Mein Leben und mein Wandern

Mein Leben und mein Wandern

von Heinrich Brugsch

Berlin, allgemeiner Verein für Deutsche Litteratur, 1894

 

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3. Meine Reise nach Ägypten

Neue Freunde in Kairo.

Der österreichische Kollege des Barons von Pentz, Generalkonsul von Huber, dessen Freundschaft ich mich bis zu seinem Lebensende erfreute, dachte über das ägyptische Altertum anders als jener, wenngleich er auch nach der anderen Seite ein hoher Verehrer weiblicher Anmut und Schönheit war und deshalb keine Gelegenheit versäumte, empfohlene Reisende in Damengesellschaft zu einem Picknick in der Wüste bei Sakkarah einzuladen. Er war trotzdem Junggeselle bis zu seinem letzten Tage hin geblieben, da er seine ganze Neigung und seine ganze Zeit, so weit sie nicht von seinem Amte in Anspruch genommen wurde, der Wissenschaft der Numismatik zum Opfer brachte. Er besaß eine der schönsten und kostbarsten Sammlungen, die er später in London zur öffentlichen Versteigerung kommen ließ, nachdem er während seines langen Aufenthaltes in Odessa und in der Türkei überall Gelegenheit gefunden hatte, die seltensten Stücke zu erwerben. Seine späteren Beziehungen zu befreundeten Konsuln verschafften ihm fast wöchentlich neue Sendungen, die er mit wahrem Entzücken zu prüfen und ihrem Ursprunge nach zu bestimmen pflegte. Er war ein sehr gelehrter Herr in seinem Fache und viele wertvolle Aufsätze in der Wiener numismatischen Zeitschrift sind aus seiner Feder geflossen. Mit vielem Verständnis hatte er in gleicher Weise, seiner Liebhaberei für alles Antike folgend, eine Sammlung ägyptischer Altertümer angelegt, die nach Tausenden von Gegenständen zählte, und sogar Nachgrabungen geleitet, die manche schöne Funde zu Tage förderten. Freilich standen die Altertümer in der damaligen Zeit nicht sehr hoch im Preise, denn beispielsweise kostete ein geschnittener prächtiger Käserslein, ein sogenannter Scarabäus, altägyptischer Herkunft kaum eine halbe Mark, während ein solches Stück heute mit der vierzig- bis sechzigfachen Summe bezahlt wird. Die auserlesensten Denkmäler seiner Funde und Sammlungen widmete Herr von Huber inpatriotischer Absicht dem kaiserlichen Ambraser-Museum in Wien; den übrigen Teil seines Antiken Kabinetts veräußerte er bei seinem Abgange aus Ägypten an den Vizekönig Sajid Pascha gegen mehrere Tausende englischer Pfunde. Er bildete die eigentliche Grundlage des hochberühmten Museums von Bulak, dessen Schätze seit einigen Jahren in das Schloß von Gizeh, gegenüber von Alt-Kairo, übersiedelt wurden.

Herr von Huber, gleichfalls ein angehender Fünfziger, dessen Name in meinem Gedächtnis mit treuster Erinnerung bewahrt bleiben wird, bot seiner äußeren Erscheinung nach wenig Anziehendes dar. Von kleiner Gestalt, die nach vorwärts gebeugt war, eine Folge seiner anstrengenden Arbeiten in krummer Haltung vor seinem Schreibtische, verriet er in seinen Gesichtszügen mit den stark hervortretenden Augen auch nicht die leiseste Spur von Schönheit oder Anmut. Nur sein dunkler, sorgfältig gefärbter Bart – auch sein langes, strähnig herabfallendes Haupthaar litt an künstlichem Schwarz – milderte ein wenig den Eindruck des geradezu Häßlichen und eigenartig Blöden, wenn es auch dem Physiognomiker nicht entgehen konnte, daß Scharfsinn und Weltspott aus diesen Zügen hervorleuchtete. Mein ehrenwerter Freund, Herr A. von Kremer, der damals als erster Dragoman des österreichischen Generalkonsulates in Kairo lebte und später als österreichischer Handelsminister seine Laufbahn abschloß, konnte mir nicht genug von der Strenge und Spottsucht des Alten erzählen, der, selber ein ausgezeichneter Arbeiter, seine Beamten bis aufs Blut zu peinigen verstand. Herr von Kremer war ein sehr gelehrter Arabist, der durch seine veröffentlichten Abhandlungen und Bücher über Ägypten und das Arabertum einen verdienten Namen erwarb, aber es wurde ihm herzlich schwer, den Ansprüchen seines Chefs zu genügen, und die Taube rettete sich, so oft sie konnte und so weit sie zu fliegen vermochte, vor den Fängen des Habichts, um in einsamer Zurückgezogenheit oder unter Freunden vor der Verfolgung sicher zu sein.

Ich war von Anfang an der erklärte Liebling des gestrengen Alten geworden. Meine ägyptischen Kenntnisse kamen seinen Sammlungen zu Gute. Ich las ihm die altägyptischen Inschriften, die auf den Denkmälern eingegraben standen, wir unterhielten uns stundenlang über antike Themata, machten Ausflüge nach den Ruinenstätten in der Umgebung der Stadt und sein Haus und sein Tisch stand mir jederzeit offen. Mit einem Worte, ich war ihm geradezu unentbehrlich geworden, so daß er mich nie anders als mit den Worten: »Mein junger, aber bester Freund und Kollege in antiquariis« seinen Besuchern vorstellte. Mit meinem eigenen besten Freunde und wirklichen Kollegen in antiquariis, dem Franzosen A. Mariette, der damals im Serapeum seine letzten Ausgrabungen leitete, stand Herr von Huber auf dem denkbar schlechtesten Fuße, während Mariette seinen Namen nur mit verächtlicher Miene erwähnte. Beide konnten sich nicht riechen, wie man zu sagen pflegt. Wie oft habe ich die Versicherung meines österreichischen Kollegen nicht mit anhören müssen:»Der Franzose in Sakkarah ist ein Dieb. Mein Agent, der spanische Jude Fernandez ist der eigentliche Entdecker des Serapeums.

Sehen Sie diese Sphinxe, die er mir bereits vor vier Jahren ins Haus gebracht hat, doch war er so dumm, dem da drüben Mitteilungen zu machen. Da war das Geheimnis verraten und die Sache vollständig aus.« Somit war Mariette zu seinem Feinde in antiquariis geworden und ich in die wenig erbauliche Lage versetzt, der beste Freund von zwei erklärten Feinden zu sein, ohne jegliche Hoffnung, durch meine Vermittlung eine endliche Versöhnung zwischen beiden herbeiführen zu können.

Um so friedlicher war die Stimmung in dem Hause meines lieben Freundes Dr. Bilharz, eines jungen, aus den hohenzollernschen Fürstentümern gebürtigen Arztes, dessen l iebenswürdige Persönlichkeit, dessen herrliches Herz und dessen reiches Wissen mich noch heute bei der bloßen Erinnerung an ihn bezaubert. Er war ein Jahr vor meiner Ankunft in Ägypten als Arzt in den Dienst der ägyptischen Regierung getreten, in der Absicht, sich neben seinem Berufe rein wissenschaftlichen Studien zu widmen, für die Europa ihm nicht das gewünschte Material darbot. Die vergleichende Anatomie und zoologische Studien bildeten die Hauptgegenstände seiner gelehrten, überaus sorgfältigen Untersuchungen, die ihm einen ehrenvollen Namen in der Wissenschaft erworben haben. Er war der erste, der es gewagt hatte, wenn auch im geheimen, die Leichen verstorbener Mohammedaner zu sezieren und das Vorkommen eines bisher unbekannten Eingeweidewurmes festzustellen. Seine Arbeiten über die Elektrizität erzeugenden Organe des Zitteraales im Nil, dessen Schläge ich einmal beim Baden im heiligen Strome an meinem eigenen Körper empfunden habe, erfreuten sich bald eines Rufes, der weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinausging. Seine anthropologischen Sammlungen von Menschenschädeln arabischer und koptischer Herkunft gaben den Gelehrten in der Heimat den Stoff zu wichtigen Forschungen, und endlich seine Arbeiten über die älteste Tierwelt auf Grund der Darstellungen auf altägyptischen Denkmälern boten mir selber eine unerschöpfliche Fülle von Material zur Bestimmung vorkommender Tiernamen in altägyptischer Schrift in meinem zwanzig Jahre später veröffentlichten hieroglyphisch-demotischen Wörterbuche. Im Umgang mit dem sanften und liebenswürdigen Landsmanne, in dem ich einen Lehrmeister ersten Ranges schätzen lernte, flossen die Stunden unserer gemeinsamen Zusammenkünfte wie Minuten dahin. Ich sah ihn später in Berlin wieder, beklagte aber bald darauf seinen frühen Tod auf fremder Erde. Von einem regierenden deutschen Herzog und dessen Gemahlin ersucht, sie als ärztlichen Beistand auf einer Vergnügungstour nach den Jagdrevieren der ostafrikanischen Küste, in der Nähe Abessiniens, zu begleiten, büßte er infolge eines Fieberanfalles sein anderen Zwecken so nützliches und wertvolles junges Leben ein, nachdem er die Herzogin von einer schweren Krankheit glücklich gerettet hatte. Ave pia anima! rufe ich ihm noch heute in dankbarster Verehrung nach.

Ich müßte eine ganze Liste wohlbekannter Namen aufzählen, um meinen ersten Bekanntschaften in Kairo gerecht zu werden, wenn ich nicht fürchtete, durch ein hohles Verzeichnis die Geduld des Lesers zu ermüden. Es waren nur flüchtige Augenblicke, in denen die Gestalten an mir vorüberzogen, ohne auf mein eigenes Leben einen bestimmenden Einfluß ausgeübt zu haben. Ich begnüge mich daher vorläufig nur drei, den Dr. Pruner Bey, einen deutschen Arzt, und die beiden Franzosen Dr. Clot Bey und Linant Bey vor allen übrigen hervorzuheben.

Der zuerst genannte bekleidete vor meiner Ankunft in Ägypten die im Morgenlande sehr einflußreiche Stelle eines Leibarztes des regierenden Vizekönigs und entwickelte in seinen freien Stunden eine sehr rege Thätigkeit auf dem Gebiete der Erforschung der menschlichen Rassen. Er war ein Anthropolog, der manches damals als gut anerkannte Buch geschrieben hatte, das heutigen Tages jedoch als abgethan gilt. Seine persönlichen Unterweisungen brachten mir wenig Nutzen und ich sah mich bald auf falscher Fährte wandeln, sobald ich den wissenschaftlichen Ratschlägen des vornehmen Bey gefolgt war, die meine eigenen Studien im Lande vollständig widerlegten.

Der Franzose Clot Bey, nach dem gegenwärtig ein ganzer Boulevard im neuen Kairo bezeichnet wird, soll, wie die Fama behauptet, ein ehemaliger Barbier gewesen sein, der sich zum Doktor ausbildete und dem alten Mehemmed Ali und seinem Nachfolger Ibrahim auf dem Stuhle Pharaos die nützlichsten Dienste leistete. Auf alle Fälle besaß er den Mut, in den schweren Zeiten der Heimsuchung Ägyptens durch die Pest zu den Kranken zu wandeln, ohne sich viel um die Folgen der Ansteckung zu kümmern. Auch er besaß ein kleines Museum mit auserlesenen Altertümern, das später in den Besitz seiner Vaterstadt Marseille überging und noch heutzutage von den gelehrten Ägyptologen in Frankreich gern besucht wird. Clot Bey, von kleiner, unansehnlicher Figur, besaß ein äußerst lebendiges Wesen und seinen Erzählungen aus den Zeiten des alten Mem und der ägyptischen Feldzüge in Syrien, Arabien und im Sudan lauschte ich stets mit besonderem Vergnügen. Er hat sogar ein Buch über Ägypten in französischer Sprache niedergeschrieben, das wohl gut gemeint, aber ziemlich schwach in der Ausführung war. Daß er beispielsweise in dem zoologischen Teile des Werkes, das er mir als eine im Druck vollendete Lebensaufgabe rühmte, die Fledermaus als eine besondere Vogelart aufführte, ist nicht die schlimmste unter allen darin begangenen Sünden. Ein Türke würde darin allerdings nichts Anstößiges entdeckt haben, aber sein Buch war nicht für Türken, sondern für Enropäer geschrieben.

Viel bedeutungsvoller war mir von Anfang an die Bekanntschaft eines Mannes, der für Ägypten als ein segensreicher Gewinn bezeichnet werden konnte, ich meine den Franzosen Linant mit dem Zusatze: de Bellefonds, wie er sich nach seinem Geburtsorte gern nennen hörte. Er starb als ein Achtziger erst vor wenigen Jahren in Kairo, nachdem er zum Range eines Pascha erhoben worden war. Als ich ihn zuerst kennen lernte, war er ein kräftiger Vierziger von militärischer Haltung, von großem, kräftigem Körperbau und mit sympathischen, stets freundlichen Zügen in seinem runden Gesichte mit dem rabenschwarzen und wohlgepflegten Schnurrbarte. Schon unter Mehemmed Ali war er als ingénieur des ponts et chaussées in den ägyptischen Dienst eingetreten, um Vorschläge für die Anlage von Kanälen, Eindämmungen des Niles, Schleusensystemen u.a. in sauber ausgeführten kartographischen Plänen der Regierung zu unterbreiten. Für die Ausführung des maritimen Kanales von Suez hatte er gleichfalls das Seinige dazu beigetragen, wenngleich er nicht diejenige Anerkennung davon trug, die seine scharfsinnigen Vorschläge vom praktischen Standpunkte aus in höchstem Maße verdient hätten. Er empfand eine besondere Befriedigung in geographischen Studien, die mit der Wasserverteilung im alten Ägypten in Verbindung standen und Altes mit Neuem verglichen. Seine Abhandlung über den ehemaligen Möris-See im Fajum hat sogar eine klassische Berühmtheit erreicht, nicht weniger seine gründlichen Untersuchungen über die älteste Verbindung des Niles mit dem Roten Meere, die er mit vollem Rechte bis auf die Zeit Ramses II., also bis zum Ende des 14. Jahrhunderts v. Chr. zurückführte. Mit klarem Blicke hatte er die Beweise zusammengestellt, welche die ältere Bucht des Roten Meeres nach dem jetzigen Krokodilsee, bis in die Mitte der Landenge von Suez vorschoben, und den Durchmarsch der Juden durch das Schilfmeer in richtiger Würdigung der topographischen Verhältnisse an dieselbe Stelle verlegt. Leider war es ihm nicht vergönnt, die Durchstechung der Landenge nach seinen Plänen vollzogen zu sehen, nachdem sein diplomatischer Landsmann, Herr von Lesseps, unter der Regierung des folgenden Vizekönigs in den Besitz des darauf bezüglichen Firmans gelangt war. Meinem verstorbenen Freunde und Gönner Linant gebührt außerdem der Ruhm, die von den Pharaonen-Zeiten an bis zur Kalifen-Epoche ausgebeuteten Goldgruben von Wadi Olaki auf dem Gebiete der Bischarin-Nomaden, in der Nähe der südlichen Grenze Ägyptens nach dem Roten Meere zu, zuerst wieder entdeckt und jene unbekannten Regionen kartographisch aufgenommen zu haben. Auf seinen Reisen in diesen wilden Gegenden war ihm das schnellläufige Dromedar zum bequemsten Reittier geworden, so daß man den wackeren Mann sogar in den Straßen von Kairo nur auf diesem Tiere als Reiter erblickte, wenn ihn Geschäfte oder Besuche das Haus zu verlassen nötigten. Nach seiner eigenen Erzählung hatte er einmal den Weg von Alexandrien nach Suez über Kairo am Rande der libyschen Wüste und mitten durch das Wadi der Mekkapilger in der ersta unlich schnellen Zeit von 24 Stunden ohne längere Aufenthalte auf demselben Dromedare zurückgelegt, eine Leistung, die kaum je überboten worden sein dürfte.

In der damaligen Zeit war es allgemein Sitte bei den in den Hauptstädten des Landes, hauptsächlich in Alexandrien und Kairo, ansässigen Europäern geworden, altägyptische Sammlungen anzulegen, die mit den Jahren eine zunehmende Vermehrung erfuhren und nicht selten neben manchem Schund die kostbarsten Gegenstände der Vorzeit enthielten. Als Verkäufer der Antiken traten regelmäßig Beduinen auf, welche im Lande herumzogen, um von den Bauern zufällig bei ihrer Feldarbeit gemachte Funde zu billigen Preisen aufzukaufen oder selber heimliche Nachgrabungen, gewöhnlich an versteckt liegenden Plätzen und bei nächtlicher Zeit, auszuführen. Mein noch heutigen Tages lebender Freund, der Beduine Farag Ismail, gegenwärtig ein sehr reicher Mann, leistete Großartiges darin, denn seiner Spürnase entging beinahe nichts. In Alexandrien war es die Sammlung Dimitri, eines wohlhabenden Griechen, welche die seltensten Stücke aufzuweisen hatte. In Kairo hatte der sehr bekannte englische Missionar Dr. Lie ders ein Privatmuseum gestiftet, das sich sehen lassen konnte. Außer ihm befanden sich der Apotheker Jannowitsch, ein deutscher Konditor, dessen Name mir entfallen ist, der englische Dragoman Massara, ein eingeborener Kopte seiner Abstammung nach, mein alter Freund, der italienische Flüchtling und Maler L. Vassalli, der bei dem später gegründeten vizeköniglichen Museum in Bulak die Stellung eines Konservateurs bekleidete, und der spanische Jude Fernandez imBesitz einer reichen Zahl von Antiken, welche sie Liebhabern, meist Reisenden, zum Verkauf anboten. Auch der Italiener Lanzone, gegenwärtig einer der Konservatoren des ägyptischen Museums in Turin, besaß wahre Schätze in seinem mit großer Sorgfalt zusammengestellten Antikenkabinett. Aber niemand von den glücklichen Besitzern befand sich in der Lage, die hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Texte, mit welchen die Denkmäler bedeckt waren, zu lesen. Nur wenn ein so genannter Königsring (die Cartouche, wie Champollion ihn nannte) eine Zahl von Zeichen umschloß, wußte man halbwegs Bescheid und suchte aus veröffentlichten Werken den Namen des Pharao zu entziffern.

Als man erfuhr, daß mir, dem jungen Ägyptologen, die Kenntnis der drei Schriftarten eigen war und daß ich mich den ägyptischen Studien mit Leib und Seele ergeben hatte, ward ich bald eine viel umworbene Person in Kairo und überall fand ich offene Thüren und offene Herzen bei meinem Eintritt. Dafür genoß ich das Vergnügen, in einem wahren Meere von Antiken zu schwimmen, wenngleich ich weidlich ausgebeutet wurde, um Erklärungen über die geheimnisvollen Erbschaften aus längst vergangenen Tagen zu geben. Man mißbrauchte bisweilen meine Zeit und meine Kenntnisse gründlich und Mariette, mein späterer Freund, hatte wirklich recht, mir Vorwürfe darüber zu machen, da ich nur dazu beitrüge, ohne es zu wissen noch zu wollen, die Preise in die Höhe zu schrauben und den Antikenmarkt zu verderben. Immerhin war es für mich eine köstliche Zeit, mitten unter dem alten Plunder stundenlang zu sitzen, jedes einzelne zu prüfen und den toten Inschriften den geschlossenen Mund zu öffnen. Später freilich hatte sich diese Lust in ihr Gegenteil umgewandelt und heutigen Tages bin ich soweit gekommen, daß mir der Besuch eines ägyptischen Museums geradezu als eine schwierige Aufgabe erscheint. Meine Neugierde hat in den vergangenen 50 Jahren vollauf Gelegenheit gehabt, in ausreichendstem Maße befriedigt zu werden, um so mehr, als ich durch eigene Arbeiten das gebotene Material für meine Ansprüche erschöpft habe und es gerne jüngeren und fähigeren Kräften überlasse, auf meinen Untersuchungen weiterzubauen, mit andern Worten, dieselben zu bestätigen oder zu berichtigen und zu vermehren. Alles hat eben seine Zeit und das menschliche Wissen und Können ist von diesem Gesetz nicht ausgeschlossen.

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