Elftes Kapitel - Die Normannen
(Anmerkung der
Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen
sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als
Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die
Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der
Westlichen Welt auf den
Islam geblickt worden ist.)
Die Sarazenen, Franken und Griechen in Italien. – Erste
Taten und Niederlassung der Normannen. – Charakter und
Eroberungen Robert Guiscards, Herzogs von Apulien. – Befreiung
von Sizilien durch seinen Bruder Roger. – Siege Roberts über
die Kaiser des Ostens und Westens. – Roger, König von
Sizilien, bricht in Afrika und Griechenland ein. – Der Kaiser
Manuel Komnenus. – Kriege der Griechen und Normannen. –
Erlöschen der Normannen
Die drei großen Nationen der Welt, die Griechen, Sarazenen
und Franken stießen bei ihren Eroberungskämpfen in Italien
gegeneinander. Die südlichen Provinzen, die später das
Königreich Neapel bildeten, waren größtenteils den
langobardischen Herzögen und Fürsten von Benevent unterworfen,
die so mächtig waren, daß sie kurze Zeit Karl dem Großen
widerstanden und so freigebig, daß sie in ihrer Hauptstadt
eine Schule unterhielten, in der zweihundertdreißig
Philosophen und Grammatiker lehrten. Durch Teilung dieses
blühenden Staates entstanden die einander befehdenden
Fürstentümer Benevent, Salerno und Capua. Von einem
ehrgeizigen oder rachedürstenden Mitbewerber um einen Thron
wurden die Sarazenen aufgefordert nach Italien zu kommen, und
diese vernichteten das gemeinsame Erbe. Während zweihundert
Jahren wurde Italien so verheert, daß auch die folgende Zeit
der Ruhe die Wunden nicht zu heilen vermochte. Die Geschwader
der Sarazenen liefen häufig, ja fast jährlich aus dem Hafen
von Palermo aus und wurden mit zu großem Entgegenkommen von
den Christen aufgenommen. Die starken Kriegsflotten der
Sarazenen wurden in Afrika ausgerüstet, und selbst die Araber
Andalusiens ließen sich zuweilen verleiten, gegen die
Muselmanen einer feindlichen Sekte zu kämpfen oder ihnen
beizustehen. Die italienische Geschichte zeigt eine
Wiederholung früherer Ereignisse: ein Hinterhalt wurde in den
kaudinischen Pässen gelegt, auf den Gefilden Cannäs wurde zum
zweiten Male das Blut der Afrikaner vergossen, der Souverän
von Rom griff abermals Capua und Tarent an oder verteidigte
diese Städte. Eine Sarazenenkolonie war nach Bari verpflanzt
worden, das die Einfahrt des Adriatischen Meerbusens
beherrscht, und ihre gegen jedermann gerichteten
Seeräuberfahrten reizten beide Kaiser und förderten deren
Vereinigung. Es wurde ein Angriffsbündnis zwischen Basilius
dem Makedonier, dem Ersten seiner Dynastie, und Ludwig, dem
Urenkel Karls des Großen, geschlossen, und jeder lieferte dem
anderen, was ihm mangelte. Es wäre von dem byzantinischen
Monarchen unklug gewesen, seine in Asien stehenden Truppen
nach Italien zu senden. Die Heere der Lateiner hätten jedoch
nicht ausgereicht, wenn seine überlegene Flotte nicht die
Einfahrt in den Meerbusen besetzt hätte. Die Festung Bari
wurde von dem Fußvolk der Franken, der Reiterei und den
Galeeren der Griechen eingeschlossen. Nach vierjähriger
Verteidigung unterwarf sich der arabische Emir Ludwig, der die
Belagerung in Person leitete. Die wichtige Eroberung war durch
die Eintracht des Ostens und Westens ermöglicht worden, aber
die Freundschaft wurde bald durch Eifersüchteleien und Stolz
getrübt und verbittert. Die Griechen schrieben sich die
Eroberung zu und veranstalteten einen Triumphzug. Sie
verhöhnten die Unmäßigkeit und Trägheit der Handvoll Barbaren,
die unter der Fahne des Karolingerfürsten gefochten hatten.
Dessen beredte Antwort zeigt seine Entrüstung und die
Wahrheit. »Wir anerkennen die Größe eurer Rüstungen«, sagte
der Urenkel Karls des Großen, »eure Truppen waren in der Tat
so zahlreich wie eine Schar Heuschrecken im Sommer, die die
Sonne verfinstern, mit den Flügeln flattern und nach kurzem
Fluge müde und atemlos zur Erde taumeln. Gleich ihnen sänket
ihr nach kurzer Anstrengung dahin, wurdet von eurer eigenen
Feigheit besiegt und verließet den Kampfplatz, um unsere
christlichen Untertanen an der slawischen Küste zu mißhandeln
und zu berauben. Unsere Zahl war klein, aber warum war sie
klein? Weil ich nach langem Harren auf euch mein Heer
entlassen und nur eine Schar auserlesener Krieger
zurückbehalten habe, um die Blockade der Stadt fortzusetzen.
Wenn sie sich angesichts des Todes an gastlichen Gelagen
erfreuten, verhinderten etwa die Gelage ihre Taten? Wurden die
Mauern Baris durch euer Fasten erstürmt? Haben nicht diese
tapferen Franken, so zusammengeschmolzen sie auch durch die
Kämpfe waren, die drei mächtigsten Emire der Sarazenen
aufgehalten und besiegt? Hat deren Niederlage nicht den Fall
der Stadt beschleunigt? Bari ist gefallen, Tarent zittert,
Kalabrien wird befreit werden, und wenn wir die See
beherrschen, wird die Insel Sizilien den Ungläubigen entrissen
werden. Mein Bruder (ein die eitlen Griechen in hohem Maße
beleidigender Titel) beschleunige deine Hilfe zur See, ehre
deinen Bundesgenossen und mißtraue den Schmeichlern.«
Die stolzen Hoffnungen erloschen schnell mit dem Tode
Ludwigs und dem Verfall des karolingischen Hauses. Wem immer
die Ehre des Sieges gebührte, verstanden es doch die
griechischen Kaiser, Basilius und sein Sohn Leo, die Früchte
des Kampfes zu ernten. Die Italiener von Apulien und Kalabrien
wurden überredet oder gezwungen, ihre Oberhoheit anzuerkennen.
Der größte Teil des Königreiches Neapel, vom Berge Garganus
bis zur Bai von Salerno, geriet unter die Herrschaft des
morgenländischen Reiches. Die Herzogtümer oder Republiken von
Amalfi und Neapel, die immer treu geblieben waren, freuten
sich, daß ihr rechtmäßiger Souverän die Nachbargebiete
beherrschte. Amalfi wurde reich, indem es Europa mit den
Produkten und Fabrikaten von Asien versah. Aber die
lombardischen Fürstentümer Benevent, Salerno und Capua wurden
wider Willen von der lateinischen Welt getrennt, und die
geschworenen Eide wurden nur zu oft gebrochen und der Tribut
verweigert. Die Stadt Bari wurde als Hauptstadt der neuen
Theme oder Provinz Lombardei reich und groß. Der oberste
Statthalter erhielt den Patriziertitel und später den
sonderbaren Namen Katapan. Politik und Religion des Staates
wurden von der Regierung von Konstantinopel geregelt und
geleitet. So lange die Fürsten von Italien um das Zepter
kämpften, blieb es bei matten und unglücklichen Versuchen, die
Griechen widerstanden den Streitkräften Deutschlands, die
unter der kaiserlichen Fahne der Ottonen über die Alpen
gezogen waren, entweder oder wichen ihnen aus. Der erste und
größte dieser sächsischen Fürsten wurde gezwungen, die
Belagerung von Bari aufzuheben; der zweite konnte sich mit
Ehren aus der Schlacht von Crotona retten, in der er seine
Bischöfe und Barone verloren hatte. Den Erfolg dieses Tages
entschieden die tapferen Sarazenen. Diese Seeräuber waren
allerdings von den byzantinischen Flotten aus den Festungen
und von den Küsten Italiens vertrieben worden, aber das
Interesse war mächtiger als Aberglaube und Groll. Der Kalif
von Ägypten hatte vierzigtausend Muselmanen seinen
christlichen Bundesgenossen zu Hilfe gesandt. Die Nachfolger
des Basilius glaubten, daß die Eroberung der Lombardei ihren
Ministern, ihren Gesetzen und dem dankbaren Volk, das sie aus
Anarchie und Unterdrückung erlöst hatten zu verdanken sei und
ihre Herrschaft nun andauern würde. Verschiedene Aufstände
hätten diesen Glauben eigentlich erschüttern müssen, und die
von den Schmeichlern getäuschten Kaiser hätten durch die
leichte und schnelle Eroberung der Normannen eines besseren
belehrt werden können.
Die Veränderungen der Zeiten hatten in Apulien und
Kalabrien einen traurigen Gegensatz zwischen dem Zeitalter des
Pythagoras und dem zehnten Jahrhundert der christlichen
Zeitrechnung geschaffen. Zu jener Zeit befanden sich an den
Küsten Großgriechenlands (wie es damals hieß) zahlreiche freie
und reiche Städte. Diese Städte waren mit Kriegern, Künstlern
und Philosophen bevölkert, und die Streitkräfte von Tarent,
Sybaris oder Krotona standen denen eines mächtigen
Königreiches nicht nach. Im zehnten Jahrhundert waren diese
Provinzen von einem unwissenden Volke bewohnt, durch Tyrannen
ausgesogen und von barbarischen Kriegen verheert. Ein
Zeitgenosse sagt, daß ein schönes großes Land in eine Öde
verwandelt worden ist. Aus den Kriegen der Araber, Franken und
Griechen werde ich zwei oder drei Episoden erzählen, die für
die Sitten der Nationen bezeichnend sind. 1. Es gewährte den
Sarazenen Vergnügen, die Kirchen und Klöster zu entweihen und
zu plündern, und auf den Altartischen wurden die furchtbarsten
Orgien gefeiert. Bei einer solchen Gelegenheit wurde ein Emir
durch einen fallenden Balken getötet, und man schrieb diese
Tat Christo zu. 2. Die Sarazenen belagerten die Städte
Benevent und Capua; nachdem die Bevölkerung vergeblich bei den
Nachfolgern Karls des Großen um Hilfe gebeten hatte, wandten
sich die Langobarden an den griechischen Kaiser um Hilfe. Ein
unerschrockener Bürger ließ sich von der Mauer herab, schlich
sich durch die Verschanzungen und erfüllte seine Sendung,
wurde aber von den Barbaren gefangengenommen, als er mit
willkommener Nachricht zurückkehrte. Sie verlangten von ihm,
daß er ihnen durch Täuschung seiner Landsleute beistehen solle
und versprachen ihm in diesem Falle Reichtum und Ehren. Sollte
er sie aber hintergehen, so würden sie ihn augenblicklich
töten. Er stellte sich an, als würde er ihrem Verlangen
nachgeben, war aber kaum in Hörweite der Christen auf den Wall
gebracht worden, als er mit lauter Stimme rief: »Freunde und
Brüder, harret bei der Verteidigung der Stadt aus, euer
Souverän kennt eure Not, eure Befreier sind nahe. Ich kenne
mein Schicksal und bitte euch für mein Weib und Kind zu
sorgen.« Die Wut der Araber war groß; er wurde sogleich von
hundert Lanzen durchbohrt. Das Andenken dieses hochherzigen
Mannes verdiente es, bewahrt zu werden; die Wiederholung
dieser Geschichte zu anderen Zeiten macht es jedoch
zweifelhaft, ob sie sich wirklich ereignet hat. 3. Die
Erzählung eines dritten Vorfalls dürfte ein Lächeln erregen.
Theobald, Markgraf von Camerino und Spoleto, unterstützte die
Rebellen von Benevent, und seine Grausamkeit war in jenen
Tagen nicht unvereinbar mit Heldenmut. Seine Gefangenen, die
der griechischen Nation oder Partei angehörten, wurden ohne
Erbarmen entmannt und die Verstümmelung durch den grausamen
Scherz verbittert, er wolle dem Kaiser Eunuchen schenken,
welche die edelsten Zierden des byzantinischen Hofes bildeten.
Die Besatzung eines Schlosses wurde bei einem Ausfalle
geschlagen und die Gefangenen wie üblich verurteilt. Die
Vollstreckung des Urteils wurde durch ein Weib gestört, das
mit blutenden Wangen, aufgelösten Haaren und unter ungestümem
Geschrei eindrang und den Markgrafen zwang, seine Klage
anzuhören. »So führet ihr Krieg, ihr hochherzigen Helden,
Krieg gegen Frauen, die euch nie beleidigt haben und deren
einzige Waffen Spindel und Webstuhl sind?« Theobald
verteidigte sich gegen die Beschuldigung und beteuerte, daß er
seit den Zeiten der Amazonen nie wieder etwas von einem Kriege
gegen Weiber gehört hätte. »Wie könnet ihr uns«, rief sie
wütend aus, »mehr angreifen und verwunden, als indem ihr uns
unsere Gatten und die Hoffnung auf Nachkommenschaft raubt? Den
Raub unserer Rinder und Lämmer habe ich ohne Murren ertragen,
aber dieser Schimpf, dieser unersetzliche Verlust, bricht
meine Geduld und ich rufe den Himmel und die Erde laut um
Gerechtigkeit an.« Ein allgemeines Gelächter zollte ihr
Beifall; die wilden, dem Mitleide unzugänglichen Franken
wurden durch ihre lächerliche, obwohl wohlbegründete
Verzweiflung bewegt. Sie erreichte die Freigabe der Gefangenen
und erhielt auch ihr Eigentum zurück. Als sie im Triumphe nach
dem Schlosse zurückkehrte, holte sie ein Bote ein, der sie in
Theobalds Namen fragte, welche Strafe über ihren Gemahl
verhängt werden solle, wenn er ein zweitesmal mit den Waffen
in der Hand gefangen würde? »Wenn dies«, antwortete sie ohne
Zögern, »durch seine Schuld und zu seinem Unglücke geschieht,
hat er Nase, Augen, Hände und Füße. Diese sind sein Eigentum,
die kann er durch seine persönlichen Vergehen verwirken. Aber
mein Gebieter möge geruhen zu verschonen, was seine demütige
Dienerin als ihr besonderes und rechtmäßiges Eigentum zu
beanspruchen wagt.«
Die Festsetzung der Normannen im Königreiche Neapel und
Sizilien ist ein seinem Ursprünge nach höchst romantisches,
seine Folgen für Italien und das morgenländische Reich nach
ein höchst wichtiges Ereignis. Die Provinzen der Griechen,
Langobarden und Sarazenen waren jedem Angriffe preisgegeben,
und die skandinavischen Seeräuber suchten alle Meere und
Länder heim. Nachdem sie lange dem Raube und Morde gefrönt
hatten, eroberten und besetzten die Normannen in Frankreich
ein ausgedehntes Gebiet, das ihren Namen erhielt. Sie wurden
Christen und bekannten sich als Vasallen Karls des Großen und
Hugo Capets. Ihre Sitten wurden in einem wärmeren Klima als
dem ihrer nördlichen Heimat verfeinert, ohne daß ihr Mut
gelitten hätte. Die Gefährten Rollos vermengten sich nach und
nach mit den Eingeborenen, nahmen die Sitten, Sprache und
Galanterien der Franzosen an. Trotzdem galten die Normannen in
einem kriegerischen Zeitalter als besonders tapfer. Sie
machten Wallfahrten nach Rom, Italien und dem heiligen Lande.
Der Reiz dieser Wallfahrten wurde durch die am Wege lauernden
Gefahren erhöht, die Welt war an Wundern und Hoffnungen reich.
Sie verbanden sich zu gegenseitiger Verteidigung, und die
Räuber der Alpen, die oft Pilgerzüge überfielen, trafen auf
Krieger im Mönchsgewand, die sie züchtigten. Bei einer dieser
Fahrten in die Höhle des Berges Garganus in Apulien, die durch
die Erscheinung des Erzengels Michael heilig war, wurden sie
von einem Fremden in griechischer Tracht angeredet, der sich
als Rebell, Flüchtling und Todfeind des griechischen
Herrschers zu erkennen gab. Er hieß Melo, war ein edler Bürger
aus Bari und suchte nach einer mißglückten Empörung neue
Bundesgenossen und Rächer seiner Vaterstadt. Das kühne
Aussehen der Normannen erregte sein Vertrauen und seine
Hoffnungen; sie schenkten den Klagen und noch mehr den
Versprechungen des Patrioten Gehör. Er versicherte ihnen, daß
sie bei der Unternehmung Reichtümer erlangen würden, und dies
schien ihnen zu beweisen, daß seine Sache gerecht sei. Sie
betrachteten das fruchtbare Land, das von einem
verweichlichten Tyrannen unterdrückt wurde, als Erbteil der
Tapferen. Nach ihrer Rückkehr in die Normandie versuchten sie
den Unternehmungsgeist anzufachen und es gelang ihnen eine
kleine Schar zu sammeln, die Apulien befreien wollte. Sie
gingen auf verschiedenen Wegen und in Pilgertracht über die
Alpen und wurden in der Nähe Roms von dem Häuptling von Bari
erwartet, der die ärmeren mit Waffen und Pferden versah und
sie sogleich auf den Schauplatz der Tat führte. Im ersten
Kampfe siegten sie durch ihre Tapferkeit, im zweiten wurden
sie aber durch die große Zahl der Griechen und mit Hilfe der
Kriegsmaschinen geschlagen. Sie zogen sich, das Antlitz den
Feinden zugekehrt, voll Ingrimm zurück. Der unglückliche Melo
starb am Hofe von Deutschland als Bittender; seine
normannischen Anhänger irrten, sowohl aus ihrer Heimat als aus
dem verheißenen Lande ausgeschlossen, in den Bergen und Tälern
Italiens umher und erwarben sich ihren täglichen Unterhalt
durch das Schwert. Die Fürsten von Capua, Benevent, Salerno
und Neapel verwendeten die Normannen oft in ihren Kämpfen
gegeneinander. Durch den größeren Mut und die größere
Heereszucht der Normannen war der Sieg meistens bei jenen, für
die sie fochten. Sie trugen jedoch dafür Sorge, daß nicht
einer der Staaten ein besonderes Übergewicht erlange, wodurch
ihre Hilfe minder wichtig geworden wäre und weniger
einträglich. Ihr erstes Asyl war ein festes Lager in den
Sümpfen Kampaniens. Der freigebige Herzog von Neapel
verschaffte ihnen jedoch bald einen besseren Platz. Acht
Meilen von seiner Residenz entfernt wurde als Bollwerk gegen
Capua die Stadt Aversa gebaut und befestigt, und die
Normannen, die die Stadt zu verteidigen hatten, genossen das
Korn und die Früchte des fruchtbaren Bezirkes. Das Gerücht von
ihren Erfolgen zog jedes Jahr neue Scharen von Pilgern und
Kriegern herbei; die Armen wurden von der Not, die Reichen von
der Hoffnung getrieben, denn die tapferen und tatenlustigen
Normannen haßten Ruhe und dürsteten nach Ruhm. Jeder
Flüchtling, jeder Geächtete, der vor der Strafe oder den
Verfolgungen seines Herrschers geflohen war, wurde von den
unabhängigen Normannen aufgenommen und fand Schutz. Diese
fremden Elemente gingen bald völlig in der gallischen Kolonie
auf. Der erste Anführer der Normannen war Graf Reinulf. Er
verdiente diesen Posten sicherlich, denn in den Uranfängen der
Gesellschaft ist der Rang ein Beweis und der Lohn für höhere
Verdienste.
Seit der Eroberung von Sizilien durch die Araber hatten die
griechischen Kaiser stets danach getrachtet, diese wertvolle
Insel wieder zu erlangen. Aber alle ihre obgleich kräftigen
Anstrengungen scheiterten an der Entfernung und am Meere. Sie
machten kostspielige Rüstungen und errangen einen Schimmer von
Erfolg, der bald einem neuen Unglück Platz machte.
Zwanzigtausend ihrer besten Truppen gingen bei einem einzigen
Zug verloren, und die Muselmanen verhöhnten die Politik einer
Nation, die den Eunuchen nicht nur die Bewachung von Frauen,
sondern auch den Oberbefehl über Männer anvertraute. Nach
zweihundertjähriger Herrschaft wurden die Sarazenen durch ihre
inneren Zwistigkeiten gestürzt. Der Emir schüttelte die
Oberhoheit des Königs von Tunis ab, das Volk erhob sich gegen
den Emir, die Häuptlinge bemächtigten sich der Städte, und
jeder geringe Rebell war unabhängiger Tyrann seines Kreises.
Der schwächere zweier feindlicher Brüder flehte die Christen
um Hilfe an. Bei jeder Gefahr waren die Normannen schnell zur
Hand und nützlich; fünfhundert Ritter oder Krieger zu Pferde
wurden von Arduin, dem Geschäftsträger und Dolmetscher der
Griechen, für die Fahne Maniaces', Statthalters der Lombardei,
angeworben. Vor ihrer Landung versöhnten sich jedoch die
feindlichen Brüder, die Einheit von Sizilien und Afrika war
wieder hergestellt. Die Normannen bildeten die Vorhut, und die
Araber von Messina wurden in dem ersten Gefechte geschlagen.
Beim zweiten Gefecht wurde der Emir von Syrakus von Wilhelm
von Hauteville, dem Eisenarm, aus dem Sattel gehoben und
getötet. In einer dritten Schlacht schlugen die Normannen ein
Heer von sechzigtausend Sarazenen und ließen die Griechen nur
die Verfolgung durchführen. Die Normannen trugen auch
wesentlich zum Erfolg des Maniaces bei, der dreizehn Städte
und den größeren Teil von Sizilien unterwarf. Seine Erfolge
wurden von dem undankbaren Tyrannen jedoch nicht sehr
gewürdigt. Bei der Teilung der Beute vergaß er an seine
tapferen Bundesgenossen, und die stolzen und habsüchtigen
Normannen konnten eine solche Handlung nicht verzeihen. Sie
führten durch ihren Dolmetscher Klage; ihre Beschwerden wurden
nicht berücksichtigt und ihr Dolmetscher gegeißelt. Sie sannen
daher auf Rache, verstellten sich jedoch vorerst, bis sie
sicher nach Italien übersetzen konnten. Ihre Brüder von Aversa
schlossen sich ihnen an, und die Normannen wollten sich durch
ihren Einfall in der Provinz Apulien für das ihnen angetane
Unrecht schadlos halten. Über zwanzig Jahre nach der ersten
Auswanderung zogen die Normannen mit nicht mehr als
siebenhundert Reitern und fünfhundert Mann zu Fuß ins Feld,
wogegen die aus Sizilien zurückberufenen byzantinischen
Legionen auf sechzigtausend Mann gebracht wurden. Der Herold
der Griechen bot den Normannen die Wahl zwischen freiem
Rückzug und der Schlacht. »Schlacht!« schrien die Normannen
einstimmig, und einer ihrer stärksten Krieger streckte das
Pferd des Herolds mit einem Faustschlage zu Boden. Dieser
erhielt ein frisches Pferd und wurde entlassen; der Schimpf
wurde vor den kaiserlichen Truppen geheimgehalten, aber in
zwei aufeinanderfolgenden Schlachten lernten sie die
todverbreitende Tapferkeit ihrer Gegner gründlich kennen. In
der Ebene von Cannä flohen die Asiaten vor den Abenteurern
Frankreichs; der Herzog der Lombardei wurde gefangengenommen,
die Apulier unterwarfen sich, und nur die vier Städte Bari,
Otranto, Brindisi und Tarent verblieben im Besitze der
Griechen. Von diesem Zeitpunkte an können wir den Beginn der
normannischen Herrschaft rechnen. Die junge Kolonie von Aversa
wurde bald verdunkelt. Zwölf Grafen wurden je nach Alter,
Verdienst und Geburt gewählt. Jeder erhielt einen Distrikt
zugewiesen, dessen Tribute er nach Belieben verwenden durfte,
und jeder Graf baute in der Mitte seiner Ländereien ein Schloß.
Melphi, inmitten der Provinz, wurde zur gemeinsamen Hauptstadt
und Festung der Republik auserkoren, jedem der zwölf Grafen
wurde ein Viertel mit einem besonderen Hause zugeteilt. Alle
Angelegenheiten der Nation wurden durch diesen kriegerischen
Senat geordnet. Der Vorsitzende und Feldherr erhielt den Titel
Graf von Apulien. Diese Würde wurde Wilhelm dem Eisenarm
erstmalig zugesprochen, der in der Sprache jener Zeit ein Löwe
in der Schlacht, ein Lamm im Umgange, ein Engel im Rat genannt
wird. Ein zeitgenössischer normannischer Schriftsteller hat
die Sitten seiner Landsleute unparteiisch geschildert: »Die
Normannen«, sagt Malaterra, »sind ein schlaues, rachsüchtiges
und beredtes Volk. Wenn es nötig ist, lassen sie sich herab zu
schmeicheln, wenn sie aber nicht durch Gesetze im Zaume
gehalten werden, sind sie zügellos und frönen ihren
Leidenschaften. Die Fürsten bestreben sich freigebig zu sein,
das Volk fällt vom Extrem der Habsucht in das der
Verschwendung, verachtet, was es besitzt und dürstet nach
Reichtum und Herrschaft. Waffen und Pferde, prachtvolle
Kleider, Jagd und Falknerei reizen das Verlangen der
Normannen. Sie können jedoch, falls dies nötig ist, mit
unglaublicher Geduld jedes Klima und die Beschwerden des
Kriegslebens ertragen.«
Die Normannen von Apulien saßen zwischen zwei Königreichen
und wurden, je nach der augenblicklichen politischen Lage, von
den Souveränen von Deutschland oder Konstantinopel mit ihren
Ländern belehnt. Ihre Sicherheit lag jedoch in ihrer Macht;
sie liebten und vertrauten niemand, niemand liebte sie und
vertraute ihnen. Die Fürsten verachteten das unterworfene
Volk, und die Eingeborenen haßten ihre Unterdrücker. Alles,
was ihnen wünschenswert erschien, ein Pferd, eine Frau, einen
Garten nahmen die Fremden, und ihre habsüchtigen Häuptlinge
waren ehrgeizig und ruhmsüchtig. Die zwölf Grafen vereinigten
sich manchmal zu einem Bunde, wenn es galt, größere
Unternehmungen zu machen; sie waren jedoch in inneren
Zwistigkeiten befangen und stritten oft um die Beute. Nach dem
Tode Wilhelms wurde sein Bruder Drogo sein Nachfolger, der
zwar ein guter Anführer in der Schlacht und wackerer Kämpfer
war, dem es aber nicht gelang, die gewaltigen Fürsten im Zaume
zu halten. Konstantin Monomachus versuchte mit Hilfe
politischer Mittel Italien von den Normannen, die ärger waren
als ein Barbarenschwarm, zu befreien, zu welchem Zwecke
Argyrus, der Sohn des Melo, mit den stolzesten Titeln und den
ausgedehntesten Vollmachten versehen wurde. Das Andenken an
seinen Vater mochte ihn den Normannen empfehlen, und es gelang
ihm, sich ihre freiwilligen Dienste zu sichern, um die
Empörung des Maniaces zu unterdrücken und ihre eigenen und die
öffentlichen Drangsale zu rächen. Konstantin hatte den Plan,
diese normannischen Krieger aus den italienischen Provinzen im
persischen Kriege zu verwenden; der Sohn Melos verteilte unter
die Grafen Gold und kostbare Erzeugnisse Griechenlands, um
ihnen die kaiserliche Huld zu beweisen. Aber seine Künste
scheiterten an der Einsicht und dem Mute der Eroberer von
Apulien; sie wiesen seine Geschenke zurück oder verwarfen
wenigstens seine Vorschläge und weigerten sich standhaft, ihre
Besitzungen aufzugeben, um in fernen Landen dem Glück
nachzujagen. Da alle Überredungskünste nichts nützten,
beschloß Argyrus, sie zu zwingen oder zu vernichten. Die
Lateiner wurden gegen den gemeinsamen Feind aufgeboten und ein
Verteidigungsbündnis zwischen dem Papst und den beiden Kaisern
des Ostens und Westens geschlossen. Auf dem Thron des Apostels
Petrus saß Leo IX., ein einfacher, heiliger Mann, der einen
ehrwürdigen Charakter besaß, wodurch Maßregeln, die mit der
Religion auch nicht sehr zu vereinigen waren, geheiligt werden
konnten. Er wurde durch die Klagen, vielleicht die
Verleumdungen eines mißhandelten Volkes gerührt, die gottlosen
Normannen hatten den Zehnten abgeschafft, und es war recht und
billig, daß die frevelbeladenen, die Strafen der Kirche nicht
achtenden Räuber bestraft würden. Als Deutscher von edler
Herkunft und Verwandter von Fürsten, hatte Leo freien Zutritt
am Hofe Kaiser Heinrichs III., der ihm vertraute. Er glühte
vor Eifer, Bundesgenossen zu finden und reiste von Apulien
nach Sachsen und von der Elbe an den Tiber. Während die Feinde
rüsteten, brachte Argyrus geheime und verbrecherische Waffen
zur Anwendung. Eine Schar Normannen wurde niedergemetzelt und
der tapfere Drogo in einer Kirche meuchlings ermordet. Aber
sein Geist lebte in seinem Bruder Humphrey, dem dritten Grafen
von Apulien, fort. Die Mörder wurden gezüchtigt, und der Sohn
Melos wurde geschlagen und floh verwundet vom Schlachtfelde
nach Bari, um die Ankunft der Hilfstruppen zu erwarten.
Die Heere Konstantins waren jedoch in einem Kriege gegen
die Türken beschäftigt, Heinrich war schwach und
unentschlossen, und statt daß der Papst mit einem Heere über
die Alpen zurückkam, war er nur von einer Leibwache von
siebenhundert Schwaben und einigen Freiwilligen aus Lothringen
begleitet. Während seines langen Zuges von Mantua nach
Benevent sammelte sich eine bunte, elende Schar Italiener
unter der heiligen Fahne: Priester und Räuber schliefen im
selben Zelt, Lanzen und Kreuze wogten durcheinander, und der
kriegerische Heilige ordnete den Marsch und das Lager und
frischte die Erfahrungen seiner Jugend auf. Die Normannen von
Apulien konnten nur dreitausend Reiter und eine Handvoll
Fußvolk in das Feld stellen, die Eingeborenen schnitten ihnen
die Lebensmittel und den Rückzug ab, und sie wurden, sonst
furchtlos, einige Augenblicke von abergläubischem Schauder
befallen. Bei der Annäherung Leos knieten sie ohne Schmach und
Widerwillen vor ihrem geistlichen Vater. Aber der Papst blieb
unerbittlich; die hochgewachsenen Deutschen höhnten die
kleineren Normannen, denen nur die Wahl zwischen Tod oder
Verbannung freigestellt wurde. Flucht verschmähten sie, und da
mehrere von ihnen schon seit Tagen keine hinreichende Nahrung
genossen hatten, freuten sie sich auf einen leichten und
ehrenvollen Tod. Sie stiegen auf den Berg Civitella, stürmten
in die Ebene nieder und griffen das Heer des Papstes in drei
Abteilungen an. Auf dem linken Flügel und im Zentrum griffen
Richard Graf von Aversa und der berühmte Robert Guiscard an,
durchbrachen, warfen und verfolgten die italienischen Scharen,
die ohne Scham flohen. Eine schwierigere Arbeit blieb dem
tapferen Grafen Humphrey vorbehalten, der die Reiterei am
rechten Flügel anführte. Die Deutschen sind als ungeschickt im
Reiten und bei der Handhabung der Lanze beschrieben worden,
aber zu Fuß bildeten sie eine starke und undurchdringliche
Phalanx, und weder Mann noch Roß, trugen sie auch noch so gute
Rüstungen, konnten den Streichen ihrer langen, zweischneidigen
Schwerter widerstehen. Nach langem, hartnäckigem Kampfe wurden
sie von den von der Verfolgung zurückkehrenden Geschwadern
umzingelt und starben, ohne sich vom Flecke zu rühren.
Civitella verschloß dem fliehenden Papst seine Tore, und er
wurde von den frommen Siegern eingeholt, die seine Füße küßten
und ihn um seinen Segen und um die Lossprechung von ihren
Sünden baten. Diese Krieger erblickten in ihrem Gefangenen und
Feinde den Stellvertreter Christi, und obwohl man annehmen
kann, daß sie sich aus Politik so verhielten, ist es doch
wahrscheinlich, daß sie aus Religiosität so handelten. Der
Papst beweinte in der Einsamkeit das vergossene Christenblut,
an dem er schuldtragend war. Da seine Unternehmung nicht von
Erfolg begleitet gewesen war, wurde er allgemein getadelt, daß
er sich auf eine kriegerische Unternehmung eingelassen habe.
Bei diesem Stande der Dinge entschloß er sich zu einem
Vertrage und genehmigte die bisherigen wie zukünftigen
Eroberungen der Normannen. Die Provinzen Kalabrien und Apulien
bildeten, von wem immer sie usurpiert worden waren, einen Teil
der Schenkung Konstantins und das Eigentum der Kirche; die
Verleihung dieser Länder an die Normannen bestätigt die
Rechtmäßigkeit der Ansprüche des Papstes. Sie versprachen,
einander durch geistliche und weltliche Waffen zu
unterstützen; ein Tribut oder Erbzins von zwölf Pfennigen
wurde später für jeden Pflug Landes festgesetzt. Seit diesem
merkwürdigen Übereinkommen ist das Königreich Neapel über
siebenhundert Jahre ein Lehen des Heiligen Stuhles geblieben.
Robert Guiscards Abstammung wurde sowohl von Bauern als von
Herzögen der Normandie abgeleitet; in Wirklichkeit stammte er
vom mittleren Adel ab, und zwar von Valvassoren oder
Bannerherren in der Diözese Cutances in der Normandie. Das
Schloß Hauteville war ihr Sitz, sein Vater Tankred zeichnete
sich am Hofe und im Heere des Herzogs aus und stellte im
Kriege zehn Gewappnete oder Ritter. In zwei Ehen war er Vater
von zwölf Söhnen geworden, die daheim von seiner zweiten
Gattin erzogen wurden. Aber das kleine Besitztum genügte für
seine zahlreiche und kühne Nachkommenschaft nicht. Seine Söhne
sahen in der Nachbarschaft die Folgen der Armut und Zwietracht
und beschlossen, in auswärtigen Kriegen sich ein Erbe zu
erkämpfen. Nur zwei blieben zurück, um ihren alten Vater zu
pflegen und den Stamm fortzupflanzen. Ihre zehn Brüder
verließen einer nach dem anderen, sobald sie zu Männern
geworden waren, das Schloß, gingen über die Alpen und stießen
zu ihren Brüdern in Apulien. Die älteren wurden von ihrem
angeborenen Mut vorwärts getrieben, die jüngeren durch deren
Erfolge ermuntert, und die Ältesten, Wilhelm, Drogo und
Humphrey, wurden wegen ihrer Verdienste zu den Oberhäuptern
ihres Volkes gewählt und die Stifter einer neuen Republik.
Robert war der älteste der sieben Söhne zweiter Ehe, und
selbst die Feinde zollten ihm als Krieger und Staatsmann Lob.
Er war größer als die Größten seines Heeres, von großer Stärke
und Schönheit, und bis zu seinem Tode war er gesund,
gebieterisch und würdevoll. Er hatte eine rote Gesichtsfarbe,
breite Schultern, Haar und Bart waren lang und lichtblond.
Feuer strahlte aus seinen Augen, und seine Stimme vermochte,
gleich jener des Achilleus, den Lärm der Schlacht zu übertönen
und Schrecken zu verbreiten. In den frühen Zeiten des
Rittertums ist ein Mann mit solchen Eigenschaften nicht
unwürdig, die Aufmerksamkeit des Dichters oder
Geschichtschreibers zu erwecken: sie können anführen, daß
Robert zu gleicher Zeit mit gleicher Gewandtheit mit der
rechten Hand sein Schwert, mit der linken seine Lanze
schwingen konnte, daß er in der Schlacht von Civitella drei
Pferde verlor und daß man ihm bei dieser Schlacht den Preis
der Tapferkeit vor allen Kriegern bei Freund und Feind
zuerkannte. Sein grenzenloser Ehrgeiz war mit dem Bewußtsein
größeren Wertes verbunden. Auf seiner Laufbahn hemmten ihn
niemals Rücksichten auf Gerechtigkeit und Menschlichkeit, und
obwohl er ruhmsüchtig war, war die Wahl seiner Mittel nur von
dem zu erwartenden Erfolg abhängig. Der Beiname Guiscard wurde
diesem Meister in der Politik gegeben, was man nur zu oft mit
Verstellung und Betrug verwechselt; der apulische Dichter
rühmt Robert, daß er Ulysses an List und Cicero an
Beredsamkeit übertroffen habe. Diese Fähigkeiten wurden durch
seine kriegerischen verschleiert; selbst auf der höchsten
Stufe des Glücks war er zu seinen Waffengefährten vertraulich
und hörte ihre Beschwerden an. Während er die Vorurteile
seiner neuen Untertanen scheinbar annahm, trug er jedoch immer
die Tracht seiner Heimat und behielt die alten Sitten bei. Er
war raubsüchtig und freigebig, durch seine frühere Dürftigkeit
war er an Mäßigkeit gewöhnt. Die geringste Summe war ihm
willkommen, und er ließ seine Gefangenen unbarmherzig foltern,
um sie zu zwingen, ihre verborgenen Schätze anzugeben. Nach
Angabe der Griechen verließ er die Normandie mit nur fünf
Reitern und dreißig Mann zu Fuß, aber selbst dies dürfte
übertrieben sein: der sechste Sohn Tankreds von Hauteville zog
als Pilger über die Alpen. Seine erste Schar waren
italienische Abenteurer, die er zusammengelesen hatte. Seine
Brüder und Landsleute hatten die fruchtbaren Gebiete Italiens
unter sich geteilt und bewachten ihre Besitzungen mit
Eifersucht und Geiz. Der emporstrebende Jüngling wurde nach
Kalabrien getrieben, und bei seinen ersten Taten gegen
Eingeborene und Griechen kann man den Helden nicht vom Räuber
unterscheiden. Ein Schloß oder Kloster überrumpeln, die
umliegenden Dörfer plündern, um Nahrung zu erhalten, waren die
Taten, die ihn für größere Kämpfe stählten. Die Freiwilligen
aus der Normandie scharten sich unter seiner Fahne zusammen
und nahmen unter seiner Herrschaft die Art und den Namen der
Normannen an.
Die sich mit seinem Glück entfaltenden Fähigkeiten
erweckten die Eifersucht seines älteren Bruders, der bei einem
kleinen Streite sein Leben bedrohte und seine Freiheit
beschnitt. Nach Humphreys Tode konnten ihm seine zu jungen
Söhne nicht im Oberbefehle folgen; Guiscard wurde auf den
Schild erhoben und als Graf von Apulien und Feldherr der
Republik begrüßt. Sein Ansehen und seine Macht wuchsen, er
nahm die Eroberung Kalabriens wieder auf und strebte nach
einem höheren Range. Wegen Raub oder Kirchenfrevel war er dem
Kirchenbann verfallen; Nikolaus II. ließ sich jedoch ohne Mühe
davon überzeugen, daß Streitigkeiten zwischen Freunden ihnen
gegenseitig zum Nachteil gereichen würden, daß die Normannen
die treuen Verteidiger des Heiligen Stuhles wären und daß man
mit größerer Sicherheit auf das Bündnis mit einem Fürsten als
auf ein solches mit einer launenhaften Aristokratie bauen
könne. Eine Synode von hundert Bischöfen wurde nach Melphi
berufen, und der Graf gab ein wichtiges Unternehmen auf, um
den Papst zu bewachen und seine Beschlüsse auszuführen. Aus
Dankbarkeit und Politik verlieh er Robert und seinen
Nachkommen den Herzogstitel, belehnte ihn mit Apulien,
Kalabrien und allen Provinzen, die er in Italien und Sizilien
den schismatischen Griechen und Sarazenen entreißen würde.
Diese apostolische Verleihung rechtfertigte seine Taten,
konnte jedoch einem freien und siegreichen Volk die Zustimmung
nicht abnötigen, weshalb Guiscard diese Auszeichnung
verheimlichte, bis er im folgenden Feldzug Cosenza und Reggio
erobert hatte. In der Stunde des Triumphes versammelte er
seine Truppen und forderte die Normannen auf, den Beschluß des
Stellvertreters Christi zu bestätigen. Die Soldaten begrüßten
ihren Herzog freudig, und die Grafen leisteten ihm widerwillig
und mit geheimer Entrüstung den Eid der Treue. Nach dieser
Thronbesteigung nannte sich Robert: » Von Gottes und des
heiligen Petrus Gnaden Herzog von Apulien, Kalabrien und
dereinst von Sizilien«, aber er brauchte zwanzig Jahre, um
diesen Titel zu verwirklichen. Die langsamen Fortschritte in
einem so kleinen Land mögen den Fähigkeiten des Anführers und
dem Mut der Nation unwürdig erscheinen; allein die Zahl der
Normannen war klein, ihre Hilfsquellen gering, sie dienten
freiwillig und waren unzuverlässig. Die Barone widersetzten
sich zuweilen den kühnsten Plänen des Herzogs; die zwölf vom
Volke gewählten Grafen verschworen sich gegen seine
Herrschaft, und die Söhne Humphreys verlangten gegen ihren
treulosen Oheim nach Rache und Anerkennung ihrer gerechten
Ansprüche. Der kluge und tätige Guiscard entdeckte ihre
Komplotte, unterdrückte die Empörung und bestrafte die
Schuldigen mit Tod oder Verbannung. Seine besten Jahre und die
Kräfte der Nation wurden in diesen einheimischen Fehden
nutzlos vergeudet. Nach Überwältigung seiner auswärtigen
Feinde, der Griechen, Langobarden und Sarazenen zogen sich
deren geschlagene Truppen in die festen und volkreichen Städte
an der Küste zurück. Sie zeichneten sich besonders im Bau von
Befestigungsanlagen und bei der Verteidigung aus, die
Normannen dagegen waren gewohnt, zu Pferde im Felde zu dienen,
und ihre Angriffe auf befestigte Städte konnten nur mit der
Zeit Erfolg haben. Salerno widerstand acht Monate, und Bari
wurde jahrelang belagert. Bei diesen Unternehmungen war der
Normannenherzog stets in den vordersten Reihen der Kämpfenden,
der Ausharrendste bei allen Strapazen und der Geduldigste. Als
er die Zitadelle von Salerno bedrängte, zerschmetterte ein
großer Stein eine seiner Belagerungsmaschinen, und ein
Splitter verwundete ihn an der Brust. Vor Bari wohnte er in
einer elenden, aus dürren Ästen gebauten und mit Stroh
gedeckten Baracke, eine gefährliche Wohnung, die alle Zugwinde
der rauhen Jahreszeit zuließ und vor den Speeren der Feinde
keinen Schutz bot!
Robert eroberte in Italien ungefähr so viel Land wie das
spätere Königreich Neapel umfaßte, und die durch ihn
vereinigten Länder wurden während siebzehnhundert Jahren nicht
mehr getrennt. Das Reich bestand aus den griechischen
Provinzen Kalabrien und Apulien, dem lombardischen Fürstentum
Salerno, der Republik Amalfi und den zu dem großen Herzogtum
Benevent gehörigen inneren Landesteilen. Nur drei Bezirke
hatten eine Sonderstellung, einer für immer, die beiden
anderen bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts. Die Stadt
Benevent samt den umliegenden Ländereien war dem römischen
Papste vom deutschen Kaiser geschenkt oder im Tauschwege
abgetreten worden. Obwohl dieses geheiligte Land zuweilen mit
Kriegsmacht überzogen wurde, war zuletzt der Name des heiligen
Petrus stets mächtiger als das Schwert der Normannen. Von
ihrer ersten Kolonie Aversa aus unterjochten und besetzten sie
den Staat Capua, dessen Fürsten gezwungen wurden, ihr Brot vor
dem Palaste ihrer Väter zu erbetteln. Die Herzöge von Neapel
konnten unter dem Schutz des griechischen Reiches ihre und
ihres Volkes Freiheit bewahren. Unter den neueroberten Städten
Guiscards war Salerno wegen seines Wissens und Amalfi wegen
seines Handels von Interesse. Von den verschiedenen
Wissenschaften ist sicherlich die Heilkunde jene, die von den
wilden wie von den zivilisierten Völkern am frühesten in
Anspruch genommen und am meisten benötigt wurde. Die
griechische Arzneikunde machte den Weg durch die arabischen
Kolonien von Afrika, Spanien und Sizilien, und Salerno, eine
berühmte Stadt, wo sich die Männer durch Redlichkeit und die
Frauen durch Schönheit auszeichneten, besaß die erste Schule
in Europa, wo die Heilkunde gelehrt wurde. Mönche und Bischöfe
waren mit diesem nützlichen und einträglichen Gewerbe
schließlich einverstanden, und Scharen von Kranken aus den
höchsten Ständen suchten bei den Ärzten von Salerno Heilung.
Sie wurden von dem normannischen Eroberer beschützt, denn
obwohl Guiscard nur für die Waffen erzogen worden war, wußte
er den Wert der Gelehrten zu schätzen. Nach
neununddreißigjähriger Wanderung kehrte Konstantin, ein
afrikanischer Christ, nach Bagdad als Meister der Sprache und
der Wissenschaft der Araber zurück. Salerno wurde durch die
Schriften des Schülers des Avicenna bereichert. Die Schule der
Medizin wurde lange als Universität bezeichnet. Deren Lehren
und Vorschriften sind in einer Reihe von Aphorismen in die
leontinischen Verse oder lateinischen Reime des zwölften
Jahrhunderts eingekleidet und aufbewahrt worden.
Sieben Meilen westlich von Salerno und dreißig südlich von
Neapel lag die unbedeutende Stadt Amalfi, die sich zur
mächtigen Industriestadt entfaltete. Das Land war zwar
fruchtbar, aber nur von geringer Ausdehnung, doch die See war
zugänglich und stand offen. Die Einwohner versahen zuerst die
abendländische Welt mit den Waren und Produkten des Ostens,
und dieser Handel wurde die Quelle des Reichtums und der
Freiheit. Die Regierung war republikanisch, an der Spitze der
Verwaltung stand ein Herzog, und die Oberhoheit besaß der
griechische Kaiser. Amalfi hatte fünfzigtausend Bürger, und es
gab keine Stadt, die mehr Gold, Silber und Luxusgegenstände
enthielt, als sie. Die Seeleute, die es in großer Zahl gab,
zeichneten sich in den nautischen Wissenschaften besonders
aus. Die Entdeckung des Kompasses wird ihnen zugeschrieben.
Ihr Handel umfaßte die Waren Afrikas, Arabiens und Indiens,
ihre Niederlassungen in Konstantinopel, Antiochia, Jerusalem
und Alexandria besaßen die Vorrechte unabhängiger Kolonien.
Nach dreihundertjährigem Wohlstand wurde Amalfi von den
Normannen unterdrückt, von dem eifersüchtigen Pisa verheert.
Jetzt gibt es nur mehr tausend arme Fischer, die jedoch in den
Resten des Arsenals, der Kathedrale und der Paläste
königlicher Kaufleute Denkmäler der Größe ihrer Ahnen
besitzen.
Roger, der zwölfte und jüngste von Tankreds Söhnen, war
durch sein zartes und durch das hohe Alter seines Vaters lange
in der Normandie zurückgehalten worden. Er nahm die an ihn
ergangene willkommene Einladung an, eilte in das apulische
Lager und erwarb sich zunächst die Hochachtung seines Bruders,
der später auf ihn neidig wurde. Tapferkeit und Ehrgeiz
besaßen sie in gleichem Grade, aber die Jugend, Schönheit und
die angenehmen Sitten Rogers fesselten Krieger und Volk an
ihn. Er und seine vierzig Krieger erhielten so wenig zu ihrem
Unterhalt, daß er zuerst Räubereien, dann sogar Diebstähle
beging. Die Eigentumsbegriffe waren so wenig feststehend, daß
sein eigener Geschichtschreiber auf seinen Befehl ausdrücklich
erwähnt, er habe aus dem Stall von Melphi Pferde gestohlen.
Sein Geist erhob sich aus Armut und Schmach. Von seinen
privaten Räubereien wendete er sich ab und führte verdienst-
und ruhmvoll einen heiligen Krieg. Sein Einbruch in Sizilien
wurde von seinem Bruder Guiscard begünstigt. Nach dem Rückzug
der Griechen, hatten die Götzendiener ihre verlorenen
Provinzen wieder erlangt, aber die Befreiung der Insel, die
den Streitkräften des morgenländischen Reiches nicht gelungen
war, wurde von einer kleinen Schar Abenteurer durchgeführt.
Roger setzte bei seinem ersten Einfall in einem kleinen Boote
über, landete mit nur sechzig Kriegern am feindlichen Gestade,
jagte die Sarazenen bis an die Tore Messinas und kehrte
wohlbehalten mit Beute beladen zurück. Im Schloß Trani zeigte
er, daß er gleicherweise mutig und geduldig war. Im hohen
Alter pflegte er mit Vergnügen zu erzählen, daß er bei dieser
Belagerung mit seiner Gattin nur mehr einen Mantel besaß, den
sie abwechselnd trugen. Bei einem Ausfalle sei sein Pferd von
den Sarazenen getötet und er selbst gefangen worden. Nachdem
er sich mit seinem Schwerte befreit hatte, sei er mit dem
Sattel auf den Rücken heimgekehrt, damit nicht das geringste
Siegenzeichen in den Händen der Feinde bliebe. Bei der
Belagerung von Trani widerstanden dreihundert Normannen den
Streitkräften der ganzen Insel und schlugen sie zurück. Auf
dem Schlachtfelde von Ceramio wurden fünfzigtausend Mann zu
Pferde und zu Fuß von einhundertsechsunddreißig christlichen
Kriegern geschlagen. Die erbeuteten Fahnen und vier Kamele
wurden für den Nachfolger des heiligen Petrus aufbewahrt, und
wenn diese Siegeszeichen nicht im Vatikan, sondern am Kapitol
aufgestellt worden wären, hätten sie an die Punischen Kriege
erinnert. Die angeführten Zahlen über die Stärke der Normannen
bedeuten höchstwahrscheinlich die Ritter, die Krieger von
edlem Range, denen je fünf bis sechs Anhänger in das Feld
folgten; aber selbst mit Hilfe dieser Interpretation und wenn
man Tapferkeit, Waffen und Ruf in Betracht zieht, bleibt die
Niederlage solcher Massen unverständlich und läßt nur die Wahl
zwischen Wunder oder Fabel offen. Die Araber von Sizilien
erhielten häufig mächtigen Beistand von ihren Stammverwandten
in Afrika. Bei der Belagerung von Palermo standen den
Normannen die Galeeren von Pisa bei, und bei der Schlacht
wetteiferten die sonst neidischen Brüder miteinander. Nach
dreißigjährigem Krieg erlangte Roger mit dem Titel Großgraf
die Souveränität über die größte und fruchtbarste Insel des
Mittelmeeres und zeigte während seiner Regierung einen edlen,
sein Zeitalter und seine Erziehung weit überragenden Geist.
Die Muselmanen durften ihre Religion weiter ausüben und
behielten ihr Eigentum. Ein Philosoph und Arzt von Mazora aus
Mohammeds Stamm sprach den Eroberer an und erhielt von ihm
eine Einladung an den Hof; seine Geographie der sieben Klimate
wurde in das Lateinische übersetzt, und Roger zog dieses Werk,
nachdem er es emsig durchgelesen hatte, den Schriften des
Griechen Ptolemäus vor. Die restlichen christlichen Einwohner
hatten zum Erfolg der Normannen beigetragen: der Triumph des
Kreuzes war ihr Lohn. Die Insel gehorchte wieder dem Papst,
neue Bischöfe wurden für die vornehmsten Städte ernannt und
Kirchen und Klöster den Geistlichen freigebig zugeteilt. Aber
der christliche Held wahrte seine Rechte der weltlichen
Herrschaft. Statt die Belehnung mit den Pfründen dem Papste zu
überlassen, machte er sich schlau dessen Ansprüche zunutze,
und die Herrschaft der Krone wurde durch die merkwürdige
Bulle, die die Fürsten von Sizilien zu erblichen und ständigen
Legaten des Heiligen Stuhles erklärt, gesichert und
vergrößert.
Robert Guiscard hatte von der Eroberung Siziliens mehr Ruhm
als Vorteil: Apulien und Kalabrien waren ihm in seinem
Ehrgeize zu klein, und er beschloß die erste Gelegenheit zu
benutzen, nötigenfalls sie zu schaffen, um in das römische
Reich des Ostens einzubrechen und es vielleicht zu
unterjochen. Von seiner ersten Gattin, die in seiner Armut bei
ihm ausgeharrt hatte, ließ er sich unter dem Vorwande mit ihr
blutsverwandt zu sein, scheiden, und ihr Sohn Bohemund ahmte
seinen berühmten Vater nach, ohne an seine Stelle zu gelangen.
Die zweite Gemahlin Guiscards war die Tochter der Fürstin von
Salerno. Die Lombarden beruhigten sich, da die Erbfolge auf
ihren Sohn Roger überging, die fünf Töchter wurden ehrenvoll
vermählt. Eine derselben wurde in zartem Alter mit Konstantin,
dem Sohne und Erben des Kaisers Michael, verlobt. Aber die
Herrscher von Konstantinopel wurden gestürzt, die kaiserliche
Familie Ducas im Palaste oder Kerker gefangen gehalten, und
Robert beweinte und rächte die Schmach seiner Tochter und
seines Bundesgenossen. Eine Grieche, der sich als Vater
Konstantins bezeichnete, erschien bald in Salerno und erzählte
über seinen Sturz und sein Entweichen. Er wurde vom Herzog
anerkannt und mit dem Prunk und den Titeln des Kaisers
geschmückt. Bei seinem Triumphzug durch Apulien und. Kalabrien
wurde Michael mit Tränen und Zurufen vom Volke begrüßt, und
Papst Gregor der Siebente ermahnte die Katholiken und
Bischöfe, für seine Wiedereinsetzung zu predigen und zu
kämpfen. Er pflog mit Robert häufig vertraulichen Umgang;
dennoch war dieser Michael nach dem Geständnis der Griechen
und Lateiner ein Betrüger, ein dem Kloster entsprungener
Mönch, oder ein Mensch, der im Palaste gedient hatte. Der
Betrug war von dem schlauen Guiscard ersonnen worden, der
darauf rechnete, daß der Prätendent, nachdem er einen
anständigen Vorwand zum Krieg abgegeben hatte, auf einen Wink
des Eroberers wieder verschwinden würde. Sieg war das einzige
Argument, das den Glauben der Griechen bestimmen konnte, aber
die Lateiner waren eher leichtgläubig als eifrig. Die alten
Normannen wünschten sich in Ruhe ihrer erkämpften Länder zu
erfreuen, die unkriegerischen Italiener zitterten vor den
bekannten und unbekannten Gefahren eines Zuges über die See.
Robert sparte beim Sammeln neuer Truppen nicht mit Geschenken
und Versprechungen, drohte mit Bestrafung durch die weltliche
und geistliche Macht, und man warf ihm nach Begehung einiger
Gewalttaten vor, daß Greise und Kinder ohne Unterschied zum
Dienste des unbarmherzigen Fürsten gepreßt wurden. Nach
zweijährigen unaufhörlichen Rüstungen versammelten sich die
Streitkräfte zu Lande und zu Wasser beim äußersten Vorgebirge,
der Ferse von Italien. Robert wurde von seiner Gattin, die an
seiner Seite fechten wollte, von seinem Sohn Bohemund und dem
angeblichen Kaiser Michael begleitet. Dreizehnhundert Ritter
normannischer Abstammung bildeten den Kern des Heeres, das bis
dreißigtausend Mann, Truppen und Troß, stark sein mochte.
Menschen, Pferde, Waffen, Maschinen, mit rohen Häuten bedeckte
Türme wurden an Bord von hundertfünfzig Fahrzeugen
eingeschifft. Die Transportschiffe waren in den italienischen
Häfen gebaut und die Galeeren von der verbündeten Republik
Ragusa geliefert worden.
An der Mündung des Adriatischen Meerbusens nähern sich die
Küsten von Italien und Epirus einander. Die Entfernung von
Brindisi und Durazzo beträgt nur hundert Meilen. Bei Otranto
verengt sich das Meer bis auf fünfzig Meilen. Diese geringe
Entfernung hatte Pyrrhus und Pompejus dazu gebracht, an die
Errichtung einer Brücke zu denken, für die damaligen Zeiten
eine erhabene Idee. Vor der allgemeinen Einschiffung entsandte
der Normannenherzog Bohemund fünfzehn Galeeren, um die Insel
Korfu zu erobern oder zu bedrohen, die gegenüberliegende Küste
zu besichtigen und in der Nähe von Ballona einen Hafen für die
Ausschiffung der Truppen zu sichern. Sie bewerkstelligten die
Überfahrt und Landung ohne einen Feind zu gewahren, was den
Verfall und die Vernachlässigung der griechischen Flotte
beweist. Die Inseln und Seestädte von Epirus wurden von Robert
niedergeworfen oder ergaben sich freiwillig. Er führte seine
Flotte und Armee von Korfu zur Belagerung von Durazzo. Diese
Stadt, der westliche Schlüssel des Reiches, besaß großen Ruhm,
neuangelegte Befestigungen und wurde von einem alten Patrizier
namens Paläologus, der in den orientalischen Kriegen siegreich
gewesen war, sowie von einer zahlreichen Besatzung, die aus
Albanesen und Makedoniern bestand, verteidigt, die damals
einen sehr kriegerischen Charakter hatten. Guiscard wurde bei
dieser Unternehmung, durch Gefahren und Unfälle jeglicher Art,
auf die Probe gestellt. In der günstigsten Jahreszeit erhob
sich, als seine Flotte an der Küste hinsegelte, plötzlich ein
Sturm, der von Schneegestöber begleitet war; das Adriatische
Meer wurde von einem aus Süden kommenden Orkan gepeitscht und
ein neuer Schiffbruch am Acroceraunischen Felsen fand statt.
Segel, Maste und Ruder wurden zersplittert oder weggerissen,
die See und das Gestade bedeckten sich mit Schiffstrümmern,
Waffen und Leichen. Der größte Teil der Mundvorräte ging unter
oder wurde beschädigt. Die herzogliche Galeere wurde mühsam
gerettet, und Robert schlug am nahen Vorgebirge sein Lager auf
und sammelte sieben Tage die Reste seiner Flotte und sprach
seinen Soldaten Mut zu. Die Normannen waren nicht mehr jene
kühnen und erfahrenen Seeleute, die den Ozean von Grönland bis
zum Atlasgebirge durchschifft hatten und über die Gefahren des
Mittelmeeres lächelten. Sie hatten während des Sturmes
geweint, gerieten über die Annäherung der feindlichen
Venetianer in Bestürzung, die vom byzantinischen Hofe durch
Bitten und Verheißungen zur Hilfeleistung bewogen worden
waren. Der Kampf der ersten Tage ging für den bartlosen
Bohemund, der die Flotte seines Vaters befehligte, nicht
ungünstig ans. Die Galeeren der Republik lagen die ganze Nacht
in Form eines Halbmondes vor Anker. Sie siegten am zweiten Tag
durch ihre gewandten Bewegungen, ihre Bogenschützen, ihre
Wurfspieße und durch das ihnen überlassene griechische Feuer.
Die apulischen und ragusanischen Schiffe flüchteten ans Ufer,
mehreren wurden die Ankertaue gekappt und sie vom Sieger
fortgeführt, und ein Ausfall aus der Stadt verbreitete
Bestürzung. Rechtzeitige Verstärkung wurde in die Stadt
Durazzo geworfen, und nachdem die Belagerer die Herrschaft zur
See verloren hatten, weigerten sich die Inseln und Seestädte
Tribut zu zahlen und Lebensmittel zu liefern. Das Lager selbst
wurde von einer pestartigen Seuche heimgesucht, fünfhundert
Ritter starben eines ruhmlosen Todes, und die Anzahl der
Begrabenen (wenn alle ein anständiges Begräbnis fanden) stieg
auf zehntausend. Bei diesen Drangsalen blieb nur Guiscards
Herz fest und unbezwungen, und während er neue Streitkräfte
aus Apulien und Sizilien an sich zog, bestürmte oder
unterminierte er die Mauern von Durazzo. Aber seiner Kunst und
Tapferkeit standen gleiche Tapferkeit und höhere Kunst
entgegen. Ein beweglicher Turm, so groß und so geräumig, daß
er fünfhundert Soldaten fassen konnte, wurde an den Fuß der
Wälle gerollt; das Niederlassen des Tores oder der Zugbrücke
wurde jedoch durch einen ungeheuren Balken verhindert und der
Turm unverzüglich vom griechischen Feuer verzehrt.
Während das römische Reich von den Türken im Osten und von
den Normannen im Westen angegriffen wurde, übergab der greise
Nachfolger Michaels das Zepter Alexius, einem berühmten
Heerführer und Stifter der Dynastie der Komnenen. Die
Prinzessin Anna, seine Tochter und Geschichtsschreiberin,
erwähnt in ihrer gezwungenen Art, daß selbst Herkules dem
ungleichen Kampf nicht gewachsen gewesen wäre, und sie billigt
daher den eiligst mit den Türken geschlossenen Frieden,
wodurch ihr Vater instandgesetzt wurde, die Befreiung von
Durazzo in Person durchzuführen. Alexius fand bei seiner
Thronbesteigung weder Soldaten noch Geld vor; er ergriff aber
so kraftvolle Maßregeln, daß er in sechs Monaten ein Heer von
siebzigtausend Mann sammeln konnte, mit denen er fünfhundert
Meilen zurücklegte. Seine Truppen wurden in Europa und Asien,
vom Peloponnes bis zum Schwarzen Meer, ausgehoben, seine
Leibwache zu Pferde hatte silberne Rüstungen und die Pferde
reiche Geschirre, und der Kaiser hatte ein Gefolge an Fürsten
und Großen, von denen mehrere mit dem Purpur bekleidet gewesen
waren und infolge der Milde, die in jenen Zeiten herrschte, in
Reichtum und Würden fortleben durften. Ihr jugendlicher Eifer
befeuerte die Menge; aber ihr Hang zu Vergnügungen und ihr
Widerwille gegen soldatischen Gehorsam konnten leicht
Unordnung und Unheil veranlassen, und ihr ungeduldiges
Geschrei nach einer baldigen Schlacht vereitelte die kluge
Maßregel des Alexius, das Belagerungsheer einzuschließen und
auszuhungern. Die Aufzählung der Provinzen zeigt den traurigen
Gegensatz zwischen der früheren und der damaligen römischen
Welt. Die ungeübten Truppen waren eilig und in Schrecken
zusammengezogen worden und die Hilfe der Besatzungen von
Anatolien oder Kleinasien mit Räumung von Städten erkauft
worden, die unverzüglich von den Türken besetzt wurden. Der
Kern des griechischen Heeres bestand aus den Warägern, den
skandinavischen Leibwachen, die erst kürzlich durch
Auswanderer und Freiwillige von der britischen Insel Thule
verstärkt worden waren. Die normannischen Eroberer
unterdrückten sie gemeinsam und vereinigten so die Dänen und
Engländer; eine Schar kühner Jünglinge beschloß ein Land der
Knechtschaft zu verlassen. Das Meer stand ihnen zur Flucht
offen, und auf ihrer langen Irrfahrt besuchten sie jede Küste
auf der sie Freiheit und Befriedigung ihrer Rache zu finden
hofften. Sie wurden vom griechischen Kaiser in Dienst genommen
und in eine Stadt am asiatischen Gestade als Posten gelegt.
Alexius berief sie aber zur Verteidigung seines Palastes und
seiner selbst nach Konstantinopel und vererbte seinen
Nachfolgern die treue und tapfere Schar. Der Angriff durch die
Normannen frischte die Erinnerung an ihre erlittenen Unbilden
wieder auf, sie zogen freudig gegen den Nationalfeind und
lechzten in Epirus den Ruhm wieder zu gewinnen, den sie in der
Schlacht bei Hastings verloren hatten. Die Waräger wurden
durch einige Scharen Franken oder Lateiner unterstützt, und
die Europäer, die vor dem tyrannischen Guiscard nach
Konstantinopel geflohen waren, dürsteten danach, ihren Eifer
kundzutun und ihre Rache zu befriedigen. In dieser Not
verschmähte der Kaiser die Hilfe der Paulicianer oder
Manichäer von Thrazien und Bulgarien nicht. Diese Ketzer, die
nach dem Märtyrertod Verlangen trugen, waren mutig, tatkräftig
und fügten sich in die Heereszucht. Ein Vertrag mit dem Sultan
hatte dem Kaiser die Hilfe einiger tausend Türken verschafft
und man konnte der lanzenbewehrten Reiterei der Normannen mit
Pfeil und Bogen bewaffnete türkische Kavallerie
entgegenstellen. Auf das Gerücht von dieser furchtbaren
Heeresmacht und nachdem man ihrer aus der Ferne ansichtig
geworden war, versammelte Robert seine vornehmsten
Unterbefehlshaber zu einem Kriegsrat. »Ihr sehet«, sprach er,
»die Gefahr, sie ist groß und man kann ihr nicht ausweichen.
Die Höhen sind besetzt, und der Kaiser der Griechen ist an
Kriege und Triumphe gewöhnt. Gehorsamkeit und Eintracht allein
kann euch retten: ich bin bereit, wenn ihr dies wünscht, den
Oberbefehl einem würdigen Anführer abzutreten.« Der jubelnde
Zuruf selbst seiner geheimen Feinde zeigte ihm in diesem
gefährlichen Momente, daß er ihre Achtung und ihr Vertrauen
besäße und der Herzog fuhr fort: »Lasset uns auf den Sieg
bauen und den Feigen die Mittel zum Entkommen rauben. Lasset
uns die Schiffe und das Gepäck verbrennen und an dieser Stelle
die Schlacht liefern, als wäre hier unser Geburtsort und unser
Begräbnisplatz.« Der Antrag wurde allgemein angenommen, und
Guiscard erwartete in Schlachtordnung die Annäherung des
Feindes. Er wurde im Rücken durch einen kleinen Fluß gedeckt,
sein rechter Flügel lehnte sich ans Meer, sein linker an die
Berge und vielleicht wußte er nicht einmal, daß an derselben
Stelle Cäsar und Pompejus um die Weltherrschaft gekämpft
hatten.
Alexius beschloß gegen den Rat seiner erfahrensten
Unterbefehlshaber eine allgemeine Schlacht zu wagen und
forderte die Besatzung der Stadt Durazzo auf, durch einen
rechtzeitigen Ausfall an ihrer Befreiung mitzuwirken. Er
marschierte in zwei Heerhaufen, um die Normannen bei
Tagesanbruch von zwei Seiten zu überrumpeln; seine leichte
Reiterei bedeckte die Ebene, die Bogenschützen bildeten die
zweite Linie, und die Waräger beanspruchten die Ehre im
Vordertreffen stehen zu dürfen. Beim ersten Angriff wüteten
die Streitäxte der Fremden in dem Heere Guiscards, das bereits
auf fünfzehntausend Mann zusammengeschmolzen war. Die
Lombarden und Kalabrier wandten schimpflich den Rücken, flohen
zur Brücke und zum Meere. Aber die Brücke war abgebrochen
worden, um einen Ausfall der Belagerten zu erschweren, und an
der Küste hielten venetianische Galeeren, die ihre
Wurfmaschinen gegen den ordnungslosen Haufen spielen ließen.
Sie waren schon fast verloren, als sie durch ihre mutigen und
geschickten Anführer gerettet wurden. Gaita, Roberts Gattin,
wird von den Griechen als eine kriegerische Amazone, eine
zweite Pallas, geschildert. Minder erfahren in den Künsten,
aber nicht minder schrecklich in Waffen als die atheniensische
Göttin hielt sie, obwohl durch einen Pfeil verwundet, Stand
und versuchte die fliehenden Truppen zu sammeln. Der mächtige
Ruf und Arm des Normannenherzogs unterstützten sie, der ebenso
ruhig in der Schlacht wie hochherzig im Rate war. »Wohin«,
schrie er, wohin wollet ihr fliehen! Der Feind ist
unversöhnlich und der Tod minder schmerzlich als
Knechtschaft.« Der Augenblick war entscheidend; da die Waräger
im Zentrum vordrangen, wurden ihre Flügel entblößt. Das
Hauptheer des Herzogs, achthundert Ritter, stand fest und
undurchbrechbar. Sie legten ihre Lanzen ein und stießen wütend
und unwiderstehlich auf die Griechen vor. Es fehlte Alexius
weder an den Eigenschaften eines Kriegers noch eines
Feldherrn. Kaum erblickte er aber die Niederlage der Waräger
und die fliehenden Türken, als er, seine Untertanen
verachtend, die Hoffnung auf Sieg aufgab. Die Prinzessin Anna,
die wegen dieses traurigen Ereignisses Tränen vergießt,
beschränkt sich darauf, die Ausdauer und Schnelligkeit des
Pferdes ihres Vaters hervorzuheben und ihn zu preisen, daß er
sich im Kampfe wacker gehalten habe, nachdem er durch einen
Lanzenstoß fast zu Boden geworfen worden war. Er schlug sich
tapfer durch das Frankengeschwader, das sich ihm auf seiner
Flucht entgegenstellte, und nachdem er zwei Tage und Nächte in
den Gebirgen umhergeirrt war, fand er einige leibliche, wenn
auch nicht seelische Ruhe in Lychnidus. Der siegreiche Robert
tadelte die langsame und matte Verfolgung, bei der eine so
erlauchte Beute entkommen war, tröstete sich aber mit den
eroberten Siegeszeichen und Fahnen, mit dem im byzantinischen
Lager erbeuteten Reichtümern und mit dem Ruhm, ein Heer, das
fünfmal so stark wie sein eigenes gewesen war, geschlagen zu
haben. Eine Schar Italiener war das Opfer ihrer eigenen Furcht
geworden; von den Rittern aber wurden an diesem denkwürdigen
Tage nur dreißig getötet. Die Verluste des römischen Heeres an
Griechen, Türken und Engländern beliefen sich auf fünf- bis
sechstausend. Die Ebene von Durazzo war mit den Leichen der
Erschlagenen aus edlem oder kaiserlichem Blute bedeckt, und
der Tod des Betrügers Michael war ehrenvoller als sein Leben.
Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Robert über diesen
Verlust nicht trauerte. Die Griechen verteidigten nach ihrer
Niederlage Durazzo weiter, aber Paläologus, der unklugerweise
von seinem Posten abberufen worden war, wurde durch einen
venetianischen Befehlshaber ersetzt. Die Belagerer bauten sich
feste Hütten an Stelle der Zelte, um die Kälte des Winters
besser ertragen zu können, und Robert, der eine trotzige
Botschaft von der Besatzung erhalten hatte, ließ sie wissen,
daß seine Geduld mindestens ihrer Hartnäckigkeit gleichkomme.
Vielleicht baute er bereits auf sein geheimes Einverständnis
mit einem venetianischen Edlen, der die Stadt für eine reiche
und ehrenvolle Heirat verkaufte. In tiefer Nacht wurden
mehrere Strickleitern von den Mauern der Stadt herabgelassen,
die behenden Kalabrier stiegen in aller Stille empor, und als
die Griechen von den Trompeten geweckt wurden, waren die
Normannen Herren der Wälle. Sie verteidigten sich jedoch drei
Tage in den Straßen gegen einen Feind, der bereits Herr des
Walles war, bis sie endgültig geschlagen wurden. Beinahe
sieben Monate waren zwischen der ersten Umschließung und der
Übergabe der Stadt verflossen. Von Durazzo drang der
Normannenherzog in das Herz von Epirus oder Albanien vor, ging
über die vordersten Gebirge von Thessalien, überrumpelte
dreihundert Engländer in der Stadt Castoria, näherte sich
Thessalonika und machte Konstantinopel zittern.
Er wurde jedoch von der weiteren Verfolgung seiner
ehrgeizigen Pläne abgehalten. Sein Heer war auf ein Drittel
seiner ursprünglichen Stärke zusammengeschmolzen. Statt daß es
aus Italien ergänzt wurde, erhielt er vielmehr durch
Klagebriefe die Nachricht, daß während seiner Abwesenheit
Unruhen und Aufstände ausgebrochen seien, daß die Städte und
Barone von Apulien sich empört hätten, daß der Papst in Not
wäre und daß König Heinrich von Deutschland heranziehe, um in
Italien einzubrechen. In der stolzen Zuversicht, daß er allein
genüge, fuhr er in einer Brigantine über das Meer und ließ die
Reste seines Heeres unter dem Befehle seines Sohnes und der
normannischen Grafen zurück. Er ermahnte Behomund, die
letzteren zu achten und forderte diese zum Gehorsam gegen
ihren Anführer auf. Der Sohn Guiscards trat in die Fußstapfen
seines Vaters; die Griechen vergleichen beide mit Raupen und
Heuschrecken, welch' letztere verzehren, was erstere
übriggelassen haben. Nachdem Bohemund zwei Schlachten gegen
den Kaiser gewonnen hatte, stieg er in die Ebene von
Thessalien nieder, belagerte Larissa, das ehemalige Reich des
Achilles, welche Stadt den Schatz und die Vorräte der
Byzantiner enthielt. Aber man darf Alexius, der standhaft und
klug gegen die Drangsale der Zeiten kämpfte, gerechtes Lob
nicht versagen. Da der Staatsschatz leer war, wagte er es, die
Kirchengüter zu borgen. Die Manichäer fielen ab und wurden
durch Stämme aus der Moldaugegend ersetzt; eine weitere
Verstärkung von siebentausend Türken wurde herbeigezogen, um
ihre getöteten Brüder zu rächen. Die griechische Kavallerie
wurde täglich im Reiten, Bogenschießen, in Überfällen aus dem
Hinterhalt geübt. Alexius hatte die Erfahrung gemacht, daß die
furchtbare Reiterei der Franken im Kampfe zu Fuß untüchtig, ja
nahezu jeder Bewegung unfähig sei. Er befahl daher seinen
Bogenschützen mehr auf die Pferde als auf die Reiter zu
schießen und ließ den Boden mit eisernen Fußangeln bestreuen.
In der Nähe von Larissa kam der Feldzug zum Stehen. Bohemund
zeichnete sich stets aus, und seine Unternehmungen waren
häufig von Erfolg begleitet; sein Lager wurde jedoch von den
Griechen infolge einer Kriegslist geplündert; die Stadt war
nicht einzunehmen. Die käuflichen oder mißvergnügten Grafen
verließen endlich seine Fahne, wurden ihrer Pflicht untreu und
traten in den Dienst des Kaisers. Alexius kehrte nach
Konstantinopel als Sieger zurück, der Sohn Guiscards räumte
die eroberten Gebiete, die er nicht länger halten konnte,
schiffte sich nach Italien ein und wurde von seinem Vater
umarmt, der seine Verdienste anerkannte und sein Unglück
begriff.
Von den lateinischen Fürsten, Alexius' Bundesgenossen und
Roberts Feinden, war Heinrich der Dritte (als Kaiser) oder
Vierte (als König von Deutschland) König von Deutschland und
Italien und künftiger Kaiser des Abendlandes, der mächtigste.
Das Schreiben des griechischen Monarchen an seinen Bruder
enthält die wärmsten Freundschaftsbeteuerungen und drückt das
lebhafte Verlangen aus, ihren Bund durch ein öffentliches und
persönliches Band zu festigen. Er wünscht Heinrich zu seinem
Erfolge in einem gerechten und heiligen Kriege Glück und
klagt, daß seine eigenen Untertanen durch die verwegenen
Unternehmungen Roberts des Normannen in ihrem Glücke gestört
würden. Seine Geschenke sind für die Sitten des Zeitalters
bezeichnend: eine mit Strahlen versehene Goldkrone, ein mit
Perlen besetztes Kreuz, das auf der Brust getragen werden
konnte, ein Schrein voll Reliquien mit den Namen und Titeln
der Heiligen, eine Vase aus Kristall, eine aus Sardonyx,
Balsam, wahrscheinlich aus Mekka, und hundert Stück Purpur.
Diesen Geschenken fügte er eine bedeutendere Gabe hinzu,
hundertvierzigtausend Byzantiner in Gold und sicherte ihm
ferner weitere zweihundertsechzigtausend zu, sobald Heinrich
Apulien mit seinem Heere betreten und durch einen Eid den Bund
gegen den gemeinsamen Feind bekräftigt haben würde. Heinrich,
der sich bereits an der Spitze eines Heeres in der Lombardei
befand, nahm das freigebige Anerbieten an und rückte gegen
Süden vor; die Kunde von der Schlacht von Durazzo zügelte
seine Schnelligkeit. Die Rückkehr Roberts wurde durch seinen
Namen und sein Heer jedoch erheblich beschleunigt, womit
Heinrich die ihm von Alexius zugesagte Summe mehr als
reichlich verdient hatte. Heinrich war der erbitterte Gegner
der Normannen, der Bundesgenossen und Vasallen seines
schlimmsten Feindes, Gregors des Siebenten. Der Kampf zwischen
Thron und Inful war durch den ehrgeizigen, stolzen Priester
künstlich wieder entzündet worden; der König und der Papst
hatten sich gegenseitig abgesetzt und jeder einen Nebenbuhler
auf den Thron seines Gegners erhoben. Nach der Niederlage und
dem Tode des schwäbischen Anführers zog Heinrich nach Italien,
um sich zum Kaiser krönen zu lassen und den Papst aus dem
Vatikan zu vertreiben. Aber die Einwohner Roms hingen Gregor
an; sie wurden durch herbeigezogene Krieger aus Apulien
gestärkt, von wo auch Geld einlangte. Die Stadt wurde vom
Könige von Deutschland dreimal fruchtlos belagert. Im vierten
Jahre bestach er mit byzantinischem Gelde, wie gemeldet wird,
die Großen, deren Besitzungen und Schlösser durch den Krieg
verheert worden waren. Die Tore, Brücken und fünfzig Geißeln
wurden in seine Hände geliefert und der Gegenpapst Clemens der
Dritte im Lateran geweiht. Der dankbare Papst krönte seinen
Schutzherrn im Vatikan, und der Kaiser Heinrich schlug seine
Residenz als rechtmäßiger Nachfolger des Augustus und Karls
des Großen auf dem Capitole auf. Die Trümmer des Septizoniums
wurden weiter von Gregors Neffen verteidigt und dieser selbst
in der Engelsburg belagert. Er konnte lediglich auf seine
mutigen und treuen normannischen Vasallen hoffen. Ihre
Freundschaft hatte wegen verschiedener Streitigkeiten einen
Riß erlitten; aber im gegenwärtigen Falle wurde Guiscard durch
seinen Eid und sein Interesse, das mächtiger war als alle
Eide, durch Liebe zu Ruhm und Feindschaft gegen die beiden
Kaiser getrieben, seine Partei zu ergreifen. Er entfaltete die
heilige Fahne und beschloß dem Papste zu Hilfe zu eilen,
sammelte unverzüglich das zahlreichste Heer, das er je
besessen, sechstausend Reiter und dreißigtausend Mann zu Fuß.
Sein Marsch nach Rom wurde allgemein bejubelt und die Gunst
des Himmels wurde ihm verheißen. Heinrich, in sechsundsechzig
Schlachten unbesiegt, zitterte bei seiner Annäherung,
erinnerte sich einiger unaufschiebbarer Geschäfte, die seine
Gegenwart in der Lombardei erforderten, ermahnte die Römer
treu zu bleiben und entfernte sich eiligst drei Tage vor dem
Einzuge der Normannen. In weniger als drei Jahren hatte der
Sohn Tankreds den Papst befreit und die zwei Kaiser des
Morgen- und Abendlandes bezwungen; sie flohen vor ihm. Aber
der Triumph Roberts wurde durch die Drangsale, die Rom zu
erleiden hatte, getrübt. Mit Hilfe der Freunde Gregors waren
zwar die Mauern durchlöchert oder erstiegen worden, aber noch
war die kaiserliche Partei mächtig und tätig; am dritten Tag
brach im Volke ein mächtiger Aufruhr los, und ein übereiltes
Wort des Siegers gab Anlaß zu Brand und Plünderung. Die
Sarazenen von Sizilien, Untertanen Rogers und Hilfstruppen
seines Bruders, benutzten die schöne Gelegenheit und beraubten
und entweihten die heilige Stadt der Christen. Viele tausend
Menschen wurden von den Bundesgenossen des heiligen Vaters
getötet, geschändet, in Gefangenschaft geschleppt und ein
großes Viertel der Stadt, vom Lateran bis zum Kollosseum, von
den Flammen verzehrt. Gregor verließ die Stadt, wo er nur
gehaßt und nicht mehr gefürchtet wurde, um seine Tage im
Palaste von Salerno zu beenden. Der schlaue Papst machte dem
eitlen Guiscard vielleicht Hoffnungen auf die römische oder
kaiserliche Krone; dies war jedoch nicht ohne Gefahr, denn
dann hätten sich die treuesten Freunde Deutschlands für immer
von ihm abgewandt.
Der Befreier und die Geißel Roms hätte sich nun Ruhe gönnen
können; aber noch im gleichen Jahre, in dem der Kaiser
geflohen war, nahm der unermüdliche Robert seinen Plan,
Eroberungen im Osten zu machen, wieder auf. Gregor hatte ihm
aus Dankbarkeit die Königreiche Griechenland und Asien
verheißen, seine Truppen standen stolz auf ihre Erfolge und
gierig nach weiterem Kampf in Waffen. Ihre Zahl wird von Anna
mit der von Bienenschwärmen verglichen; aber seine maximale
Heeresstärke ist bereits angegeben worden. Diesmal besaß er
hundertzwanzig Fahrzeuge; er zog der vorgerückten Jahreszeit
halber den Hafen von Brindisi der offenen Reede von Otranto
vor. Alexius hatte sich aus Furcht vor einem zweiten Angriff
bemüht, die Seemacht des Reiches wieder herzustellen. Die
Republik Venedig stellte ihm sechsunddreißig Transportschiffe,
vierzehn Galeeren und neun Galeoten, Schiffe von
außerordentlicher Größe und Stärke, zur Verfügung. Sie erhielt
dafür Handelsmonopole, mehrere Buden und Häuser im Hafen von
Konstantinopel, sowie Spenden für den heiligen Markus, welche
den venetianischen Kaufleuten um so willkommener waren, als
diese aus den Tributzahlungen ihrer Nebenbuhler von Amalfi
stammten. Durch die Vereinigung der griechischen und
venetianischen Flotten wimmelte das Adriatische Meer von
feindlichen Fahrzeugen. Durch Roberts Geschick oder die
Nachlässigkeit der Griechen, durch Umspringen des Windes oder
mit Hilfe einer Nebelwand, gelang es den normannischen Truppen
ungehindert an der Küste von Epirus zu landen. Mit zwanzig
starken und wohlausgerüsteten Galeeren suchte der
unerschrockene Herzog unmittelbar den Feind auf. Er war
eigentlich nur gewohnt zu Pferde zu kämpfen, setzte aber sein
eigenes Leben und das seines Bruders und zweier Söhne in einer
Seeschlacht aufs Spiel. Nahe der Insel Korfu fanden drei
Gefechte statt; in den beiden ersten behielten die
geschickteren und zahlreicheren Verbündeten die Oberhand, aber
im dritten errangen die Normannen einen entscheidenden und
vollständigen Sieg. Die leichten Brigantinen der Griechen
wurden in schimpfliche Flucht geschlagen; die neun
schwimmenden Kastelle der Venetianer kämpften hartnäckig,
dennoch wurden sieben versenkt und zwei genommen;
zweitausendfünfhundert Gefangene flehten vergeblich um Gnade
und Barmherzigkeit. Nach diesem Kampfe beklagte die Tochter
des Alexius den Verlust von dreizehntausend seiner Untertanen
oder Bundesgenossen. Guiscards Genie hatte seinen Mangel an
Erfahrung ersetzt; jeden Abend, wenn er zum Rückzug hatte
blasen lassen müssen, erwog er die Ursachen seiner Niederlage
und ersann neue Methoden, um den Mängeln abzuhelfen und die
Vorteile des Feindes auszugleichen. Der Winter vereitelte sein
weiteres Vordringen; mit Wiederkehr des Frühlings versuchte er
neuerlich die Eroberung Konstantinopels. Statt aber über die
Berge von Epirus zu gehen, wendete er sich gegen Griechenland
und Italien, wo Beute zu holen war und wo die Streitkräfte zu
Wasser und Lande vereint mit Nachdruck und Wirksamkeit
vorgehen konnten. Aber auf der Insel Kephalonia brach unter
seinen Truppen eine epidemische Krankheit aus, Robert selbst
verschied an ihr im siebzigsten Lebensjahre in seinem Zelte.
Das Gerücht ging um, daß seine Gattin oder der griechische
Kaiser ihn vergiftet hätten. Sein Tod läßt der Phantasie
bezüglich der Taten, die er noch vollbracht hätte, freien
Spielraum; die nächste Zeit beweist hinreichend, daß die Größe
der Normannen auf ihn gegründet war. Ohne daß sich der Feind
auch nur zeigte, zerstreute sich sein siegreiches Heer oder
zog sich in Unordnung oder Bestürzung zurück, und Alexius, der
für sein Reich gezittert hatte, freute sich seiner Befreiung.
Die Galeere, die die Überreste Guiscards führte, scheiterte an
dem italienischen Gestade; die Leiche des Herzogs wurde jedoch
aus der See gefischt und in der Gruft von Venusia beigesetzt,
ein Ort, der als Geburtsstätte des Horaz berühmt ist. Roger,
sein zweiter Sohn und Nachfolger, sank sofort zu der
untergeordneten Stellung eines Herzogs von Apulien herab; der
tapfere Bohemund erbte von seinem ihn hochachtenden aber
parteiischen Vater nur das Schwert. Er beunruhigte mit seinen
Ansprüchen die Nation, bis der erste Kreuzzug gegen die
Ungläubigen des Ostens ihm ein ruhmreiches Feld der Betätigung
eröffnete.
Die männliche Linie Robert Guiscards erlosch sowohl in
Apulien als Antiochia in der zweiten Generation; aber sein
jüngerer Bruder wurde der Ahnherr einer Reihe von Königen. Der
Sohn des Großgrafen besaß den Namen, die Länder und den Mut
des ersten Roger. Der Erbe dieses normannischen Abenteurers
war in Sizilien geboren und wurde im Alter von vier Jahren
Souverän der Insel. Hätte sich Roger mit seinem fruchtbaren
Erbe begnügt, so hätte ihn ein glückliches und zufriedenes
Volk gesegnet; und wenn durch weise Verwaltung die glücklichen
Zeiten der griechischen Regierung hätten wieder hergestellt
werden können, wäre Sizilien ein weites und machtvolles Reich
gewesen. Aber der ehrgeizige Großgraf wußte nichts von solchen
edlen Bestrebungen, er ging vielmehr mit Gewalt und List vor.
Er strebte nach dem ungeteilten Besitze von Palermo, wovon die
eine Hälfte der älteren Linie abgetreten worden war, suchte
seine Grenzen in Kalabrien, trotz der bestehenden Verträge, zu
erweitern und beobachtete ungeduldig die abnehmende Gesundheit
seines Vetters Wilhelm von Apulien, des Enkels Roberts. Auf
die erste Nachricht von seinem Tode segelte Roger mit sieben
Galeeren von Palermo ab, ging in der Bai von Salerno vor
Anker, empfing nach zehntägiger Verhandlung von den Bewohnern
der normannischen Hauptstadt den Eid der Treue, erlangte die
Unterwerfung der Barone und erzwang seine gesetzliche
Belehnung von den sich sträubenden Päpsten, die weder
Freundschaft noch Feindschaft eines mächtigen Vasallen lange
ertragen konnten. Der geheiligte Ort Benevent wurde als
Eigentum des Papstes ehrfurchtsvoll geschont, Capua und Neapel
jedoch unterworfen und damit der Plan seines Oheims Guiscard
vollendet; der siegreiche Roger war Herrscher über alle
normannischen Eroberungen. Im Bewußtsein seiner Überlegenheit
und Macht verschmähte er den Titel eines Herzogs und Grafen.
Die Insel Sizilien und ein Drittel des italienischen
Festlandes konnte gar wohl die Grundlage eines Königreiches
bilden, das nur den Monarchien England und Frankreich
nachstand. Die Häupter der Nation, die seiner Krönung zu
Palermo beiwohnten, durften ohne Zweifel bestimmen, unter
welchem Titel er über sie herrschen sollte; aber das Beispiel
eines griechischen Tyrannen oder sarazenischen Emirs reichte
nicht hin, um seine königliche Würde zu rechtfertigen, und die
neun Könige der lateinischen Welt konnten ihren neuen Genossen
verleugnen, so lange er nicht durch den Papst geweiht worden
war. Anacletus fühlte sich geschmeichelt, daß der stolze
Normanne sich herabgelassen hatte, ihn um die Krönung zu
bitten. Inzwischen war aber als Gegenpapst Innozenz der Zweite
gewählt worden, der, während Anacletus im Vatikan residierte,
als siegreicher Flüchtling von den Nationen Europas anerkannt
wurde. Die junge Monarchie Rogers wurde durch seine
unglückliche Wahl eines kirchlichen Schutzherrn erschüttert
und fast zum Einsturz gebracht; Lothar der Zweite von
Deutschland und die Flotte Pisas zogen gegen ihn, Innozenz
schleuderte seinen Bannstrahl, und auch der heilige Bernhard
wandte sich gegen den sizilianischen Räuber. Nach tapferem
Widerstände wurde der Normannenfürst vom italienischen
Festlande vertrieben; ein neuer Herzog von Apulien wurde vom
Papst und Kaiser belehnt, welch letztere jeder ein Ende des
Gofanon oder der Fahne hielten, als Zeichen, daß sie sich ihr
Recht vorbehielten und ihren Streit einstellten. Eine solche
eifersüchtige Freundschaft ist jedoch von kurzer Dauer; die
deutschen Heere schmolzen bald durch Krankheit und Rückkehr
einzelner nach Deutschland zusammen. Der apulische Herzog
wurde mit allen seinen Anhängern von einem Fürsten, der weder
den Toten noch den Lebendigen verzieh, ausgerottet. Gleich
seinem Vorgänger Leo dem Neunten wurde der schwache,
wenngleich stolze Papst der Gefangene und Freund der
Normannen. Ihre Versöhnung wurde von dem beredten Bernard
gefeiert, der jetzt die Tugenden und den Titel des Königs von
Sizilien pries.
Dieser Monarch hatte vielleicht als Buße für seinen
gottlosen Krieg gegen den Nachfolger des heiligen Petrus
versprochen, die Fahne des Kreuzes zu entfalten; er erfüllte
mit Feuereifer ein Gelübde, das so in seinem Interesse lag und
durch das er seinen Rachedurst befriedigen konnte. Sizilien
hatte wieder unter den Sarazenen gelitten und eine gerechte
Vergeltung sollte ihre Häupter treffen; die Normannen, die
sich mit ihren Untertanen bereits sehr vermischt hatten,
wurden aufgefordert, der Seesiege ihrer Ahnen zu gedenken,
ihnen nachzueifern und auf dem Höhepunkte ihrer Macht mit
einer im Verfall begriffenen afrikanischen Macht zu kämpfen.
Als der fatimitische Kalif zur Eroberung von Ägypten auszog,
belohnte er seinen Diener Joseph mit seinem königlichen
Mantel, vierzig arabischen Pferden, seinem Palast samt dessen
prachtvoller Einrichtung und der Statthalterschaft der
Königreiche Tunis und Algier. Die Zeiriden, Josephs
Nachkommen, vergaßen Treue und Dankbarkeit gegen einen fernen
Wohltäter, machten sich unabhängig, gründeten eine
orientalische Dynastie und siechten nun in Schwäche dahin. Von
der Landseite wurden sie von den Almohaden, den fanatischen
Fürsten von Marokko bedrängt, während die Küste den Griechen
und Franken offenstand, die noch im elften Jahrhundert von
ihnen ein Lösegeld von zweihunderttausend Goldstücken erpreßt
hatten. Roger vereinigte in seinen ersten Kämpfen Malta mit
Sizilien. Hierauf wurde die starke Seestadt niedergeworfen,
die Männer niedergemetzelt und die Weiber entführt, eine
Maßnahme, die durch die gleichen Untaten der Muselmanen
gerechtfertigt erscheint. Die Hauptstadt der Zeiriden hieß
Afrika, nach ihrem arabischen Gründer jedoch Mahadia. Sie ist
stark gebaut, steht auf einer Landzunge, die Unsicherheit
ihres Hafens wird aber durch die Fruchtbarkeit der umliegenden
Landstriche nicht aufgewogen. Mahadia wurde von dem
sizilianischen Admiral Georg mit einer Flotte von
hundertfünfzig mit Kriegern und Zerstörungswerkzeugen
reichlich versehenen Galeeren belagert. Der Souverän war
geflohen, der maurische Statthalter weigerte sich zu
kapitulieren und floh insgeheim mit der muselmanischen
Bevölkerung und überließ den Platz mit seinen Schätzen den
räuberischen Franken. In mehreren Feldzügen unterwarf der
König von Sizilien oder seine Unterbefehlshaber die Städte
Tunis, Safax, Kapsia, Bona und einen großen Teil der Küste.
Die Festungen wurden mit Besatzungen versehen, das Land
zinspflichtig gemacht, und man kann von Robert sagen, daß er
Afrika in Botmäßigkeit erhielt. Unter der stürmischen
Regierung seines Nachfolgers wurden diese überseeischen
Besitzungen entweder vernachlässigt oder geräumt oder gingen
verloren. Scipio und Belisar haben bewiesen, daß Afrika weder
unzugänglich, noch unbezwinglich ist; bisher aber sind den
großen Fürsten und Mächten der Christenheit ihre
Eroberungszüge gegen die Mauren wiederholt mißlungen, die
hingegen lange Zeit hindurch die Herrschaft in Spanien
besaßen.
Seit dem Tode Robert Guiscards hatten die Normannen ihre
feindlichen Pläne gegen das morgenländische Reich über sechzig
Jahre fallen gelassen. Roger strebte nach einem Bündnisse mit
den griechischen Fürsten und wünschte mit ihnen in
verwandtschaftliche Beziehungen zu treten, um seinem
königlichen Range Würde zu verleihen. Er verlangte eine
Tochter des Hauses der Komnenen zur Ehe. Die ersten
Verhandlungen schienen Erfolg zu verheißen. Aber die
verächtliche Behandlung seiner Gesandten erbitterte den eitlen
Monarchen, und den Übermut des byzantinischen Hofes büßten,
wie üblich, die schuldlosen Untertanen. Der sizilianische
Admiral Georg erschien mit einer Flotte von siebzig Galeeren
vor Korfu. Insel und Stadt wurden von den mißvergnügten
Einwohnern, die mit Recht eine Belagerung für ein weit
größeres Übel als Tributzahlung hielten, übergeben. In der
Geschichte des Handels ist dieser Einbruch ein wichtiger; die
Normannen verbreiteten sich über das Meer und die Provinzen
von Griechenland und die ehrwürdigen Städte Athen, Theben und
Korinth wurden beraubt und die Einwohner mit Grausamkeit
behandelt. Von den Unbilden Athens ist keine nähere Nachricht
auf uns gekommen; Thebens Mauern wurden erstiegen, und die
Bewohner mußten schwören, keinen Teil ihrer Habe verborgen zu
haben. Die Stadt Korinth wurde bei der Annäherung der
Normannen geräumt; die Griechen zogen sich in die Zitadelle
zurück, die auf einer steilen, von dem klassischen Brunnen
Pirene bewässerten Höhe stand. Diese Festung wäre uneinnehmbar
gewesen, wenn die Verteidiger einigen Mut gezeigt hätten.
Sobald die Belagerer den Berg erklettert hatten, bei diesem
Sturm ihre einzige Mühe, staunte ihr Anführer über seinen
eigenen Sieg. Er bewies dem Himmel seine Dankbarkeit, indem er
das kostbare Bild des Schutzheiligen Theodor vom Altar riß.
Die Seidenweber beiderlei Geschlechts, die Georg nach Sizilien
führte, bildeten den wertvollsten Teil der Beute. Indem er die
fleißigen Handwerker mit den trägen und feigen Soldaten
verglich, rief er aus, daß Spindel und Webstuhl die einzigen
Waffen waren, welche die Griechen zu handhaben verständen.
Dieser Seezug ist durch zwei denkwürdige Ereignisse
ausgezeichnet: die Befreiung des Königs von Frankreich und die
Beschimpfung der byzantinischen Hauptstadt, Ludwig der
Siebente war auf seinem Rückzuge zur See von einem
unglücklichen Kreuzzug von den Griechen, die die Gesetze der
Ehre und Religion niedrigerweise verletzten, aufgefangen
worden. Die Normannen, die ihm mit ihrer Flotte begegneten,
befreiten den König. Ludwig wurde ehrenvoll am Hofe von
Sizilien bewirtet und setzte bald seine Reise nach Rom und
Paris fort. In Abwesenheit des Kaisers waren Konstantinopel
und der Hellespont ohne Verteidigung gelassen worden, da man
keine Ahnung von einer Gefahr hatte. Die Geistlichkeit und das
Volk, denn die Krieger waren Manuels Fahne gefolgt, gerieten
beim Anblick einer Galeerenflotte, die angesichts der Stadt
kühn die Anker auswarf, in Erstaunen und Bestürzung. Die
Streitkräfte des sizilianischen Admirals reichten nicht hin,
um die volkreiche und ausgedehnte Hauptstadt zu belagern und
zu erstürmen, wohl aber freute sich Georg des Ruhmes, daß er
die hochmütigen Griechen gedemütigt und den Flotten des
Westens den Weg zum Sieg gewiesen hatte. Er setzte einige
Soldaten ans Land, um die kaiserlichen Gärten ihrer Früchte zu
berauben und schoß im Feuer gespitzte Pfeile gegen den Palast
der Cäsaren. Gegen diese possenhafte Beschimpfung der
Seeräuber von Sizilien, die seine Abwesenheit benutzt hatten,
zeigte Manuel öffentlich Verachtung, während er heimlich zur
Rache rüstete. Der Archipelagus und das Jonische Meer
bedeckten sich mit seiner und Venedigs Flotte. Der
byzantinische Geschichtschreiber mutet uns jedoch zu, an
fünfzehnhundert Schiffe zu glauben, was wir selbst bei
Zuzählung von Proviantschiffen, Transportschiffen und Pinassen
kaum annehmen können. Die Unternehmungen dieser Flotte wurden
mit Klugheit und Kraft geleitet; Georg verlor auf der
Heimfahrt neunzehn seiner Galeeren, die voneinander getrennt
und genommen wurden. Korfu flehte, nachdem es sich hartnäckig
verteidigt hatte, seinen rechtmäßigen Souverän um
Barmherzigkeit an, und bald war innerhalb der Grenzen des
byzantinischen Reiches weder ein Schiff noch ein Soldat des
Normannenfürsten zu finden, außer als Gefangener. Das Glück
und die Gesundheit Rogers waren im Sinken begriffen; während
er in seinem Palaste zu Palermo Botschaften über Siege oder
Niederlagen empfing, wurde der unbezwingliche Manuel, der
Vorderste bei allen Angriffen, von den Griechen und Lateinern
als der Alexander oder Herkules des Zeitalters gefeiert.
Ein Fürst von solchem Charakter konnte sich damit nicht
begnügen, einen übermütigen Barbaren zurückgewiesen zu haben.
Es war das Recht und die Pflicht, es mochte das Interesse und
der Ruhm Manuels sein, die alte Majestät des Reiches
wiederherzustellen, die Provinzen Italien und Sizilien wieder
zu erlangen und diesen anmaßenden König, den Enkel eines
normannischen Vasallen, zu züchtigen. Die Eingeborenen von
Kalabrien waren der griechischen Sprache und Religion, die von
der lateinischen Geistlichkeit geächtet worden war, noch immer
zugetan. Apulien wurde, nachdem es seine Herzöge verloren
hatte, von den Königen Siziliens geknechtet; der Stifter der
Monarchie hatte durch das Schwert geherrscht, sein Tod die
Furcht seiner Untertanen vermindert, ohne sie zufriedener zu
machen. Eine Feudalverfassung barg stets den Samen der
Zwietracht, und ein Neffe Rogers selbst rief die Feinde seiner
Familie und Nation ins Land. Sein Ansehen als Kaiser und
einige Feldzüge gegen die Ungarn und Türken hinderten Manuel
den Krieg in Italien persönlich zu leiten. Der griechische
Monarch vertraute dem edlen und tapferen Paläologus, seinem
Unterbefehlshaber, eine Flotte und ein Heer an. Die Eroberung
von Bari war seine erste Tat, die mit Gold und Eisen, wie
jeder Sieg, durchgeführt wurde; Salerno und einige Plätze an
der Westküste bewahrten dem Normannenkönig Treue; aber er
verlor in zwei Feldzügen den größten Teil seiner Besitzungen
auf dem Festlande, und der bescheidene Kaiser begnügte sich,
unter Verschmähung aller Falschheit und Lüge, mit der
Unterwerfung von dreihundert Städten und Dörfern Apuliens und
Kalabriens, deren Namen an alle Mauern des Palastes
geschrieben wurden. Die Lateiner erhielten, um ihren
Vorurteilen zu genügen, eine echte oder erdichtete Schenkung
mit dem Siegel der deutschen Kaiser; aber der Nachfolger
Konstantins verschmähte bald diesen schimpflichen Vorwand,
berief sich auf sein unverjährbares Herrscherrecht über
Italien und erklärte seinen Entschluß, die Barbaren über die
Alpen zu jagen. Durch die schlauen Reden, freigebigen
Geschenke und unbegrenzten Verheißungen ihres morgenländischen
Bundesgenossen wurden die freien Städte in ihrem hochherzigen
Kampfe gegen den despotischen Friedrich Barbarossa ermutigt.
Die Mauern Mailands wurden mit Hilfe des Geldes von Manuel
wieder aufgebaut, und er goß einen Strom Gold, sagt der
Geschichtschreiber, nach Ancona, dessen Anhänglichkeit an die
Griechen durch Eifersucht und Feindschaft gegen Venedig,
befestigt wurde. Lage und Handel machten Ancona zu einem
wichtigen Platz im Herzen Italiens; zweimal belagerte es
Friedrich, zweimal wurde er zurückgeschlagen. Der Gesandte von
Konstantinopel feuerte die mutigen Einwohner an, und die
unerschrockenen Patrioten wurden als treue Diener des
byzantinischen Hofes mit Reichtum und Ehren überschüttet. Der
stolze Manuel verachtete den barbarischen Kollegen. Sein
Ehrgeiz wurde durch die Hoffnung gesteigert, die deutschen
Usurpatoren des Purpurs zu entkleiden und im Morgen- und
Abendlande als einziger Kaiser der Römer zu herrschen. In
dieser Absicht bewarb er sich um das Bündnis mit dem Volk von
Rom und dem Papste. Mehrere Große traten auf die Seite des
griechischen Monarchen, der Beistand der mächtigen Familie
Frangipani wurde durch die Vermählung seiner Nichte mit Odo
Frangipani gesichert, und die Fahne oder das Standbild des
Kaisers wurde in der alten Hauptstadt mit gebührender
Ehrfurcht empfangen. Während des Kampfes zwischen Friedrich
und Alexander dem Dritten, empfing der Papst im Vatikan
zweimal die Gesandten Konstantinopels. Sie schmeichelten ihm,
indem sie die Vereinigung beider Kirchen zusagten, führten
seinen habsüchtigen, käuflichen Hof in Versuchung und
forderten ihn auf, in diesem günstigen Augenblicke
gerechterweise die stolzen Alemannen zu demütigen und den
wahren Stellvertreter Konstantins und Augustus' anzuerkennen.
Aber diese italienischen Eroberungen, die geplante
Herrschaft über die Welt, entglitten dem Kaiser bald wieder.
Der kluge Alexander der Dritte, der so tief einschneidende
Veränderungen genau erwog, wich seinen ersten Forderungen aus.
Auch ließ sich der Papst nicht in Versuchung führen, wegen
eines persönlichen Streites auf die Erbschaft des lateinischen
Namens dauernd Verzicht zu leisten. Nach seiner Aussöhnung mit
Friedrich führte er eine entschiedenere Sprache, hieß die
Handlungen seiner Vorgänger gut, schleuderte gegen die
Anhänger Manuels den Kirchenbann und sprach schließlich die
Trennung der Kirchen oder wenigstens der Reiche von Rom und
Konstantinopel aus. Die freien Städte der Lombardei gedachten
nicht länger ihres ausländischen Wohltäters, der sich, ohne
die Freundschaft Anconas zu bewahren, bald die Feindschaft
Venedigs zuzog. Der Kaiser hatte sich aus Habsucht oder durch
Beschwerden seiner Untertanen verleiten lassen, venetianische
Kaufleute zu verhaften und ihre Waren einzuziehen. Diese
Verletzung allgemeiner Grundsätze erbitterte die freien
Venetianer; hundert Galeeren wurden in hundert Tagen
ausgerüstet und bewaffnet; sie plünderten die Küsten von
Dalmatien und Griechenland. Der Krieg wurde jedoch bald durch
einen Vertrag beendigt, der unrühmlich für das Reich,
ungenügend für die Republik war und die vollständige Rächung
aller Unbilden den künftigen Geschlechtern vorbehielt. Der
Statthalter Manuels hatte seinem Souverän berichtet, daß er
stark genug sei, jede einheimische Empörung Kalabriens und
Apuliens zu unterdrücken, daß aber seine Streitkräfte nicht
hinreichten, den drohenden Angriffen des Königs von Sizilien
zu widerstehen. Seine Prophezeiung ging bald in Erfüllung.
Infolge des Todes Paläologus' ging der Befehl auf mehrere
Anführer über, mit gleichem Range und gleich bar aller
kriegerischen Fähigkeiten. Die Griechen zogen zu Land und
Wasser die Kürzeren, und die von den Normannen verschonten
Reste schworen für alle Zeiten dem Sieger Gehorsam. Der König
von Sizilien ehrte jedoch den mutigen und standhaften Manuel,
der ein zweites Heer in Italien ans Land gesetzt hatte. Er
wandte sich ehrfurchtsvoll an den zweiten Justinian, bat um
Frieden oder Waffenstillstand auf dreißig Jahre, nahm den
königlichen Titel als Geschenk an und bekannte sich zum
Vasallen des römischen Reiches. Die byzantinischen Kaiser
begnügten sich mit dieser scheinbaren Herrschaft, ohne zu
erwarten, daß die Normannenheere ihnen dienten und vielleicht
auch ohne dies zu wünschen. Der dreißigjährige
Waffenstillstand wurde durch keinerlei Feindseligkeit gestört.
Gegen Ende dieser Zeit wurde der Thron Manuels von einem
unmenschlichen Tyrannen usurpiert, der sich den gerechten
Abscheu seines Vaterlandes und des Menschengeschlechtes
zugezogen hatte. Wilhelm der Zweite, Rogers Enkel, wurde durch
einen Flüchtling aus dem Hause der Komnenen bewogen, das
Schwert zu ziehen, und die Untertanen des Andronikus
bewillkommneten die Ausländer als Freunde, da sie ihren
Souverän als den schlimmsten der Feinde verabscheuten. Die
lateinischen Geschichtschreiber berichten ausführlich über die
Fortschritte der vier Grafen, die in Romanien mit einem Heer
und einer Flotte einbrachen und viele Städte und Schlösser zum
Gehorsam gegen den König von Sizilien zwangen. Die Griechen
erzählen und übertreiben die mutwilligen und
kirchenschänderischen Grausamkeiten, die bei der Plünderung
von Thessalonika, der zweiten Hauptstadt des Reiches, verübt
wurden. Jene beklagen das Schicksal der unbezwinglichen und
arglosen Krieger, die durch die geheimen Künste eines
besiegten Feindes vernichtet wurden. Diese feierten in
Triumphgesängen die wiederholten Siege ihrer Landsleute auf
dem Marmarameer oder der Propontis, an den Ufern des Strymon
und unter den Mauern von Durazzo. Durch eine Umwälzung wurde
der verbrecherische Andronikus bestraft und die eifrigen und
mutigen Auf rühr er vereinigten sich gegen die Franken;
zehntausend wurden in der Schlacht getötet und dreitausend
gefangengenommen, an denen der neue Kaiser Isaak Angelus
seiner Rache frönen konnte. Das war der Ausgang des letzten
Kampfes zwischen Griechen und Normannen; noch ehe zwanzig
Jahre verflossen waren, waren beide rivalisierenden Nationen
von anderen geknechtet und gedemütigt worden. Die Nachfolger
Konstantins vermochten sich des Sturzes der sizilianischen
Monarchie nicht lange zu freuen.
Das Zepter Rogers ging auf seinen Sohn, dann auf seinen
Enkel über; beide hießen Wilhelm, doch hatte der eine den
Beinamen der Böse, der andere hieß der Gute, doch war keiner
wie die Beinamen anzudeuten scheinen, wirklich ganz böse oder
ganz gut. Wilhelm der Erste, durch Gefahr und Schande zur
Erhebung der Waffen gezwungen, zeigte die Tapferkeit seiner
Ahnen; aber er war träge, hatte ausschweifende Sitten, war
blind in seinen Leidenschaften. Der Monarch ist nicht nur für
seine eigenen, sondern auch für die Laster seines Großadmirals
Majo verantwortlich, der das Vertrauen seines Wohltäters
mißbrauchte und sich gegen sein Leben verschwor. Die
Sizilianer hatten von den arabischen Eroberern verschiedene
orientalische Sitten, den Despotismus, die Pracht, ja selbst
die Einrichtung des Harems teilweise übernommen: Ein
christliches Volk wurde durch Eunuchen, die die Religion
Mohammeds offen bekannten oder insgeheim ausübten, unterdrückt
und mißhandelt. Ein beredter Geschichtschreiber jener Zeiten
hat die Drangsale seines Vaterlandes geschildert; den Ehrgeiz
und Sturz des undankbaren Majo, die Empörung und Bestrafung
seiner Mörder, die Einkerkerung und Befreiung des Königs, die
Privatfehden, die allenthalben ausgefochten wurden und die
verschiedenen Unglücksfälle und die allgemeine Zwietracht, die
Palermo, die Insel und das Festland während der Regierung
Wilhelms des Ersten und der Minderjährigkeit seines Sohnes
heimsuchten. Die Jugend, Unschuld und Schönheit Wilhelms des
Zweiten machte ihn der Nation teuer; die Parteien versöhnten
sich, die Gesetze traten wieder in Kraft, und bis zum frühen
Tode dieses Herrschers genoß Sizilien eine kurze Periode des
Friedens, der Gerechtigkeit, des Glückes, deren Wert durch die
vergangene schlimme Zeit und die Furcht vor der Zukunft erhöht
wurde. Die rechtmäßigen männlichen Nachkommen Tankreds von
Hauteville erloschen mit Wilhelm dem Zweiten; aber seine
Tante, die Tochter Rogers, hatte sich mit dem mächtigsten
Fürsten seines Zeitalters vermählt. Heinrich der Sechste,
Friedrich Barbarossas Sohn, zog über die Alpen, um die
kaiserliche Krone und das Erbe seiner Gattin in Anspruch zu
nehmen. Gegen den einstimmigen Wunsch des Volkes konnte diese
Erbschaft nur mit Hilfe der Waffen angetreten werden. Ich
wiederhole, was der Historiker Falcandus mit dem prophetischen
Blick eines Staatsmannes und den Gefühlen eines Patrioten
schrieb: »Konstantia, die Tochter Siziliens, von der Wiege an
die Freuden und den Überfluß dieser glücklichen Insel
genießend und in ihren Sitten erzogen, ist vor langer Zeit
hinweggezogen, um die Barbaren mit unseren Schätzen zu
bereichern und kehrt nun mit ihren wilden Bundesgenossen
zurück, um die Schönheiten ihrer ehrwürdigen Mutter zu
beflecken. Schon sehe ich die Schwärme grimmiger Barbaren; die
Bewohner unserer reichen Städte, der Plätze, die lange Frieden
bewahrt haben, sind von Schrecken ergriffen. Schreckliche
Gemetzel veröden die Ländereien, die beraubt und von den
unmäßigen Eroberern befleckt werden. Ich sehe unsere Bürger
gemordet oder gefangen, unsere Frauen und Jungfrauen
geschändet. Wie müssen die Sizilianer (fragt er einen Freund)
in dieser Not handeln? Durch die einstimmige Wahl eines
tapferen Königs könnte Sizilien noch gerettet werden, denn in
die leichtsinnigen Apulier, die stets nach Umwälzungen gierig
waren, kann ich weder Vertrauen noch Hoffnungen setzen. Sollte
Kalabrien verloren gehen, so könnten die hohen Türme, die
kriegerische Jugend und die Seemacht von Messina einem fremden
Eindringling die Überfahrt verwehren. Wenn die wilden
Deutschen sich mit den Seeräubern von Messina verbünden, wenn
sie die fruchtbare Gegend, die schon oft von den Flammen des
Ätna verwüstet worden ist, mit Feuer verheeren, welche
Hilfsquellen bleiben den inneren Teilen der Insel, jenen
Städten, die niemals von feindlichen Barbaren betreten werden
sollten? Catania ist wieder durch ein Erdbeben verschüttet
worden, das alte Syrakus geht in Armut und Einsamkeit
zugrunde; aber Palermo ist noch mit dem Diadem gekrönt, und
seine dreifachen Mauern umschließen tatkräftige Scharen von
Christen und Sarazenen. Wenn sich die beiden Völker unter
einem König zu ihrem Heil vereinigen, können sie sich auf die
Barbaren stürzen. Aber wenn die Sarazenen durch Erneuerung der
ihnen angetanen Unbilden sich jetzt zurückziehen und sich
empören, wenn sie die Schlösser in den Gebirgen und an der
Küste besetzen, so müssen die unglücklichen Christen, einem
doppelten Angriffe preisgegeben, sich in hoffnungslose und
unvermeidliche Knechtschaft schicken.« Wir dürfen nicht
übersehen, daß ein Priester hier sein Vaterland seiner
Religion vorzieht und daß die Muselmanen, deren Bündnis er
wünscht, im Königreiche Sizilien noch immer zahlreich und
mächtig waren.
Die Hoffnungen oder wenigstens die Wünsche Falcandus wurden
anfangs durch die freie und einstimmige Wahl Tankreds erfüllt,
des Enkels des ersten Königs, der zwar ein Bastard war, aber
besondere bürgerliche und kriegerische Tugenden besaß. Vier
Jahre hindurch, bis zu seinem Tode, stand er an der äußersten
Grenze Apuliens gegen die deutschen Streitkräfte in Waffen. Er
machte Konstantia selbst zur Gefangenen, ließ sie jedoch ohne
Lösegeld oder andere Gegenleistung frei, was wohl über das Maß
auch der edelsten Politik und über eine vernünftige
Handlungsweise hinausgeht. Nach seinem Tode fiel das Reich
ohne Kampf in Heinrichs Hände, der von Capua nach Palermo
marschierte. Das politische Gleichgewicht Italiens wurde durch
seinen Erfolg gestört, und wenn der Papst und die freien
Städte ihr Interesse richtig erkannt hätten, hätten sie die
Mächte des Himmels und der Erde aufbieten müssen, um die
gefährliche Vereinigung des deutschen Reiches mit Sizilien zu
verhindern. Aber der Vatikan, der sonst wegen seiner schlauen
Politik gepriesen wurde, war in diesem Falle blind und
untätig, und wenn es wahr sein sollte, daß Cölestin der Dritte
die kaiserliche Krone vom Haupte des knieenden Heinrich
gestoßen hat, konnte eine solche Tat nur zur Zerreißung von
Verpflichtungen führen und einen Feind herausfordern. Die
Genuesen, die eine Niederlassung in Sizilien hatten und mit
der Insel einen einträglichen Handel trieben, glaubten seinen
Versprechungen und der Versicherung nach der Besitznahme
unverzüglich abzuziehen. Ihre Flotte beherrschte die Meerenge
von Messina, sie öffneten den Hafen von Palermo, aber seine
erste Handlung war die Abschaffung der Vorrechte und
Einziehung des Eigentums dieser unklugen Bundesgenossen. Die
letzte Hoffnung des Falcandus scheiterte an der Zwietracht der
Christen und Muselmanen; sie fochten in der Hauptstadt
gegeneinander, mehrere tausend der letzteren wurden
erschlagen, aber ihre überlebenden Brüder verschanzten sich in
den Gebirgen und störten noch über dreißig Jahre den Frieden
der Insel. Friedrich der Zweite verpflanzte sechzigtausend
Sarazenen nach Nocera in Sizilien. Der Kaiser und sein Sohn
Manfred wurden in ihren Kriegen gegen die römische Kirche von
den Feinden Christi unterstützt. Diese arabische Kolonie
bewahrte ihre Sitten und Religion im Herzen Italiens, bis sie
gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts vom Hause Anjou
ausgerottet wurden. Alle Drangsale, die der prophetische
Redner angekündigt hatte, wurden noch durch diejenigen
übertroffen, die der grausame und habsüchtige deutsche
Eroberer dem Lande zufügte. Er verletzte die königlichen
Gräber; forschte nach den geheimen Schätzen des Palastes,
Palermos, des ganzen Königreiches: Perlen und Juwelen ließen
sich leicht beiseiteschaffen, aber hundertsechzig Pferde
wurden mit Gold und Silber aus Sizilien beladen und
fortgeführt. Der junge König, der Sohn Tankreds, seine Mutter
und Schwestern und die Großen beiderlei Geschlechts wurden
getrennt in den Alpenschlössern eingesperrt, und auf das
geringste Gerücht von einer Empörung beraubte man die
Gefangenen des Lebens, der Augen oder der Hoffnung auf
Nachkommenschaft. Konstantia selbst war über das Unglück ihres
Vaterlandes gerührt, und die Erbin des normannischen Hauses
bestrebte sich vielleicht, ihren despotischen Gemahl milder zu
stimmen und das Erbe ihres neugeborenen Sohnes, des im
nächsten Jahrhunderte unter dem Namen Friedrich der Zweite so
berühmten Kaisers, zu retten. Zehn Jahre nach dieser Umwälzung
vereinigten die französischen Monarchen das Herzogtum
Normandie mit ihrer Krone; das Zepter der früheren Herzöge war
durch eine Enkelin Wilhelm des Eroberers auf das Haus
Plantagenet übergegangen, und die verwegenen Normannen, die so
viele Siegeszeichen in Frankreich, England, Irland, Apulien,
Sizilien und im Orient errichtet hatten, vermischten sich als
Sieger oder Knechte mit den von ihnen besiegten Nationen.