Zweiter Aufzug - Fünfter Auftritt
Mahomet. Sopir.
Sopir
O welche Last zu meinen tiefen Schmerzen!
Empfangen soll ich hier den Feind der Welt.
Mahomet
Da uns der Himmel hier zusammen bringt, so komm!
Sieh ohne Furcht mich an und ohn' Erröten.
Sopir
Erröten sollt' ich nur für dich, der nicht
Geruht, bis mit Gewalt und List er endlich
Sein Vaterland dem Abgrund zugeführt;
Für dich, der hier nur Missetaten sät,
Und mitten in dem Frieden Krieg erzeugt.
Dein Name schon zerrüttet uns're Häuser,
Und Gatten, Eltern, Mütter, Kinder feinden
Sich, Weltverwirrer, deinetwegen an.
Der Stillstand ist für dich nur Mittel uns
Zu untergraben; wo du schreitest drängt
Der Bürgerkrieg sich deinem Pfade nach.
Du Inbegriff von Lügen und von Kühnheit!
Tyrann der Deinen! und du wolltest hier
Mir Friede geben und mir Gott verkünden?
Mahomet
Spräch' ich mit einem andern als mit dir,
So sollte nur der Gott der mich begeistert reden.
Das Schwert, der Koran, in der blut'gen Hand,
Sollt einem jeden Schweigen auferlegen.
Wie Donnerschläge wirkte meine Stimme,
Und ihre Stirnen säh' ich tief im Staub.
Doch dich behandl' ich anders, und mit dir
Sprech' ich als Mensch und ohne Hinterhalt.
Ich fühle mich so groß, daß ich dir nicht
Zu heucheln brauche. Wir sind hier allein!
Du sollst mich kennen lernen; höre mich.
Mich treibt die Ehrsucht; jeden Menschen treibt sie;
Doch niemals hat ein König, nie ein Priester,
Ein Feldherr, oder Bürger solchen Plan
Wie ich empfangen, oder ausgebildet.
Von mir geht eine rasche Wirkung aus,
Die auch den Meinen hohes Glück verspricht.
Wie manches Volk hat auf der Erde schon
Geglänzt an seiner Stelle, durch Gesetz,
Durch Künste, doch besonders durch den Krieg.
Nun endlich tritt Arabien hervor.
Ein edles Volk, in Wüsten, unbekannt,
Vergräbt es lange seinen hohen Wert.
Blick auf und sieh die neuen Siegestage
Herannahn! Sieh von Norden gegen Süden
Die Welt versunken, Persien in Blut,
Schwach Indien, in Sklaverei Ägypten
Erniedrigt, und den Glanz der Mauern Constantins
Verfinstert; sieh das Reich, dem Rom gebot,
Nach allen Seiten aus einander brechen,
Zerstückt den großen Körper, seine Glieder,
Zerstreut und ohne Hoffnung, traurig zucken.
Auf diese Trümmer einer Welt laß uns
Arabien erheben. Neuen Gottesdienst
Bedürfen sie, bedürfen neue Hülfe,
Die Tiefgesunknen, einen neuen Gott.
Einst gab Osiris den Ägyptern, einst
Den Asiaten Zoroaster, Moses
Den Juden, in Italien gab Numa
Halbwilden Völkern unzulängliche
Gesetze; nun, nach tausend Jahren, komm' ich,
Die gröberen Gebote zu verändern.
Ein edler Joch biet' ich den Völkern an.
Die falschen Götter stürz' ich; neuer Gottesdienst,
Die erste Stufe meiner Größe, lockt
Die Herzen an. Mein Unrecht tadelst du,
Daß ich mein Vaterland betrüge. Nein,
Ich raub' ihm seines Götzendienstes Schwäche,
Und unter Einem König, Einem Gott,
Vereint es mein Gesetz. Wie es mir dient;
So soll es herrlich werden auf der Erde.
Sopir
Das sind nun deine Plane! Kühn gedenkest du
In andere Gestalt, nach deinem Willen,
Die Welt zu modeln, willst, mit Mord und Schrecken,
Dem Menschen deine Denkart anbefehlen;
Und du, Verheerer, sprichst von Unterricht!
Ach! wenn ein Irrtum uns verführte, wenn
Ein Lügengeist im Dunkeln uns bezwang,
Mit welcher Schreckensfackel dringst du ein,
Uns zu erleuchten! Wer erteilte dir
Das Recht zu lehren, uns die Zukunft zu
Verkündigen, das Rauchfaß zu ergreifen und
Das Reich dir anzumaßen?
Mahomet
Dieses Recht
Gibt sich der hohe Geist, der große Plane
Zu fassen und beharrlich zu verfolgen
Verstehet, selbst, und fühlet sich geboren,
Das dunkle, das gemeine Menschenvolk zu leiten.
Sopir
Und jeder mutige Betrüger dürfte
Den Menschen eine Kette geben? Er
Hat zu betrügen Recht, wenn er mit Größe
Betrügt?
Mahomet
Wer sie und ihr Bedürfnis kennt
Und dies befriedigt, er betrügt sie nicht.
Sie sehnen sich nach neuem Gottesdienst;
Der meine wird ihr Herz erheben. Das
Bedürfen sie. Was brachten deine Götter
Hervor? wann haben sie wohltätig sich gezeigt?
Entspringt der Lorbeer zu den Füßen ihres
Altares? Nein! dein niedrig dunkler Sinn
Entwürdiget die Menschen und entnervt sie,
Macht sie beschränkt und stumpf. Doch meine Lehre
Erhebt den Geist, entwickelt Kraft und Mut,
Macht unerschütterlich, und mein Gesetz
Erschafft sich Helden!
Sopir
Räuber magst du sagen!
Bei mir kann deine Lehre nicht gedeihn.
Rühm in Medina deines Truges dich,
Wo deine Meister unter deinen Fahnen,
Verführt, sich sammeln, wo sich deines Gleichen
Zu deinen Füßen werfen.
Mahomet
Seines Gleichen
Hat Mahomet schon lange nicht gesehen.
Bezwungen ist Medina, Mekka zittert;
Dein Sturz ist unvermeidlich. Nimm den Frieden an!
Sopir
Auf deinen Lippen schallt der Friede, doch
Dein Herz weiß nichts davon. Mich wirst du nicht
Betrügen.
Mahomet
Brauch' ich das? Der Schwache nur
Bedarf des Trugs, der Mächtige befiehlt.
Befehlen werd' ich morgen das, warum
Ich heute dich ersuche. Morgen kann ich
Mein Joch auf deinem Nacken sehen; heute
Will Mahomet dein Freund sein.
Sopir
Freunde? Wir?
Auf welch ein neues Blendwerk rechnest du?
Wo ist der Gott, der solch ein Wunder leistet?
Mahomet
Er ist nicht fern, ist mächtig! sein Gebot
Wird stets befolgt, er spricht zu dir, durch mich.
Sopir
Wer?
Mahomet
Die Notwendigkeit, dein Vorteil!
Sopir
Nein!
Eh' uns ein solches Band vereinen soll,
Eh' mag die Hölle sich dem Himmel paaren.
Der Vorteil ist dein Gott, der meine bleibt
Gerechtigkeit, und solche Feinde schließen
Kein sicher Bündnis. Welch ein Pfand vermagst du
Zur Sicherheit der unnatürlichen
Verbindung vorzuschlagen? Ist's vielleicht
Dein Sohn, den dir mein Arm geraubt? Vielleicht
Willst du das Blut mir zeigen meiner Kinder,
Das du vergossest?
Mahomet
Deine Kinder! ja!
Vernimm denn ein Geheimnis, das allein
Ich auf der Welt bewahre! Du beweinest
So lange deine Kinder, und sie leben.
Sopir
Sie leben! sagst du? Himmel! Tag des Glücks!
Sie leben! und durch dich soll ich's erfahren?
Mahomet
In meinem Lager, unter meinen Sklaven.
Sopir
Sie dienen dir? sie, meine Kinder, dir?
Mahomet
Wohltätig nährt' ich sie und zog sie auf.
Sopir
Und du erstrecktest nicht den Haß auf sie?
Mahomet
An Kindern straf' ich nicht der Väter Schuld.
Sopir
Vollende! sprich! enthüll ihr ganz Geschick!
Mahomet
Ihr Leben ist, ihr Tod in meiner Hand.
Du sprichst ein einzig Wort, und sie sind dein.
Sopir
Ich kann sie retten! Nenne mir den Preis!
O laß die Bande mich mit ihnen tauschen!
Willst du mein Blut, es fließet gern für sie.
Mahomet
Nein! Komm vielmehr und tritt auf meine Seite!
Durch dein Gewicht befestige dein Reich.
Verlasse deinen Tempel, übergib
Mir Mekka, sei gerührt von meinem Glauben,
Den Koran kündige den Völkern an,
Dien als Prophet, als treuer Eif'rer mir;
Frei ist dein Sohn, ich bin dein Eidam.
Sopir
Götter!
Zu welcher Prüfung habt ihr mich gespart?
Ja, ich bin Vater, Mahomet! ich fühle,
Nach fünfzehn Schmerzensjahren, ganz das Glück,
Das mich erwartete, wenn ich sie wieder
Vor mir erblickte, sie an dieses Herz
Noch einmal schlösse. Gerne wollt' ich sterben,
Von ihren Armen noch einmal umfangen;
Doch wenn du forderst daß ich meinen Gott,
Mein Vaterland an dich verrate, mich
In schnöder Heuchelei vor dir erniedrige;
So fordre lieber daß ich die Geliebten
Mit eignen Händen opfre; meine Wahl
Wird keinen Augenblick im Zweifel schweben.
Sopir gebt ab.
Mahomet
Geh, stolzer Bürger, eigensinn'ger Greis!
Du forderst selbst zur Grausamkeit mich auf,
Zur unbezwungnen Härte.