die Erde ist des Herrn, und er giebt sie
zum Erbtheil denen von seinen Dienern, welche vor seinem
Angesichte Gnade finden. Glücklich werden die sein, welche in
seiner Furcht leben.« Bei der Dringlichkeit anderer
Angelegenheiten blieb Moseïlma's angemaßte Herrschaft
unerschüttert. Die Bestrafung desselben war einem künftigen
Tage vorbehalten.