Sänger von Schiras

Der Sänger von Schiras

Gedichte des Hafiz aus dem Persischen übertragen von Friedrich von Bodenstedt

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Sechstes Buch

Mesnewi (Gereimte Doppelverse)

Sakiname (Buch des Schenken)

Trunken müssen wir Alle sein!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;

Trinkt sich das Alter wieder zur Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.

Für Sorgend sorgt das liebe Leben,
Und Sorgenbrecher sind die Reben.
Goethe.

Bring' mir den Wein der mich begeisternd labt,
Mit Großmut und Vollkommenheit begabt,

Zwei Tugenden, die einst mein Herz geschmückt,
Bis Liebe ganz das arme Herz berückt.

Reich' mir das flüssige Gold, das Noah's Leben
Und Karun's1 Reichtum uns vermag zu geben.

Wenn Deine Wünsche auf solch Hoffen gehn,
Gleich wird der Wünsche Tor Dir offen stehn.

Reich' mir das Feuer, das im Schoß der Erde
Einst Zoroaster suchte mit Beschwerde;

Denn gleich gilt unsern weinberauschten Räten
Ob wir zur erde, ob zum Feuer beten.

Bring' mir den Wein, bei dessen Glanz des Lichts
Sich Dschem's2 Pokal erschloss das Land des Nichts,

Dass ich, wie Dschem, von seinem Glanz erhellt,
Erforsche das Geheimnis dieser Welt.

Mach' hurtig, Knabe, hol' mir Dschem's Pokal,
Trink' ich ihn leer, so füll' ihn noch einmal.

Sprach Dschemschid selbst doch einst das Königswort:
"Kein Körnchen wert ist dieser Erdenhort."

Reich den Pokal, klar wie der Selsebil,3
Ein Leitstern sei er mir zum Himmelziel;

Denn Flöt' und Eiter sang mit süßem Tone:
Mehr gilt ein Weinschluck als Keï's Königskrone.

Geh', bring' mir jenen jungfräulichen Wein,
Noch unenthüllt, im Schmutz der Schenke rein.

Er soll die trüben Sinne mir erheitern,
Mag auch mein guter Name dabei scheitern.

Bring' mir die Glut, die tränkte die den Leuen,
Verwüstung würde allen Wäldern dräuen,

Und die mich aus den Schlingen dieser Welt
Aufschwingen soll zum hohen Himmelszelt.

Bring' mir den Wein, in welchem Hurisodem
Den Ambraduft gehaucht vom Himmelsbrodem,

Damit sich ihn der Glut zum Opfer bringe
Und ewig Ruhe meinem Hirn erringe.

Bring' Wein, dess Abglanz auf zum Himmel dringt
Und Dschendchid und Keï Chroßrew Grüße bringt.

Dann will ich fragen bei der Flöten Ton:
"Wann saß Kawuß, wann Dschemschid auf dem Thron?"

Mach' diese Welt zum Stoffe Deiner Lieder,
Und rufe, die sie einst beherrschten, wieder.

Bring' Wein herbei, der Königsmacht verleiht
Und, was im Herzen trübe, klärt und weiht.

Einst war ich Herrscher auf das Herzens Thron,
Doch jetzt, durch Schuld getrübt, spricht es mir Hohn.

Bring' Wein, dass er die Finsternis mir klärt,
Vielleicht auch Lind'rung meiner Qual gewährt.

Sieh', wie sein Glanz mich selbst mit Glanz erfüllt,
Im Rausch die tiefste Weisheit mir enthüllt!

War einst mein Aufenthalt das Geisterland,
Warum jetzt bin ich hier in Staub gebannt?

Mir spiegelt, wenn die Hand den Becher hält,
In seinem Glanz sich Alles in der Welt.

I Rausch poch' ich an der Entsagung Pforte,
und red' in Armut stolze Königsworte.

Denn auf des trunk'nen Hafis hohe Lieder
Grüßt Sohre's Lautenklang vom Himmel nieder.

Komm', merk' des Lebens unbeständigen Lauf,
Und schließ' im Becher seine Freuden auf,

Denn er allein verlängert Dir das Dasein
Und lässt Die selbst das Fernste immer nah sein.

Komm', bring' mit Wein das Festgelag in Gang,
Die Welt hält Keinem ihre Treue lang.

Wie jedes Bläschen, das im Wein sich bläht,
Zerstob in Luft Keïkobad's Majestät.

In laut'rem Wein still' jeden Drang des Herzens,
Sonst lebst Du blos im dunklen Zwang des Herzens.

Der Körper kann nicht leben unbeseelt,
Und so das Herz nicht, wenn der Wein ihm fehlt,

Komm', den Pokal auf's Neue vollzuschenken!
An einst allmächt'ge Herrscher will ich denken.

Wähnst Du Dich sicher vor des Schicksal's Wut?
Es treibt zur Rache und es lechzt nach Blut.

Komm', dass Du nicht zum Zorn bei mir entflammst,
Da Du von Staub nur, nicht von Feuer stammst.

Füll' den Pokal! Aus seiner reinen Glut
Steigt immer neuer Trost und Lebensmut.

Bring' Wein, der sich wie Duft uns einverleibt,
Da unser Gold und Silber doch nicht bleibt.

Bring' Wein mir, der so rein ist wie Rubin,
Trug, List und Hochmut lass zum Teufel zieh'n.

Auch Rosenkranz und Kutte mag er holen:
Verpfände sie für Wein, und Gott befohlen!

Leb' nur in Lästern, wo das Rebenkind
Zu Haufe ist, dess Schätze flüssig sind.

Sagt man: nimm vor den Klöstern Dich in Acht,
Antworte weiter nichts als "Gute Nacht!"

Komm', gib mir jenen Wein gleich rosiger Blüte,
Der Glück im Herzen weckt, Luft im Gemüte.

Von allem Gram soll er mein Herz befrei'n
Und Führer mir zu Festgelagen sein.

Bring' mir den Wein, der uns're Seele währt
Und in die Kranken selbst als Seele fährt,

Dass ich mein Zelt weit über dieser Welt
Erheb' und wohne über'm Sternenzelt.

Komm', füll' den Becher mir mit altem Wein,
Mich freut's, von seinem Geiste voll zu sein.

Hat er mich ganz erfüllt, so sing' ich wieder
Zum Preise Dir und ihm die schönsten Lieder.

Komm', Saki! gib Dein strahlend Angesicht
Jetzt unserm Nerktarmahle himmlisch Licht,

Führ' den Pokal auch ohne Scheu zur Lippe:
Im Himmel gilt er nicht als Tugendklippe.

Komm', Saik, nur Dein Wein erhält mein Leben,
Schenk' ein, und solltest Du den Rest mir geben!

Dem Tode nah' hat mich des Weltalls Kreisen
Gebracht, bis ich gelangt zum Quell der Weisen.

Komm', bis ich gelangt zum Quell der Weisen.

Komm', hilf den Quell auf meine Zunge leiten!
Auf Rustem's Renner möcht' ich heute reiten.

Und wie Tuhemten4 über's Schlachtfeld jagen,
Und mit der Wahrheit Schwert die Lüge schlagen.

Reich' mir den onyxfarbigen Pokal,
An frohe Zeit gemahnt sein Feuerstrahl.

Vernichtung möcht' ich allem Schriftwerk bringen
Und hoch die Fahne der Begeist'rung schwingen,

Auslöschen mit der Quellglut des Pokals
Die Glut tiefeingebrannten Gramesmals.

Genießen wir was uns der Tag beschert:
Wer weiß ob schon ein Tag uns wiederkehrt!

Denn die sich einst für Herrn des Glücks gehalten
In stolzer Feste prunkendem Entfalten:

Sie mussten auch der Täuschungswelt entsagen
Und hohe Sehnsucht tief zur Grube tragen.

Wer hebt sein Haupt hoch bis zum Himmelszelt?
Wer baut auf Glück in dieser flüchtigen Welt?

Ach, dass die Jugendzeit wie Wind entschwebt!
Beglückt ist nur, wer reinen Herzens lebt.

Saki, bring' Wein, in dessen Zauberbann
Ich beide Welten überspringen kann!

Wer auf den Elefanten5 als ein Stürmer
Der Welt stieg, fiel herab als Fraß der Würmer.

Aus lichten Sphären, auf des Morgens Schwingen
Hör' ich aus Hurismund die Worte klingen:

"Spreng' Deinen ird'schen Käfig, holder Sänger,
Verweile in der Welt des Trugs nicht länger,

Empor zum Himmel hebe Dein Gefieder
Und lass Dich hoch zu seliger Ruhe nieder!

* * * 6

Was nützt es Dschem, als seiner Hand entrungen
Der Becher ward, dass er die Welt bezwungen?

Die Traube starb, um Lebenswein zu geben,
Mein totes Herz soll er mir neu beleben.

Sieh', jeder Ziegel der die Dächer deckt,
War eines Herrschers7 Haupt, in Staub gestreckt.

Das Blut von Königen tränkt der Erde Grüfte,
Verwester Schönheit Staub durchweht die Lüfte.

Ich hörte, dass ein hochgemuther Zecher
Verwundert ausrief, in der Hand den Becher:

"Der Himmel liebt, Gemeines zu erheben
Im Dreh'n, der Dummheit stets den Preis zu geben."

Darius selbst, einst Herrscher dieser Welt,
So hoch wie nie ein Sterblicher gestellt,

Da ihn des Todes Hand ergriff, verschwand,
Als hätt' er nie gelebt in diesem Land.

Eil' hin zum König, ihm von mir zu sagen:
"Du, den die Krone schmückt, die Dschem getragen,

Such', dass Du erst der Armut Leiden stillst,
Eh' Du den Becher Dschem's gewinnen willst."

Dem Gram der Welt, die uns so nutzlos quält,
Entgeht man leicht, wo guter Wein nicht fehlt.

Jetzt wo ein König Zepter trägt und Krone,
Der beste, der je saß auf einem Throne;

Ein edler Spross aus edlem Stamm erzeugt,
Ein Fürst, vor dessen Macht die Welt sich beugt;

Ein Mond in uns'res Glückes Sternenzelt,
Der milden Glanzes Herz und Aug' erhellt;

Ein Herrscher, dessen Segensherrlichkeit
Den Fischen selbst und Vögeln Schutz verleiht;

Den Glauben nährt, Gerechtigkeit und Frieden:
Die höchste Zier des Throns der Keïjaniden.

Doch ich verstumme; mich vor ihm zu neigen
Geziemt mir nur in ehrfurchtsvollem Schweigen.

Vom Glanz geblendet solchen Herrschertumes,
Fehlt dem erstaunten Geist das Wort des Ruhmes.

Doch Aug' und Hand erhoben will ich treten
Vor meines Schöpfers Thron, um so zu beten:

O Herr, bei allen Gnaden die wir kennen,
Bei allen heiligen Namen die Dich nennen,

Bei deines Wortes Recht, als wie die Zeit,
Bei de Propheten Recht, durch Dich geweiht:

Gibt unserm König langes Herrschertum
Auf erden, schmücke seinen Thron mit Ruhm,

So lange Recht von Unrecht sich hier scheidet,
Auf Himmelsweisen Stier und Widder meidet,

So lange bleibe Schah Mansur erhalten
Der Welt, und reichgesegnet sei sein Walten!

* * *

Im Wein, der mir das Herz gesund gemacht,
Sei ihm ein Hoch aus Herz und Mund gebracht!

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