Die Konsultation
Die Konsultation [al-muradschaat]

Aussprache: al muradscha-aat
arabisch: المرجعات
persisch:
englisch: consultation [muraja'at]

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Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

Die 104. Konsultation – Erläuterung zum Verhalten und Fatimas Rede

15. Rabi-ul-Thani 1330 (3.4.1912)

Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der Friede sei mit Dir und die Gnade ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.

Der Imam pflegte die ihn betreffenden Bestimmungen mit aller Behutsamkeit mitzuteilen. Aus Sorge um den Islam und die Erhaltung seiner Stärke, der Vorherrschaft, des Triumphes und des Staates der Muslime verwandte er sie nicht gegen seine Rivalen. Vielleicht hatte er eine Entschuldigung für sein Schweigen und für den von ihm unter den damaligen Umständen nicht durchgesetzten Rechtsanspruch, denn er sagte: „Kein Tadel trifft einen Menschen, wenn er die Inanspruchnahme seines Rechts für eine bestimmte Zeit aufgeschoben hat. Wohl aber müssen jene getadelt werden, die ein Recht für sich beanspruchen ohne dazu eine Berechtigung zu haben.“

Bei der Verbreitung der Bestimmungen ging er mit außerordentlicher Klugheit und Weisheit vor. Siehst Du denn nicht, was er damals auf jenem großen Platz getan hat, als er während seines Kalifats die Menschen zum Gedenken an die Geschehnisse vom Brunnen von Chum sich versammeln ließ und zu ihnen sagte: „Bei ALLAH! Ich beschwöre jeden Muslim aufzustehen und zu bezeugen, was er den Gesandten Allahs (s.) damals beim Brunnen von Chum hat sagen hören. Nur jene dürfen aufstehen und Zeugnis davon ablegen, die ihn auch tatsächlich selbst gehört haben.“ Da erhoben sich dreißig Personen, darunter auch jene zwölf Prophetengefährten, die an der Schlacht von Badr teilgenommen hatten, und bezeugten, dass sie die Bestimmungen vom Brunnen von Chum gehört hatten.

Dies war unter den widrigen Umständen das beste Ergebnis, was er erreichen konnte. Zu nennen sind hier nur die Ermordung Uthmans und die sich abzeichnenden Aufstände in Basra und Damaskus. Ich schwöre bei meinem Leben, dass man damals das Bestmögliche erreicht hat, was mit dem Widerspruch und auch mit der Weisheit in Einklang zu bringen war. Welche bemerkenswerte Situation war es gewesen, in der die Bestimmungen vom Brunnen von Chum wieder ins Gedächtnis gerufen wurden! Nachdem sie fast in Vergessenheit geraten waren, wurden sie wieder bekannt gemacht. Für jeden in der Volksmenge, der auf dem großen Platz zugegen war, wurde die Begebenheit vom Brunnen von Chum geschildert, als der Prophet (s.) die Hand Alis genommen und sie vor den hunderttausenden Menschen seiner Umma hochgehalten hat. Danach hatte er bekannt gegeben, dass Ali nach seinem Ableben ihr “Wali“ sein werde. Auf diese Weise wurde der Text der Bestimmung vom Brunnen von Chum zu einer der klaren und authentischen Überlieferungen, die in ununterbrochener Folge überliefert worden sind.

Beachte bitte die Weisheit des Propheten, als er ihn vor aller Öffentlichkeit lobend hervorhob. Und mache Dir bitte auch die Weisheit des Regenten bewusst, mit der er damals auf dem großen Platz die Menschen beschwor, den Schwur des Propheten ernst zu nehmen. Mit aller Bedächtigkeit und aller erdenklichen Besonnenheit – wie es die damalige Situation erforderte – hat er das Recht unter Beweis gestellt. Und so verhielt er sich in seinem ganzen Leben: Bei der Verbreitung der ihn betreffenden Verpflichtungen und Bestimmungen hat er die Unachtsamen in einer Weise darauf Aufmerksam gemacht, dass Geschrei und Einschüchterung unnötig wurden.

Ich hoffe, Du begnügst Dich mit einer von den Überlieferern veröffentlichten Überlieferung über ihn (a.). Es handelt sich um die Worte bei dem Gastmahl, das der Gesandte Allahs im Hause seines Onkels Scheich al-Abatah in Mekka bereiten ließ und die eine Warnung für seine nahe stehenden Verwandten sein sollten. Die Überlieferung ist lang und erhaben. Die Menschen betrachteten jenes Ereignis als ein Zeichen des Prophetentums und als Wunder des Islams, das darin lag, dass so viele Menschen von so wenig Speise gesättigt wurden. Am Ende der Überlieferung heißt es: „Der Prophet (s.) umarmte Ali und sprach: ‚Er ist mein Bruder, mein Regent und mein Nachfolger unter euch. Hört auf ihn und leistet ihm Gehorsam!’

Viel wurde auch davon gesprochen, dass der Gesandte Allahs (s.) zu Ali gesagt hatte: „Nach meinem Ableben wirst Du der "Wali" eines jeden Gläubigen sein!“ Und dass er sagte: „Mir gegenüber nimmst Du den gleichen Rang ein, den Aaron Moses gegenüber innehatte. Jedoch wird es nach meinem Ableben keinen Propheten mehr geben.“

Und wie viel erzählte man sich über seine Worte am Brunnen von Chum (s.): „Habe ich nicht mehr Anspruch auf die Gläubigen als sie selbst?“ Darauf hatte man geantwortet: „Ja, selbstverständlich!“ Und der Prophet hatte dann gesagt: „Dieser hier, Ali, ist jedem ein "Wali", dem auch ich ein "Wali" bin.“

Hinzu kommen zahlreiche weitere Texte, die nicht abgeleugnet wurden und die unter den zuverlässigen Gewährsmänner allgemein bekannt waren. Dies war es, was er damals tun konnte. Es zeugte von höchster Weisheit, doch die Warnung war umsonst. Für den Tag, an dem die Beratung stattfand, hatte er eine Entschuldigung und er hatte gewarnt. Von seinen hervorragenden Eigenschaften und besonderen Vorzügen hat er nichts verheimlicht, vielmehr führte er sie als Argument an.

Wie oft hat er während seines Kalifats gegen das Unrecht protestiert und sich auf der Kanzel voller Schmerz darüber beklagt. Er sagte: „Bei Allah! Da hatte jemand das Amt des Kalifen bekleidet, obwohl er gewusst hat, dass ich diesem Amte so nahe stehe, wie das Mahlwerk der Mühle. Die Wasserfluten stürzen von mir herab und die Vögel erreichen mich nicht. Ich habe den Schleier des Vergessens darüber gebreitet und mich schon ganz davon abgewandt. Ich beginne zu erwägen, entweder mit erhobener Waffe zu kämpfen oder mich angesichts dieser tiefen Finsternis in Geduld zu üben. Die Großen der Umma werden altersschwach und auch die Kleinen werden immer älter. Ja sogar der Gläubige in ihr muss alle Anstrengung aufbringen, um seinen Herrn zu finden. Ich sah, dass in dieser misslichen Lage die Geduld zunehmend von Wehmut überschattet wurde. Doch meine Ausdauer hielt an, obwohl ein Dorn in meinem Auge steckte und mir das Kümmernis bis zum Halse reichte. Mein Erbe sehe ich geplündert.“ Mit solchen zu Herzen gehenden Worten wird die Überlieferung bis zu ihrem Ende fortgeführt.

Und wie oft hat er (a.) gesagt: „Oh ALLAH! Ich bitte Dich um Hilfe vor den Quraisch und ihren Verbündeten, denn sie haben die Bande mit meiner Familie zerschnitten, meine überragende Stellung abgewertet und sich darauf geeinigt, mit mir einen Streit anzufangen, über das, was mir doch eigentlich zusteht.“ Darauf haben sie dann erwidert: „Entweder wirst Du dein Recht zurückerhalten oder Du musst darauf verzichten.“

Einst sagte jemand zu ihm (a.): Ali bin Abi Talib! Du bist doch nur gierig darauf“. Er aber antwortete: „Oh nein! Ihr selbst seid doch von noch größerem Verlangen danach erfüllt. Ich habe lediglich mein Recht gefordert, das ihr mir verweigert habt.“

Und er (a.) sagte: „Ich schwöre bei ALLAH! Noch immer verwehrt man mir mein Recht. Seit der Zeit, als ALLAH seinen Propheten (s.) zu sich rief bis zum heutigen Tage hat man es mit Beschlag belegt.“

Und er (a.) sagte: „Wenn wir das Recht nicht bekommen, werden wir dem Schrecken trotzen, gleichgültig, wie lange wir diese Unterwerfung auch ertragen müssen.“

In einem Brief an seinen Bruder Aqil schrieb er (a.): „Die Quraisch haben mir meine Verdienste vorenthalten, meine Familienbande zerschnitten und mir die Herrschaft meines Bruders entrissen.“

Und wie oft hat er (a.) gesagt: „Hierhin und dorthin habe ich geblickt, aber ich habe niemanden außer den Angehörigen meiner Familie gefunden, die mir Beistand leisten würden. So habe ich diese dann vor dem Tode bewahrt. Den Ärger habe ich geduldig ertragen, was mir quälenden Kummer bereitet hat, und meinen Zorn musste ich unterdrücken, obwohl er bitterer für mich war als eine Koloquinte.“

Einige seiner Gefährten haben ihn laut gefragt: „Warum hat Dein Volk Dich von diesem Platz verwiesen, auf den Du doch mehr Anspruch hast als irgendjemand sonst?“ Darauf gab er zur Antwort: „Mein Bruder von den Banu Assad! Du bist erregt und redest nicht richtig. Dennoch hast Du ein Recht zu fragen, da ich als Schwager des Propheten eine Verantwortung habe und Du informiert werden willst. Was die Willkür betrifft, der wir hier ausgesetzt sind, und zwar, obwohl wir von edler Berufung sind und vom Gesandten Allahs die allerhöchsten Auszeichnungen erhalten haben, so handelt es sich um reine Selbstsucht, die einige ganz gierig werden ließ. Die anderen jedoch bewiesen großen Mut. Das Urteil aber liegt bei ALLAH, zu dem wir am Jüngsten Tag zurückkehren werden. Dich bitte ich, in seinen Räumen nicht zu schreien!“ Siehe hierzu bitte die entsprechende Rede.

Und er (a.) sagte: „Wo sind jene, die behaupten, sie seien ohne uns tief ins Wissen eingedrungen? Sie belügen uns und tun uns Unrecht, denn uns hat ALLAH erhöht und sie erniedrigt, uns beschenkt und sie beraubt, uns hat er auf den geraden Weg geführt, sie aber in die Irre geleitet. Durch uns bittet man um Rechtleitung und Erkenntnis. Die Imame der Quraisch wurden in die Mitte der Haschim gestellt. Niemandem außer ihnen steht die Herrschaft zu . . .“

Ich hoffe, Dir genügen seine Worte aus einigen seiner Reden: „Als der Gesandte Allahs (s.) gestorben war, kehrten die Menschen auf den selben Pfad zurück, auf dem sie schon vorher geschritten sind. Sie verfielen dem Irrweg und vertrauten auf Unwägbarkeiten, die letztlich nichts anderes als Betrug und Arglist waren. Sie schlossen sich mit jenen zusammen, die nicht ihrer Familie angehörten, sie gaben die Verbindungen auf, die sie eigentlich lieb gewinnen sollten. Sie verzichteten fortan auf sichere Fundamente und bauten auf schwankendem Boden, dem Ursprung aller Sünde und dem Tor für all jene, die mit der Widerwärtigkeit spekulieren. Aus der Verwirrung fanden sie nicht mehr heraus, sie haben sich völlig dem Rausch hingegeben. Nach dem Brauch der Gefährten des Pharao richteten sie ihr Handeln aus und nur dem Diesseits galt ihr Streben, während sie der Religion den Rücken kehrten!“

In einer Rede, die er bei seiner Ernennung zum Kalifen hielt und die zu den herausragendsten Ansprachen zählt, die im Nahdsch-ul-Balagha zu finden sind, sagte er: „Niemand aus dieser Umma kann mit den Angehörigen Muhammad (s.) verglichen werden, und niemand, der für immer ihrer Güte teilhaftig wurde, ist ihnen gleich. Sie sind das Fundament der Religion und die Stütze der Gewissheit. Ihnen steht die kostbarste Beute zu und die Nachfolgenden halten sich an sie. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften haben sie das Recht, die Führung zu übernehmen. In ihren Händen liegt das Testament und Erbe des Propheten. Jetzt ist das Recht wiederhergestellt und jenen übertragen worden, die es verdient haben.“

Und in einer anderen Rede, in der er sein Erstaunen über seine Rivalen zum Ausdruck bringt, sagte er (a.): „Ich wundere mich! Und warum sollte ich mich auch nicht wundern über den Irrtum dieser Gruppe, die trotz der verschiedenen Beweise aus der Religion nicht gemäß der Sunna des Propheten handelt und sich auch nicht die Taten des Regenten zum Vorbild nimmt?“ Siehe hierzu bitte die entsprechende Rede.

Al-Zahra (a.) verfügte über schlagende Beweise und ihre beiden Reden hierzu sind allgemein bekannt, denn die Angehörigen der Familie des Propheten machten es ihren Söhnen zur Pflicht, diese beiden Reden wie auch den Qur'an auswendig zu lernen. Sie hat jene, die auf sichere Fundamente verzichten und stattdessen auf schwankendem Boden gebaut haben, heftig kritisiert und gesagt:

„Wehe denen, die es – und was für ein Kalifat ist das eigentlich noch – aus dem fest gefügten Grund der prophetischen Sendung herausgerissen haben! Die Grundlagen des Prophetentums und die Wiege des Islams haben sie zerstört und das Kalifat mit all seinen Belangen in weltlicher und religiöser Hinsicht haben sie dem Experten vorenthalten. Dies ist ein großer Verlust! Warum nur haben sie sich an Abu-l-Hassan gerächt? Bei ALLAH! Sie verübeln ihm die Schärfe seines Schwertes, seine Unerbittlichkeit, das warnende Beispiel seiner Schläge und seinen großen Zorn, und all das, weil er es um ALLAHs Willen tat. Bei ALLAH! Wenn sie sich doch nur über die Führung, die der Gesandte Allahs (s.) ihm übertragen hat, hätten einigen können! Dann hätte er die Zügel in die Hand genommen und sie auf den rechten Weg geführt, auf dem niemandem Unrecht geschieht. Der Reiter wäre nicht hin- und hergeschüttelt worden. Vielmehr hätte er sie zu jener Quelle geleitet, wo das süße Wasser im Überfluss hervorsprudelt. Ohne Durst wären sie schließlich von dannen gegangen. Im Verborgenen und öffentlich hat er ihnen ins Gewissen geredet. Nichts anderes wollte er von ihnen, als dass die Hungrigen satt würden und die Dürstenden genug zu trinken hätten. Er hätte ihnen von ALLAH die Segnungen des Himmels und der Erde zuteil werden lassen. Und so wären sie dann zur Rechenschaft gezogen worden.

Kommt und hört doch! Wenn Du nicht blind bist, dann hat Dich das Schicksal doch wundersame Dinge erleben lassen. Wenn Du Dich wunderst, würdest Du Dich da nicht auch über das Unglück darüber wundern, bei welchem Ort sie Zuflucht gesucht haben? An welchem Band halten sie nur fest? Welch schlechter Schutzherr! Was für ein übler Genosse! Und was für Tyrannen sind sie, die den Kopf durch den Schwanz, den Nacken durch das Hinterteil ersetzt haben! Manche meinen, diese Leute verdienten Achtung, denn sie glauben, sie hätten etwas Gutes getan. In Wahrheit jedoch sind sie dem Laster verfallen, auch wenn sie es nicht merken.

Wehe ihnen! Wem wohl sollte man eher folgen? Jenem, der die rechte Führung gewährleistet, oder jenem, der dies nicht tut? Möge ALLAH die Menschen auf dem rechten Weg leiten. Was glaubt ihr wohl? Welche Entscheidung habt ihr getroffen? ( ... )“

Diese Rede bringt in vorbildlicher Weise die Kontroverse über die reine Abstammung zum Ausdruck. Mit ihr kannst Du alles andere vergleichen.

Der Friede sei mit Dir.

Weiter zur 105. Konsultation (Frage nach zusätzlichen Argumenten).

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