Der
interne Stand der Situation
Wer sich
die Lebensgeschichte Imam Hassans (a.s.) ansieht, wird
feststellen, daß zu Lebzeiten seines verehrten Vaters,
Amir-ul‑Muminin (Imam Ali (a.s.)), sein Platz im Kampf
gegen die Feinde immer in den vordersten Reihen war. Es ist
eine bekannte Tatsache, daß er in der Kamelschlacht allen
anderen voraus die Fahne des Islam hißte und mit ganzem
Herzen kämpfte.9 Auch in der Schlacht von Siffin
war er dabei, inmitten des Heeres und kämpfte mit aller
Kraft für den Sieg Imam Alis (a.s.).10
Er kannte
keine Furcht und war ein leidenschaftlicher Kämpfer für das
Recht und die praktischen Erfordernisse, und das in einem
solchen Maße, dass er, als ihm der Vertrag aufgezwungen
wurde, Muawiya kritisierte und dessen Schwächen aufzeigte.
Als Muawiya nach Abschluss des Vertrages nach Kufa kam,
verlangte er, Imam Hassan (a.s.) solle auf den Mimbar
(Kanzel) steigen ‑ vielleicht in der Absicht, ihn als nun
entmachteten Imam zu demütigen.
Imam Hassan
(a.s.) bestieg den Mimbar, und dann sprach er von dem, was
seine Familie getan und den Diensten, die sie im Namen des
Islam geleistet hatte. Und er sagte, daß Muawiyas Führung
nicht rechtmäßig sei und in das Verderben führen werde. Er
ermahnte alle und drohte denen, die der Omajjaden‑Herrschaft
zugestimmt hatten. Als Muawiya sah, wie sich die ganze
Angelegenheit gegen ihn wandte, war er tief beschämt.
Wir wollen
nun untersuchen, was schließlich geschah. Warum war ein so
tapferer Mann wie Imam Hassan (a.s.) bereit, mit Muawiya
einen Vertrag abzuschließen?
Er wusste
sehr gut, dass die Leute von Kufa nicht zuverlässig waren,
nicht treu und geradlinig in ihrer Art. Zwar hatten sie ihm
scheinbar Treue geschworen, dass sie kämpfen würden, wenn
der Imam sich für Krieg entschiede, und dass sie, wenn er
sich zum Frieden entschlösse, ihm ebenso folgen würden.
Heimlich aber sympathisierten sie, beeindruckt von dessen
Reichtum und Prachtentfaltung, mit Muawiya.
Imam Hassan
(a.s.) wusste, dass die Leute von Kufa heimlich mit Muawiya
Verbindung aufgenommen hatten, ihm ihre Unterstützung
zusicherten und dass sie Imam Hassan (a.s.) sogar ergreifen
und Muawiya übergeben würden, wenn dieser es wollte. Und er
wusste auch, dass einer seiner Heerführer, Obaidullah,
Bestechungsgeld von Muawiya angenommen hatte und in der
Nacht mit 8000 Soldaten zu ihm gestoßen war. Er sah, wie
Muawiya falsche Gerüchte in Umlauf brachte, Imam Hassan (a.s.)
habe mit ihm einen Waffenstillstand ausgehandelt, und mit
diesem Betrug erreichte er es, die betrogenen Truppen zu
demoralisieren. Imam Hassan (a.s.) wusste sehr gut, dass es
unmöglich war, mit einer so geringen Streitmacht gegen
Muawiya zu kämpfen, und im Hinblick auf Schutz und
Sicherheit für den Islam und die Muslime blieb ihm keine
andere Möglichkeit, als zu einer Verständigung zu kommen.
Um diese
Tatsache näher zu erhellen, lassen wir den historischen
Bericht folgen:
Jaqubi
erzählt: 'Nach dem Märtyrertum Imam Alis (a.s.) schwor das
Volk Imam Hassan (a.s.) den Treueid. Imam Hassan (a.s.)
setzte ein Heer von 12000 Soldaten in Marsch, um unter dem
Befehl von Obaidullah bin Abbas gegen Muawiya zu kämpfen.
Obaidullah war verpflichtet, sich vor Kampfhandlungen mit
Qais bin Saad zu beraten. Obaidullah marschierte, aber als
Muawiya die Nachricht vom Tode Imam Alis (a.s.) erhielt, kam
er in 18 Tagen nach Musal, und am Ende standen seine Truppen
denen von Imam Hassan (a.s.) gegenüber.
Muawiya
schickte Bestechungsgeld an Qais, entweder, um ihn auf
seine Seite zu bringen oder Imam Hassan (a.s.) zum Aufgeben
zu zwingen. Qais, ein kühner und frommer Mann, weigerte
sich, das Geld anzunehmen. Muawiya schickte genau den
gleichen Betrag an Obaidullah bin Abbas, und dieser verriet
seinen Glauben, wechselte die Fronten und stieß mit seinen
8000 Soldaten zu Muawiya. Aber Qais kämpfte standhaft, und
schließlich schickte Muawiya seine Späher in Imam Hassans (a.s.)
Lager, um wieder die Gerüchte auszustreuen, dass Qais mit
Muawiya heimlich verhandelt habe, während man den Truppen
von Qais erzählte, der Imam habe mit Muawiya einen
Waffenstillstand ausgehandelt. Auf diese Weise wurden die
Truppen Imam Hassans (a.s.) auseinander getrieben, und so
geschah es, dass Muawiya, immer auf der Hut vor Betrug und
List, einige bekannte und angesehene Männer, denen das Volk
vertraute, aussandte, um mit Imam Hassan (a.s.)
zusammenzutreffen. Sie hatten den Befehl, sobald sie zu
dieser Zusammenkunft angemeldet wären, das Gerücht
auszustreuen, daß Imam Hassan (a.s.) mit Muawiya die
einzelnen Punkte des Vertrages ausgehandelt habe.
Daraufhin
stürmten die Truppen Imam Hassans (a.s.) ohne nach den
tatsächlichen Fakten zu fragen, sein Zelt und plünderten,
was ihnen in die Hände fiel. Imam Hassan (a.s.) bestieg sein
Streitross und ritt nach Sabat. Ein Mann namens Jarrah bin
Sinan lauerte im Gebüsch für ein Attentat auf Imam Hassan (a.s.)
und brachte ihm mit dem Dolch eine klaffende Wunde bei.
Diese Wunde schwächte den Imam lebensgefährlich und man
brachte ihn krank nach Medina. Das Volk ließ ihn im Stich,
Muawiya kam in den Irak und entschied die Situation für
sich. Die Krankheit Imam Hassans (a.s.) verschlimmerte sich,
und in diesem Augenblick, wo er nicht an Krieg denken konnte
und seine Verbündeten auseinandergetrieben worden waren,
nutzte Muawiya die Gelegenheit, ihm den Vertrag
aufzuzwingen. Darum also reckte Imam Hassan (a.s.) sich auf
der Kanzel (Mimbar) hoch auf, lobte Gott, segnete den
Propheten und sagte:
"O mein
Volk, Gott segnete euch mit der Leitung durch den Besten von
uns (dem Propheten) und bewahrte euch durch den Zweiten
(Imam Ali) unter uns vor Blutvergießen. Ich schloß einen
Vertrag mit Muawiya und übergab ihm die sichtbare Macht und
Herrschaft."11
Sogar
Tabari erklärt, daß Imam Hassan (a.s.) den Vertrag zu der
Zeit einging, als seine Soldaten sich zerstreut und ihn
allein gelassen hatten.'12
Der
verstorbene Scheich Mufid schrieb im 'Kitab-ul-Irschad': "Imam
Hassans Heer bestand aus ganz verschiedenen Gruppen, z. B.
seine und seines Vaters engsten Anhänger, dann die
Kharijiten, die Imam Hassan (a.s.) gar nicht unterstützen,
sondern lediglich gegen Muawiya kämpfen wollten, sowie all
jene, die der aufgehäufte Reichtum um den Verstand bringt,
so oder so, und schließlich die Fanatiker, die nur ihrem
Stammesoberhaupt folgten."
Das ist der
Grund, warum die Soldaten nicht standhielten, sich
zurückzogen und so rasch die Verteidigung des Imams
aufgaben, dass sogar einige Stammesoberhäupter an Muawiya
schrieben, ihm Gehorsam gelobten und versprachen, ihm Imam
Hassan (a.s.) auszuliefern. Muawiya sandte diese Briefe in
aller Eile an Imam Hassan (a.s.), Qais bin Saad, der als
Obaidullah bin Abbas' Stellvertreter ernannt worden war,
benachrichtigte Imam Hassan (a.s.), daß Muawiya Obaidullah
für sich gewonnen hatte, und deshalb Bestechungsgeld für
ihn bereithielt, von denen die Hälfte des Betrages
unverzüglich gezahlt werden sollte und der Rest bei seinem
Eintreffen in Kufa. Obaidullah stieß tief in der Nacht zu
Muawiyas Heer. So kam die Missgunst und Unlauterkeit derer
an das Licht, die doch zur engsten Umgebung von Imam Hassan
(a.s.) gehört hatten. Dieser wurde sich bewusst, daß außer
der kleinen Gruppe treuer Anhänger niemand zu ihm hielt und
deshalb, bar jeder Unterstützung, schloss er mit Muawiya
einen Vertrag, obwohl er wusste, dass Muawiya nur auf Betrug
aus war, dass also der Vertrag eine Farce war.13
Durch
alles, was bisher geschrieben wurde, ist eindeutig klar,
dass Imam Hassan (a.s.) durch die interne Sachlage in jenen
Tagen gezwungen war, den Vertrag mit Muawiya abzuschließen,
dass er keine Alternative hatte. Darum sagen wir, dass
dieser für ihn so wichtige Vertrag ihm aufgezwungen wurde,
und dass er ihn nicht freiwillig einging.
Seinen
Anhängern erklärte der Imam die Dringlichkeit des Vertrages
so:
"Ich
schwöre bei Allah, hätte das Volk treu zu mir gestanden und
mich unterstützt, so hätte der Himmel Glück und Segen kommen
lassen wie Regen, und die Erde hätte ihre Gaben
verschwenderisch an sie ausgeteilt, ‑ und Muawiya hätte nicht
so gierig nach dem Kalifat verlangt. Der Prophet des Islam
musste von Mekka Abschied nehmen und seine Anhänger suchten
Zuflucht in einer Höhle. Hätte man ihn unterstützt, nie hätte
er Mekka verlassen und sich in die Höhle flüchten müssen. Von
der Zeit an (nach dem Propheten (s.a.w.)) ist die islamische
Nation anderen gefolgt und hat uns verlassen, uns blieb nur
der Vertrag als Pflicht."14
"Bei
Allah, hätte ich gegen Muawiya gekämpft, die Menschen hätten
mich ergriffen und mich ihm ausgeliefert."15
"Ihr wisst
nicht, was ich getan habe. Bei Allah, alles was ich getan
habe, geschah zum Besten der Schiiten (aller Zeiten über denen
die Sonne scheint und wieder untergeht). Ich nahm dies an um
der Muslime willen, um sie vor Blutvergießen zu bewahren."16 |