L15 – Eine Analyse von Pech und Not
Die Frage von Gottes Gerechtigkeit betrifft bestimmte
Probleme, wie die Existenz von Katastrophen, Verluste und Übel
in der natürlichen Ordnung und Ungleichheiten in der sozialen
Ordnung. Diese Frage löst faktisch gleich einen ganzen Sturm
von Einwänden in den Köpfen von vielen Menschen aus. Die
Probleme, mit denen sie konfrontiert werden, sind so
fundamental, dass das, was mit Zweifeln und Zurückhaltung
beginnt, letztlich in einem unlösbaren Komplex endet.
Solche Leute fragen sich, wie es in einer Welt, die auf der
Basis von Intelligenz und Weisheit erschaffen wurde, möglich
ist, dass so viel Leid, Schmerz und Übel vorherrschen, dass
diese Welt ständig aufeinanderfolgenden Härten und Krisen
unterworfen ist, verbunden mit Verlusten und Mängeln aller
Art.
Warum ist es so, dass in verschiedenen Teilen der Erde
fürchterliche und überwältigende Ereignisse die Menschheit
ergreifen, was zu unsagbaren Katastrophen und Zerstörungen
führt? Warum ist die eine Person hässlich und die andere
schön, die eine gesund und die andere krank? Warum sind nicht
alle Menschen gleich geschaffen und deutet nicht ihre
Ungleichheit auf eine Abwesenheit der Gerechtigkeit im
Universum hin?
Gerechtigkeit in der Ordnung der Dinge hängt von dem
Frei-Sein von Unterdrückung, Diskriminierung und Katastrophen
ab oder zeigt sich in der Abwesenheit von Defekten,
Krankheiten und Armut. Dies allein würde in Perfektion und
Gerechtigkeit resultieren.
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Wir müssen beginnen zu verstehen, dass unsere Bewertung der
Angelegenheiten des Universums uns nicht erlauben in die
ultimativen Tiefen der Phänomene vorzudringen. Sie ist
inadäquat für die Analyse des Sinns der Dinge.
Unser erstes Verständnis der unangenehmen Ereignisse und
Katastrophen ist oberflächlich. Wir sind nicht bereit
irgendeine Wahrheit anzuerkennen, die über diesem ersten
Eindruck hinaus geht. Wir können nicht, am Beginn die
endgültigen Ziele dieser Ereignisse sehen, und wir erachten
diese daher als Zeichen der Ungerechtigkeit. Unsere Gefühle
werden erregt und führen uns zu unlogischen Analysen.
Aber wenn wir tiefgründiger reflektieren, sehen wir, dass
diese einseitige Evaluation der Ereignisse, die wir als
ungerecht abstempeln von unserem Interesse stammt oder von
Menschen, zu denen wir direkt oder indirekt in Beziehung
stehen: Das sind unsere Kriterien und unserer Maßstab. Was
unsere Interessen sichert ist gut und was immer uns verletzt
ist schlecht. Mit anderen Worten, unser Urteil von gut und
schlecht basiert auf einer kurzsichtigen Wahrnehmung, einem
beschränkten Gedankenhorizont und was die Normen der Schöpfung
anbelangt, einem Mangel an präzisem Wissen.
Ist unsere Existenz die einzige Angelegenheit, die in jedem
Vorkommnis verwickelt ist? Können wir unseren Gewinn oder
Verlust zu einem Kriterium für Gut und Böse machen? Unsere
materielle Welt ist ständig beschäftigt Veränderungen zu
produzieren. Ereignisse, die heute nicht existiert haben,
werden morgen auftreten. Manche Dinge werden verschwinden
andere werden ihren Platz einnehmen.
Es ist offensichtlich, dass jenes, was heute für einige
Leute von Vorteil ist, morgen nicht mehr existieren wird. Aber
für uns, die wir Menschen sind und an unserer Existenz hängen
und an den Dingen der Welt, ist die Anschaffung von Dingen gut
und das Verlieren dieser schlecht. Aber trotz des Festhaltens
des Menschen, bringt die sich verändernde Natur der Welt
ständig neue Phänomene hervor. Wenn die Welt die Möglichkeit
der Veränderung nicht haben würde, Phänomene würden nicht
existieren, und dann käme es nicht mehr zu der Frage von gut
und böse.
In solch einer hypothetischen, unveränderlichen Welt gäbe
es weder Verlust und Mangel noch Wachstum und Entwicklung,
keinen Kontrast oder Differenzierung, keine Abwechslung oder
Vielfalt, keine Zusammenschlüsse oder Bewegung. In einer Welt
ohne Mangel oder Verlust, gäbe es auch keine menschlichen,
moralischen oder sozialen Kriterien, Grenzen oder Gesetze.
Entwicklung und Veränderung sind das Ergebnis der Bewegung und
der Rotation der Planten. Wenn sie aufhören würden zu sein,
gäbe es keine Erde mehr, keinen Mond und keine Sonne, keinen
Tag, keinen Monat und kein Jahr.
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Eine einigermaßen ausführliche Sicht der Welt würde uns
erlauben zu verstehen, dass all das, was heute oder in der
Zukunft für uns schädlich sein könnte, von Vorteil für andere
ist. Die Welt bewegt sich als Ganzes in die Richtung, die ihr
ein allgemeiner Zweck des Seins diktiert und zwar zu ihrem
eigenen Vorteil. Individuen können durch diesen Prozess
Schaden nehmen und es kann sogar sein, dass selbst ein großer
Teil der Menschheit davon keinen Nutzen hat.
Wäre es uns möglich, tief genug in den Ozean des Wissens
einzutauchen und die Seiten jenes Buches, welches reich an
Mysterien ist, mit unseren Fingern des Verständnisses zu
durchblättern, der endgültige Zweck und das Ergebnis all
dieser Ereignisse und Phänomene würde uns offenbart werden.
Unsere Kraft zu urteilen ist jedoch nicht ausreichend und von
umfassender Natur, um mit dem komplexen Netz umzugehen, mit
welchem wir konfrontiert sind. Wir kennen weder die Kette der
vorangegangenen Ursachen, die vorhandene Phänomene produziert
haben, noch kennen wir die Kette der zukünftigen Wirkungen,
die diese Phänomene produzieren werden.
Wäre es uns möglich, von einer weiten Ebene auf die Welt
hinab zu schauen, in solch einer Weise, dass wir alle
positiven und negativen Aspekte in Allem erkennen könnten, all
die Mysterien, die in der Welt geschehen, wäre es uns möglich
die Wirkungen und Ergebnisse jedes Ereignisses der Geschichte
zu evaluieren, ob in der Vergangenheit, Gegenwart oder in der
Zukunft liegend und alles was zwischen der Vor-Ewigkeit und
der Post-Ewigkeit geschieht und geschehen wird, wenn uns all
dies möglich wäre, wir wären vielleicht in der Lage zu sagen,
dass der Schaden, der durch ein bestimmtes Ereignis passierte,
seinen Nutzen überwiegte, und wir könnten ihn darum als Übel
kennzeichnen.
Aber hat der Mensch denn so ein umfassendes Bewusstsein von
den horizontalen und vertikalen Ketten der Kausalität? Kann er
sich denn an die bewegte Achse der Welt begeben?
Da wir über so eine Fähigkeit nicht verfügen, weil wir nie
in der Lage sein werden, eine solch unendliche Distanz zu
überqueren, egal wie lange wir dahin schreiten, da wir nie den
Schleier von all den Komplexitäten heben werden, ist es
besser, wir nehmen vor einseitigen und voreiligen Urteilen
Abstand, die auf unserer Kurzsichtigkeit basieren. Wir sollten
erkennen, dass wir nicht unseren eigenen Vorteil zum einzigen
Kriterium nehmen, um das gewaltige Universum zu beurteilen.
Die relativen Beobachtungen, die wir im Rahmen unserer
limitierten Daten machen, welche uns zur Verfügung stehen und
die spezifischen Konditionen, denen wir unterworfen sind,
können niemals ein Kriterium für ein sicheres Urteil sein.
Die Natur mag oft auf die Erfüllung eines bestimmten Ziels
hinarbeiten, welches für den Menschen unvorstellbar ist, wenn
man seine konventionellen Umstände bedenkt. Warum ist es nicht
annehmbar, dass unangenehme Vorkommnisse das Ergebnis von
Bemühungen sind, die darauf abzielen den Boden für neue
Phänomene zu bereiten, die wiederum ein Instrument des Willens
Gottes auf Erden sind? Es kann sein, dass die Umstände und die
Konditionen einer Zeit solche Prozesse notwendig machen.
Wenn all die Veränderungen und Umbrüche, die uns Angst
machen, nicht im gegebenen Plan und zu einem bestimmten Zeck
stattfinden würden, würde sie sich über die Zeit ausbreiten,
ohne positive oder konstruktive Ergebnisse zu erzeugen, es
gäbe auf der Erde keine Spur von einem lebendigen Lebewesen,
den Menschen eingeschlossen.
Warum sollten wir die Welt der Ungerechtigkeit anklagen,
ihr Chaos und Instabilität nachsagend, bloß aufgrund einiger
außergewöhnlicher Vorkommnisse und Phänomene in der Natur?
Sollten wir eine ablehnende Haltung einnehmen, bloß wegen der
vielen oder wenigen unangenehmen Seiten, die ganzen
Manifestationen von Präzision und Weisheit vergessend, all die
Wunder, die wir in der Welt und seinen Lebensformen sehen, die
den Willen und die Intelligenz der gehobenen Existenz
bezeugen?
Da der Mensch überall im Universum so viele Belege der
vorausschauenden Planung hat, muss er zugeben, dass die Welt
ein gezieltes Ganzes ist, ein Prozess, der sich in Richtung
Vollendung bewegt. Jedes Phänomen in ihm ist seinem eigenen
spezifischen Kriterium unterworfen und wenn ein Phänomen als
unerklärlich oder als nicht gerechtfertigt erscheint, so ist
die Kurzsichtigkeit des Menschen der Grund dafür. Der Mensch
muss erkennen, dass er in seiner Endlichkeit die Fähigkeit
nicht hat, die Ziele aller Phänomene und deren Inhalte zu
verstehen. Es ist nicht die Schöpfung, die mit Defekten
behaftet ist.
Unsere Einstellung zu den bitteren und unangenehmen
Vorkommnissen dieser Welt ähnelt dem Urteil eines
Wüstenbewohners, wenn er in eine Stadt kommt und große
Bulldozer sieht, die alte Bauten niederreißen. Er hält das
Niederreißen der Gebäude für eine törichte Tat der Zerstörung,
aber ist es logisch, wenn er denkt, das Niederreißen sei
ungeplant und zwecklos? Natürlich nicht, denn er sieht ja nur
den Prozess der Zerstörung, nicht aber die Kalkulationen und
die Pläne der Architekten und all der anderen, die involviert
sind.
Wie ein bestimmter Wissenschaftler einmal sagte: „Unser
Zustand ist gleich den Kindern, die einem Zirkus beim
Zusammenpacken und Weiterfahren beobachten. Es ist notwendig
für den Zirkus weiter zu ziehen und das Leben der Aufregung
anderorts fortzusetzen. Doch diese kurzsichtigen Kinder sehen
in dem Zusammenfalten der Zelte und dem Kommen und Gehen der
Menschen samt ihren Tieren nichts anderes als die Auflösung
und Beendigung des Zirkus.“
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Wenn wir etwas tiefer schauen und fantasievoll auf das Pech
und die Katastrophen blicken, die den Menschen plagen und dies
korrekt interpretieren, so werden wir anerkennen müssen, dass
diese in Wirklichkeit ein Segen ist und kein Unglück. Ein
Segen als Segen und ein Unglück als Unglück zu erkennen, hängt
von der Reaktion des Menschen dem Geschehenen gegenüber ab.
Ein einziges Ereignis kann von zwei verschiedenen Personen
völlig verschieden erfahren werden.
Schicksalsschläge und Schmerz sind gleich einem Alarm,
durch die der Mensch gewarnt wird seine Mängel und Fehler zu
beheben, sie sind wie ein natürliches Immunsystem oder eine
Art Regulationsmechanismus, der im Menschen inhärent ist.
Wenn Reichtum zu Genusssucht und Hemmungslosigkeit führt,
so ist es ein Unglück und eine Katastrophe und wenn Armut und
Entbehrung zu einer Verfeinerung und Entwicklung der
menschlichen Seele führt, so sind sie ein Segen. Daher kann
man Reichtum nicht im absoluten Sinne als Glückszustand
bezeichnen noch Armut im absoluten Sinne als Unglück. Eine
ähnliche Regel gilt für die natürlichen Begabungen, die der
Mensch besitzt.
Nationen, die sich mit mancherlei feindlichen Kräften
konfrontiert sehen und gezwungen sind für ihr Überleben zu
kämpfen, werden dadurch gestärkt. Wenn wir Bemühung und Kampf
als positives und konstruktives Bestreben halten, können wir
die durch Not verursachte Entwicklung der inneren Ressourcen
des Menschen nicht übersehen und wie er dadurch dazu gebracht
wird, Fortschritte zu machen.
Leute, die nicht verpflichtet sind zu kämpfen und die in
einer Umgebung leben, die frei von jeglichem Widerspruch ist,
tauchen leichter in materiellen Wohlstand, Vergnügungen und in
Begierden ein.
Wie oft passiert es, dass jemand absichtlich Schweren und
Schmerz duldet, weil er ein höheres Ziel vor Augen hat! Wäre
es nur der Schmerz und die Entbehrungen, das Ziel wäre
womöglich nicht mehr so anstrebenswert. Ein gerader Weg, den
man blind und mechanisch beschreitet ist nicht der Entwicklung
und dem Wachstum dienlich. Und eine menschliche Bemühung, der
man den bewussten Willen nahm, kann im Menschen keine
fundamentale Veränderung produzieren.
Kampf und Widersprüche sind wie eine Geißel, die den
Menschen vorwärts zwingen. Feste Objekte werden durch den
Druck von wiederholten Schlägen zertrümmert, doch Menschen
werden durch Schwernisse, die sie erdulden, geformt und
gehärtet. Sie werfen sich selbst in den Ozean, um schwimmen zu
lernen. Im Schmelzofen der Krise, tritt das Genie hervor.
Ungehinderte Genusssucht, die Liebe zu dieser Welt,
hemmungslose Vergnügungen, Rücksichtslosigkeit gegenüber
höheren Zielen – all dies sind Indikatoren der Irreleitung und
des Mangels an Bewusstsein. Tatsächlich sind oft jene die
fürchterlichsten Menschen, die inmitten von Luxus und Komfort
aufgewachsen sind, die nie die Schweren des Lebens gespürt
haben und die keine bitteren Tage neben den süßen erlebt
haben: Ihre Sonne des Lebens geht im Wohlstand auf und auch
darin wieder unter, unbemerkt von irgendeinem anderen.
Wenn man seinen Inklinationen folgt und an seinen eigenen
Wünschen festhält, so ist das unvereinbar mit der Festigkeit
und der Erhabenheit des Geistes nach Sinnvollem zu streben und
sich zu bemühen. Einerseits vergnügungssüchtig und korrupt zu
sein und andererseits Willensstärke zu zeigen und
zielgerichtet zu sein, repräsentieren im Menschen zwei
widersprüchliche Inklinationen. Da keine Inklination unter
Ausschluss der anderen verneint oder bejaht werden kann, muss
man ständig den Wunsch nach Vergnügen reduzieren und die
gegensätzliche Kraft in sich stärken.
Die in Luxus aufgewachsen sind und nie die bitteren und
süßen Tage der Welt geschmeckt haben, die immer Wohlstand und
nie Hunger erfahren haben – diese Menschen können den
Geschmack guten Essens nicht so wertschätzen noch den Genuss
am Leben als Solches. Und sie sind nicht in der Lage, das Gute
zu schätzen. Die Vergnügungen des Lebens sind nur von denen
wirklich genießbar, die Entbehrungen durchgemacht haben und
Fehlschläge erlitten haben, welche die Eigenschaft besitzen,
schwere Krisen zu meistern und Not zu ertragen, die bei jedem
Schritt auf dem Weg eines jeden Menschen liegen.
Materielle und spirituelle Leichtigkeit werden dem Menschen
wertvoll, nachdem er die Höhen und Tiefen und auch den Druck
der unangenehmen Vorfälle durchlebt hat.
Ist der Mensch erst einmal mit dem materiellen Leben
beschäftigt, sind alle Dimensionen seiner Existenz in Ketten
gelegt und es verlieren sich seine Ziele und er wird träge.
Unweigerlich wird er auch sein ewiges Leben vernachlässigen
und seine innere Reinigung. Solange die Begierde ihren
Schatten auf seine Existenz wirft und seine Seele in der
Dunkelheit gefangen ist, wird er gleich einem Fleck sein, der
von den Wellen der Materie umher geschleudert wird. Er wird
überall Zuflucht suchen nur nicht bei Gott. Er braucht daher
etwas, was ihn aufrüttelt und in seinen Gedanken eine Reife
herbeiführt, ihn auf diese Weise an die Vergänglichkeit dieser
flüchtigen Welt erinnernd. Er braucht jemand, der ihm dabei
hilft, an das endgültige Ziel aller himmlischen Lehren zu
gelangen: Das Frei-Sein der Seele von allen Hindernissen und
Lasten, die den Menschen davon abhalten, hohe Perfektion zu
erlangen.
Das Training und die Verfeinerung des Selbst sind nicht
leicht zu erreichen, es bedarf der Entsagung von verschiedenen
Vergnügungen und Genüssen und der Prozess sich von ihnen zu
verabschieden, ist bitter und schwer.
Solche Anstrengungen dienen dazu, den Menschen innerlich zu
reinigen und seine latenten Fähigkeiten zu erlauben, in
Erscheinung zu treten. Geduldige Enthaltung von Sünden und
Vergnügungen hat immer einen bitteren Geschmack, doch nur
durch den hartnäckigen Wiederstand gegenüber der niedrigen
Impulse kann der Mensch seine Mission erfüllen die Barrieren
zu durchbrechen, welche vor ihm stehen und auf diese Weise in
Bereiche von höherem Wert aufsteigen.