Wesenseinheit
„Haben sie sich Beschützer genommen
statt Ihm? Doch Allah ist der Beschützer. Er macht die Toten
lebendig und Er vermag alle Dinge zu tun. Und über was immer
ihr uneins seid, die Entscheidung darüber ruht bei Allah. Das
ist Allah, mein Herr; auf Ihn vertraue ich und zu Ihm wende
ich mich. Der Schöpfer der Himmel und der Erde - Er hat aus
euch selbst Gefährten für euch gemacht und Gefährten aus den
Tieren. Dadurch vermehrt Er euch. Nicht gibt es Seinesgleichen
und Er ist der Allhörende, der Allsehende. Sein sind die
Schlüssel der Himmel und Erde. Er weitet und beschränkt die
Mittel zum Unterhalt, wem Er will. Wahrlich, Er weiß alle
Dinge wohl.“
(Heiliger Qur´an 42:9-12)
Dieser Vers betont, dass es Gott ist, Der
die Obhut für alles trägt. Nichts ist Ihm gleich, Gott ist ein
Wesen ohne Seinesgleichen.
„Sprich: „Er ist Allah, der Einzige;
Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte. Er zeugt
nicht und ward nicht gezeugt; und keiner ist Ihm gleich“.“
(Heiliger Qur´an 112)
Was mit “ohne Seinesgleichen“
gemeint?
Islamische Gelehrte wollen damit die
Wesenseinheit ausgedrückt wissen, um die es auch in der
Philosophie und Mystik so häufig geht. Was ist nun damit
gemeint? Wenn wir behaupten, „Gott ist Einer“, dann
meinen wir, dass Gott eine Existenz ist, in seinem Wesen
einzig und ohne Seinesgleichen, dem jegliche Pluralität fremd
ist und fremd bleibt. Sogar auf abstrakter Ebene können wir
uns Sein Wesen in keiner dualen Form vorstellen. Denn Seine
Einzigkeit liegt in Seiner existentiellen Realität begründet.
Tauhid (Einheit) stellt die Voraussetzung für die Existenz
Seines Wesens dar.
Wie werden wir die Einzigartigkeit Gottes
verstehen, wenn wir uns von “Gott“ eine konkrete Vorstellung
machen? Wenn wir das tun, gelangen wir folgerichtig zu dem
Ergebnis, dass, wenn es einen Gott gibt, Er Einer sein kann,
nicht zwei oder mehrere, denn Sein Wesen lässt sich nicht mit
Dualität und Pluralität vereinbaren.
Stellen wir uns eine Linie im Raum vor
und nehmen wir an, die Linie setzt sich in beide Richtungen
unendlich fort. Denken wir uns nun eine weitere Linie im Raum,
parallel zu der ersten in einem Abstand von einem Meter, die
ebenfalls unendlich in beide Richtungen verläuft. Nichts ist
dagegen einzuwenden, uns eine zweite Linie parallel zur ersten
vorzustellen, denn parallel bedeutet ja nichts weiteres, als
dass der Abstand von jedem Punkt der zweiten Linie zur ersten
der gleiche ist, so dass sie einander auch im Unendlichen
nicht schneiden. Davon abgesehen, ob es praktisch möglich ist
oder nicht, können wir von der Existenz zweier solcher Linien
ausgehen.
Jetzt wollen wir auf einen Körper schauen
und annehmen, dass er sich ständig vergrößert. In allen
Dimensionen (Länge, Breite und Höhe) nimmt er unendliche Maße
an. Ist es möglich, einen weiteren Körper im Raum anzunehmen,
der sich ebenfalls in jede Richtung unendlich ausweiten würde?
Selbstverständlich nicht. Denn der erste Körper hat ja bereits
den vorhandenen Raum ausgefüllt, es ist kein weiterer Platz da
für einen neuen Körper, ob endlich oder unendlich. Demnach
können wir uns im Raum keine zwei Gegenstände vorstellen, die
innen nicht hohl und in jeder Hinsicht unendlich sind. Jeder
Körper, den wir uns vorstellten, wäre eben der erste. Ein
unendlich großer Körper schließt die Annahme eines weiteren
unendlich großen Körpers aus.
Aber wie steht es mit einer unendlichen
“außergegenständlichen“ Existenz, so zum Beispiel einem
unendlich großen Geistwesen, das den unendlichen Körper
ausfüllen könnte? Das wäre möglich. Nun stellen wir uns ein
weiteres Wesen vor, das in jeder für die Existenz nur
möglichen Dimension eine unendliche Größe annimmt. Ist es
möglich, bei dieser Art von Existenz von zwei oder mehreren
auszugehen? Sicher nicht. Denn wenn wir annehmen, dass es zwei
davon gibt, dann muss jede von beiden Existenzen eine andere
als die erste sein und somit zumindest eine “endlich“ im
Vergleich zur anderen sein. Somit aber könnten nicht beide
unendlich sein.
Auf diese Weise ist sich vorzustellen,
dass Gott nur eine einzige Existenz und Wesenseinheit sein
kann, ohne Seinesgleichen, eine Existenz, der grundsätzlich
jegliche Dualität und Pluralität unmöglich sind.