Vierzehntes Kapitel - Hadschi macht neue Pläne
Am frühen Morgen ritt ich durch das Tor Schah Abdul Azim in
Teheran ein und bot sofort mein Pferd auf dem Markte um einen
annehmbaren Preis zum Verkaufe aus. Das Tier hatte sich, nach
meinem Ermessen, als gutes Pferd bewährt, doch der erste
Pferdehändler, dem ich es zeigte, fand es so überreich an
Fehlern, daß ich mich glücklich schätzen mußte, wenn ich
überhaupt irgend etwas dafür bekam. Die von den Persern so
sehr verachteten weißen Vorderbeine, Flecken auf der Nase,
sein Alter und gebrannte Zähne ließen es als ganz wertlos
erscheinen. Trotzdem aber bot mir der Mann, samt Zaumzeug und
Sattel, zehn Toman und schien fast erstaunt, mich sofort auf
den Handel eingehen zu sehen. Die Hälfte des Preises zahlte er
bar, bot mir für die andere Hälfte einen alten,
halbverhungerten Esel an, den ich ablehnte, und versprach
darauf bei der nächsten Begegnung den Rest des Geldes zu
erlegen. Zu längerem Handel war die Zeit zu kostbar. Im Basar
erstand ich eine neue schwarze Mütze, gab meine Derwischkappe
daran, und ausgestattet, als käme ich von einer langen Reise,
erkundigte ich mich nach dem Wege zum Hause des Poeten. Dies
lag in einem hübschen Stadtviertel, umgeben von dicht mit
Granat- und Pappelbäumen bepflanzten Gärten, in einer Straße,
durch die ein von schönen Sykomoren umsäumtes Bächlein floß.
Das Haus selbst schien freilich für die Abwesenheit seines
Besitzers zu sprechen. Das Tor war halb verschlossen, nichts
rührte sich beim Durchschreiten des Hofes, wo kein Merkmal
darauf schließen ließ, daß es bewohnt sei. Für die erhoffte
Belohnung schienen mir das üble Vorzeichen. Endlich entdeckte
ich auf dem Wege zu dem Gemache über dem Tore einen etwa
fünfzigjährigen Mann, auf einem Filzteppich sitzend und die
Wasserpfeife rauchend. Es war die von mir gesuchte
Persönlichkeit, der Nasir oder Hausverwalter.
»Frohe Kunde!« rief ich sogleich, »der Khan kommt zurück!«
»Yani tsche? – Was soll das heißen? – Welcher Khan? – Wo –
wann?«
Als ich ihm alles erklärt und den an ihn gerichteten Brief
übergeben hatte, bemühte er sich, Freude zu heucheln, die aber
seine wirklichen Gefühle der Sorge, Bestürzung und Furcht nur
schlecht bemäntelte.
»Aber seid Ihr auch ganz sicher, daß der Khan am Leben
ist?« fragte er.
»Ganz sicher,« war meine Antwort; »denn ehe der morgige Tag
zu Ende geht, wird ein weiterer Kurier Euch noch viel
bestimmtere Einzelheiten über seine Befreiung geben, Euch auch
Briefe an den Schah, den Wesir und andere überbringen.« Als er
sich wieder ein bißchen gefaßt hatte, trachtete ich zu
erfahren, weshalb dieser Anlaß, der doch eine freudige
Nachricht war, ihn so betrübte. Alles, was ich aus ihm
herausbringen konnte, war folgendes: »Er muß tot sein;
jedermann sagte, er sei tot; seine Frau träumte, sie hätte
ihren größten Stockzahn verloren – jenen, der ihr so
furchtbare Schmerzen verursachte – und deshalb schon ist er
sicher tot; außerdem hat es der Schah so bestimmt. Er kann
nicht mehr am Leben sein – und soll auch nicht mehr am Leben
sein.«
»Gut,« sagte ich, »wenn er tot ist, so soll ers sein; ich
kann nur sagen, er war vor weniger als sechs Tagen einer der
Rechtgläubigen in Asterabad, und wird sich, um alles zu
beweisen, im Laufe der nächsten Woche in Teheran persönlich
zeigen.« Nachdem sich der Nasir hingesetzt, den Kopf
geschüttelt und noch ein bißchen vor sich hingemurmelt hatte,
sagte er zu mir: »Ihr werdet über meine Betrübnis weniger
staunen, wenn ich Euch die Lage der Dinge schildere, wie sie
sich nach der Verbreitung der Todesnachricht entwickelt haben.
Erstens hat der Schah seine ganze Habe, sein Haus, die
Einrichtung und den Viehstand an sich gerissen. Die
georgischen Sklavinnen mußten einem der jüngeren Söhne des
Schahs Khur Ali Mirza ausgeliefert werden, sein Dorf gehört
nun dem Großwesir, und um allem die Krone aufzusetzen: seine
Frau hat sich mit dem Erzieher seines Sohnes wieder
verheiratet. Sagt nun selbst, hatte ich wohl Grund genug,
überrascht und bestürzt zu sein?«
Ja, das konnte ich nicht abstreiten.
»Aber«, fragte ich, »wie sieht es nun wohl mit meiner
Belohnung aus?« – »Was diese anbelangt,« antwortete der Nasir,
»erwartet sie nicht von mir, denn eine Freudenbotschaft habt
Ihr mir wahrlich nicht gebracht! Aber wenn mein Herr
heimkehrt, könnt Ihr ihn ja darum bitten, nur ich kann Euch
nichts geben.«
Daraufhin überließ ich den Nasir seinen Gedanken,
versprach, in den nächsten Tagen wiederzukommen, und verließ
das Haus.