L10 - Die Bedingungen für ein ideales Objekt der Anbetung
Der Herr der Welten wird im Koran mit all den Konditionen
beschrieben, die Ihn zu einem idealen Objekt der Anbetung
machen. Er ist der Erschaffer der Liebe, aller Formen der
Schönheit, der Urheber jeglicher Form von Energie und Kraft.
Er ist der gewaltige Ozean auf dessen Oberfläche der
schwimmende Intellekt von einer schwachen, kleinen Welle hin
und hergeworfen wird, gleich einem Spielball. Er ist es, der
die Himmel vor dem Einstürzen und die Erde vor dem
Zusammenbruch bewahrt. Wenn Er, für einen Augenblick Sein Auge
der Barmherzigkeit schließen würde oder sich von der Welt
abwenden würde, das ganze Universum würde zerstört werden und
zu Staub verfallend ins Nicht-Sein rasen. Die Existenz und das
Überleben jedes Atoms dieses Universums sind von Ihm abhängig.
Er erweist alle Gaben und alles Glück. Mehr noch, Er
besitzt uns und kann uns ungehindert vernichten. Erst mit
Seinem Befehl „Sei“, kommt ein Geschöpf in die Existenz.
Die Substanz der Wahrheit und Realität leiten sich von
Seiner Essenz ab. Und Freiheit, Gerechtigkeit, andere Tugenden
und Perfektionen beruhen auf Seinen strahlenden Attributen.
Ein Flug zu Ihm, sich Seiner Schwelle nähern zu dürfen,
gleicht dem Erlangen aller erdenklicher Wünsche in ihrer
höchsten Form. Wer immer sein Herz Gott schenkt, gewinnt einen
liebevollen Gefährten und einen guten Freund. Jemand, der sich
auf Ihn verlässt, legt seine Hoffnung auf ein festes
Fundament, wogegen jene, die ihr Herz an etwas Anderem als
Gott hängen, der Illusion anheim fallen, denn ihr Fundament
ist auf Wind gebaut.
Wenn Er selbst von der geringfügigsten Bewegung weiß, die
irgendwo in Seiner Schöpfung stattfindet, kann Er für uns auch
einen Weg bestimmen, der uns zum Glück führt. Er legt eine Art
zu Leben für uns zugrunde und ein System der menschlichen
Beziehungen, die mit den Normen konform sind, die Er in der
Ordnung für Seine Schöpfung etablierte. Ihm sind schließlich
unsere wahren Interessen bewusst und als logische Konsequenz
Seiner Göttlichkeit ist es Sein alleiniges Recht, uns Wege
aufzuzeigen. Nach Seinem vorgelegten Programm zu leben, ist
die einzige Garantie für unseren Aufstieg hin zu Ihm.
Wie ist es möglich, dass der Mensch so auf Wahrheit und
Gerechtigkeit versessen ist, dass er bereit ist, für diese
sein Leben zu opfern, gleichzeitig aber nicht das Bewusstsein
vorhanden ist, was deren Quelle und Ursprung sein könnte?
Wenn ein Sein es wert ist, vergöttert zu werden, kann
dieses niemand anderes sein als der Schöpfer. Denn keine Sache
und keine Person haben diesen Rang, als dass sie die
Lobpreisung und den Dienst des Menschen verdienten. Alle Werte
außer Gottes, fehlt es an Absolutheit und Vorrang und sie
bestehen weder in sich selbst noch durch sich selbst. Sie sind
relativ und dienen nur als Mittel für die Erlangung all jener
Grade, die noch höher liegen als sie selbst.
Die primären Qualitäten, die durch die menschliche Anbetung
gewonnen werden können, ist das erweisen aller Gaben und das
Bewusstsein um die Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Kapazitäten
und Energien, die den menschliche Körper und seine Seele
erhalten. Diese Qualitäten gehören Gott allein. Alle
Existenzformen brauchen Ihn und hängen von Ihm ab, der von
Grund auf ganz durch Seine eigene Essenz existiert. Die
Karawane der Existenz befindet sich mit Seiner Hilfe und
Seiner Befehlsgewalt, die auf jeden Fleck des Universums
niedergeht, ständig auf dem Weg zu Ihm.
Die absolute Unterwerfung und Anbetung geziemt daher allein
Seinem höchst heiligen Wesen. Seine glorreiche Präsenz, die
nicht einmal für einen Moment unterbrochen wird, ist in dem
Herzen eines jeden Atoms des Seins spürbar. Alle Dinge außer
Gott gleichen uns bezüglich ihrer vorherrschenden Impotenz und
ihrem Mangel. Sie sind daher unsere Anbetung nicht wert und
verdienen nicht die widerrechtliche Aneignung irgendeines
Teiles, der in Gottes Bereich fällt, was die ganze weite Ebene
der Existenz ist. Der Mensch selbst ist zu nobel und kostbar,
als dass er sich vor etwas Anderem demütig niederwirft als vor
Gott.
In den weiten Ebenen des Seins, ist es Gott allein, der des
Menschen Lob verdient. Der Mensch sollte Ihm seine Liebe
geben, sich bemühen Ihm näher zu kommen um dabei Sein
Wohlgefallen zu erlangen, Ihm dem Vorrang vor allen anderen
Existenzen und Dingen, die man liebt, gewähren. Dies adelt den
Menschen und vermehrt seinen Wert, denn der Mensch ist ein
kleiner Tropfen. Und solange er nicht mit dem Ozean vereint
wird, wird er von den Stürmen der Korruption hinweg gefegt
werden, in der brennenden Sonne des Chaos austrocknend. Der
Mensch gelangt zu seiner wahren Persönlichkeit und wird ewig,
wenn er sich selbst mit dieser überschwänglichen Quelle
verbindet und wenn Gott seinem Leben einen Sinn gibt und Gott
zum Dolmetscher all der Ereignisse seines Lebens wird. In
diesem Sinne kann die Welt des Menschen entweder ausgedehnt
und deutlich sein oder einengend und beschränkt.
Der Führer der Gläubigen, Ali ibn abi Talib (Friede sei mit
ihm), sagte als er über die Schwächen des Menschen und seinen
limitierten Fähigkeiten diskutierte: „Wie seltsam und
bemerkenswert ist doch die Angelegenheit des Menschen! Wenn er
bezüglich eines Wunsches hoffnungsvoll wird, wird Gier ihn
elend machen. Wünsche führen zu Gier und Gier wird ihn
zerstören. Wenn er der Hoffnungslosigkeit zum Opfer fällt,
wird Kummer und Schmerz ihn töten. Wenn er zu Glück und
Vermögen gelangt, wird er daran scheitern es zu erhalten. Wenn
er von Terror und Angst beherrscht wird, wird er durch diese
auf totale Verwirrung reduziert. Wenn ihm reichlich Sicherheit
gewährt wird, wird er fahrlässig werden. Wenn seine Segnungen
wieder hergestellt sind, wird er arrogant und rebellisch
werden. Wenn er vom Pech verfolgt wird, werden Kummer und
Schmerz ihn blamieren. Wenn er zu Reichtum kommt, wird er
maßlos. Wenn Armut ihn erfasst, wird er in Kummer abtauchen.
Wenn er von Hunger geschwächt ist, wird er nicht aufstehen
können. Wenn er zu viel isst, wird der Druck seines Bauches
ihm unangenehm sein. So ist jeder Mangel im Leben eines
Menschen schädigend und jeder Exzess führt zur Korruption und
zum Ruin.“[23]
Generell gesehen, müssen Gerechtigkeit, Edelmut, Tugenden
und andere Qualitäten, die Respekt verdienen, entweder
illusionär und imaginär sein oder wir müssen erwägen, dass
diese Werte, basierend auf den Wahrnehmungen des Bewusstseins
und der Instinkte, real und wichtig sind. Wenn das Letztere
stimmt, sollten wir uns bescheiden der universellen Existenz
und der absoluten Vollendung unterwerfen, die vor hoher Ethik,
Leben und Kraft überfließt und durch welche alle Werte
abgeleitet werden können.
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Wenn wir uns sorgsam mit der Materie beschäftigen, sehen
wir, dass all die unzähligen Existenzformen dieser Welt als
auch die Liebe und Aspirationen, die in den Tiefen unseres
Selbst verankert sind, dass alle auf einen Punkt konvergieren,
alle kehren zu einer Quelle zurück – Gott. Das Wesen und die
Realität dieser Welt sind identisch mit der Verbindung, der
Beziehung und dem Anschluss an Gott. Das Sein steigt über
andere Routen wieder zu der Spitze auf, wo es begann und von
wo es kam. Diese Spitze allein ist des Menschen Liebe und
Hingabe wert. Hat der Mensch erst einmal diese Stelle
entdeckt, wird er von Seiner Schönheit und Perfektion so
eingenommen, dass er alles Andere darüber vergisst.
Wir sehen, dass alle Phänomene aus dem Nicht-Sein in die
Existenz gekommen sind und zwar während ihres ganzes Daseins,
ganz gleich wie kurz oder lang, sie brauchen von der Quelle,
die sich außerhalb ihrer selbst befindet, Hilfe und sind von
ihr abhängig. Sie sind unauslöschlich mit Unterordnung und
mangelnder Autonomie gekennzeichnet.
Wenn das ideale Objekt der Anbetung, welches wir suchen und
dem wir uns nähern wollen sich weder unserer Schmerzen bewusst
wäre, die wir erleiden noch der Natur der Welt; wenn es nicht
in der Lage sein würde unsere Wünsche und Sehnsüchte zu
befriedigen; wenn es, wie wir, reich an Ohnmacht und Mängel
wäre und somit zu der gleichen Kategorie zählen würde, wie wir
selbst, so könnte dieses Objekt unmöglich unser Schlussziel
sein noch das Ultimative oder das Kostbarste überhaupt.
Wenn wir durch unsere Gebete nach der Erfüllung eines
Wunsches trachten, ist es Gott allein, der unseren
Bedürfnissen gerecht werden kann. Der Koran sagt: „Jene, die
ihr statt Gott anruft, sind Menschen wie ihr selber. Rufet sie
denn an und lasst sie euch Antwort geben, wenn ihr wahrhaft
seid“ (Vgl. Koran: Sure 7, Vers 194)
Der Führer der gläubigen, Ali ibn abi Talib (Friede sei mit
ihm), sprach bei seinem Bittgebet nach dem Gemeinschaftsgebet
in einer Moschee in Kufa, Irak: „Oh, mein Herr! Oh, mein Herr!
Du bist Gott, der Große, und ich bin dein erbärmlicher und
geringfügiger Sklave. Wer kann einem geringfügigen Sklaven
seine Gnade erweisen, außer Gott, der Große? Oh, mein Herr!
Oh, mein Herr! Du bist stark und mächtig. Ich bin schwach und
ohnmächtig. Wer als der Starke und Mächtige kann dem Schwachen
Erbarmen zeigen?
Oh, mein Herr! Oh, mein Herr! Du bist es, der Großzügig zum
Bettelnden ist und ich stehe als ein Bettelnder an Deiner
Schwelle. Wer wird dem Bettelnden Erbarmen zeigen, außer der
Großzügige und Reiche?
Oh, mein Herr! Oh, mein Herr! Du bist eine externe Existenz
und ich bin geschaffen, um zu vergehen. Wer wird Gnade haben
mit jemandem, dem bestimmt ist zu vergehen, außer das ewige
und immerwährende Wesen?
Oh mein Herr! Oh mein Herr! Du bist der Lenker, der den Weg
weist und ich bin verloren und verwirrt. Wer wird mit dem
Verlorenen und Verwirrten Mitleid haben, wenn nicht der
Führende, der den Weg weist?
Oh mein Herr! Oh mein Herr! Habe Erbarmen mit mir durch
Dein unendliches Erbarmen. Akzeptiere mich und sei zufrieden
mit mir in deiner Großzügigkeit, deinem Wohlwollen und deiner
Güte. Oh Gott, Besitzer der Großzügigkeit, des Wohlwollens und
der Güte, mit Deiner allumfassenden Gnade! Oh
Erbarmungsvollster der Erbarmenden!“[24]
Jemand anderem als Gott Verehrung zu zeigen, sich an etwas
Anderem als an Seiner Essenz zu orientieren, ist in keinerlei
Weise gerechtfertigt. Außer Gott, kann niemand auch nur die
leiseste Wirkung auf unser Geschick ausüben. Wenn ein Objekt
der Anbetung die Hingabe und Liebe eines Menschen verdient und
in der Lage ist, ihn zu den Höhen des Glücks zu erheben, so
muss dieses Objekt der Anbetung frei von allem Makel und
jeglicher Unzulänglichkeit sein. Seine ewigen Strahlen müssen
alle Geschöpfe mit Nahrung und Leben berühren und dessen
Schönheit muss jedem Besitzer mit Einsicht dazu veranlassen,
dass er vor dieser auf die Knie fällt. Die unendliche Macht
besitzend, löscht es den brennenden Durst des Geistes und
dadurch Wissen erlangend, ist es nichts anderes als zur Quelle
unserer wahren Natur zurückzukehren.
Wenn wir außer Gott ein anderes Objekt der Liebe und der
Anbetung wählen, hat es vielleicht eine bestimmte Kapazität
und es ist vielleicht in der Lage bis zu einem gewissen Grad
unsere Wünsche zu erfüllen, aber wenn wir diesen Punkt
überschreiten, kann es für uns nicht länger das Objekt der
Anbetung und der Liebe bleiben. Es wird uns nicht mehr
anziehen oder erregen können, sondern vielmehr verursachen,
dass wir stagnieren. Dies, weil es nicht unser instinktives
Verlangen nach Anbetung befriedigt, es wird uns davon
abhalten, über höhere Werte zu reflektieren und uns derart in
einem engen Kreis gefangen halten, dass wir nicht mehr
motiviert sind weiter aufzusteigen.
Wenn das, was wir zur Anbetung und zum Lieben wählen,
minderwertig gegenüber uns selbst ist, wird es nie verursachen
können, dass wir aufsteigend unsere Existenz veredeln. Unsere
Inklination zu diesem Willen wird, ganz im Gegenteil, unseren
Niedergang mit sich bringen und wir werden dann gleich der
Nadel eines Kompasses enden, die durch den Einfluss eines
komplett fremden, magnetischen Feldes vom eigentlichen Pol
abgelenkt wird. Das Ergebnis wird der völlige Verlust der
Richtung sein, ewiges Elend wird dann des Menschen
unvermeidliches Schicksal werden.
Das Gebet ist der erhabenste menschliche Ausdruck für
Dankbarkeit
Ein Objekt der Anbetung kann dem Menschen eine Richtung
geben und seine Dunkelheit mit Licht erhellen, wenn es in der
Lage ist, dem Menschen Ideale zu vermitteln. Es unterstützt
eine positive und gehobene Lebensweise, ist die Ursache für
Wirkungen und ist die Grundlage für Stabilität und Permanenz.
Denn das Objekt der Anbetung produziert innere Wirkungen im
Menschen und führt ihn in seinen Gedanken und in seinen
Aktionen. Es erleichtert dem Menschen die Suche nach
Vollendung.
Jegliche Bemühung und Bewegung des Menschen für sich selbst
eine falsche Richtung zu wählen, den falschen Weg im Leben zu
gehen, resultiert in einer Entfremdung seines Selbst, seinem
Verlust allen Inhalts und der Verzerrung seiner
Persönlichkeit. Der Mensch kann nicht richtig ermessen, ob er
sich von seinem Gott getrennt hat. Gott zu vergessen, heißt,
sich selbst zu vergessen, sich des universellen Sinns des
menschlichen Lebens und der Welt, die einen umgibt, nicht
bewusst zu sein und nicht in der Lage zu sein, über höhere
Werte konsequent zu reflektieren.
So wie das Festhalten des Menschen an etwas Anderem als
Gott, zu einer Verfremdung sich selbst gegenüber führt und ihn
in eine Art sich bewegende biologische Maschine transformiert,
so führt das Vertrauen in Gott und das Bittgebet an Seiner
Schwelle den mono-dimensionalen Menschen, dem vorher noch
jegliche spirituelle Ader fehlte, aus den Tiefen seines Ozeans
der Vernachlässigung hin zur einer Erneuerung und
Wiederherstellung seiner selbst.
Durch die Anbetung Gottes werden die spirituellen
Kapazitäten und himmlischen Kräfte im Menschen genährt. Der
Mensch beginnt die Niedrigkeit seiner wertlosen materiellen
Hoffnungen und Wünsche zu verstehen und sieht die Mängel und
Schwächen ohne sein eigenes Sein. Kurz, er erkennt sich selbst
als das was er ist.
Gottesbewusstsein zu haben und der Quelle entgegenzufliegen,
erhellt und belebt das Herz. Es ist zutiefst angenehm, eine
Freude, die nicht mit den Vergnügungen der dreidimensionalen,
materiellen Welt vergleichbar ist. Durch die Orientierung auf
die abstrakte, nichtmaterielle Realität werden die Gedanken
erhaben und Werte transformiert.
Der Führer der Gläubigen, Ali ibn abi Talib (Friede sei mit
ihm), diskutiert die wunderbaren Wirkungen Gottesbewusstseins
im Herzen des Menschen folgendermaßen: „Der allmächtige
Schöpfer hat das Bewusstsein um Ihn selbst zum Weg gemacht,
sein Herz zu reinigen. Durch das Bewusstsein von Gott, beginnt
das taube Herz zu hören an, das blinde Herz zu sehen und das
rebellische Herz wird weich und gefügig.“[25]
Er sagt außerdem: „Oh Herr! Du bist der beste Gefährte, für
die, die dich lieben. Und das beste Heilmittel für jene, die
dir vertrauen. Du beobachtest ihre inneren Zustände und ihr
äußeres Handeln und du bist dich über die Tiefen ihres Herzens
bewusst. Du kennst den Grad ihrer Erkenntnis und ihres Wissens
und ihre Geheimnisse sind Dir bekannt. Ihre Herzen zittern,
wenn sie von Dir getrennt sind. Und wenn Einsamkeit ihnen
Angst und Unbehagen bereitet, so tröstet sie das Bewusstsein
um Dich. Und wenn Not sie erfasst, bist Du allein ihr
Zuflucht.“[26]
Imam Jaafar Sadiq (Friede sei mit ihm), ein Sinnbild der
Pietät und Gerechtigkeit, der einen bruchsicheren Bund mit
seinem Herrn hatte, demonstriert uns in seinen Bittgebeten die
höchste Form der Liebe. Dies war eine heilige Liebe, die sein
ganzes Sein entflammte und obwohl sein Geist von der Trauer
der Trennung zutiefst bedrückt war, haben die mächtigen Flügel
der Liebe es ihm ermöglicht in die grenzenlosen Himmel
aufzusteigen. Mit unglaublicher Aufrichtigkeit und
Bescheidenheit hat er dann an der Schwelle Gottes, des Ewigen,
gebetet: „Oh Herr! Ich bin zu Deiner Vergebung gewandert und
zu deinem Erbarmen gegangen. Ich wünsche mir innig Deine
Verzeihung und vertraue auf deine Großzügigkeit, denn es gibt
ungehorsam in meinem Betragen, als dass ich Deiner Vergebung
wert wäre. Und Deine Güte ist meine einzige Hoffnung.
Oh Gott, zeige mir den besten Weg und gewähre, dass ich als
Gläubiger Deiner Religion sterbe und dass ich als Gläubiger
Deiner Religion wieder auferstehe.
Oh Herr, den ich anbete! Oh Du, der Du den sündigen
Bittstellern durch Deine Barmherzigkeit hilfst. Oh Du, in der
Erinnerung an Deine Großzügigkeit suchen die Erbärmlichen
Zuflucht bei Dir. Oh Du, vor dessen Angst die Missetäter
bitter weinen!
Oh Quelle des Friedens für die Herzen jener, die vor Angst
verbannt sind aus ihren Häusern. Oh Tröster all jener, die mit
gebrochenem Herzen trauern. Oh Beistehender der Einsamen,
Helfer der Zurückgewiesenen und der Bedürftigen. Ich bin Dein
Diener, der gehorsam antwortete, als Du den Menschen befahlst
Dich anzurufen.
Oh Herr, hier falle ich in den Staub nieder an Deiner
Schwelle. Oh Gott, wenn Du jedem Gnade schenkst, der sie
erbittet, lass mich in meinen Bittgebeten ehrlich sein. Und
wenn Du jedem vergibst, der vor Dir weint, so lass mich
beeilen, vor Dir zu weinen.
Oh Herr, mache nicht jenen hoffnungslos, der keinen
Gebenden findet außer Dir. Stoße mich nicht mit der Hand der
Zurückweisung davon, jetzt, wo ich an Deiner Schwelle
stehe.“[27]
Jeder, der die tiefgründige Bedeutung des Bittgebetes
verstehen will, muss realisieren, dass die rationale Erklärung
und logische Deduktion nicht in der Lage ist, ein tiefes
Verständnis für Fragen, welche die spirituellen Illuminationen
berühren, zu erbringen.
Der noble Koran beschreibt das Handeln und die Lebensart
der nichtglaubenden und materialistischen Menschen wie folgt:
„Die aber ungläubig sind - ihre Taten sind wie eine
Luftspiegelung in einer Ebene. Der Dürstende hält sie für
Wasser bis er, wenn er hinzutritt, sie als Nichts findet.“
(Vgl. Koran: Sure 24, Vers 39)
„Ihm gebührt das wahre Gebet. Und jene, die sie statt Ihn
anrufen, geben ihnen kein Gehör; (sie sind) wie jener, der
seine beiden Hände nach Wasser ausstreckt, damit es seinen
Mund erreiche, doch es erreicht ihn nicht. (…)“ (Vgl. Koran:
Sure 13, Vers 14), „Das Gleichnis derer, die sich Helfer
nehmen neben Gott, ist wie das Gleichnis der Spinne, die sich
ein Haus macht; und das gebrechlichste der Häuser ist gewiss
das Haus der Spinne. (…)“ (Vgl. Koran: Sure 29, Vers 41), „Das
Gleichnis derer, die nicht an ihren Herrn glauben, ist: Ihre
Werke sind gleich Asche, auf die der Wind an einem stürmischen
Tag heftig bläst. Sie sollen keine Macht haben über das, was
sie verdienen. (…)“ (Vgl. Koran: Sure 14, Vers 18)
Der erhabenste Ausdruck der Dankbarkeit, den ein Mensch an
der Schwelle seines wahren Objektes der Anbetung machen kann
ist sein Bittgebet, das Bekenntnis der Liebe für seine
absolute Perfektion und die Hingabe zu Ihm. Dieses tut er in
Harmonie mit der Schöpfung, denn alle Existenzformen loben und
glorifizieren Gott.
Der Koran sagt: „Die sieben Himmel und die Erde und wer
darinnen ist, sie lobpreisen Ihn; und es gibt kein Ding, das
Seine Herrlichkeit nicht preist; ihr aber versteht ihre
Lobpreisung nicht. Wahrlich, Er ist langmütig, allverzeihend.“
(Vgl. Koran: Sure 17, Vers 44)
Diese Anbetung bringt Gott natürlich nicht den kleinsten
Vorteil, denn er besitzt jegliche Perfektion bis zu einem
unendlichen Grad. Weder die Welt noch der Mensch können Ihm
etwas geben oder Ihm etwas nehmen. Es ist es denn überhaupt
denkbar, dass Gott den Menschen erschuf, um durch dessen
Anbetung und Preisung Nutzen zu ziehen? Ganz im Gegenteil, es
ist der Mensch, der durch die Zunahme an Wissen um die oberste
Existenz und durch die Anbetung dieses Seins mit Seiner
Erhabenheit, seinem ultimativen Ziel näherkommt und zu
wirklicher Vollendung gelangt.
Professor Ravaillet, gefeierter Philosoph und Physiker, hat
folgendes über das Bewusstsein des Universums zu sagen: „Die
neue Kosmologie besagt, dass Atome und Moleküle wissen, was
sie tun. Sie haben ein Bewusstsein für die Aufgaben, die sie
ausführen und für den Gang ihres Lebens. Ihr Bewusstsein ist
dem Wissen eines Physikers überlegen, denn alles was der
Physiker über ein Atom weiß, ist, dass dieses Atom, wäre es
nicht greifbar und erkennbar, keiner würde irgendetwas darüber
wissen.
Körper, Bewegung, Geschwindigkeit, die Konzepte des hier
und dort, Strahlung, Gleichgewicht, Raum, Atmosphäre,
Entfernung zusammen mit vielen anderen Dingen – alle kamen
Dank des Atoms zu ihrer Existenz. Wenn das Atom nicht
existiert hätte, was wäre da der Ursprung all der
bemerkenswerten Phänomene der Erschaffung? Es existiert die
gleiche Affinität zwischen Bewusstsein und Körper, wie sie
zwischen Bewegung und Bewegungslosigkeit besteht oder der
positiven und negativen Aspekte der Bewegung.
Jetzt ist Raum, als Ganzes, nicht blind. Wir
demonstrierten, wenn ihr euch erinnert, als wir das Feld des
Sehvermögens examinierten, dass das Auge nicht der
grundlegende und entscheidende Faktor ist. Da es an einen
bestimmten Ort des Globus fixiert ist, entsprechend den
einschränkenden Umständen der menschlichen Spezies und anderer
Erdbewohner, hat es ein bestimmtes, enges Feld, indem es
operiert. Aber der Raum zwischen Erde und Sonne, zwischen der
Sonne und den Galaxien und zwischen den Galaxien und den
entfernten gigantischen Planeten, wo riesige Kräfte mit
ungeheurem Aktionsradius miteinander beschäftigt sind,
Energien auszutauschen – dort hat ein Organ, wie das Auge der
Lebewesen der Erde, keine Möglichkeit sich selbst zu zeigen
oder seine Effektivität zu demonstrieren.
Aber genau aus diesem Grund können wir nicht glauben, dass
das Fehlen von Bewusstsein in dem Gebiet vorherrscht, denn der
Austausch von gewaltigen Energien und Kräften, wird von den
Gesetzen der Anziehung, des Gleichgewicht, der Bewegung, des
Lichts und der zentrifugalen Kraft beherrscht. Blindheit gibt
es nicht in diesen wundersamen Phänomenen und sogar Partikel
des Lichts können nicht für etwas Ähnliches gehalten werden
wie ein analphabetischer Briefträger, dessen einziger Job
darin besteht, Botschaften zu überbringen, die er selbst nicht
lesen kann.“[28]
[23] „Shaikh Al-Mufid”, Irshad
[24] „Mafatih Al-Jinan“
[25] „Nahj Al-Balaghah“, Predigt 220
[26] „Nahj Al-Balaghah“, Predigt 225
[27] „Sahifa-i Sajjadiya”
[28] „Dau Hazar Danishmand dar Justuju-i Khuda-i Buzurg”