Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Fünfter Aufzug - Zweiter Auftritt

Mahomet. Palmire.

Palmire

Wo bin ich? großer Gott!

Mahomet

Erhole dich!
Des Volkes, dein Geschick, hab' ich gewogen.
Sieh die Begebenheit, die dich erschreckt,
Als ein Geheimnis zwischen mir und Gott an.
Befreit auf ewig von Gefangenschaft
Und Sklaverei, erhebe dein Gemüt.
Du siehst dich hier gerochen, frei und glücklich.
Beweine nicht Seiden! Überlass
Des menschlichen Geschickes Sorge mir!
Denk an dein eignes Glück; du bist mir wert,
Und Mahomet nahm dich zur Tochter auf;
Zu einer höhern Stufe kann er dich
Erheben. Solchen Rang verdiene dir.
Blick auf zum Gipfel alles Erdenglücks,
Das Übrige lass der Vergessenheit.
Beim Anblick jener Größe, die dich lockt,
Geziemen sich die niedern Wünsche nicht.
Zu mir gewendet, ruh auf mir dein Herz!
Wie mir die Welt vertraut, vertraue mir!

Palmire

Was hör' ich! Von Gesetzen, Wohltat, Liebe,
Wagst du zu reden, blutiger Betrüger!
Auf ewig sei mein Herz dir abgeschworen,
Dir Henker meines Hauses. Dieses Letzte
Ging meinem Jammer, deiner Wut noch ab.
Das ist er also, Gott! der heilige
Prophet, der König, dem ich mich ergab?
Der Gott, den ich verehrte? Ungeheuer!
Durch Wut und grimm'ge Ränke weihtest du
Zwei reine Herzen einem Vatermord!
Verführen willst du meine Jugend, willst
Um mich, mit meinem Blut besudelt, werben?
Doch traue nicht auf deine Sicherheit,
Der Schleier ist zerrissen, Rache naht.
Vernimmst du das Geschrei, den Sturm der Menge,
Die meines Vaters Geist gewaltig treibt!
Man waffnet sich, man eilet mir zu Hülfe,
Und mich, und jeden Preis entreißt man dir.
Dich selbst, die Deinen seh' ich hingestreckt,
Und über euren Leichen atm' ich wieder.
O! lasst ihn nicht entkommen, güt'ge Götter!
Auf! Mekka! Auf! Medina! Asien,
Bewaffne dich, die Wut, die Heuchelei
Zu strafen. Alle Welt, beschämt, zerbreche
Die Fesseln die sie allzuschändlich trug,
Und deine Lehre die der Wahn gegründet,
Müss' Abscheu allen künft'gen Zeiten sein.
Die Hölle, die du jedem grimmig drohtest,
Der zweifelnd mit sich selbst zu Rate ging,
Die Hölle, dieser Ort der Wut, des Jammers,
Für dich bereitet, schlinge dich hinab.
Solch einer Wohltat dankt ein solch Gefühl,
So sind mein Dienst, mein Schwur und meine Wünsche.
Mahomet Was auch entdeckt sei, was du träumst und was
Du glauben magst zu sein; ich bin dein Herr!
Und wenn sich meine Güte –

 

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