Kleine Orientkämpfe Ende Januar 1916
Die Dardanellenschlachten waren beendet. Die Engländer und
Russen bekamen fortan auf anderen Kriegsschauplätzen ihre
Hiebe. Das Hauptquartier teilte am 18. Januar mit: An der
Kaukasus-Front wurden die Russen, die infolge unserer Angriffe
bedeutende Verluste erlitten, durch die Verstärkungen, die wir
jüngst erhalten haben, gezwungen, ihre Angriffe auf der ganzen
Front einzustellen. Trotz der acht Tage andauernden sehr
heftigen Angriffsbewegung weit überlegener feindlicher Kräfte
bleibt die Lage mit unbedeutenden Aenderungen für uns
günstig.«
Heftige Schneestürme wurden von der Kaukasusfront gemeldet,
an der die Russen anscheinend unter Einsatz sehr starker
Kräfte unsere osmanischen Verbündeten aufs schärfste
bedrängten. Mußten diese auch ihre vorgeschobenen Stellungen
zwischen Aras und Id ein wenig zurücknehmen, der ersehnte
Durchbruch gelang dem Feinde bisher nicht. Und wir durften
hoffen, daß die zähe osmanische Widerstandskraft sich auch
weiterhin dem Vordringen des anscheinend überlegenen Feindes
entgegenstemmen werde. Das gleiche galt von den Kämpfen im
Irak. Das englische Entsatzkorps unter General Aylmer wollte
zwar die Türken östlich Kut-el-Amara zum Rückzug genötigt
haben. Aber die Engländer »siegten« gewöhnlich nur in
Niederlagen!
Das Hauptquartier gab am nächsten Tage bekannt: »An der
Irakfront keine wesentliche Veränderung. Unsere Artillerie
zerstörte einen feindlichen Monitor, der in der Gegend von
Scheich Said bemerkt wurde. An der Kaukasusfront leisten
unsere Truppen heldenhaften Widerstand gegen die Angriffe, die
der Feind mit überlegenen Kräften gegen unsere Stellungen
zwischen den Flüssen Aras und Id ausführt. Dieser Widerstand
ermöglicht es, das Zusammenwirken unserer auf den Flügeln
stehenden Truppen mit denen der Mitte trotz heftiger
anhaltender Schneestürme zu sichern.«
Die eigenartigen persischen Flußfahrzeuge. Auf den Flüssen
in Mesopotamien, besonders auf den größeren Flüssen, wie dem
Euphrat und Tigris, sind recht eigenartige, für den Europäer
wunderliche Fahrzeuge zu sehen. Die Schiffe, die dort die
Eingeborenen besitzen, haben die Gestalt eines »umgestülpten
Turbans«; sie haben diese Form aus der asiatischen Urzeit bis
jetzt beibehalten. Alles wird in diesen wunderlichen Kähnen
befördert, Baumaterialien und Landesprodukte; auch für
Fischereizwecke werden diese sicher wie ein Segelboot
dahingleitenden Fahrzeuge benutzt. Sie sind aus leichtem, aber
an der Salzluft immer härter werdenden sogenannten Strohholz,
ähnlich wie ein Korb geflochten und kein Tropfen vermag durch
dieses Flechtwerk hindurchzudringen.
Am 20. Januar lautete der Bericht: »Am Morgen des 18.
Januar drangen ein feindlicher Monitor unter dem Schutz von
sieben Minensuchern und ein Panzerschiff mit drei
Torpedobooten in den Golf von Saros ein und eröffneten ein von
Fliegern gelenktes Feuer in der Richtung Gallipoli und auf
andere Ziele. Unsere in der Umgebung aufgestellten Batterien
antworteten kräftig. Drei von unseren Geschossen trafen das
Panzerschiff, welches sich mit dem Monitor entfernte.
Nachmittags eröffnete das gleiche Panzerschiff wieder das
Feuer in derselben Richtung. Unsere Batterien antworteten und
erzielten einen Treffer auf dem Heck des Panzers, der dort
einen Brand hervorrief und das Schiff nötigte, sich zu
entfernen. An der Kaukasusfront dauerte die wiederbegonnene
Schlacht bis zum Abend. Die vom Feinde unternommenen
Einschließungsversuche scheiterten dank unseren
Gegenmaßnahmen.«
An der Dardanellenfront schleuderten ein Kreuzer und ein
Monitor am 20. Januar etwa dreißig Geschosse in die Gegend von
Altschi Tepe und Tekke Burun, entfernten sich aber, als die
türkische Artillerie das Feuer erwiderte.
Die türkische Telegraphen-Agentur meldete: »Ein
französischer amtlicher Bericht behauptet, daß Gallipoli in
der Nacht vom 8. zum 9. Januar nach einem festgesetzten Plan
geräumt worden sei, daß die französischen Truppen alles
Kriegsmaterial unter Zurücklassung von sechs zerstörten und
gebrauchsunfähigen Versuchskanonen weggeschafft und daß die
Türken um 4 Uhr früh das Feuer eröffnet hätten, als die
Einschiffung bereits beendet gewesen sei. – Wir bemerken, daß
in der Nacht vom 8. zum 9. Januar unsere Artillerie beständig
auf jeden Punkt der Front feuerte und Infanteriekämpfe
stattfanden. Die Tatsache, daß unsere Truppen, als sie um 3
Uhr vorrückten, über kürzlich gefallene Feinde marschierten,
beweist die Heftigkeit des Kampfes und die feindlichen
Verluste. Wir dementieren die Behauptung des französischen
Berichts, der der Wahrheit zuwiderläuft.«
Wie man von der persischen Grenze erfuhr, hatte die
türkische Vorhut mit Unterstützung muselmanischer Krieger am
6. Januar Marhametabad besetzt. Der Feind, der Verluste an
Toten und Verwundeten erlitten hatte, flüchtete nach Maragha.
Er zog sich auch aus Seldos zurück. Die letzten türkischen
Siege in Aserbeidschan machten auf die Stämme einen großen
Eindruck. Zahlreiche Krieger schlossen sich täglich den
türkischen Truppen an. Der erste Gefangenentransport wurde
nach Mossul geleitet. Die vom Feinde im Stiche gelassene
Munition wurde unter den Stämmen verteilt.
Private Nachrichten aus Persien brachten die bedeutsame
Meldung, daß von allen persischen Priestern ein Fetwa
(geistliches Gutachten) ausging, demzufolge die Vernichtung
aller russischen und englischen Feinde in Persien vom
Standpunkt der Religion nicht als Sünde erachtet werde. Alle
geistlichen Häupter in den verschiedenen Provinzen Persiens
hatten dieses Fetwa unterschrieben und bestätigt. Damit gewann
der Heilige Krieg eine religiös berechtigte und bekräftigte
Ausdehnung auch in ganz Persien.
Einen großen Sieg meldete die türkische Heeresverwaltung am
24. Januar: »An der Irakfront dauern die Stellungskämpfe bei
Kut-el-Amara an. Englische Streitkräfte, die aus der Richtung
von Iman Ali Gharbi kamen, griffen am 21. Januar unter dem
Schutz von Flußkanonenbooten unsere Stellungen bei Menlahie,
etwa 35 Kilometer östlich von Kut-el-Amara, auf beiden Seiten
des Tigris an. Die Schlacht dauerte sechs Stunden. Alle
Angriffe des Feindes wurden durch unsere Gegenangriffe
zurückgeworfen. Der Feind wurde einige Kilometer nach Osten
zurückgetrieben. Auf dem Schlachtfelde zählten wir ungefähr
dreitausend tote Engländer. Wir nahmen einen feindlichen
Hauptmann und einige Soldaten gefangen. Unsere Verluste sind
verhältnismäßig gering. Ein Waffenstillstand von einem Tage,
um den der feindliche Oberbefehlshaber, General Aylmer,
ersucht hatte, um seine Toten zu begraben, wurde von uns
bewilligt. Gefangene erklärten auf unsere Fragen, daß die
Engländer außer den Verlusten, die sie in dieser Schlacht
erlitten, noch weitere dreitausend Tote und Verwundete in den
vorhergehenden Kämpfen bei Scheik Said verloren haben. Infolge
unseres Angriffes auf eine andere englische Kolonne, die
westlich von Korna aus der Richtung Muntesik vorzugehen
versuchte, wurde der Feind zum Rückzug gezwungen, wobei er
hundert Tote zurückließ. Wir erbeuteten eine Anzahl Kamele und
hundert Zelte.«
Der Stab eines Regimentes während einer deutscherseits
unternommenen Angriffsschlacht in einem Abschnitte der
russischen Front. Die Offiziere haben das Quartier verlassen
und auf freiem Felde hinter dem Kampfplatz Stellung genommen,
wo sie durch das Feldtelephon vom Verlauf des Gefechtes
unterrichtet werden und die Befehle an die Front weitergeben.
Die Meldungen, die in den letzten Tagen aus London über die
Kriegslage in Mesopotamien verbreitet wurden, ließen auf eine
recht wenig günstige Lage der britischen Truppen schließen.
Der amtliche Bericht des türkischen Hauptquartiers bestätigte
diese Vermutungen vollinhaltlich. Der britische Vormarsch zum
Entsatz von Kut-el-Amara war bei Menlahie, 35 Kilometer
östlich des umlagerten Ortes, von den Türken nicht nur zum
Stehen gebracht worden, sondern die Truppen des Generals
Aylmer wurden auch unter den schwersten Verlusten einige
Kilometer zurückgetrieben. Die Engländer wurden derart
geschwächt, daß sie um einen Waffenstillstand zur Beerdigung
ihrer Toten bitten mußten. Gewiß gaben sie ihre
Entsatzversuche noch nicht auf: ihre Offensive hatte sich in
breiter Front auf beiden Seiten des Tigris entwickelt,
verfügte also über bedeutende Kräfte. Gleichwohl wurde der
schwere Mißerfolg Aylmers in London hart empfunden. Die
Gefahr, daß die in Kut-el-Amara eingeschlossene Kolonne
Townshend doch noch kapitulieren mußte, wuchs jetzt. Die
englischen Truppen kämpften schon seit einiger Zeit mit Mangel
an Lebensmitteln; der neue türkische Sieg aber machte die
Hoffnung auf Entsatz wenigstens vorläufig zuschanden. Wir
hörten nichts davon, daß Townshend den Versuch gemacht hätte,
sich durch einen Ausfall den Weg zu der ja nur etwa anderthalb
Tagemärsche entfernten Kolonne Aylmer zu bahnen. Wir durften
daraus schließen, daß die Osmanen dort über Kräfte verfügten,
die den Eingeschlossenen jeden Ausfall als aussichtslos
erscheinen ließen. Zugleich hörten wir auch, daß eine
englische Kolonne, die westlich von Korna, also auf dem linken
Tigrisufer und südwestlich Kut-el-Amara, vorging, offenbar um
türkische Truppen vom Hauptkampfplatz abzuziehen,
zurückgeschlagen wurde. Unsere osmanischen Verbündeten waren
offenbar gerüstet, auch weitere Offensivversuche des Feindes
anzuhalten, und das ließ uns mit Zuversicht auf den Fortgang
der Kämpfe im Irak blicken.
Meldungen vom 30. Dezember 1915 aus Kairo besagten, daß in
den letzten Tagen dort wiederum sehr beunruhigende Nachrichten
aus Aden eingetroffen waren, nach denen sich die Engländer
dort in einer arg bedrängten und gefährdeten Lage befanden,
was durch die englischen Offiziere bestätigt wurde. In Suez
wurde eiligst eine Brigade australischer und indischer Truppen
zusammengestellt und nach Aden verladen. Aus den zuverlässigen
Aussagen verwundeter englischer Offiziere ging hervor, daß
Aden von der Landseite her von zahlreichen starken, gut
ausgerüsteten Araberstämmen und von geringen türkischen
regulären Streitkräften belagert wurde. Nur eine wirksame
Unterstützung der vielen englischen Kriegsschiffe bewirkte,
daß die Stadt heute noch in den Händen der Engländer war. Die
Engländer wurden aber in der Stadt selbst bedrängt. Zahlreich
ereigneten sich Anschläge auf hohe englische Militärpersonen.
Ein Munitionslager entzündete sich, was größeren militärischen
Schaden sowie den Tod vieler Soldaten zur Folge hatte. Araber
und Türken säuberten unter erfolgreichen Kämpfen die ganze
südarabische Küste und die Küste des Jemen vollständig von den
Engländern. Ein verwundeter englischer Major erklärte, daß zu
Beginn des Krieges der Engländer gegen die Türkei die
Engländer über 250 Kilometer in Südarabien und im Jemengebiet
besetzt hielten. Dieses riesige »Schutzgebiet« war bis auf
Aden verlorengegangen. Alle Araberscheiks mit ihren Anhängern
waren ohne Ausnahme zu den Türken übergegangen. Mit den
englischerseits gelieferten Waffen kämpften die früher
englandfreundlichen Stämme gegen die Engländer sehr
erfolgreich. 20 000 verwundete Engländer und Indier wurden
nach Aegypten oder in ihre Heimat geschafft. Der Major schloß:
Der englische Traum eines großen arabischen Schutzgebietes hat
ein bitteres Ende gefunden.
Der amtliche Bericht vom 28. Januar lautete: »An der
Irakfront keine Veränderung. An der Kaukasusfront griff das
Zentrum des Feindes unsere Vorpostenstellungen an, wurde aber
mit Erfolg zurückgeschlagen; einige Gefangene blieben in
unserer Hand. An der Dardanellenfront trafen drei von unseren
Flugzeugen am 27. Januar auf einen Monitor geworfene Bomben,
der erfolglos in Richtung auf Akbache feuerte, die hintere
Brücke des Schiffes und riefen eine Feuersbrunst hervor. Der
in Flammen stehende Monitor konnte sich mit Mühe in die Bai
von Kephalos auf der Insel Imbros flüchten. Unsere Flugzeuge
verfolgten ein feindliches Kriegsschiff und drei feindliche
Torpedobootzerstörer, die dem Monitor zu Hilfe gekommen waren.
Sie trafen dabei einmal einen Torpedobootzerstörer. Eins
unserer Flugzeuge warf mehrere Bomben auf einen großen
feindlichen Transport in der Bai von Kephalos.«
Flieger-Oberleutnant Buddecke brachte mehrere feindliche
Flugzeuge an den Dardanellen zum Absturz. Ein von Leutnant Ali
Riza Bey geführtes Flugzeug (Beobachter Orkhan Bey) brachte an
einem Tage zwei feindliche Flugzeuge bei Sedd-ul-Bahr zum
Absturz.
Am nächsten Tage hieß es: »An der Irakfront keine wichtige
Veränderung. In der Umgebung von Felahie vernichteten wir
durch unser Feuer aus einem Hinterhalt eine feindliche
Aufklärungsabteilung von 16 Mann vollständig. In dieser Gegend
nahmen die persischen Freiheitskämpfer dem Feinde 1000 Kamele
ab. An der Kaukasusfront finden Vorpostengefechte weiter zu
unseren Gunsten statt. Im Zentrum nahmen wir durch einen
überraschenden Angriff die vom Feinde mit starken Kräften
besetzte Stellung zurück. An der Dardanellenfront warf gestern
ein feindliches Panzerschiff einige Granaten gegen die
Umgebung von Sedd-ul-Bahr und zog sich sodann zurück.«
Die türkische Telegraphen-Agentur gab ferner bekannt: »Die
russischen Berichte vom 26. Januar und die vor diesem Tage
veröffentlichten, die von der Kaukasusfront stammen, sind
falsch und tendenziös entstellt. Die Tapferkeit und die
Aufopferung, die unsere Soldaten vom 27. Dezember ab gegenüber
überlegenen Kräften in den Kämpfen Mann gegen Mann, die acht
Tage dauerten, in den Stellungen zwischen den Flüssen Aras und
Id gezeigt haben, die Tatsache, daß der Feind große Verluste
erlitten hat, ohne daß wir von den Flügeln her infolge des
Schnees und des sehr heftigen Frostes Unterstützung empfangen
konnten, und daß Schlachten auf vier hintereinander folgenden
Linien geliefert worden sind, in Uebereinstimmung mit den
gegebenen Befehlen, und auch der Rückzug gegen Erzerum, der
sich so regelmäßig vollzog, das sind in Wirklichkeit Taten
eines Heldentums, würdig, eingereiht zu werden in die
Ehrenblätter der Kriegsgeschichte. Die Niederlagen, welche die
Russen gegenwärtig erlitten haben, ebenso wie der Widerstand,
den sie gegenwärtig vor unseren Stellungen östlich von Erzerum
finden, müssen ihre ersten aufgebauschten Meldungen
dementieren, die, entgegen der Wirklichkeit der Tatsachen, den
regelrechten Rückzug unserer Truppen, eine einfache Folge
unserer Stellung, als eine regellose Flucht darstellen
wollten. Wir haben die feste Ueberzeugung, daß die moralische
Ueberlegenheit, von der unsere Truppen zu allen Zeiten den
Beweis erbracht haben, über die rein numerische Ueberlegenheit,
die übrigens nur vorübergehend ist, den Sieg davontragen wird,
und daß die erste sicher die zweite ergebnislos lassen wird.
Das Zentrum unseres Heeres befindet sich jetzt 15 Kilometer
östlich von Erzerum, während wir in den anderen Teilen unsere
erste Stellung behaupten.«
Der Hauptmarktplatz von Tirana. Tirana liegt etwa 8 Stunden
von der Küste entfernt Die Stadt ist kulturhistorisch wie
landschaftlich wohl die schönste und interessanteste Stadt
Albaniens.