Hadschi Baba

Die Abenteuer des Hadschi Baba aus Isfahan

James Morier

Inhaltsverzeichnis

Vierzehntes Kapitel - Hadschi macht neue Pläne

Am frühen Morgen ritt ich durch das Tor Schah Abdul Azim in Teheran ein und bot sofort mein Pferd auf dem Markte um einen annehmbaren Preis zum Verkaufe aus. Das Tier hatte sich, nach meinem Ermessen, als gutes Pferd bewährt, doch der erste Pferdehändler, dem ich es zeigte, fand es so überreich an Fehlern, daß ich mich glücklich schätzen mußte, wenn ich überhaupt irgend etwas dafür bekam. Die von den Persern so sehr verachteten weißen Vorderbeine, Flecken auf der Nase, sein Alter und gebrannte Zähne ließen es als ganz wertlos erscheinen. Trotzdem aber bot mir der Mann, samt Zaumzeug und Sattel, zehn Toman und schien fast erstaunt, mich sofort auf den Handel eingehen zu sehen. Die Hälfte des Preises zahlte er bar, bot mir für die andere Hälfte einen alten, halbverhungerten Esel an, den ich ablehnte, und versprach darauf bei der nächsten Begegnung den Rest des Geldes zu erlegen. Zu längerem Handel war die Zeit zu kostbar. Im Basar erstand ich eine neue schwarze Mütze, gab meine Derwischkappe daran, und ausgestattet, als käme ich von einer langen Reise, erkundigte ich mich nach dem Wege zum Hause des Poeten. Dies lag in einem hübschen Stadtviertel, umgeben von dicht mit Granat- und Pappelbäumen bepflanzten Gärten, in einer Straße, durch die ein von schönen Sykomoren umsäumtes Bächlein floß.

Das Haus selbst schien freilich für die Abwesenheit seines Besitzers zu sprechen. Das Tor war halb verschlossen, nichts rührte sich beim Durchschreiten des Hofes, wo kein Merkmal darauf schließen ließ, daß es bewohnt sei. Für die erhoffte Belohnung schienen mir das üble Vorzeichen. Endlich entdeckte ich auf dem Wege zu dem Gemache über dem Tore einen etwa fünfzigjährigen Mann, auf einem Filzteppich sitzend und die Wasserpfeife rauchend. Es war die von mir gesuchte Persönlichkeit, der Nasir oder Hausverwalter.

»Frohe Kunde!« rief ich sogleich, »der Khan kommt zurück!«

»Yani tsche? – Was soll das heißen? – Welcher Khan? – Wo – wann?«

Als ich ihm alles erklärt und den an ihn gerichteten Brief übergeben hatte, bemühte er sich, Freude zu heucheln, die aber seine wirklichen Gefühle der Sorge, Bestürzung und Furcht nur schlecht bemäntelte.

»Aber seid Ihr auch ganz sicher, daß der Khan am Leben ist?« fragte er.

»Ganz sicher,« war meine Antwort; »denn ehe der morgige Tag zu Ende geht, wird ein weiterer Kurier Euch noch viel bestimmtere Einzelheiten über seine Befreiung geben, Euch auch Briefe an den Schah, den Wesir und andere überbringen.« Als er sich wieder ein bißchen gefaßt hatte, trachtete ich zu erfahren, weshalb dieser Anlaß, der doch eine freudige Nachricht war, ihn so betrübte. Alles, was ich aus ihm herausbringen konnte, war folgendes: »Er muß tot sein; jedermann sagte, er sei tot; seine Frau träumte, sie hätte ihren größten Stockzahn verloren – jenen, der ihr so furchtbare Schmerzen verursachte – und deshalb schon ist er sicher tot; außerdem hat es der Schah so bestimmt. Er kann nicht mehr am Leben sein – und soll auch nicht mehr am Leben sein.«

»Gut,« sagte ich, »wenn er tot ist, so soll ers sein; ich kann nur sagen, er war vor weniger als sechs Tagen einer der Rechtgläubigen in Asterabad, und wird sich, um alles zu beweisen, im Laufe der nächsten Woche in Teheran persönlich zeigen.« Nachdem sich der Nasir hingesetzt, den Kopf geschüttelt und noch ein bißchen vor sich hingemurmelt hatte, sagte er zu mir: »Ihr werdet über meine Betrübnis weniger staunen, wenn ich Euch die Lage der Dinge schildere, wie sie sich nach der Verbreitung der Todesnachricht entwickelt haben. Erstens hat der Schah seine ganze Habe, sein Haus, die Einrichtung und den Viehstand an sich gerissen. Die georgischen Sklavinnen mußten einem der jüngeren Söhne des Schahs Khur Ali Mirza ausgeliefert werden, sein Dorf gehört nun dem Großwesir, und um allem die Krone aufzusetzen: seine Frau hat sich mit dem Erzieher seines Sohnes wieder verheiratet. Sagt nun selbst, hatte ich wohl Grund genug, überrascht und bestürzt zu sein?«

Ja, das konnte ich nicht abstreiten.

»Aber«, fragte ich, »wie sieht es nun wohl mit meiner Belohnung aus?« – »Was diese anbelangt,« antwortete der Nasir, »erwartet sie nicht von mir, denn eine Freudenbotschaft habt Ihr mir wahrlich nicht gebracht! Aber wenn mein Herr heimkehrt, könnt Ihr ihn ja darum bitten, nur ich kann Euch nichts geben.«

Daraufhin überließ ich den Nasir seinen Gedanken, versprach, in den nächsten Tagen wiederzukommen, und verließ das Haus.

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