Der Islam im Dialog

Der Islam im Dialog - Aufsätze

Prof. Abdoldjavad Falaturi

Inhaltsverzeichnis

Der Islam im Gespräch mit dem Christentum

Anfänge und Entwicklungen, Probleme und Erfolge

1. Anfänge und Entwicklungen

Anders als die apologetischen Auseinandersetzungen ist ein friedliches Gespräch unter den Religionen und Kulturen erst dann und dort notwendig, wenn Angehörige verschiedener Religionen und Kulturen willentlich oder notgedrungen an einem Ort zusammenleben.

Ein friedliches Gespräch setzt jedoch voraus, dass sich alle gegenseitig akzeptieren oder zumindest tolerieren.

Die Anfänge eines solchen Gesprächs seitens des Islam begannen bereits in der Zeit, als sich Muhammad noch in Mekka befand (vor 622). Eine mekkanische Sure, Sure 29, liefert uns Belege dafür. Dort heißt es: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift; es sei denn auf die beste Art und Weise. Ausgenommen davon sind jene, die ungerecht sind. Und sprecht: ‘Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde; und unser Gott und euer Gott ist Einer; und ihm sind wir ergeben.’" Auf dieser gemeinsamen Basis, nämlich auf der Basis der Überzeugung, dass es sich innerhalb der drei Religionen um den einzigen und den selben Gott handelt, wird hier empfohlen, in bester Art und Weise Gespräche mit Juden und Christen zu führen.

Diese Haltung entwickelt sich dann zu einem Prinzip, dass das Verhältnis der Muslime zu den Nichtmuslimen regeln soll. In Sure 16, Vers 125 heißt es: „Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und streite mit ihnen auf die beste Art. Wahrlich, dein Herr weiß am besten, wer von Seinem Wege abgeirrt ist; und Er kennt jene am besten, die rechtgeleitet sind." Nicht missionieren, sondern die Selbstdarstellung und das Umwerben dazu ist das Prinzip. Dieses Prinzip schließt eine Aufforderung zum Bekehren der anderen aus und räumt den anderen eine Freiheit ein, den Ruf anzunehmen oder abzulehnen, nachdem das Anliegen eindeutig klar gemacht geworden ist.

Auf eine solche Haltung bezieht sich auch der medinensische Koranvers Sure 2, Vers 256: „Es gibt keinen Zwang zum Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen. Der also, der nicht an falsche Götter glaubt, aber an Allah glaubt, hat gewiss den sichersten Halt ergriffen, bei dem es kein Zerreißen gibt. Und Allah ist Allhörend, Allwissend". Beachtlich ist dieser Koranvers besonders, weil er sich gerade an Götzenanbeter richtet. Umso mehr dürfte das für Schriftbesitzer gelten. Aus dieser Haltung heraus ist sogar eine Aufforderung an Juden und Christen entstanden, welche die tiefe Verbundenheit des Islam und der Muslime mit den Juden und Christen unterstreicht. Auch dies kommt am deutlichsten in der medinensischen Zeit, also ungefähr in den Jahren 624/625 zum Ausdruck.

In Sure 3, Vers 64 heißt es: „Sprich: ‘0 Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, dass wir nämlich Allah allein dienen und nichts neben Ihn stellen und dass nicht die einen von uns die anderen zu Herren annehmen außer Allah.‘ Und wenn sie sich abwenden, so sprecht: ‘Bezeugt, dass wir Muslime sind."‘ Diese Grundhaltung des Korans den Christen und Juden gegenüber, wurde abschließend als eine gesellschaftliche Regelung verkündet. Trotz aller Auseinandersetzungen, die der Koran und Muhammad mit Juden und Christen innerhalb von 23 Jahren aufweisen, trotz Kritik, die an Glaubensinhalten und Verhaltensweisen der Juden und Christen geübt wird, wird gegen Ende der Offenbarungszeit den Muslimen nahe gelegt, sich auf eine dauerhafte und versöhnliche Koexistenz mit den Schriftbesitzern einzustellen. So heißt es in Sure 5, Vers 5: „Heute sind euch alle guten Dinge erlaubt. Und die Speise derer, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt, wie auch eure Speise ihnen erlaubt ist. Und ehrbare gläubige Frauen und ehrbare Frauen unter den Leuten, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, wenn ihr ihnen die Brautgabe gebt, und nur für die Ehe und nicht für Unzucht und heimliche Liebschaften..." Diese Tisch- und Ehegemeinschaft mit den Schriftbesitzern ist insofern von großer Bedeutung, als es sich bei den beiden Phänomenen, zumindest zu jener Zeit, nicht um eine Verbindung zweier einzelner Menschen, sondern um die Verbundenheit von Großfamilien handelte.

Wenn man von Toleranz im Islam redet, muss man dazu sagen, dass sie ihren Ursprung in den o.g. Koranversen hat. Sicherlich sind in der Geschichte diese Anweisungen nicht immer von den Muslimen eingehalten worden. Dennoch hat dies zumindest dafür gesorgt, dass die jüdischen und christlichen Gemeinden als Diaspora unter den Muslimen ihr unbestrittenes Lebensrecht behalten haben. Nachweislich sind Abweichungen davon auf individuelle Willkür, punktuelle Ereignisse oder sogar auf politische Interessen, jedenfalls aber nicht auf die eigentliche Quelle des Islam, nämlich den Koran, zurückzuführen.

Was nun die Anfänge eines solchen Gesprächs von Seiten des Christentums mit den anderen Religionen, besonders mit dem Islam, betrifft, so ist verkürzt dazu zu sagen, dass christlicherseits, hauptsächlich nach dem Zweiten Weltkrieg, aus welchem Grunde auch immer, die Einführung des Dialogs mit den Muslimen für notwendig erachtet wurde. Beide Kirchen, die evangelische wie auch die katholische, haben sogar offizielle Maßnahmen dazu getroffen und dies z.T. als Ersatz für die klassische Missionstätigkeit verstanden. Eine klassische Aussage darüber hat das 2. Vatikanische Konzil wie folgt gemacht: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den Lebendigen und in sich Seienden, Barmherzigen und Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, Der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, sich auch seinen verborgenen Ratschlüssen mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den ihr islamischer Glaube sich gern beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie jedoch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt.

Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten. Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen." Ähnliche, wenn auch nicht so deutliche Belege, welche zugleich die Anerkennung der Muslime seitens der Kirche beinhalten, haben unterschiedliche Institutionen der evangelischen Kirche als Empfehlung herausgegeben.

Die wichtigste darunter ist die Entschließung der 5. Synode der EKD auf der Synodaltagung vom 5.-10. November 1978 in Bethel, in der es heißt: „Die Anwesenheit von 3,9 Mio. Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland ist eine Herausforderung zur Überprüfung von Bildungsinhalten. Das Zusammenwachsen Europas erfordert die Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen sowie die Fähigkeit und Bereitschaft zum Gespräch mit orthodoxen Kirchen und zur Begegnung mit dem Islam.

Etwa 1 Million Kinder ausländischer Arbeitnehmer unter 18 Jahren leben gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland. Der Anteil der Ausländerkinder an den Lebendgeborenen betrug 1975 in Frankfurt 41% in Stuttgart 36,5% und in Köln 34%. Viele ausländische Kinder werden für immer in der Bundesrepublik bleiben, auch wenn ihre Eltern einmal in die Heimat zurückkehren wollen. Die noch weit verbreitete Ablehnung der Ausländer kann nur abgebaut werden, wenn junge Menschen andere Kulturen achten lernen. Schulbücher sind zu überprüfen, ob sie zum besseren Verständnis der Herkunftsländer ausländischer Mitbürger beitragen."

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