Dreiundvierzigstes Kapitel - Hadschi kehrt nach Ispahan
ins Elternhaus zurück
Zweimal brauchte man mir das Fortgehen wahrlich nicht zu
befehlen. Ich verließ Kum samt seinen Priestern, ohne mich ein
einziges Mal umzuschauen, und lenkte meine Schritte gegen
Ispahan und mein Elternhaus. Ein wenig Kleingeld, um meine
Zehrung auf der Wanderung zu bestreiten, hatte ich in der
Tasche; überdies war die Gegend mit Karawansereien, wo ich
stets einen Winkel finden konnte, um mein Haupt zu betten,
reichlich versehen. Trotz meiner Jugend stieg mir ein Ekel vor
dem Weltgetriebe auf. Wäre ich vielleicht lange genug in Kum
verblieben und in einer Gemütsverfassung wie bei meiner
Ankunft, hätte ich wahrscheinlich den Rest meiner Tage damit
verbracht, den Vorträgen Mirza Abul Kasims meine Zeit zu
widmen, und mir vermöge meiner Schweigsamkeit und
Enthaltsamkeit, sowie der strengsten Befolgung der
mohammedanischen Vorschriften noch obendrein großes Ansehen in
der Welt verschafft. Aber die Parzen hatten andre
Schicksalsfäden für mich gesponnen. Ich fühlte, daß ein großer
Teil meines Mißgeschicks wohlverdient war, weil ich mich so
gar nicht um meine Eltern gekümmert hatte.
»Ich bin ein schlechter Sohn gewesen,« sagte ich mir; »als
ich Stellung und Macht hatte und mich vor Hochmut ob meiner
Wichtigkeit aufblähte, vergaß ich des armen Barbiers in
Ispahan; jetzt, wo mein Pfad mit Widerwärtigkeiten besät ist,
erinnere ich mich der Urheber meiner Tage.« Auch ein
arabischer Ausspruch, den mein alter Schulmeister mit großem
Nachdrucke zu zitieren pflegte, fiel mir ein: »Einen alten
Freund kannst du dir nicht kaufen, selbst wenn du alle Schätze
eines Hatem besäßest. Bedenke darum, o Jüngling, daß deine
ersten und somit deine ältesten Freunde dein Vater und deine
Mutter sind.«
»Sie sollen noch innewerden, daß sie einen Sohn haben,«
sagte ich mir und fühlte eine plötzliche Zärtlichkeit in mir
aufwallen; »so Gott will, sollen sie mir, habe ich erst mein
Vaterhaus erreicht, keinen Mangel an schuldiger Ehrfurcht mehr
vorwerfen können.« Trotzdem flüsterte mir eine zarte, innere
Stimme zu, ich könnte zu spät kommen, und entsann mich der
Vorahnungen, die einst mein Gemüt bedrückten, als ich, von
Kummer über Senebs Verlust erfüllt, Teheran voll der besten
und tugendhaftesten Vorsätze verlassen hatte.
Als endlich der Gipfel des Berges Kola Gahsi, der die Lage
Ispahans bezeichnet, vor mir auftauchte, hüpfte mir das Herz,
und ich fragte mich ängstlich bei jedem Schritte, in welcher
Verfassung ich wohl meine Familie vorfinden würde, ob mein
alter Schulmeister noch lebte, ob der alte Bakkal (Krämer), in
dessen Laden ich alle Kupfermünzen, die ich meinem Vater
stibitzte, wenn ich beim Rasieren half, für Süßigkeiten
auszugeben pflegte, wohl noch existierte, und ob das Lebenstor
meines alten Freundes, des Kaputschis (Torwarts) der
Karawanserei, wohl noch offen wäre oder für immer
verschlossen?
In dieser Weise sinnierte ich vor mich hin, bis die Spitzen
der Minarette vor mir auftauchten und ich, von diesem Anblicke
überwältigt, voll Dankbarkeit meine Gebete verrichtete,
hierauf einen Stein aufhob, ihn als Denkzeichen auf einen
andern legte und folgendes gelobte: »O Ali, so deinem
demütigen und elenden Sklaven die Freude gewährt wird, ohne
Fährlichkeiten sein Heim und seine Familie zu erreichen, so
will ich bei meiner Ankunft ein Schaf schlachten und für meine
Freunde und für meine Familie einen Pilau zurichten.«
Als ich klopfenden Herzens die letzten Häuserreihen der
Stadt durchschritt, erkannte ich jeden Fleck, fand meinen Weg
durch die langen, gewölbten Basare und die engen Gassen, bis
ich mich schließlich, ohne mich nur ein einziges Mal in der
Richtung geirrt zu haben, vor meines Vaters Laden und der
Karawanserei gegenüber befand.
Ich schaute mich nach dem Freunde meiner Jugend, dem
Kaputschi, um und entdeckte alsbald sein altes, mir
wohlbekanntes Gesicht. Der Kopf stak noch tiefer in den
Schultern, fiel auch noch weiter als einstens nach vorne, und
die Last der Jahre ließ ihn mehr denn je in die Knie sinken.
Als ich ihm den herkömmlichen Friedensgruß bot, fuhr er
fort, seine Pfeife zuzurichten; und er war so gewohnt, von
Fremden angesprochen zu werden, daß er erst aufschaute, als
ich sagte: »Ali Mohammed, erkennst du mich nicht?« worauf er
antwortete: »Freund, eine Karawanserei ist ein Bild der Welt;
die Leute kommen herein und gehen hinaus, ohne daß man sich
Rechenschaft über sie gibt. Wie sollte ich dich darum
wiedererkennen? Ali Mohammed wurde alt, und sein Gedächtnis
schwand.«
»Aber du wirst dich doch noch an Hadschi Baba erinnern, den
kleinen Hadschi, der dir den Kopf rasierte und den Bart
stutzte?«
»Es gibt nur einen Gott,« rief der hocherfreute Torwart
aus; »bist du denn in der Tat Hadschi? – Ach dein Platz blieb
lange leer, nun kamst du endlich zurück. O Ali, sei gepriesen,
daß der einzige Sohn des Hassan Kerbelaï ihm vor dem Tode die
Augen schließen kann!«
»Wie?« fragte ich. »Sage mir, wo ist mein Vater? Warum ist
sein Laden geschlossen? Warum sprachst du vom Tode?«
»Ja, Hadschi, der alte Barbier wird nimmermehr rasieren.
Wenn du, ohne eine Minute zu verlieren, nach Hause eilst, hast
du vielleicht noch das Glück, ehe er von der Welt Abschied
nimmt, seinen Segen zu empfangen.«
Da eilte ich zum Vaterhause. Als ich mich dem wohlbekannten
Erdenflecke näherte, sah ich in nächster Nähe des niedrigen
und schmalen Einganges zwei Mollas herumschlendern.
»Ha,« dachte ich, »wo immer der Tod am Werke ist, finden
sich sicher diese Unglücksvögel auch ein.«
Ohne sie anzureden, begab ich mich in das größte, mit
Menschen überfüllte Zimmer. Sie umstanden das auf dem Fußboden
aufgeschlagene Bett, auf dem ein alter Mann ausgestreckt lag,
in dem ich meinen Vater erkannte.
Da nach landesüblicher Sitte jeder Fremde, selbst wenn er
in gar keinen Beziehungen zum Sterbenden steht, ungebeten
eintreten darf, beachtete mich keiner. Auf der einen Seite des
Lagers saß der Doktor, auf der andern kniete ein alter Mann,
in dem ich meinen Schulmeister erkannte. Dieser sprach dem
Sterbenden in folgenden Worten Trost zu: »Verliere den Mut
nicht; so Gott will, sind dir noch viele Tage auf Erden
beschieden. Vielleicht erlebst du noch, daß dein Sohn
wiederkehrt. Möglicherweise kommt Hadschi sehr bald. Aber es
wäre doch angezeigt und glückbringend, einen letzten Willen zu
äußern und einen Erben einzusetzen. Wenn du damit
einverstanden bist, kannst du ja einen der Anwesenden zu
deinem Erben ernennen.«
»Ach,« seufzte mein Vater, »Hadschi hat uns verlassen, und
ich werde ihn nicht wiedersehen. Er ist ein viel zu vornehmer
Mann geworden, um sich seiner Eltern zu erinnern. Er ist nicht
würdig, daß ich ihn zu meinem Erben einsetze.«
Diese Worte hatten eine augenblickliche Wirkung. Ich konnte
meinen Wunsch, mich erkennen zu geben, nicht länger bemeistern
und rief: »Hadschi ist da! Hadschi kam, um deinen Segen zu
empfangen! Ich bin dein Sohn, verleugne mich nicht!«
Inzwischen kniete ich nieder, küßte die Hand des
Sterbenden, schluchzte und lamentierte jedoch recht laut, um
meine kindliche Liebe zu beweisen, was auf alle Anwesenden den
tiefsten Eindruck machte.
Einige sahen enttäuscht aus, andre zweifelnd, aber im
höchsten Maße erstaunt waren alle.
Die beinahe gebrochenen Augen meines Vaters leuchteten, als
er meine Züge zu erkennen versuchte, für einen kurzen Moment
wieder auf. Indem er seine zitternden Hände faltete, rief er:
»Al Namdu lillah! Gott sei gepriesen, ich habe meinen Sohn
gesehen, ich habe nun einen Erben.« Dann, mir zugewendet,
sprach er: »War es wohl recht von dir, mich so viele Jahre
allein zu lassen? Warum bist du nicht früher zurückgekehrt?«
Er hätte wohl noch mehr gesagt, wäre die Anstrengung und
Aufregung für seine schwachen Kräfte nicht zuviel gewesen;
denn abermals sank er bewußtlos in die Kissen zurück.
»Sei stille,« sagte mein alter Schulmeister, der mich
sofort erkannt hatte, »sei stille, Hadschi, laß ihn erst
wieder zu sich kommen, denn er muß noch seinen letzten Willen
kundtun.«
»Ja,« sagte ein jugendlich aussehender Mann, der mich mit
feindseligen Blicken maß, »ja, wir müssen doch erst prüfen, ob
das Hadschi Baba auch wirklich ist?«
Später erfuhr ich, daß dies der Sohn eines Bruders der
ersten Frau meines Vaters war, der erwartet hatte, den größten
Teil des Vermögens zu erben. Als ich mich nach den sonstigen
Mitgliedern der Versammlung, die sich hier zusammengeschart
hatten, erkundigte, brachte ich heraus, daß es lauter
Verwandte seien, von denen jeder seinen Teil an der Beute,
deren ich sie nun beraubte, zu bekommen hoffte.
Alle schienen zu zweifeln, ob ich wirklich Hadschi sei, und
hätten mich wohl einstimmig als Betrüger erklärt, wäre der
Schulmeister, dessen Zeugnis ganz unanfechtbar war, nicht
dagewesen.
Als aber meine Mutter erschien, die sich, sobald sie von
meiner Ankunft erfahren, nicht länger in den Schranken des
Enderuns halten ließ; als sie mit ausgestreckten Armen und
fliegendem Schleier in die Versammlung hereinstürmte und
ausrief: »Wo ist er? Wo ist mein Sohn? Hadschi, meine Seele,
wo bist du?« – da waren im Nu alle Zweifel an meiner Echtheit
verschwunden.
Sobald ich mich zu erkennen gegeben hatte, warf sie sich
laut weinend an meinen Hals, überhäufte mich mit allen
erdenklichen Liebkosungen und schaute mich von Kopf zu Füßen
mit solch unbegrenzter Liebe an, wie sie nur die Augen einer
Mutter auszudrücken vermögen.
Um meinen Vater aus seiner Lethargie aufzuwecken,
verordnete der Arzt ein Stärkungsmittel, das er ihm
einzuflößen versuchte. Durch das Lüpfen des Körpers mußte der
sterbende Mann einmal niesen. Da jeder der Anwesenden wußte,
dies sei eine besonders schlimme Vorbedeutung, so wagte kein
vernünftiger Mensch, ihm vor Ablauf von zwei Stunden die
Arzenei einzugeben, die in ihrem Glase verblieb. Als nach
Ablauf der zwei Stunden abermals der Versuch gemacht wurde,
ihm das Mittel beizubringen, fand man zum Entsetzen und zur
bitteren Enttäuschung jener, die gehofft hatten, er würde noch
ein Testament machen, daß er mausetot war.
»Im Namen Alis,« sagte der alte Molla zu ihm, »steh auf,
wir wollen nun deinen letzten Willen niederschreiben«,
versuchte jedoch erfolglos, den Kopf meines Vaters, aus dem
jedes Leben entflohen war, in die Höhe zu heben.
Nun wurde Baumwolle in Wasser getaucht und in seinen Mund
ausgedrückt, seine Füße gewissenhaft der Richtung der Kibleh
zugewendet; und sobald festgestellt war, daß nichts mehr zu
hoffen sei, begannen die Priester, die sich ans Kopfende des
Lagers stellten, den Koran mit lauter, singender Betonung
vorzulesen. Das Kinn wurde mittelst eines Taschentuches
emporgehoben, die zwei großen Zehen zusammengebunden. Während
alle Anwesenden das Glaubensbekenntnis (Kelemeji Schehadet)
sprachen, wurde unterdessen eine Schale voll Wasser auf den
Kopf des Toten gestellt.
Nach gewissenhafter Vollziehung all dieser Zeremonien
stellte sich die ganze Versammlung, die aus Verwandten und
sogenannten Freunden bestand, im Kreise um den Toten auf und
stieß laute Klagerufe aus. Dies war für die zwei Mollas, die
ich vorhin erwähnte, ein Zeichen, aufs Hausdach zu steigen und
dort, um den Tod eines Rechtgläubigen öffentlich zu verkünden,
in wohltönenden Rhythmen Verse aus dem Koran zu singen.
Daraufhin erhob alles ein lautes Jammern und Wehklagen, dem
sich auch die in einem abgesonderten Zimmer versammelten
Frauen anschlossen, indem sie nach altbewährter und beliebter
Sitte ihrem Kummer kräftig Luft machten.
Mein Vater hatte sich vermöge seines leutseligen und
gefälligen Wesens in allen Schichten der Bevölkerung der
größten Beliebtheit erfreut; und meine Mutter, die nicht nur
Klageweib von Beruf war, sondern auch als eine der
Hauptstützen in dieser Richtung bei jedem Begräbnisse
fungierte, hatte sich bei diesem Anlasse, durch Herbeiziehung
all ihrer Bekannten in diesem Gewerbe, mit einer solchen Schar
von Klageweibern zu umgeben gewußt, daß gesagt wurde, so was
sei noch nie dagewesen, und selbst kein Khan sei jemals an
seinem Sterbetage durch eine so großartige Trauerkundgebung
geehrt worden, wie mein Vater.
Ich saß ruhig in einem Winkel, meine aufrichtigen Tränen
mischten sich mit den gekünstelten der ganzen Versammlung, als
ein Priester auf mich zukam, der mir sagte, so ich als guter
Sohn gelten wolle, müßte ich meine Kleider zerreißen; er könne
aber, wenn ich damit einverstanden wäre, dies für mich
vornehmen, ohne dadurch meinen Rock unbrauchbar zu machen. Ich
ließ geschehen, was er verlangte; ein Saum am Brustlatz wurde
losgetrennt und hing dann ein gutes Stück herunter. Ferner
bemerkte er, es sei ebenfalls der Brauch, so lange mit
unbedecktem Kopfe und bloßen Füßen zu verharren, bis alle
Zeremonien des Begräbnisses erledigt seien.
Auch diesem fügte ich mich bereitwillig und hatte später
die Genugtuung, zu hören, ich gälte allgemein als vorbildlich
tüchtiger Leidtragender.
Der Kummer meiner Mutter war zügellos; sie verbarg ihr Haar
durch einen schwarzen Schal, den sie um den Kopf wand, und
rief, um ihrer Herzenspein genugzutun, den Namen ihres Gatten
in den schrillsten Tönen.
Dann rief man die ›Murde-schur‹ oder unreinen
Leichenwäscher, die auch die Bahre mitbrachten, auf welcher
der Verstorbene zu Grabe getragen wurde. Die verschiedenen
Verwandten trugen den Verstorbenen aus dem Hause, legten ihn
auf die Bahre, worauf er in die Leichenwäscherei getragen und
den Leichenwäschern übergeben ward. Dort wurde der Tote zuerst
mit kaltem Wasser gewaschen, darauf mit Kalk, Salz und Kampfer
eingerieben, in ein Leichentuch gehüllt, auf die Bahre
zurückgelegt und endlich zum Begräbnisplatze gebracht.
Die große Anzahl derer, die sich anboten, den Leichnam zu
tragen, war ein Beweis für die besondere Beliebtheit meines
Vaters. Selbst Unbeteiligte empfanden, es sei eine löbliche
Handlung, einen wahren Muselmann zu Grabe zu tragen, und
drängten sich, ihm ihre Schultern zu leihen, so daß er seine
letzte Ruhestätte unter stets wachsender Beteiligung
erreichte.
Ich, von den Verwandten und sogenannten Freunden geleitet,
folgte in einiger Entfernung. Nachdem ein Molla im Verein mit
sämtlichen Anwesenden ein Gebet gesprochen hatte, forderte man
mich als den nächsten Angehörigen auf, den Leichnam in die
Erde zu betten, löste danach die Binden des Leichentuches,
sprach dann ein weiteres Gebet, den ›Tälkhin‹, und schaufelte
das Grab zu. Hierauf wiederholten alle Anwesenden die ›Fatihah‹.
[Fußnote] Nachdem das Grab mit Wasser besprengt worden war,
zerstreute sich die ganze Versammlung, um im Hause des
Verstorbenen abermals zusammenzukommen. Zu Häupten des Grabes
verblieb ein Priester, der betete.
Da mir nun die Hauptrolle in diesem Trauerspiele zufiel,
tauchte unwillkürlich ein Gedanke in mir auf.
»Ach,« sagte ich, »das Gelöbnis, das ich beim ersten
Anblicke der Stadt ablegte, muß ich nun wohl oder übel
erfüllen. Soll ich nicht für einen unnatürlichen Sohn gehalten
werden, muß ich tief in meine Tasche greifen.« Ich ordnete
demzufolge bei meiner Heimkehr an, alles blindlings aufs
reichlichste zu beschaffen.
Von den zwei Zimmern, die hergerichtet wurden, war eines
für die Männer, das andre für die Frauen bestimmt. Einem
herkömmlichen Brauche zufolge mußte ich als erster
Leidtragender für alle jene, die dem Begräbnisse beigewohnt
hatten, ein Festmahl veranstalten, bei dem mein Schaf und mein
Pilau nicht vergessen wurden. Ich mietete drei Mollas, von
denen zwei den Koran im Gemache der Männer lesen sollten,
während der dritte in einem, in der Nähe des Grabes zu diesem
Zwecke eigens errichteten, kleinen Zelte verweilte. Da die
Trauerfeierlichkeiten je nach den Vermögensumständen der
Familie drei, fünf, sieben Tage, ja oft einen vollen Monat
lang währen, so bestimmte ich, daß in einer Zeitdauer von fünf
Tagen jeder der Anverwandten eine Festmahlzeit zu halten
hätte.
Nach Ablauf der fünf Tage begab sich meine Mutter in
Gemeinschaft einiger Verwandten auf das Grab meines Vaters,
wohin sie Süßigkeiten und eigens zu diesem Zwecke gebackenes
Brot mitnahmen, das sie unter die Armen verteilten, nachdem
sie sich vorher selbst gütlich daran getan hatten, um
daraufhin weinend und wehklagend nach Hause zurückzukehren.
Nach weiteren zwei oder drei Tagen wurde meine Mutter von
ihren Freundinnen ins Bad geführt. Sie nahmen ihr dort die
Trauerkleider ab, hüllten sie dann in ein reines Gewand und
färbten ihre Hände und Füße mit Henna.
Damit waren alle Trauerzeremonien beendet. Zu meiner
größten Freude war ich mir wieder selbst überlassen, konnte
alle Geschäfte meines Vaters ordnen und an weitere
Zukunftspläne für mich denken.