Wie ich versuchte, mit
drei Dimensionen Frieden zu stiften
Noch immer
lastete das Gezänk der Pilger im Norden des Landes bei den
drei überdimensionalen Quadraten auf meinem Gewissen. Ich ging
zu meinem Lehrer im Flächenland, meinem geehrten Kreis und
erzählte ihm, was ich erlebt hatte. An seiner Reaktion konnte
ich erkennen, dass meine Erlebnisse für ihn nicht neu waren,
was mich umso mehr in Erstaunen versetzte. „Warum haben Sie
mir nie davon erzählt?“, gab ich meiner Entrüstung
Ausdruck. Aber er blieb ganz ruhig und erwiderte nur:
„Hättest du es denn geglaubt?“
Viel mehr
als meine Reise durch die Dimensionen schien ihm meine
Schilderung über den Streit der Pilger im Norden zu
beunruhigen. Er forderte mich auf, den Leuten eine Ansprache
zu halten. Er wollte die Menschen mit seiner geehrten und
weisen Autorität versammeln lassen, damit ich zu ihnen spreche
und sie zu Frieden und Liebe aufrufe.
„Höret ihr
Leute, der erhabene und große Kreis ruft euch alle zusammen.
Kommet herbei und höret, was er euch zu sagen hat“,
riefen die Ausrufer überall in der Stadt.
Die Menge
war versammelt und mein geehrter großer und erhabener Kreis
kündigte an, dass ich eine Friedensbotschaft ausrufen wolle,
welche den Menschen Wohl und Heil bringen könnte.
Da stand
ich nun mit meinen Erinnerungen. Vor mir so viele Leute aus
Flächenland, Leute, die zur restlichen Seite des einen
überdimensionalen Quadrates reisen würden, Leute, die zu der
Kreuzung im zweiten überdimensionalen Quadrat reisen würden
und Leute, die um das dritte überdimensionale Quadrat kreisen
wollten. Ich erinnerte mich, wie ich sie alle gemeinsam von
“oben“ beobachtet hatte. Aber das konnte ich hier nicht
erzählen. Das würde mir kaum jemand glauben und noch wenigere
würden es verstehen. Doch jetzt fielen mir auch die Gebete
ein, die sie gesprochen hatten. Alle sprachen gleichzeitig und
das wortgewaltige Durcheinander klang doch wie ein
einheitliches Gebet. Ich versuchte, mich in Gedanken zurück zu
versetzen in die Lage, als ich sie beten sah, noch bevor sie
sich stritten. Beteten sie nicht alle das Gleiche, wollen sie
nicht alle die dritte Dimension erreichen, jene Dimension, die
mir zu erreichen vergönnt war, und offensichtlich auch meinem
Lehrer? Nein, diejenigen, die jene Dimension gesehen hatten,
würden sich nicht mehr mit anderen Flächenländern streiten,
denn die Faszination für die Schönheit der Wahrheit würde ihre
Streitsucht bändigen. Streiten taten sich diejenigen, die in
ihrer Begrenztheit nicht einmal die eigenen zwei Dimensionen
verstanden hatten. Was sollte ich ihnen sagen?
Mir fielen
die Worte ein, die ich an den drei überdimensionalen Quadraten
gehört hatte. Hatten diejenigen, die an der übrig gebliebenen
Seite des zerstörten überdimensionalen Quadrates standen,
nicht gebetet: „Lasst uns unseren Schöpfer lieben von
ganzem Herzen, mit ganzer Seele und allen unseren Kräften -
und unseren Nächsten wie uns selbst.“ Und hatten
diejenigen, die im Quadrat mit der Kreuzung beteten nicht
hinzugefügt, „dass das Reich des Schöpfers kommen möge“?
Und begannen jene um das überdimensionale Quadrat
Kreisende nicht jedes Gebet im Namen eines barmherzigen und
gnadenreichen Schöpfers und beteten die Liebe Gottes zu
empfangen auf dem Weg der Wahrhaftigkeit? Sie alle, alle
Pilger von allen drei überdimensionalen Quadraten beteten
letztendlich um Liebe. Aber wo war die Liebe?
„Weder das Reich, noch die
Liebe können noch kommen, denn sie sind schon längst da! Sie
sind genau so klar und deutlich da, wie die dritte Dimension,
die mir zu sehen gewahr wurde! Sie sind genau so klar und
erhaben anwesend wie mein junger Enkel, der mir mit seinen
Fragen erst die weitere Öffnung meines Herzens ermöglicht hat.
Gnade, Barmherzigkeit und vor allem die Liebe sind keine
begrenzten Ziele, sondern unendliche Wege voller Schönheit,
und der Weg selbst ist das Ziel, ein Weg, der kein Ende hat
und uns in immer weitere, größere und vor allem schönere
Dimensionen führen kann. Wer als geehrter Flächenländer die
Begrenztheit seiner eigenen Schöpfung überwinden will, der
muss lernen, die Kugel zu erkennen, obwohl es sie in seiner
begrenzten Welt nicht gibt und gar nicht geben kann; der muss
lernen, die Barrieren in seinem Herz zu überwinden, damit er
aufsteigen kann in höhere Gefilde, damit er verstehen kann,
wie von „oben“ alles in Einheit nach Schönheit strebt, eine
Schönheit, für die wir geschaffen wurden von einem Schöpfer,
dem keine Dimension genügt und er doch alle Dimensionen
umfasst!“
Als ich
meine Worte beendet hatte, merkte ich, wie mein lieber Lehrer,
mein geehrter Kreis, Tränen in den Augen hatte. Die Menge, die
zugehört hatte, ging schweigsam nach Hause. Tags darauf hörte
ich, dass es beim Gezänk im hohen Norden die ersten Toten
gegeben hatte, und jeder wusste angeblich, dass nur der andere
Schuld war.
Ich ging
betrübt zu meinem Lehrer und fragte ihn, wie wir dieses Unheil
überwinden könnten. Er antwortete mir: „Wir können es von
uns aus nicht überwinden, denn wir sehen die Linie vor unseren
Augen nicht, während wir den Punkt vor den Augen der Andern
sehen. Wir können es von uns aus nicht überwinden, denn dazu
bedarf es einer reinsten Seele, und alle Pilger aller
überdimensionalen Quadrate glauben fest daran, dass er bald
kommen wird. Drum bereite dich auf den von allen erwarteten
Erlöser vor, denn er wird Liebe verbreiten.“ – „Aber wie kann
ich mich in einer unfriedlichen Welt auf den Bringer von Liebe
vorbereiten?“, fragte ich voller Hoffnung, eine klare
Anweisung zu erhalten.
– „Fülle
zunächst dein eigenes Herz mit Liebe und dann das deiner
Ehegattin, deiner Kinder, deiner Nachbarn und deiner Straße.
Und wenn du mit deiner Gattin eure eigenen Herzen damit
erfüllt hast, ist das schon ein Sieg der Liebe und niemand
wird euch diesen Sieg nehmen können! Und seid standhaft in der
Liebe und lasst nicht zu, dass jemand diese Liebe verdunkelt.
Und Liebet denjenigen, auf den ihr wartet, den Statthalter der
Liebe, und vor allem denjenigen, der ihn euch sendet.“ – „Und
wo finde ich diese Liebe?“
– „Schau
in dein Inneres, denn dort ist der Thron der Liebe.“