Gott und die Welt

Gott und die Welt

 Ayatollah Beheschti

Wille und Vorherbestimmung

Ist nicht das Schicksal jedes Menschen seit Anbeginn der Existenz festgeschrieben? Oder ist Gottes Wille und was durch Ihn bestimmt ist, veränderlich? Liegt darin der Grund, warum Er uns zur Arbeit und zum ständigen Einsatz anhält?

Ohne Zweifel ist es von Anbeginn Gottes Wille, dass sich der Mensch sein Leben nach eigenen Wünschen und freier Entscheidung gestaltet. Über die Bedeutung des Bittgebets lässt sich Ähnliches feststellen: Gott und Sein Wille sind zwar unveränderlich, aber derselbe Gott hat vorgesehen, dass ein großer Teil der irdischen Existenz einem ständigen “Werdeprozess“ unterworfen ist. Auf diese Weise kommen unter Einwirkung vorausgehender Phänomene ständig neue Phänomene zustande. Dadurch kann ich durch mein Wirken oder eben mein Bittgebet – was selbst eine Form des Wirkens ist – auf den Werdeprozess Einfluss ausüben, wobei es eben der Wille Gottes ist, meinem Bemühen die benötigte Kraft (Einfluss auszuüben) zu verleihen.

Gott, Sein Wissen und Sein Wille existieren seit Anbeginn. Trotzdem treten jeden Augenblick neue Phänomene in Erscheinung, für dessen Zustandekommen ich, mein Wille, meine Aktion und mein Bittgebet von Entscheidung sind:

„Es bittet Ihn, wer in den Himmeln ist und auf Erden. Jeden Tag befindet er sich im Einsatz.“ (Heiliger Qur´an 55:29)

Wenn du dich auch in noch so großer Not befindest, solltest du nicht verzagen und alle Hoffnung aufgeben. Fass Mut und gib dein Bestes, denn du kannst nie mit Gewissheit voraussehen, dass es für dein Problem keinen Ausweg gibt.

„Er ist tagtäglich in jeglichem Einsatz.“ (Heiliger Qur´an 55:29)

Wie kannst du dich dann geschlagen geben? Schon morgen kann alles wieder anders aussehen!

Im Heiligen Qur´an gibt es viele Beispiele für Geschehnisse außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft. Da erfahren wir von den wundersamen Hilfen, die Moses zuteil kommen (Heiliger Qur´an 20:25-36) oder von der Erfüllung der Bitte des betagten Zacharias um einen Nachkommen, obwohl seine Frau unfruchtbar ist (Heiliger Qur´an 19:2-9).

Allein durch diese Beispiele wird deutlich, dass aus der Sicht des Heiligen Qur´an das Bittgebet ein wirksames Mittel darstellt: Wie der Schöpfer dieser Welt innerhalb der Ordnung von Ursache und Wirkung dem Licht, der Temperatur, der Elektrizität, der Gravitation usw. eine Rolle zugeteilt hat, oder bestimmte Pflanzen mit besonderer Heilkraft versehen hat usw., so hat Er auch dem Bittgebet unter bestimmten Umständen eine besondere Rolle zugeordnet. Die Wirkung des Bittgebets ist sicher nicht ausschließlich psychischer Art, worüber vieles heute noch unbekannt ist. Das Bittgebet hält im Menschen die Hoffnung lebendig, hilft ihm, seinen Willen zu stärken und in ihm schlummernde Energien freizusetzen.

Bittgebete üben auch in anderen Religionen eine ähnliche Funktion aus. Nicht nur in semitischen, sondern auch in zoroastrischen Quellen begegnen wir diesem Phänomen. Die Awesta[1]; sagt über das Bittgebet: „Oh Ahura Mazda[2], erfülle denen, die wissend sind und über deren Aufrichtigkeit und Bescheidenheit du Bescheid weißt, ihre Wünsche. Ich weiß, dass die Bitte eines Tugendhaften an dich erhört wird.“ [3]

Diese Bittgebete unterscheiden sich von den qur´anischen jedoch darin, dass sie nicht ausschließlich an den Schöpfer dieser Welt gerichtet sind. Der Heilige Qur´an gebietet uns, allein Ihn um Hilfe zu rufen und uns davor zu hüten, unsere Bitten an andere außer Ihn zu richten. Denn wer immer es sein mag, niemand kann eine Entscheidung treffen, einem anderen Wesen etwas zu geben oder zu nehmen, es sei denn durch sein Geheiß:

„Sprich: „Ich rufe einzig meinen Herrn an und stelle Ihm niemanden zur Seite“.“ (Heiliger Qur´an 72:20)

[1] Das Awesta ist das heilige Buch der Religion Zoroastrismus. Es besteht aus einer Sammlung verschiedener Texte.

[2] Ahura Mazda ist im Zoroastrismus der Schöpfergott.

[3] Awesta 34:10

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