Einheit in der Gottesverehrung
Der Begriff “Einheit in der
Gottesverehrung“ [tauhid al-ubudiyya] bezeichnet jene
Dimension der islamischen Einheit, die das Bewusstsein des
Gottesknechtes [abd] bei der Erfüllung seiner religiösen,
rituellen und gesellschaftlichen Verantwortung bestimmt und
sein gesamtes Denken, Fühlen und Handeln als einzige Verehrung
Gottes begreift.
Der Glaube an die Einheit in der
Schöpfung und Aufrechterhaltung der Weltordnung bedingt die
Einheit in der Gottesverehrung. Wenn der Glaube existiert,
dass für alle Angelegenheiten dieser Welt niemand und nichts
außer Gott zuständig ist, dass niemand von sich aus etwas
gegen Seinen Willen auszurichten vermag, dass jeder nur eben
jene Funktionen auszuüben imstande ist, die ihm der Schöpfer
aufgetragen hat und die Einsicht besteht, dass alle
Erscheinungen dieser Welt – die Sonne, der Mond, die Sterne,
die Wolken, der Wind und der Regen, Donner und Blitz, Wasser
und Erde, Dschinn (Geistwesen) und die Engel ... alle Seinem
Befehl unterstehen, dann kann die Verehrung oder Anbetung
aller von Gott abhängigen Dingen keinen Sinn haben.
„Oh ihr Menschen, dienet eurem Herrn,
Der euch erschuf und die, die vor euch waren, auf dass ihr
beschirmt seid; Der die Erde gemacht hat zu einem Bette für
euch und den Himmel zu einem Dach und Wasser hat hernieder
regnen lassen von den Wolken und damit Früchte für euren
Unterhalt hervorgebracht hat. Stellt Allah daher keine Götter
zur Seite, denn ihr wisst es doch.“ (Heiliger Qur´an
2:21-22)
„Schöpfer der Himmel und Erde! Wie
sollte Er einen Sohn haben, wo Er keine Gefährtin hat und wo
Er alles erschuf und alle Dinge weiß.“ (Heiliger Qur´an
6:101)
„Unter Seinen Zeichen sind die Nacht
und der Tag und die Sonne und der Mond. Werfet euch nicht vor
der Sonne anbetend nieder und auch nicht vor dem Mond, sondern
werfet euch anbetend nieder vor Allah, Der sie erschuf, wenn
Er es ist, Den ihr verehrt.“ (Heiliger Qur´an 41:37)
„Und doch gibt es Leute, die sich
andere Gegenstände der Anbetung setzen denn Allah und sie
lieben wie die Liebe zu Allah. Doch die Gläubigen sind stärker
in ihrer Liebe zu Allah ...“ (Heiliger Qur´an 2:165)
Verehrung und Anbetung, zumal dann, wenn
sie aus der Abhängigkeit und Bedürftigkeit heraus geschieht,
gebührt nur Gott, denn es ist einzig Er, Der unsere
Bedürfnisse zu erfüllen vermag.
„Sprich: „Sollen wir statt Allah das
anrufen, was uns weder nützt noch schadet,“ ...“ (Heiliger
Qur´an 6:71)
Und wenn Verehrung aus der Position des
Unvollkommenen gegenüber dem Vollkommenen erfolgt, kann
Verehrung nur in Bezug zu Ihm stehen, denn nur Er ist es, Dem
diese Liebe gebührt:
„Aller Preis gehört Allah, dem Herrn
der Welten, Dem Gnädigen, dem Barmherzigen, Dem Meister am
Tage des Gerichts. Dir allein dienen wir und zu Dir allein
flehen wir um Hilfe.“
(Heiliger Qur´an 1:2-5)
Auch in anderen Religionen besteht der
Glaube an einen allmächtigen Gott, der die Welt geschaffen hat
und über allem steht. Da wird davon ausgegangen, dass kein
anderes Wesen mit dem ursprünglichen Schöpfer, dem sogenannten
„Gott der Götter“ zu messen sei, daher sei Er in dieser
Eigenschaft einzigartig und ohne Seinesgleichen.
Aber die qur´anische Vorstellung von
“Tauhid“ (Einheit) gibt sich mit diesem Verständnis der
“Einzigartigkeit Gottes“ nicht zufrieden. Der Schöpfer des
Ursprungs ist nicht “Gott der Götter“, Kaiser über alle
Könige. Vielmehr ist nur Er der einzige Gott, der keine
Partner an der Seite hat. Daher finden wir in anderen
Religionen, dass der Glaube an die Einzigartigkeit des
Schöpfers mit dem Götzendienst und der Huldigung weiterer
Gottheiten Hand in Hand geht. Demgegenüber kann aus
qur´anischer Sicht erst dann die Rede von wahrer Einheit und
der Überzeugung der “Einzigartigkeit“ Gottes (Tauhid) sein,
wenn sich die Auswirkung dessen in der Praxis, das heißt in
der Gottesverehrung und im Gehorsam gegenüber dem Schöpfer
zeigt.
„Aller Preis gehört Allah, dem Herrn
der Welten, ...“ Zur Verdeutlichung der Bedeutung des
Tauhid im Qur´an und speziell in diesen obigen Versen seien
einige Zeilen aus der Awesta zitiert:
„Oh Ahura Mazda, beschere mir mit
Hilfe Ordibeheschts, der den reinen und guten Menschen Segen
bringt, den Erfolg auf dieser irdischen Welt und im Paradies,
der ich mich in guter Absicht zu dir wende! ... Oh
Ordibehescht, dich und Bahman und Ahuramazda und Sepandarmaz,
die den Reinen und Gläubigen eine ewige Stätte im Paradies
bescheren, lobpreise ich auf neue Weise, dass ihr mir zur
Seite stehen möget, wo ich eure Hilfe erbitte!“
„Oh Ordibehescht, gib Goschtasab
Gewinn und Lohn und die Heiterkeit guten Gemüts! Oh
Sepandarmaz, erfülle ihm seine Wünsche und Bitten! Oh Mazda,
oh König, lass deine Hilfe deinem Propheten zuteil kommen,
dass er dich mit der Hymne deiner Verehrung preise!“
Es ist
schon richtig, dass das Awesta “Ahuramazda“ als den großen
Gott vorstellt, dem alles gehört und der weder “Ahriman“ noch
“die Engel der Welt“ (Mhanfereschtegan) seiner ebenbürtig
weiß. Aber da, wo es um Anbetung geht, sollen Ahuramzda,
Bahman, Ordibehescht und Sepandarmaz die Bitten der Menschen
erhören. Obwohl die altpersische Religion des Zoroastrismus
den Glauben an den einen Schöpfer Gott beinhaltet, stellt sie
in der Anbetung diesem Gott noch andere Götter zur Seite. Und
genau das ist es, was der heilige Qur´an mit solcher
Deutlichkeit ablehnt.