Im Namen Allahs, des Erbarmers, des BarmherzigenDie 90. Konsultation – Ablehnung von Usamas Kommandantur
17.
Rabi-ul-Awwal 1330 (6.3.1912)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Wer sich offen zur Wahrheit bekennt und auch den Tadel
nicht fürchtet, ist ein Ehrfurcht gebietender Könner und
einer, bei dem man guten Rat erhält. Weil Du Recht und Unrecht
auseinander zu halten weißt, bist Du unübertrefflich, und weil
Du die
Wahrheit nicht geheim hältst, ist Dein Rang einer der
höchsten. Über jeden Verdacht bist Du erhaben, gütig bist Du
und rechtschaffen. Du –
ALLAH möge Dich stärken – hast mich
angewiesen, Dir all jene Fälle vorzutragen, in denen sie ihre
eigene Meinung den heiligen Anweisungen vorgezogen haben.
Ich hoffe, Dir genügt in diesem Zusammenhang die
Beschreibung der Begebenheiten um die Kompanie von
Usama bin
Zaid bin Haritha, die zum Angriff gegen die
Byzantiner
aufgestellt worden war. Weil diese Kompanie die letzte war,
die zu seinen Lebzeiten aufgestellt worden war, hat der
Prophet (s.) ganz besonderen Anteil an ihr genommen und seinen
Gefährten befohlen, sich gut vorzubereiten. Er spornte sie
dazu an und mobilisierte sie, um ihren festen Willen und ihre
Entschlossenheit zu stärken. Alle führenden Köpfe der
Muhadschirun und der
Ansar, wie
Abu Bakr,
Umar,
Abu
Ubaida,
Saad und andere waren daran beteiligt. All dies trug sich vier
Tage vor dem Ende des Monats
Safar zu, elf Jahre
nach der Hidschra.
Am folgenden Morgen rief der
Prophet
Usama zu sich
und sprach zu ihm: „Marschiert zu jenem Ort, an dem dein Vater
ermordet wurde, und bekämpft sie zu Pferde. Ich habe Dich zum
Anführer über jenes Heer gemacht, beginne also morgen mit dem
Kampf gegen die
Leute von
Ubna, besiege sie und beeile Dich,
um der Nachricht zuvorzukommen. Sollte Allah Dich über sie
siegen lassen, bleibe nicht lange dort. Nimm Führer mit und
schicke Späher und eine Vorhut voraus.“
Am 28.
Safar begann die schwere Krankheit des
Propheten (s.). Er bekam Fieber und litt an starken Kopfschmerzen. Als
er sie am Morgen des 29. recht träge fand, ging er zu ihnen
und spornte sie zum Weitermarsch an. Dann übergab er
Usama mit
seiner edlen Hand die Standarte, um ihre Begeisterung zu
wecken und ihren festen Willen zu stärken. Und er sagte:
„Kämpfe in
ALLAHs Namen und in seinem Willen, und ziehe gegen
jene, die
ALLAH bekämpfen!“ Da entfernte sich
Usama mit seiner
Standarte, übergab den Trupp
Buraida und schlug sein Lager
bei
al-Dschurf auf. Dort wurden sie träge und gingen nicht
mehr fort, obwohl sie die eindeutige Anordnung, sich zu
beeilen, zur Kenntnis genommen hatten. Denn so lauteten die
Worte des
Propheten (s.)
„Beginne also morgen mit dem Kampf gegen die
Leute von
Ubna“ und „Beeile dich, um der Kunde
zuvorzukommen.“
Es gibt noch mehr Beispiele, wie sie in dieser Kompanie
seinen Befehlen nicht Folge geleistet haben. Einige fochten
die Entscheidung an,
Usama die Führung zu übertragen, wie sie
schon vorher seinen Vater als Anführer abgelehnt hatten.
Ständig sprachen sie darüber, obwohl sie Zeugen davon gewesen
waren, dass der
Prophet ihm die Führung übertragen hatte, und
zwar mit den Worten: „Ich habe Dich zum Anführer über jenes
Heer gemacht!“ Außerdem hatten sie gesehen, dass er trotz
seines Fiebers mit eigener Hand die Standarte übergeben hatte.
Dies hinderte sie jedoch nicht daran,
Usamas Fähigkeiten als
Heeresführer herabzusetzen, so dass der
Prophet (s.), während
ihn das Fieber quälte, über diese Verleumdungen sehr zornig
wurde und seinen Kopf mit einem samtenen Tuch verhüllte. Dies
geschah am Samstag, dem 10.
Rabi-ul-Awwal, zwei Tage vor dem
Ableben des
Propheten. Der
Gesandte Allahs (s.) bestieg die
Kanzel, pries und lobte
ALLAH und sagte nach übereinstimmenden
Berichten der Historiker und der einhelligen Meinung der
Wissenschaftler:
„Oh Ihr
Menschen! Ich habe erfahren, dass einige von Euch
über die von mir an
Usama übertragene Heeresführung reden.
Wenn Ihr meinen Beschluss,
Usama als Heerführer ernannt zu
haben, anfechtet, dann habt Ihr damit auch meinen Beschluss,
seinem Vater die Führung zu übertragen angefochten. Ich
schwöre bei
ALLAH, dass er wahrlich zu dieser Führung fähig
war und dass nach ihm sich nun auch sein Sohn dafür eignet.“
Dann spornte er sie zum Aufbruch an und ermahnte sie zur
Eile, worauf sie von ihm Abschied nahmen und zum Heerlager in
al-Dschurf zogen.
Sein Zustand wurde immer ernster und er begann zu sprechen:
„Mobilisiert das Heer von
Usama, lasst das Heer von
Usama
seine Aufgabe erfüllen, entsendet das Heer von
Usama.“ Immer
wieder sagte er dies, doch sie blieben träge.
Am Montag, dem 12.
Rabi-ul-Awwal kam
Usama aus seinem Heerlager zum
Propheten (s.). Dieser befahl ihm:
„Marschiere mit dem
Segen
ALLAHs, des Erhabenen, am frühen Morgen los!“ Da
nahm
Usama Abschied vom
Propheten und kehrte zum Lager zurück.
Später kam er mit
Umar und
Abu Ubaida wieder. Inzwischen hatte
der
Prophet das Bewusstsein verloren, an jenem Tag starb er –
möge meine Seele und die seiner Anhänger für ihn geopfert
sein! Daraufhin kehrte das Heer mit der Standarte nach
Medina
zurück. Sie hatten sich entschlossen, nicht in den Kampf zu
ziehen und sprachen darüber mit
Abu Bakr. Sie beharrten
hartnäckig darauf, obwohl sie doch mit eigenen Augen gesehen
hatten, wie sehr der
Prophet (s.) darauf bedacht gewesen war,
dass diese Aufgabe in aller Eile erfüllt würde. Seine ständig
wiederholten Anweisungen zeigen klar, dass das Heer zügig
marschieren sollte, damit es der Kunde zuvorkäme, aber auch,
dass er sich seit der Mobilisierung des Heeres und seit der
Ernennung von
Usama zum Heerführer darum bemüht hat. Mit
eigener Hand hatte er ihm die Standarte überreicht. Er hat,
wie Du gehört hast, angeordnet: „Marschiere mit dem
Segen
ALLAHs, des Erhabenen, am frühen Morgen los!“
Wenn
Abu Bakr damals dagegen gewesen wäre, hätten sie das
Heer aufgelöst und die Standarte eingezogen; aber dieser
lehnte das ab. Als sie feststellen mussten, dass er sich dazu
entschlossen hatte, dass Heer doch in den Kampf zu senden, kam
Umar und bat ihn im Namen der
Ansar darum,
Usama von seinem
Posten als Heerführer zu entheben und einen anderen zu
ernennen.
Es war noch nicht viel Zeit vergangen, seit sie erleben
konnten, wie der
Prophet zornig geworden ist, weil sie
Usamas
Fähigkeiten als Heerführer leugneten, und wie er deshalb sein
Haus verließ, obwohl ihn das Fieber quälte, sich in ein Tuch
hüllte und vor Erschöpfung kaum fähig war, sich auf den Beinen
zu halten. Er stöhnte, als er die Kanzel bestieg und sagte
unter Qualen: „Oh Ihr
Menschen! Ich habe erfahren, dass
einige von Euch über die von mir an
Usama übertragene
Heeresführung redeten. Wenn Ihr meinen Beschluss,
Usama als
Heerführer zu benennen, anfechtet, dann habt Ihr damit auch
meinen Beschluss, seinem Vater die Führung zu übertragen,
angefochten. Ich schwöre bei
ALLAH, dass er wahrlich zu
dieser Führung fähig war und dass nach ihm nun auch sein Sohn
dafür befähigt ist.“
Der
Gesandte Allahs (s.) hat seine Entscheidung also mit
einem Schwur bekräftigt und mit dem Wort „wahrlich“ noch
einmal betont, damit sie von ihrem Vorhaben ablassen. Aber das
haben sie nicht getan.
Abu Bakr jedoch lehnte ihre
Forderung nach der Enthebung
Usamas ab, ebenso wies er ihre
Forderung, seine Kompanie aufzulösen, zurück. Er ging auf
Umar
los, griff seinen Bart und sagte zu ihm: „Oh
Ibn al-Chattab ,
deine Mutter hat Dich verloren und sie wurde Deiner beraubt.
Der
Gesandte Allahs (s.) hat ihn zum Führer ernannt und Du
forderst von mir, ihn abzulösen?“
Als sie dann endlich das Heer in Marsch setzten – und
beinahe hätten sie nicht einmal das getan – zog auch
Usama
mit dreitausend Kämpfern und eintausend Pferden los. Eine
Gruppe, die der
Gesandte
Allahss selbst aufgestellt hatte,
blieb seinem Heer jedoch fern.
Der
Gesandte
Allahs (s.) sagte gemäß einem Zitat in der
vierten Einleitung des Buches „al-Minhal wa-Nihal“ von
al-Schahrastani: „Stellt das Heer von
Usama auf. Wer ihm
fernbleibt, wird von
ALLAH verdammt!“ Du weißt, dass sie
anfangs zögerten mitzumarschieren und schließlich aber dem
Heer ganz fernblieben, um die Basis ihrer Politik zu festigen
und deren Pfeiler zu errichten. Sie hielten dies für
wichtiger, als an der Bestimmung festzuhalten, statt dessen
richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Wahrung des
bestehenden Zustandes. Denn wegen ihrer Schwerfälligkeit und
ihrem Fernbleiben würde die Truppe mit dem Abmarsch gar nicht
erst beginnen. Sie waren der Ansicht, dass ihnen das
Kalifat
ganz gewiss abgesprochen werden würde, wenn sie sich noch vor
dem
Ableben des
Propheten (s.)
an einem Feldzug beteiligten.
Der
Gesandte
Allahs (s.) wollte, dass sich niemand von
ihnen in der Hauptstadt aufhielte, damit nach seinem Ableben
die Angelegenheit für den
Befehlshaber der Gläubigen,
Ali bin
Abi Talib, in aller Ruhe und Gelassenheit einen günstigen
Verlauf nehmen könnte. Wenn sie erst zurückgekehrt wären,
nachdem man
Ali
zum
Kalifen ernannt und ihm gehuldigt hätte,
hätte nichts mehr geändert werden können und es hätte keinen
Streit gegeben. Der
Prophet ernannte den siebzehnjährigen
Usama zum Führer über sie, um bei einigen von ihnen die Zügel
straffer zu ziehen, die Widerspenstigkeit in Zaum zu halten
und um Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, damit ein
Konflikt unter Rivalen verhindert würde, wenn man einen von
ihnen mit der Befehlsgewalt betraute. Sie waren jedoch
scharfsinnig genug, den Plan des
Propheten zu durchschauen
und deshalb schmähten sie
Usamas Fähigkeiten als Heerführer
und zögerten mit ihm zu marschieren.
Al-Dschurf verließen sie
nicht eher, bis der
Prophet (s.)
gestorben war. Dann
versuchten sie erneut, den Abmarsch des Heeres zu verhindern
und
Usama seines Führungsamtes zu entheben. Viele blieben dem
Heer überhaupt fern, wie Du gehört hast.
Soweit seien die Beispiele genannt, bei denen Angehörige
dieser Kompanie die erhabenen Bestimmungen des
Propheten missachteten. Und dies nur deshalb, weil sie ihrer an der
eigenen Politik orientierten Überlegung den Vorrang gaben und
weil sie ihr persönliches Ermessen über das Festhalten an den
Bestimmungen des
Propheten (s.) stellten.
Der
Friede sei mit Dir.
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91. Konsultation – Rechtfertigung der Ablehnung.