Im Namen Allahs, des Erbarmers, des BarmherzigenDie 42. Konsultation – Die Verwendung des Plural für Singular
4.
Muharram 1330 (25.12.1911)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Meine Antwort lautet: Die
Araber sprechen statt des
Singulars bisweilen die Ausdrucksweise im Plural aus, mit der
Absicht, diese Bemerkung hervorzuheben. Ein Beweis hierfür
sind die Worte
ALLAHs, des Erhabenen, in der
(dritten)
Sure "Aali Imran"
(die Familie Imrans):
„Diejenigen, zu denen die Menschen sagten: ‚Die Menschen
haben sich ja schon wegen euch versammelt, also fürchtet sie!’
– so vermehrte es ihnen den Glauben, und sie sagten: Uns
genügt Allah, und wie gnadenreich ist der Sachwalter!“ (Heiliger
Qur'an 3:173)
Nach übereinstimmender Meinung der
Kommentatoren,
Überlieferer und Geschichtsschreiber ist es allein
Naim ibn
Masud gewesen, der diese Worte geäußert hat.
ALLAH, gepriesen sei Er, gebrauchte nun für ihn, obwohl er als
Individuum den Singular erforderlich machte, den Ausdruck
"die Menschen" [al-nas]. Die Verwendung des Plurals gilt als
Ausdruck des besonderen Respekts gegenüber der Größe jener,
die nicht auf die Worte des
Naim ibn
Masud gehört oder
seinem Gerede Beachtung geschenkt haben. Denn es war
schließlich
Abu
Sufyan gewesen, der diesem Manne als Belohnung
zehn
Kamele gegeben hatte, auf dass er die
Muslime zurückhält
und unter ihnen Furcht vor den
Ungläubigen verbreitet, was ihm
zunächst auch gelang.
Jenes wird in der
Sure Aali Imran (3.
Sure) bezeugt, in welcher der
Höchste spricht:
„Diejenigen, zu denen die Menschen sagten: Die Menschen
haben sich ja schon versammelt, also fürchtet sie!“
Durch dieses Gerede wurden die meisten
Muslime von einem starken Widerwillen gegen den Auszug zum Kampfe ergriffen.
Der
Prophet (s.) aber zog dennoch mit siebzig Reitern hinaus.
Sie sind unversehrt zurückgekehrt und zum Lob der Siebzig, die
ungeachtet des Panik verbreitenden Geredes eines
Unruhestifters in den Kampf gezogen sind, wurde dann dieser
Qur´an-Vers herabgesandt. Als aufwertendes Stilmittel hat hier
nun anstelle des Singulars das Wort "die Leute" Verwendung
gefunden, denn der Lobpreis für die siebzig Reiter, die mit
dem
Propheten gezogen sind, fällt so noch höher aus, als wenn
gesagt worden wäre, dass lediglich ein Mann zu ihnen gesagt
habe: „Die Leute haben eine Streitmacht gegen euch aufgeboten.“
Dies sollte bekannt sein.
Zu diesen
Versen gibt es Vergleichbares im
Qur'an, in der
Sunna und in der
arabischen Sprache.
ALLAH, der Erhabene,
sagte:
„Oh ihr, die ihr glaubt, erinnert euch an die
Gnade
ALLAHs
gegen euch, als Leute im Sinn hatten, dass sie ihre Hände nach
euch ausstrecken (wollten), da hat Er ihre Hände von euch
abgehalten, und fürchtet
ALLAH, und auf
ALLAH sollen die
Gläubigen vertrauen.“
(Heiliger
Qur'an 5:11)
Jedoch war dies nur
Amru ibn Dschahas von den
Banu Nadhir
gewesen. Dieser zückte seinen Säbel, schwang ihn durch die
Luft und war im Begriff, mit ihm dem
Gesandten Allahs
einen Hieb zu versetzen.
ALLAH, der Allmächtige und Erhabene, hat
ihn jedoch hiervon abgehalten. Erwähnt wurde dieser Fall von
den
Überlieferern, Geschichtsschreibern und
Qur'an-Kommentatoren. Es wurde zudem im Zusammenhang mit
dem
Feldzug von Dhat al-Ruqa auch bei
Ibn Hischam im dritten
Kapitel seiner
Prophetenbiographie vermerkt.
ALLAH, gepriesen
sei Er, verwandte für jenen Mann, der als Individuum
eigentlich im Singular stehen müsste, die Bezeichnung „Leute,
Volk“ [qaum]. Der Gebrauch des Plurals gilt hier als Ausdruck
einer besonderen Hochachtung vor der
Gnade
ALLAHs, des Allmächtigen und Erhabenen, für die
Gläubigen, durch die ihr
Prophet vor dem Unglück hat bewahrt werden können.
Auch in dem Vers über das
gegenseitige Verwünschen [mubahala]
wurden Pluralformen, nämlich "Söhne", "Frauen" und "uns" bzw.
"euch selber" sowohl auf
Hasan und
Husain, als auch
Fatima
und
Ali angewendet. Dies ist eine allgemein bekannte Tatsache.
Der Gebrauch des Plurals drückt hier den Respekt gegenüber dem
Rang
dieser Personen (a.) aus.
Beispiele wie diese gibt es unzählige, und sie können an
dieser Stelle unmöglich alle eingehender behandelt werden.
All dies sollte aber bewiesen haben, dass es durchaus erlaubt
ist, anstelle des Singulars die Pluralform zu benutzen, und
zwar dann, wenn sie als erklärendes Stilmittel vonnöten ist.
In dem Buch "Madschma al-Bayyan" hat Imam
al-Tabrisi als
Kommentar zu dem
Qur´an-Vers Folgendes erwähnt:
„Das Stilmittel, für den
Befehlshaber der Gläubigen die Pluralform anzuwenden, wird eingesetzt, um Respekt und Hochachtung vor
Ihm auszudrücken. Denn auch die Sprachforscher bestätigen
z.B. ihre Wertschätzung, indem sie für ein Individuum die
Pluralform gebrauchen. Ihre Äußerungen hierzu sind hinlänglich
bekannt, so dass dafür keine weitere Beweisführung vonnöten
ist.“
Ein weiteres Stilmittel hat
al-Zamachschari in seinem "al-Kaschaf"
(der Aufklärer) erwähnt. Er sagt dort: „Wenn Du fragst, wie es
denn möglich gewesen ist, dass die Form - obwohl sie im Plural
steht - auf
Ali (r.) angewendet wurde, so kann ich nur sagen,
dass man die Pluralform, selbst wenn sie auf einen einzigen
Mann bezogen war, deshalb benutzte, weil die Menschen den
Wunsch hatten, ihn mit seinen Taten zum Vorbild zu nehmen, um
dafür das geschenkt zu erhalten, was auch ihm geschenkt worden
war und auch, weil sie auf die Vorzüge der
Gläubigen hinweisen
wollten, um zu betonen, dass es das Ziel sei, nach
Rechtschaffenheit und Wohltätigkeit zu streben und die Armen
zu besuchen. Selbst wenn man gerade mit etwas Bestimmten
beschäftigt ist, sollte man dies nicht auf später verschieben.
Als die
Gläubigen nämlich das
Gebet verrichteten, hatten sie
es doch auch nicht hinten angestellt.“
Ich habe hierzu eine noch sinnvollere und präzisere
Bemerkung zu machen: Statt den Ausdruck in den Singular zu
bringen, hat
ALLAH, der Erhabene, ihn aus Mitgefühl für viele
Menschen, im Plural gegeben, denn die Gegner
Alis und die
Feinde der
Banu Haschim, alle
Heuchler, Neider und Rivalen
hätten es nicht ertragen können, dies im Singular (alleine
bezogen auf
Ali) zu hören. So hätte die Gier nach Verfälschung
und der Wunsch nach Irreführung für jene damals nicht
befriedigt werden können. Erst nach und nach legten die Texte
dann Zeugnis von verschiedenen Ausdrucksweisen und
zahlreichen Stellen ab. Die Thematik der
Vormundschaft [wilaya] wurde ihnen nach und nach kundgetan, bis
ALLAH die
Religion vervollständigt und die
Gnade vollendet hatte. Wie die
Weisen, pflegte der
Gesandte Allahs (s.), um ihnen Heil
spenden, den
Menschen Botschaften mitzuteilen, durch die sie
sich erst einmal bestätigt fühlten. Hätte der
Qur´an-Vers im
Singular gestanden, so hätten sie sich die Ohren zugehalten
und ihr Haupt verhüllt, um nur nichts zu sehen und zu hören.
Auch hätten sie darauf bestanden und wären von Hochmut erfüllt
gewesen. Hinsichtlich all der
Verse, die sich im
Qur'an
bezüglich der Überlegenheit des
Befehlshabers der Gläubigen
und den
reinen Angehörigen seines reinen Hauses [ahl-ul-baitihi
al-tahirin] finden, ist diese Weisheit stets dieselbe.
Dies ist offenkundig. Dies alles haben wir in unseren beiden
Werken "Sabil ul-mu'minin" und "Tandhil ul-Ayat" erläutert und mit
offenkundigen Beweisen und deutlichen Indizien versehen.
Für die Führung und den Erfolg sei
ALLAH gedankt.
Der
Friede sei mit Dir.
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43. Konsultation – Frage zum Wort "Wali".