Der Preis (Erzähler: Ghassem Schaban)
Einer unserer Einsätze bei dem wir in Feindesgebiet
eingedrungen waren und das Gebiet im Westen betraf, war
beendet und wir schickten unsere Einheit zurück. Danach
suchten wir die Gräben ab, um festzustellen ob niemand
zurückgeblieben war. Dann kehrten auch wir zurück. Es war
schon eine Stunde nach Mitternacht. Wir fünf liefen schon eine
Weile, dann sagte ich zu Ibrahim: „Wir sind völlig erschöpft,
es wäre es gut, wenn wir uns ausruhen könnten.“ Ibrahim war
einverstanden und wir suchten einen angemessen Platz.
Ich war kurz vor dem Einschlafen, als ich plötzlich das
Gefühl bekam, es würde sich jemand aus Richtung des Feindes
uns nähern! Sofort sprang ich von meinem Platz auf, schaute
vorsichtig nach draußen und meine Vermutung bestätigte sich.
Es war im Mondlicht ganz deutlich zu sehen. Ein Iraker kam,
eine Person auf dem Rücken tragend, in unsere Richtung! Ganz
leise weckte ich Ibrahim ohne das ich die Person aus den Augen
ließ. Niemand war außer dem Iraker zu sehen. Als er uns sehr
nahe gekommen war, sprangen wir gleichzeitig aus dem Graben
und standen vor ihm. Der irakische Soldat war entsetzt und
ließ sich gleich auf dem Boden nieder. Dann bemerkte ich, dass
auf seinem Rücken einer unserer Kameraden war. Er war
verletzt. Sehr erstaunt schulterte ich meine Waffe. Mit Hilfe
unserer Kameraden nahmen wir ihn dem Iraker ab. Reza fragte:
„Wer bist du und was machst du hier?“ Der Mann sagte: „Nachdem
ihr den Platz verlassen habt, ging ich durch einen Graben und
stieß auf diesen jungen Mann. Euer Kamerad drehte sich vor
Schmerzen im Sand von einer Seite zur anderen und rief nach
seinem Herrn Amir-ol-Moomenin (a.) und Imam Zaman (a.) und ich
sagte mir: „Wegen meines Herrn Imam Ali (a.) muß ich, solange
es dunkel ist, diesen jungen Mann in die Nähe der iranischen
Gräben bringen! Dann gehe ich wieder zurück.“ Er fuhr fort:
„Werft nicht die schiitischen Soldaten, die zum Kämpfen gegen
euch gezwungen wurden, mit den Baathi-Offizieren in einen
Topf.”
Wir waren schockiert. Ibrahim sagte zu ihm: „Du kannst
hierbleiben, du brauchst nicht zurückgehen. Du bist jetzt
einer von uns, ein schiitischer Glaubensbruder. Der irakische
Soldat holte ein Bild aus seiner Hemdentasche und sagte: „Das
ist meine Familie. Wenn ich mich euch anschließe, wird Saddam
sie töten.” Er schaute Ibrahim plötzlich verblüfft an! Dann
fragte er nach einer Weile in arabischer Sprache: „Bist du
Ibrahim Hadi?“ Wir alle schwiegen und schauten uns gegenseitig
erstaunt an! Dieser Satz brauchte keine Übersetzung. Ibrahim
fragte ihn mit einem erstaunten Lächeln: „Woher kennst du
meinen Namen?“ Ich sagte humorvoll: „Bruder Ibrahim, du hast
uns nicht gesagt, dass du auch unter den Irakern Freunde
hast!“ Der irakische Soldat antwortete: „Vor einem Monat
wurden Bilder von Ihnen und von einigen anderen der iranischen
Kommandeure zu allen Militäreinheiten geschickt und es wurde
gesagt, dass jeder, der den Kopf von einem dieser Kommandeure
bringt, einen großen Preis von Saddam erhält!“
Noch in diesen Tagen kam die Nachricht, dass einer der
Kommandeure der westlichen Sepah Truppe Hauptmann des
Andarzguh-Teams geworden war und auf dem Weg nach Gilangharb
sei. Wir warteten einige Zeit auf diesen Kommandeur, aber er
kam nicht. Schließlich erfuhren wir, dass Jamal Tajik, der
schon länger als Basiji in der Gruppe tätig war, dieser
Kommandeur war! Mit Ibrahim und ein paar anderen gingen wir zu
Jamal. Wir fragten ihn: „Wieso hast du dich nicht
vorgestellt?! Warum hast du nicht gesagt, daß du der
Verantwortliche der Truppe bist?“ Jamal sagte: „Zweck der
Verantwortung ist, dass die Arbeit vorangeht. Allhamdulillah,
hier läuft alles in bester Form ab und ich genieße es sehr,
mit euch zusammen zu sein. Ich danke Gott, dass ich euch
kennen lernen durfte.” Er meinte auch, wir sollten niemandem
etwas davon erzählen, damit die Kameraden ihn nicht mit
anderen Augen anschauen würden. Jamal wurde beim
Matlael-Fadj-Einsatz, während er Kommandeur einer der Brigaden
war, Märtyrer.