Begriffserklärung
Nicht Religionen sind es, die miteinander Gespräche führen,
sondern Religionskundige, die über die Religionen im
Zwiegespräch stehen. Aber auch nicht jedes Zwiegespräch
verdient, Dialog genannt zu werden. Bestimmte Phänomene aus
dem Kontext verschiedener Religionen herauszugreifen und
miteinander zu vergleichen – wie dies in der Vergleichenden
Religionswissenschaft geschieht – ist längst kein Dialog. Das
kann auch ein Religionskundiger tun, der überhaupt keiner
Religion angehört.
Ein lebendiger, weiterführender Dialog kann ausschließlich
dort stattfinden, wo jeder der Gesprächspartner aus
Überzeugung und Verantwortung seine Religion vertritt. Dennoch
kann nicht jedes Gespräch, unter solchen Gesprächspartnern,
den fruchtbaren Dialog verkörpern.
Aus islamisch-koranischer Sicht, verstärkt durch meine
langjährigen Erfahrungen, erhält nur dasjenige Zwiegespräch
den Dialogcharakter, bei dem zwei Komponenten gewährleistet
sind: Zum einen hat sich jeder der Dialogpartner, durch die
ganze Begegnungszeit hindurch, darum zu bemühen, den anderen
annähernd so zu verstehen und zu begreifen, wie er sich selbst
versteht und wie er seine eigene Religiosität empfindet. Zum
anderen hat jeder Dialogpartner zu versuchen, sich insofern in
die Lage des anderen zu versetzen, als er sich stets zum Ziel
setzt, von dem anderen so verstanden und nachempfunden zu
werden, wie er sich in seinem eigenen religiösen Bewusstsein
begreift.
Jeder muss sich also dem anderen offenbaren können, und
zwar nicht rein theoretisch; entscheidend ist dabei die
Intensität der Pflege der eigenen Religion bzw. des eigenen
Glaubens. Diese Begriffsbestimmung impliziert die für einen
erfolgreichen Dialog notwendigen Bedingungen und
Voraussetzungen. Sie schließt zugleich alles aus, was dem im
Weg steht bzw. alles, was – wie nicht selten der Fall ist –
nur einen Scheindialog zur Folge hat.