Der Freund (Erzähler: Mostafa Harandi)
Er war überaus traurig. Das konnte man in seinem Gesicht
lesen. Ich fragte: „Ist etwas geschehen?!“ Ibrahim antwortete
betrübt: „Gestern Abend, nachdem wir mit unseren Kameraden
einen Observationseinsatz durchgeführt hatten trat Maschallah
Azizi auf dem Rückweg auf eine Mine und wurde Märtyrer. Wir
hatten wegen des massiven Feuers der Iraker keine andere Wahl,
außer uns sofort zurückzuziehen.“ Nun verstand ich seine
Trauer.
Kurz nachdem es dunkel geworden war ging Ibrahim fort. Um
Mitternacht kam er zurück, fröhlich und heiter. Er rief nach
den Sanitätern: „Kommt schnell , Maschallah lebt!“ Alle
freuten sich sehr. Während wir Maschallah in den Krankenwagen
brachten, saß Ibrahim nachdenklich in einer Ecke! Ich setzte
mich neben ihn und fragte verwundert: „Worüber denkst du denn
nach?“
Er zögerte etwas und sagte dann: „Als die Mine explodierte
fiel Maschaallah genau in der Mitte des Minenfeldes auf den
Boden, dicht bei den irakischen Gräben. Aber ich konnte ihn
dort nicht mehr finden, er war einfach verschwunden! Er hatte
sich ein Stück weiter zurück außerhalb des Blickfeldes des
Feindes zu einem sicheren Ort schleppen können! Er saß dort
und wartete auf mich.“
***
„Ich hatte wegen meiner Beinverletzung eine Menge Blut
verloren und war wie betäubt. Die irakischen Soldaten waren
der festen Annahme, dass niemand mehr von uns am Leben sei.
Mich durchlief ein ungewöhnliches Gefühl und ich flüsterte:
„Ja Saheb-az-Zaman adrekni“.“ Die Nacht war angebrochen. Ein
schöner junger Mann, dessen Gesicht leuchtete, stand vor mir,
als ich mühevoll versuchte meine Augen zu öffnen. Er half mir
aufzustehen und brachte mich an einen sicheren Platz außerhalb
des Minenfeldes. Dort legte er mich dann langsam und sehr
sachte auf den Boden.
Meine Schmerzen fühlte ich nicht mehr! Und nachdem dieser
junge Mann längere Zeit mit mir gesprochen hatte, sagte er
auch: „Er wird sie retten kommen, er ist ein Freund von uns!“
Einige Augenblicke danach kam Ibrahim. Er stützte mich und wir
gingen los. Es war Ibrahim, den der junge strahlende Mann als
seinen Freund vorgestellt hatte. Was für ein Segen für Ibrahim
und wie schön für ihn! Dieses Erlebnis schrieb Maschallah in
sein Tagebuch.
***
Jahrelang hielt er sich im Kriegsgebiet auf. Er war ein
gottesfürchtiger und ehrlicher Lehrer in Gilangharb, der seit
Kriegsbeginn bis zum Ende mutig an der Front seinen Beitrag
leistete. Bei einem Autounfall in der Nachkriegszeit kam er
ums Leben und schloss sich somit seinen zu Märtyrern
gewordenen Freunden an.