Javad Shayvard

Göttliche Gerechtigkeit

oder
Das Problem des Bösen

Javad Shayvard

 

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Ordnung des Daseins

Es gibt zwei Ordnungen in den Lebewesen und Dingen der Welt. Wir könnten sie Längsordnung und Diagonalordnung (Transversale) nennen. Die Längsordnung ist der Platz der Dinge in der Kette von Ursache und Wirkung innerhalb der Schöpfung. In der Sprache des Glaubens: die Engel, das Buch Allahs (Qur'an), die das Maß Verkürzenden, die Feder und so fort, alle zeigen eine gewisse Ordnung, eine Reihenfolge oder Anordnung im Dasein. Diese Ordnung ist nicht formal, aber notwendig. Denn in dieser Ordnung kann sich die Flamme eines Streichholzes nicht mit der Sonne messen, und die Umwandlung von etwas, was möglich ist in etwas Notwendiges ist nicht denkbar. Eine Ursache kann ihren Platz nicht mit ihrer eignen Wirkung tauschen - nicht zur selben Zeit und am selben Ort. Alle Fehler, die wir machen (mit der Frage), warum dies nicht anstelle von dem hätte sein können, oder warum etwas Unvollkommenes nicht etwas Vollkommenem Platz machen kann, kommen daher, dass wir die notwendige und essentielle Beziehung der Dinge zueinander nicht verstanden haben. Wir vergleichen die existenzielle Ordnung mit konventionellen Ordnungen und sozialen Strukturen. Wir denken, wenn wir einen Unternehmer mit seinem Arbeiter austauschen können oder einen Gutsherrn mit einem Bauern, warum könnte dann nicht ein Schaf ein Mensch gewesen sein. Wenn die ausgebeuteten Arbeiter und das Proletariat im Klassenkampf und festem Glauben die reichen Ausbeuter besiegen und an deren Stelle treten können, warum hätte dann Gott nicht aus einem Lahmen einen kraftstrotzenden Athleten machen können. Das ist unmöglich, denn dass die Ursache eine Ursache und die Wirkung eben Wirkung ist, ist weder konventionell noch formal. Wenn 'A' die Ursache von 'B' ist, dann deshalb, weil es in der Natur von 'A' etwas gibt, das es zur Ursache gemacht hat. Ebenso hat die besondere Eigenart (Spezifikation) von 'B' es mit 'A' in Verbindung gebracht, und diese Spezifikation ist nichts anderes als eben die Eigenschaften, durch die 'B' existiert. Diese besonderen Eigenschaften sind real und nicht konventionell oder umwandelbar. Nehmen Sie die Zahl 5. Sie kommt nach der 4 und vor der 6. Man kann 5 nicht irgendwo sonst hinsetzen, ohne dass es seine Identität verliert. Wenn Sie es, sagen wir, vor die 4 setzen, wird es zu einer 3, auch wenn Sie es 5 nennen. Sie können die Realität oder Identität von 3 nicht ändern, indem Sie den Namen ändern.

Zwischen allen Geschöpfen des Universums besteht eine so tiefe und existentielle Ordnung. Wenn Sie irgendetwas von seinem existentiellen also ursprünglichen Platz fortnehmen, wird es seine Substanz verlieren und nicht mehr dasselbe sein. Wenn Sie einem Dreieck vier Seiten geben statt drei, ist es kein Dreieck mehr: Tatsächlich ist es dann ein Viereck. Bei Ibn Sina (Avicenna) findet sich dazu ein schöner Ausspruch. Er sagte: "Gott hat nicht aus Aprikosen Aprikosen gemacht, sondern Er hat Aprikosen erschaffen." Das soll heißen, dass es keine Entwicklungsstufe gab, in der alle Früchte gleich waren, und dann machte Gott Unterschiede zwischen ihnen. Jede Frucht ist einmalig und einzig. Diese Einzigartigkeit ist ebenso auf unterschiedliche Wesen und Personen anwendbar. Im Qur'an heißt es:

"... Unser Herr ist Der, welcher jedem Ding seine Natur gegeben hat und es leitet." (Heiliger Qur’an 20:50)

An anderer Stelle heißt es:

"Unser Wort zu einem Ding, so wir es wollen, ist nur, daß Wir zu ihm sprechen: "Sei!" und so ist es." 9 (Heiliger Qur’an 16:40)

Lassen Sie uns nun zur Diagonalordnung übergehen: Die diagonale oder transversale Ordnung bestimmt die zeitlichen und materiellen Voraussetzungen eines Phänomens. Und eben diese Ordnung gibt der Geschichte eine definitive und bestimmte Form. Der Qur'an spricht von dieser Ordnung des Daseins so:

"... und nimmer findest du in Allahs Brauch einen Wandel." (33:62)

Einige dieser deterministischen Gesetze werden im Qur'an erwähnt, wie dieses Gesetz:

"Siehe, Allah verändert nicht die Lage eines Volkes, bevor es nicht selbst seine eigene Lage ändert." (Heiliger Qur’an 13:11)

Ein wunderbarer Satz aus einem wunderbaren Buch.

Fassen wir nun diesen Abschnitt zusammen:

Das Universum hat Ordnungen und notwendige Gesetze, und jedes Phänomen befindet sich innerhalb dieses Systems. Auch unsere Freiheit ist in Harmonie mit diesem System.

Damit das Universum eine Ordnung haben kann, muss es Unterschiede geben und Entwicklungsphasen; und darin liegt die Ursache der Unvollkommenheiten.

Unterschiede werden nicht erschaffen. Sie sind ein notwendiges Merkmal der Geschöpfe, und Gott hat zwischen den Geschöpfen keinen Unterschied gemacht (Er kennt keine Bevorzugung oder Benachteiligung).

Was gegen die Gerechtigkeit geht, ist Diskriminierung, und nicht Unterscheidung. Im Universum gibt es Unterschiede, nicht aber Diskriminierung.

Nachdem wir nun diesen Abschnitt verstanden haben, wollen wir uns dem Segen (oder Nutzen) des Leids für den Menschen wieder zuwenden.

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