Fünfundzwanzigstes Kapitel - Eine unliebsame Überraschung
Seneb und ich plauderten, tranken Wein und schwelgten in
Liebeswonnen. Plötzlich vernahmen wir ein lautes Pochen am
Haustor. Zu Tode erschrocken fuhren wir auf. Meine
Herzallerliebste bat mich, schnell über die Terrasse zu
verschwinden, während sie unterdessen nachschaute, wer draußen
sei. Seneb erkannte alsbald, daß es der Doktor selbst war, der
energisch Einlaß begehrte. Sofort riegelte sie das Tor auf,
ließ ihn ein und hoffte, dem verliebten Alten mit List und
Schläue alles auszureden, was er Ungewöhnliches bemerken
könnte. Von der Terrasse aus konnte ich, was vorging,
beobachten. Der Doktor schien entzückt, Seneb allein zu
finden, und machte seiner Zärtlichkeit in so eindringlichen
Worten Luft, daß kein Zweifel darüber bestehen konnte, für wen
sein Herz entbrannt war. Als er einen Blick ins Zimmer seiner
Gattin geworfen hatte, entdeckte er nicht nur die
Frühstücksreste, sondern es sprachen auch alle Anzeichen
dafür, daß sich hier Unberufene köstlich unterhalten hatten.
Gerade stellte er deshalb ein paar diesbezügliche Fragen an
Seneb, als die Khanum, gefolgt von ihren Sklavinnen,
hereintrat und so leise wie ein Dieb ins Haus geschlichen war.
Ihren Blick und ihre drohende Haltung, als sie des verliebten
Doktors ansichtig wurde, werde ich niemals vergessen.
»Salām aleikum,« zischte sie höhnisch-respektvoll, »Friede
sei mit euch! Ich bin eure untertänige Dienerin. Ich hoffe
sehr, daß sich die beiden Exzellenzen des besten Wohlseins
erfreuen und ihre Zeit recht angenehm verbracht haben. Ich
fürchte nur, ich bin etwas zu früh gekommen!«
Nun aber wurde sie mit einem Male purpurrot vor Wut, höhnte
nicht weiter, sondern überfiel die Missetäter, biß und kratzte
in sinnloser Wut wie ein wildes Tier.
»Natürlich auch ein Frühstück! – noch dazu in meinem Zimmer
– Maschallah! Maschallah! Also es scheint eine ausgemachte
Sache zu sein, daß man mich in meinem Hause schlechter
behandeln darf als einen Hund! – folglich dürfen in meinem
Hause, in meinem Zimmer, auf meinem Teppich und noch dazu auf
meinem höchsteigenen Kissen meine Sklavinnen nach Herzenslust
ihren Gelüsten frönen! – La Allah ill Allah! Es gibt keinen
Gott außer Gott! Vor Staunen bin ich noch ganz außer mir!«
fauchte sie, und ihrem Ehemann zugewendet: »Und du, Mirza
Ahmak, ja, schaue mich nur an, darf man dich überhaupt unter
die Männer rechnen? Du mit deinem Affengesicht, deinem
Geißbart und dem häßlichen Buckel willst ein Doktor sein? Der
Lukman seiner Zeit, ein Gelehrter? Willst den girrenden
Liebhaber und zärtlichen Schäfer spielen? Fluch über deinen
weißen Bart!« Dabei fuhr sie ihm mit allen fünf Fingern in die
Barthaare und schrie: »Puh! Dir spuck ich ins Gesicht! Für wen
hältst du mich denn, daß du es wagst, mich mit einer
niedrigen, unreinen Sklavin zu betrügen? Was habe ich denn
getan, daß du mich so niederträchtig behandelst? Als du nichts
warst und nichts dein eigen nanntest als deine Rezepte und
Medizinflaschen, da bin ich gekommen und habe etwas aus dir
gemacht; mir verdankst du überhaupt alles. Jetzt dienst du
einem Könige, die Leute machen Bücklinge vor dir, du trägst
einen Kaschmirschal, du bist eine einflußreiche Persönlichkeit
geworden, sage mir darum, du Jammerbild von einem Manne, was
soll das alles heißen?«
Während dieses heftigen Angriffes schwor der Doktor
zahllose Eide und beteuerte seine völlige Unschuld in allen
Tonarten. Aber nichts vermochte ihre Wut zu besänftigen, noch
ihre Zunge zu bändigen. Ihre gesteigerte Leidenschaft tobte
sie in Flüchen, Schmähungen und Verwünschungen aus, die sich
wie eine verheerende Sturzwelle über den Doktor und Seneb
ergossen. Bald stürzte sie sich auf ihren Mann, bald auf die
Sklavin, bis ihr der Schaum vor den Mund trat. Aber dann
genügten ihr Worte nicht mehr. Sie riß Seneb bei den langen
Zöpfen, bis diese vor Schmerz brüllte, und warf darauf die
Ärmste mit Beihilfe der andern Sklavinnen in das Wasserbecken.
Dort schlugen und tauchten sie sie so lange unter, bis beiden
Parteien die Kräfte versagten. Oh, wie ich vor Entrüstung
zitterte! Wie sehnlichst ich wünschte, sie zu retten! Es tobte
in mir wie Feuer, und ich dürstete nach dem Blute dieser
gefühllosen Bestien. Aber was konnte ich tun? Mein Los wäre
der Tod gewesen, hätte ich gewagt, in den Harem einzudringen.
Wahrscheinlich hätten sie mich dort auf dem Flecke erschlagen,
die Eifersucht der Khanum wäre nicht vermindert, aber Seneb
fürderhin noch grausamer behandelt worden.
Als der Sturm ausgetobt hatte, verließ ich mein Versteck
auf der Terrasse, machte einen Spaziergang vor die Stadt, um
in Ruhe zu überlegen, wie ich mich fernerhin zu verhalten
hätte.
An ein künftiges Verbleiben im Hause des Doktors war nicht
mehr zu denken, auf Senebs beglückende Gesellschaft zu hoffen,
war Wahnsinn. Als ich über das fernere Schicksal des armen
Mädchens nachdachte, blutete mir das Herz, denn ich hatte so
schreckliche Dinge vernommen über die Verbrechen, die in den
Harems verübt wurden, daß gar nicht abzusehen war, wie weit
ein teuflisches Weib wie die Khanum ihre Grausamkeit gegen ein
Wesen treiben konnte, das sich ganz in ihrer Gewalt befand.