Gott und die Welt

Gott und die Welt

 Ayatollah Beheschti

Der lebendige Gott

Ein Wesen, das Vernunft, Begabung und einen Willen besitzt, ist auch lebendig und zwar auf hochentwickelter Existenzstufe. Daher wird oft “bewusstes Bemühen“ als Zeichen von Leben gesehen, beim Einzelnen wie in der Gesellschaft. Fragt man sich, welches Volk “lebendiger“ ist, so ist dies anhand der Werke und dem “bewussten Bemühen“ eines jeden Volkes zu ermessen. Unter allen Lebewesen lebt der Mensch auf höchster Entwicklungsstufe, kann er stärker als jedes andere Wesen durch “bewusstes Bemühen“ auf sein Leben einwirken.

Dasjenige Wesen nun, dessen “bewusstes Bemühen“ in höchstem Maß erfolgt und besser ist als jedes andere Wesen, ist Gott. Daher ist Gott lebendig und zwar auf höchster Stufe von Leben, Er ist absolutes Leben und ebenso absolut lebend.

„Er ist der Ewiglebende!“ (Heiliger Qur´an 40:65)

den niemals der Tod befällt,

„Und vertraue auf den Lebendigen, Der nicht stirbt und erhebe Seine Herrlichkeit in Lobpreisung...“ (Heiliger Qur´an 25:58).

Er ist immer “wach“ und ermüdet nie:

„Allah - es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Lebendigen, dem aus Sich Selbst Seienden und allerhaltenden Schlummer ergreift Ihn nicht noch Schlaf...“

(Heiliger Qur´an 2:255 siehe auch 3:2).

Das in diesem Vers verwendete Wort “qayyum“ hat die selbe Wortwurzel wie “qiyam“ in der Bedeutung von “aufstehen“, “aufrecht sein“. “Qa’im“ ist Partizip Präsens und bedeutet “stehend“ und “aufrecht“, daher heißt “qayyum“, die intensive Form des Partizips Aktivs, dementsprechend “gerade aufrecht“ oder “ewig aufrecht“. Interpreten haben sich über diese Eigenschaft Gottes im Heiligen Qur´an unterschiedlich geäußert:

Tabarsi[1] schreibt in seinem Werk “Madschma-ul-Bayan“: “Qayyum bedeutet, dass Er sich der Instandhaltung der Schöpfung widmet, sei es, indem Er zu Beginn die Geschöpfe schuf oder dass Er sie mit dem Nötigen versorgt;“ auch an anderer Stelle heißt es ähnlich: „Es lässt sich kein Wesen auf dieser Erde finden, es sei denn, dass dessen Unterhalt Gott obliegt. Von Qatada wird überliefert, dass er “qayyum“ als „über alle Angelegenheiten Wissender“ verstanden sehen will. Said ibn Chabir und Zahak interpretieren “qayyum“ in der Bedeutung von „ewig existent“, Hasan Basri als „über alle Köpfe Stehender/Wachender“. Das Wort kann für alle drei Bedeutungen stehen...“[2]

In philosophischen Abhandlungen wird “qayyum“ folgendermaßen interpretiert: Was auf eigenen Füßen steht und dessen Existenz von nirgendwo anders entnommen ist, anderen Leben schenkt und sie am Leben hält - wir sind aufrecht [qaim] (am Leben) durch Dich wie Du aufrecht [qaim] (am Leben) bist durch Dich.

Sadr al-Muta'allihin hat sich eben dieser Auslegung angeschlossen und ausführlich dazu Stellung genommen: „“Qayyum“ ist derjenige, der so sehr aufrecht am Leben ist, dass Er ebenso das am Lebensein anderer Wesen bedingt.“ [3]

Sayyid Qutb schreibt zu “qayyum“: „Was nicht nur die Wesen geschaffen hat, sondern auch sie am Leben erhält.“ [4]

Allama Tabatabai schreibt in “Al-Mizan“ (2:347,348) so ähnlich wie es von Tabarsi von Qatada zitiert wird.

Meiner Meinung nach wird aufgrund des nachfolgenden Verses (2:255) die Übersetzung „immer aufrecht/immer wachsam“ dem Wort “qayyum“ am besten gerecht. “Qayyum“ vervollständigt und ergänzt gleichsam die Eigenschaft des “Lebendigen“.

Wie wir wissen, benötigen alle lebenden Wesen auf dieser Erde Schlaf zum Leben. Der Schlaf geht im Allgemeinen mit dem Erschlaffen der körperlichen und geistigen Kräfte einher. Er dient der Erneuerung der Kräfte. Im Schlaf befindet sich ein Teil der Kräfte, besonders die der sinnlichen Wahrnehmung und der motorischen Bewegung, im Ruhestand. Der Heilige Qur´an sagt, Gott ist ein absolut Lebendiger, in dessen Wissen nicht das geringste Anzeichen von Ermüdung eintritt:

„... Schlummer ergreift Ihn nicht, noch Schlaf. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist. Wer ist es, der bei Ihm fürbitten will, es sei denn mit Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen ist und was hinter ihnen; und sie begreifen nichts von Seinem Wissen, außer was Ihm gefällt. Sein Wissen umfasst die Himmel und die Erde; und ihre Erhaltung beschwert Ihn nicht; und Er ist der Erhabene, der Große.“

(Heiliger Qur´an 2:255)

Die Verse 2:117, 3:47, 16:40, 19:35 und 40:68 enthalten ähnliche Aussagen.

Im oben genannten Vers liegt der Hauptakzent auf dem allumfassenden Wissen und Seiner Macht, die Zeichen Seiner ewigen Wachsamkeit sind.

[1] Fadhl ibn Hasan al-Tabarsi, besser bekannt als Scheich Tabarsi, war im 12. Jh. n.Chr. ein Gelehrter im persischsprachigen Raum.

[2] Madschma-ul-Bayan , Band 2:362

[3] Tafsir Mulla Sadra 305, 306

[4] Fi Zilal-il-Quran 1:419

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