Der Islam im Dialog

Der Islam im Dialog - Aufsätze

Prof. Abdoldjavad Falaturi

Inhaltsverzeichnis

2. Probleme

Wenn wir nun solche Zugeständnisse, Überlegungen, Verhaltensweisen und Empfehlungen in Betracht ziehen, dürfen wir voller Hoffnung erwarten, dass nicht mehr viel im Wege eines Friedens unter den drei Weltreligionen steht. In der Praxis jedoch begegnen wir Problemen, die Hand in Hand mit dem Bestreben nach einem Dialog den Gang dazu erschweren und für Rückschläge sorgen. Dafür ist folgendes verantwortlich: Zum einen die unterschiedliche Einstellung der Muslime auf der Weltebene sowie auch auf der Bundesebene zu einem Dialog. In der islamischen Welt ist zunächst der Einsatz der Kirche für einen Dialog nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend mit Skepsis zur Kenntnis genommen worden. Man fragte nach den Gründen dieses für die Muslime unerwarteten neuen Schrittes. Eine der Erklärungen, die man dazu erdacht und sogar darüber geschrieben hat, ist die Vermutung, „ob nicht die Kirche damit eine neue Ära der Missionstätigkeit eröffnen wolle." Während diese Vermutung die Haltung der meisten Theologen bestimmte, hat eine Reihe vor allem intellektueller Muslime in der islamischen Welt sich dazu bewegen lassen, auf den Dialog einzugehen.

Heute ist der Dialog besonders mit den Christen in der islamischen Welt weit verbreitet, weil man mittlerweile de facto festgestellt hat, dass es den Anhängern beider Religionen möglich ist, auf diesem Wege die herkömmlichen Missverständnisse und Vorurteile abzubauen. Auf Bundesebene verlief der Dialogprozess von Anfang an anders. Zu Beginn der 60er Jahre haben sich die verhältnismäßig gering islamisch qualifizierten Muslime in der BRD ohne Bedenken auf die von der Kirche initiierten Gespräche eingelassen, was sich mit der Zeit für beide Seiten als fruchtbar erwies.

Mit der Aufnahme mehrerer Millionen muslimischer Arbeitnehmer in die BRD änderte sich jedoch die Situation. Die Aktivität der kirchlichen Stellen erhöhte sich in einem noch nicht dagewesenen Maße. Die Masse der muslimischen Arbeitnehmer waren weder imstande noch bereit, auf das Angebot einzugehen. Das war verständlicherweise in den geschichtlichen Fakten begründet, die im Laufe der Jahrhunderte das Verhältnis zwischen den Anhängern der beiden Religionen stark belastet haben. Zum zweiten war diese Haltung durch eine tiefe Skepsis begründet, welche die Muslime den Missionaren immer noch entgegenbrachten, und zwar aufgrund der Rolle, die sie während der Kolonialherrschaften spielten.

Die Masse hat dies ohne weiteres als einen Missionsversuch aufgefasst und abgelehnt. Dazu haben auch nicht selten die kirchlichen Stellen beigetragen, sei es durch Beschlüsse oder durch individuelle Aktivitäten. Aus seelsorgerischen Gründen haben sich nicht selten fromme Christen verantwortlich gefühlt, die Gastarbeiter zum Christentum zu bekehren und ihre Seele auf diese Weise zu retten, ehe sie im Irrtum in ihre eigenen Länder zurückkehrten. Daraus entstand eine Spannung, die einerseits durch altherkömmliche Vorurteile gegen die Muslime und andererseits durch entsprechende Ereignisse auf der internationalen politischen Ebene vertieft wurde. Das führte sogar zu einer Spannung innerhalb der muslimischen Lager in der Bundesrepublik.

Die Auseinandersetzungen haben sich weitgehend dahin zugespitzt, dass die Gegner naher Kontakte mit den Christen die anderen Muslime, die für den Dialog waren, mehr oder weniger der Mitläuferschaft mit der kirchlichen Intention bezichtigt haben. Andererseits haben diejenigen, die für den Dialog waren, die anderen wiederum dahingehend beschuldigt, sie wollten hier eine friedliche Koexistenz der Anhänger beider Religionen unmöglich machen. Dieser Vorwurf wurde vor allen Dingen durch die Verhaltensweise der älteren Generation, die nicht nur mit dem islamischen Glauben, sondern auch mit eigenen volkstümlichen Sitten und Gebräuchen hierher kam, bekräftigt. Mehrere Jahre haben wir es - und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen - mit Anschuldigungen einerseits und Verteidigung andererseits zu tun. Heute haben wir allen Grund, mit einer Normalisierung der Verhältnisse zu rechnen.

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