Sänger von Schiras

Der Sänger von Schiras

Gedichte des Hafiz aus dem Persischen übertragen von Friedrich von Bodenstedt

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Sechstes Buch

Mesnewi (Gereimte Doppelverse)

Mughanninâme (Buch des Sängers)

Mich verwirren will das Irren,
Doch Du weißt mich zu entwirren.
Wenn ich handle, wenn ich dichte,
Gieb Du meinem Weg die Richte.
Goethe.

Wo weilst Du, Sänger? In Erinn'rung wieder
Zum Saitenspiel ruf' königliche Lieder,

Beim Wein den Geist auf Höheres hinzulenken
Und heimgegangener Freunde zu gedenken.

Weck' durch Gesang die Luft in unserm Kreise,
Ghasel und Kul1 eröffne Deine Weise.

Des Grames Last zieht mich zur Scholle nieder,
Heb' mich empor im Aufschwung Deiner Lieder!

Zeig' nun, was Du vermagst mit Deinen Tönen,
Den Vorhang lüfte, zeig' das Bild der Schönen!

So hoch erhebe Deines Wohllauts Schwinge,
Dass sie selbst Anahid zum Tanze zwinge,

Die Harfnerin, und zu dem Klang der Saiten
Lass sangesfrohe Freude Dich begleiten.

Spiel' Weisen, die den Sufi in Extase
Zu Gott erheben wie den Mund zu Glase.

Gib Orgelklänge, die uns aus den Schranken
Befrei'n der niedern, staubigen Weltgedanken.

Erlösung bring' vom Sorgenschmuck der Erde,
Dass wieder Ruh' in meine Herzen werde.

Komm, Sänger, lass uns gute Freunde sein,
Fehlt Dir die Harfe, schlag' die Pauke d'rein!

Man sagt: beginnt der Wein das Blut zu härmen,
Soll man den Harm durch Pauken überlärmen.

Wo weilst Du, Sänger? Jetzt, zu Zeit der Rosen,
Wo wirbelnd alle Nachtigallen kosen.

Im frischen Grün – soll bei der Harfe Klingen
Mein Blut auch munt'rer durch die Adern dringen.

Komm', Sänger, lass durch's Ohr in's Herz mir zieh'n
Zu neuen Liedern neue Melodien.

Zerreiß' mit einem Lied mein Herz wie 'n Kleid
In hundert Stücke – lindert's nur mein Leid!

Was wär's, wenn Du Dich freundlich mir erwiesest
Und durch die Flöte Glut in's Herz mir bliesest,

Die Sorgen auszubrennen, die mich kümmern,
Des Grames ganzen Hausrat zu zertrümmern?

Wo weilst Du, Sänger? lass die Saiten klingen
Und uns mit einem Lied zum Herzen dringen!

Glaub', dass ich lieber arm von hinnen scheide,
Wenn mich der Tod ruft, als im Purpurkleide.

Sing', Sänger, und lass Deinen Ton sich heben,
Nur Du kannst Hilfsbedürftigen Hilfe geben.

Willst Du ein Lied in Irák's2 Ton beginnen,
Wird mir ein Tränenstrom vom Auge rinnen.

Komm', Sänger, höre, was ich Dir vertraue,
Und auf mein Wort als guten Ratschlag baue.

Nimmt Dich des Grames feindlich Heer zum Ziel,
Bekämpf' mit Pauken ihn und Saitenspiel. -

Da ich mein Herz nu so in Deines tauche,
Beleb' die Flöte mit der Freundschaft Hauche;

Ertränk' Dein Weh in Wein – will sich's nicht geben,
Hauch' in die Flöte, Hauch ist alles Leben.

Wo weilst Du, Sänger? Hauche neue Lieder,
Doch Dein Pokal glücklich, frei von allen Sorgen.

Sing' mir ein Lied von meinen eig'nen vor,
Beim Klang der Harfe tritt es neu mein Ohr,

Begeisternd soll es mein Gemüt ergreifen,
Im Tanz will ich die Kutte von mir streifen.

In der Begeist'rung immer auf dem Sprunge
Steht das Geheimste, löst der Wein die Zunge.

In mir nagt Gram; schlag' die zweisaitige Leyer,
Nein, die dreisaitige, zu des Einigen Feier!

Komm, Sänger, lass dies neue Lied erklingen,
Es mahnend auch den Freunden vorzusingen.

Zur Luft der Seligen selbst im Paradies
Erzähl' uns von Barbúd und von Perwís!3

Das Schicksal spielt uns wieder Schelmentücke,
Mir frommt nur Liebesschelmerei zum Glücke.

Auf dieser blutigen Auferstehungsflur
Vergieß' ich gern das Blut von Reben nur.

Erstaunt seh' ich den Himmel kreisen rastlos:
Wen löst er heut von dieses Lebens Last los?

Man weiß, nur Täuschung kann die Welt gewähren;
Die Nacht geht schwanger: was wird sie gebären?

Entsag' der Weltgenussgedanken Glücke,
Niemand steht fest auf einer schwangen Brücke.

Der wüste Staub hat stets den gierigen Drang,
Der einst die Heere Selm's und Tur's4 verschlang.

Dies Trümmerfeld deckt noch derselbe Sand,
D'rauf einst Efrasiab's5 Prunkpalast erstand.

Doch wo ist nun sein Feldhauptmann Pirán?
Wo Schideh6 mit dem Dolch aus Turkestan?

Nicht ihre Burgen nur sah man zerstieben,
Man weiß selbst nicht, wo ihre Leichen blieben.

Zum Kampf gerüstet ward von Schicksal Jeder:
Das Schwer schwingt Dieser, Jener schwingt die Feder.

 

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