3. Meine Reise nach Ägypten
Neue Freunde in Kairo.
Der österreichische Kollege des Barons von Pentz,
Generalkonsul von Huber, dessen Freundschaft ich mich bis zu
seinem Lebensende erfreute, dachte über das ägyptische
Altertum anders als jener, wenngleich er auch nach der anderen
Seite ein hoher Verehrer weiblicher Anmut und Schönheit war
und deshalb keine Gelegenheit versäumte, empfohlene Reisende
in Damengesellschaft zu einem Picknick in der Wüste bei
Sakkarah einzuladen. Er war trotzdem Junggeselle bis zu seinem
letzten Tage hin geblieben, da er seine ganze Neigung und
seine ganze Zeit, so weit sie nicht von seinem Amte in
Anspruch genommen wurde, der Wissenschaft der Numismatik zum
Opfer brachte. Er besaß eine der schönsten und kostbarsten
Sammlungen, die er später in London zur öffentlichen
Versteigerung kommen ließ, nachdem er während seines langen
Aufenthaltes in Odessa und in der Türkei überall Gelegenheit
gefunden hatte, die seltensten Stücke zu erwerben. Seine
späteren Beziehungen zu befreundeten Konsuln verschafften ihm
fast wöchentlich neue Sendungen, die er mit wahrem Entzücken
zu prüfen und ihrem Ursprunge nach zu bestimmen pflegte. Er
war ein sehr gelehrter Herr in seinem Fache und viele
wertvolle Aufsätze in der Wiener numismatischen Zeitschrift
sind aus seiner Feder geflossen. Mit vielem Verständnis hatte
er in gleicher Weise, seiner Liebhaberei für alles Antike
folgend, eine Sammlung ägyptischer Altertümer angelegt, die
nach Tausenden von Gegenständen zählte, und sogar
Nachgrabungen geleitet, die manche schöne Funde zu Tage
förderten. Freilich standen die Altertümer in der damaligen
Zeit nicht sehr hoch im Preise, denn beispielsweise kostete
ein geschnittener prächtiger Käserslein, ein sogenannter
Scarabäus, altägyptischer Herkunft kaum eine halbe Mark,
während ein solches Stück heute mit der vierzig- bis
sechzigfachen Summe bezahlt wird. Die auserlesensten Denkmäler
seiner Funde und Sammlungen widmete Herr von Huber
inpatriotischer Absicht dem kaiserlichen Ambraser-Museum in
Wien; den übrigen Teil seines Antiken Kabinetts veräußerte er
bei seinem Abgange aus Ägypten an den Vizekönig Sajid Pascha
gegen mehrere Tausende englischer Pfunde. Er bildete die
eigentliche Grundlage des hochberühmten Museums von Bulak,
dessen Schätze seit einigen Jahren in das Schloß von Gizeh,
gegenüber von Alt-Kairo, übersiedelt wurden.
Herr von Huber, gleichfalls ein angehender Fünfziger,
dessen Name in meinem Gedächtnis mit treuster Erinnerung
bewahrt bleiben wird, bot seiner äußeren Erscheinung nach
wenig Anziehendes dar. Von kleiner Gestalt, die nach vorwärts
gebeugt war, eine Folge seiner anstrengenden Arbeiten in
krummer Haltung vor seinem Schreibtische, verriet er in seinen
Gesichtszügen mit den stark hervortretenden Augen auch nicht
die leiseste Spur von Schönheit oder Anmut. Nur sein dunkler,
sorgfältig gefärbter Bart – auch sein langes, strähnig
herabfallendes Haupthaar litt an künstlichem Schwarz –
milderte ein wenig den Eindruck des geradezu Häßlichen und
eigenartig Blöden, wenn es auch dem Physiognomiker nicht
entgehen konnte, daß Scharfsinn und Weltspott aus diesen Zügen
hervorleuchtete. Mein ehrenwerter Freund, Herr A. von Kremer,
der damals als erster Dragoman des österreichischen
Generalkonsulates in Kairo lebte und später als
österreichischer Handelsminister seine Laufbahn abschloß,
konnte mir nicht genug von der Strenge und Spottsucht des
Alten erzählen, der, selber ein ausgezeichneter Arbeiter,
seine Beamten bis aufs Blut zu peinigen verstand. Herr von
Kremer war ein sehr gelehrter Arabist, der durch seine
veröffentlichten Abhandlungen und Bücher über Ägypten und das
Arabertum einen verdienten Namen erwarb, aber es wurde ihm
herzlich schwer, den Ansprüchen seines Chefs zu genügen, und
die Taube rettete sich, so oft sie konnte und so weit sie zu
fliegen vermochte, vor den Fängen des Habichts, um in einsamer
Zurückgezogenheit oder unter Freunden vor der Verfolgung
sicher zu sein.
Ich war von Anfang an der erklärte Liebling des gestrengen
Alten geworden. Meine ägyptischen Kenntnisse kamen seinen
Sammlungen zu Gute. Ich las ihm die altägyptischen
Inschriften, die auf den Denkmälern eingegraben standen, wir
unterhielten uns stundenlang über antike Themata, machten
Ausflüge nach den Ruinenstätten in der Umgebung der Stadt und
sein Haus und sein Tisch stand mir jederzeit offen. Mit einem
Worte, ich war ihm geradezu unentbehrlich geworden, so daß er
mich nie anders als mit den Worten: »Mein junger, aber bester
Freund und Kollege in antiquariis« seinen Besuchern
vorstellte. Mit meinem eigenen besten Freunde und wirklichen
Kollegen in antiquariis, dem Franzosen A. Mariette, der damals
im Serapeum seine letzten Ausgrabungen leitete, stand Herr von
Huber auf dem denkbar schlechtesten Fuße, während Mariette
seinen Namen nur mit verächtlicher Miene erwähnte. Beide
konnten sich nicht riechen, wie man zu sagen pflegt. Wie oft
habe ich die Versicherung meines österreichischen Kollegen
nicht mit anhören müssen:»Der Franzose in Sakkarah ist ein
Dieb. Mein Agent, der spanische Jude Fernandez ist der
eigentliche Entdecker des Serapeums.
Sehen Sie diese Sphinxe, die er mir bereits vor vier Jahren
ins Haus gebracht hat, doch war er so dumm, dem da drüben
Mitteilungen zu machen. Da war das Geheimnis verraten und die
Sache vollständig aus.« Somit war Mariette zu seinem Feinde in
antiquariis geworden und ich in die wenig erbauliche Lage
versetzt, der beste Freund von zwei erklärten Feinden zu sein,
ohne jegliche Hoffnung, durch meine Vermittlung eine endliche
Versöhnung zwischen beiden herbeiführen zu können.
Um so friedlicher war die Stimmung in dem Hause meines
lieben Freundes Dr. Bilharz, eines jungen, aus den
hohenzollernschen Fürstentümern gebürtigen Arztes, dessen l
iebenswürdige Persönlichkeit, dessen herrliches Herz und
dessen reiches Wissen mich noch heute bei der bloßen
Erinnerung an ihn bezaubert. Er war ein Jahr vor meiner
Ankunft in Ägypten als Arzt in den Dienst der ägyptischen
Regierung getreten, in der Absicht, sich neben seinem Berufe
rein wissenschaftlichen Studien zu widmen, für die Europa ihm
nicht das gewünschte Material darbot. Die vergleichende
Anatomie und zoologische Studien bildeten die Hauptgegenstände
seiner gelehrten, überaus sorgfältigen Untersuchungen, die ihm
einen ehrenvollen Namen in der Wissenschaft erworben haben. Er
war der erste, der es gewagt hatte, wenn auch im geheimen, die
Leichen verstorbener Mohammedaner zu sezieren und das
Vorkommen eines bisher unbekannten Eingeweidewurmes
festzustellen. Seine Arbeiten über die Elektrizität
erzeugenden Organe des Zitteraales im Nil, dessen Schläge ich
einmal beim Baden im heiligen Strome an meinem eigenen Körper
empfunden habe, erfreuten sich bald eines Rufes, der weit über
die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinausging. Seine
anthropologischen Sammlungen von Menschenschädeln arabischer
und koptischer Herkunft gaben den Gelehrten in der Heimat den
Stoff zu wichtigen Forschungen, und endlich seine Arbeiten
über die älteste Tierwelt auf Grund der Darstellungen auf
altägyptischen Denkmälern boten mir selber eine
unerschöpfliche Fülle von Material zur Bestimmung vorkommender
Tiernamen in altägyptischer Schrift in meinem zwanzig Jahre
später veröffentlichten hieroglyphisch-demotischen
Wörterbuche. Im Umgang mit dem sanften und liebenswürdigen
Landsmanne, in dem ich einen Lehrmeister ersten Ranges
schätzen lernte, flossen die Stunden unserer gemeinsamen
Zusammenkünfte wie Minuten dahin. Ich sah ihn später in Berlin
wieder, beklagte aber bald darauf seinen frühen Tod auf
fremder Erde. Von einem regierenden deutschen Herzog und
dessen Gemahlin ersucht, sie als ärztlichen Beistand auf einer
Vergnügungstour nach den Jagdrevieren der ostafrikanischen
Küste, in der Nähe Abessiniens, zu begleiten, büßte er infolge
eines Fieberanfalles sein anderen Zwecken so nützliches und
wertvolles junges Leben ein, nachdem er die Herzogin von einer
schweren Krankheit glücklich gerettet hatte. Ave pia anima!
rufe ich ihm noch heute in dankbarster Verehrung nach.
Ich müßte eine ganze Liste wohlbekannter Namen aufzählen,
um meinen ersten Bekanntschaften in Kairo gerecht zu werden,
wenn ich nicht fürchtete, durch ein hohles Verzeichnis die
Geduld des Lesers zu ermüden. Es waren nur flüchtige
Augenblicke, in denen die Gestalten an mir vorüberzogen, ohne
auf mein eigenes Leben einen bestimmenden Einfluß ausgeübt zu
haben. Ich begnüge mich daher vorläufig nur drei, den Dr.
Pruner Bey, einen deutschen Arzt, und die beiden Franzosen Dr.
Clot Bey und Linant Bey vor allen übrigen hervorzuheben.
Der zuerst genannte bekleidete vor meiner Ankunft in
Ägypten die im Morgenlande sehr einflußreiche Stelle eines
Leibarztes des regierenden Vizekönigs und entwickelte in
seinen freien Stunden eine sehr rege Thätigkeit auf dem
Gebiete der Erforschung der menschlichen Rassen. Er war ein
Anthropolog, der manches damals als gut anerkannte Buch
geschrieben hatte, das heutigen Tages jedoch als abgethan
gilt. Seine persönlichen Unterweisungen brachten mir wenig
Nutzen und ich sah mich bald auf falscher Fährte wandeln,
sobald ich den wissenschaftlichen Ratschlägen des vornehmen
Bey gefolgt war, die meine eigenen Studien im Lande
vollständig widerlegten.
Der Franzose Clot Bey, nach dem gegenwärtig ein ganzer
Boulevard im neuen Kairo bezeichnet wird, soll, wie die Fama
behauptet, ein ehemaliger Barbier gewesen sein, der sich zum
Doktor ausbildete und dem alten Mehemmed Ali und seinem
Nachfolger Ibrahim auf dem Stuhle Pharaos die nützlichsten
Dienste leistete. Auf alle Fälle besaß er den Mut, in den
schweren Zeiten der Heimsuchung Ägyptens durch die Pest zu den
Kranken zu wandeln, ohne sich viel um die Folgen der
Ansteckung zu kümmern. Auch er besaß ein kleines Museum mit
auserlesenen Altertümern, das später in den Besitz seiner
Vaterstadt Marseille überging und noch heutzutage von den
gelehrten Ägyptologen in Frankreich gern besucht wird. Clot
Bey, von kleiner, unansehnlicher Figur, besaß ein äußerst
lebendiges Wesen und seinen Erzählungen aus den Zeiten des
alten Mem und der ägyptischen Feldzüge in Syrien, Arabien und
im Sudan lauschte ich stets mit besonderem Vergnügen. Er hat
sogar ein Buch über Ägypten in französischer Sprache
niedergeschrieben, das wohl gut gemeint, aber ziemlich schwach
in der Ausführung war. Daß er beispielsweise in dem
zoologischen Teile des Werkes, das er mir als eine im Druck
vollendete Lebensaufgabe rühmte, die Fledermaus als eine
besondere Vogelart aufführte, ist nicht die schlimmste unter
allen darin begangenen Sünden. Ein Türke würde darin
allerdings nichts Anstößiges entdeckt haben, aber sein Buch
war nicht für Türken, sondern für Enropäer geschrieben.
Viel bedeutungsvoller war mir von Anfang an die
Bekanntschaft eines Mannes, der für Ägypten als ein
segensreicher Gewinn bezeichnet werden konnte, ich meine den
Franzosen Linant mit dem Zusatze: de Bellefonds, wie er sich
nach seinem Geburtsorte gern nennen hörte. Er starb als ein
Achtziger erst vor wenigen Jahren in Kairo, nachdem er zum
Range eines Pascha erhoben worden war. Als ich ihn zuerst
kennen lernte, war er ein kräftiger Vierziger von
militärischer Haltung, von großem, kräftigem Körperbau und mit
sympathischen, stets freundlichen Zügen in seinem runden
Gesichte mit dem rabenschwarzen und wohlgepflegten
Schnurrbarte. Schon unter Mehemmed Ali war er als ingénieur
des ponts et chaussées in den ägyptischen Dienst eingetreten,
um Vorschläge für die Anlage von Kanälen, Eindämmungen des
Niles, Schleusensystemen u.a. in sauber ausgeführten
kartographischen Plänen der Regierung zu unterbreiten. Für die
Ausführung des maritimen Kanales von Suez hatte er gleichfalls
das Seinige dazu beigetragen, wenngleich er nicht diejenige
Anerkennung davon trug, die seine scharfsinnigen Vorschläge
vom praktischen Standpunkte aus in höchstem Maße verdient
hätten. Er empfand eine besondere Befriedigung in
geographischen Studien, die mit der Wasserverteilung im alten
Ägypten in Verbindung standen und Altes mit Neuem verglichen.
Seine Abhandlung über den ehemaligen Möris-See im Fajum hat
sogar eine klassische Berühmtheit erreicht, nicht weniger
seine gründlichen Untersuchungen über die älteste Verbindung
des Niles mit dem Roten Meere, die er mit vollem Rechte bis
auf die Zeit Ramses II., also bis zum Ende des 14.
Jahrhunderts v. Chr. zurückführte. Mit klarem Blicke hatte er
die Beweise zusammengestellt, welche die ältere Bucht des
Roten Meeres nach dem jetzigen Krokodilsee, bis in die Mitte
der Landenge von Suez vorschoben, und den Durchmarsch der
Juden durch das Schilfmeer in richtiger Würdigung der
topographischen Verhältnisse an dieselbe Stelle verlegt.
Leider war es ihm nicht vergönnt, die Durchstechung der
Landenge nach seinen Plänen vollzogen zu sehen, nachdem sein
diplomatischer Landsmann, Herr von Lesseps, unter der
Regierung des folgenden Vizekönigs in den Besitz des darauf
bezüglichen Firmans gelangt war. Meinem verstorbenen Freunde
und Gönner Linant gebührt außerdem der Ruhm, die von den
Pharaonen-Zeiten an bis zur Kalifen-Epoche ausgebeuteten
Goldgruben von Wadi Olaki auf dem Gebiete der
Bischarin-Nomaden, in der Nähe der südlichen Grenze Ägyptens
nach dem Roten Meere zu, zuerst wieder entdeckt und jene
unbekannten Regionen kartographisch aufgenommen zu haben. Auf
seinen Reisen in diesen wilden Gegenden war ihm das
schnellläufige Dromedar zum bequemsten Reittier geworden, so
daß man den wackeren Mann sogar in den Straßen von Kairo nur
auf diesem Tiere als Reiter erblickte, wenn ihn Geschäfte oder
Besuche das Haus zu verlassen nötigten. Nach seiner eigenen
Erzählung hatte er einmal den Weg von Alexandrien nach Suez
über Kairo am Rande der libyschen Wüste und mitten durch das
Wadi der Mekkapilger in der ersta unlich schnellen Zeit von 24
Stunden ohne längere Aufenthalte auf demselben Dromedare
zurückgelegt, eine Leistung, die kaum je überboten worden sein
dürfte.
In der damaligen Zeit war es allgemein Sitte bei den in den
Hauptstädten des Landes, hauptsächlich in Alexandrien und
Kairo, ansässigen Europäern geworden, altägyptische Sammlungen
anzulegen, die mit den Jahren eine zunehmende Vermehrung
erfuhren und nicht selten neben manchem Schund die kostbarsten
Gegenstände der Vorzeit enthielten. Als Verkäufer der Antiken
traten regelmäßig Beduinen auf, welche im Lande herumzogen, um
von den Bauern zufällig bei ihrer Feldarbeit gemachte Funde zu
billigen Preisen aufzukaufen oder selber heimliche
Nachgrabungen, gewöhnlich an versteckt liegenden Plätzen und
bei nächtlicher Zeit, auszuführen. Mein noch heutigen Tages
lebender Freund, der Beduine Farag Ismail, gegenwärtig ein
sehr reicher Mann, leistete Großartiges darin, denn seiner
Spürnase entging beinahe nichts. In Alexandrien war es die
Sammlung Dimitri, eines wohlhabenden Griechen, welche die
seltensten Stücke aufzuweisen hatte. In Kairo hatte der sehr
bekannte englische Missionar Dr. Lie ders ein Privatmuseum
gestiftet, das sich sehen lassen konnte. Außer ihm befanden
sich der Apotheker Jannowitsch, ein deutscher Konditor, dessen
Name mir entfallen ist, der englische Dragoman Massara, ein
eingeborener Kopte seiner Abstammung nach, mein alter Freund,
der italienische Flüchtling und Maler L. Vassalli, der bei dem
später gegründeten vizeköniglichen Museum in Bulak die
Stellung eines Konservateurs bekleidete, und der spanische
Jude Fernandez imBesitz einer reichen Zahl von Antiken, welche
sie Liebhabern, meist Reisenden, zum Verkauf anboten. Auch der
Italiener Lanzone, gegenwärtig einer der Konservatoren des
ägyptischen Museums in Turin, besaß wahre Schätze in seinem
mit großer Sorgfalt zusammengestellten Antikenkabinett. Aber
niemand von den glücklichen Besitzern befand sich in der Lage,
die hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Texte, mit
welchen die Denkmäler bedeckt waren, zu lesen. Nur wenn ein so
genannter Königsring (die Cartouche, wie Champollion ihn
nannte) eine Zahl von Zeichen umschloß, wußte man halbwegs
Bescheid und suchte aus veröffentlichten Werken den Namen des
Pharao zu entziffern.
Als man erfuhr, daß mir, dem jungen Ägyptologen, die
Kenntnis der drei Schriftarten eigen war und daß ich mich den
ägyptischen Studien mit Leib und Seele ergeben hatte, ward ich
bald eine viel umworbene Person in Kairo und überall fand ich
offene Thüren und offene Herzen bei meinem Eintritt. Dafür
genoß ich das Vergnügen, in einem wahren Meere von Antiken zu
schwimmen, wenngleich ich weidlich ausgebeutet wurde, um
Erklärungen über die geheimnisvollen Erbschaften aus längst
vergangenen Tagen zu geben. Man mißbrauchte bisweilen meine
Zeit und meine Kenntnisse gründlich und Mariette, mein
späterer Freund, hatte wirklich recht, mir Vorwürfe darüber zu
machen, da ich nur dazu beitrüge, ohne es zu wissen noch zu
wollen, die Preise in die Höhe zu schrauben und den
Antikenmarkt zu verderben. Immerhin war es für mich eine
köstliche Zeit, mitten unter dem alten Plunder stundenlang zu
sitzen, jedes einzelne zu prüfen und den toten Inschriften den
geschlossenen Mund zu öffnen. Später freilich hatte sich diese
Lust in ihr Gegenteil umgewandelt und heutigen Tages bin ich
soweit gekommen, daß mir der Besuch eines ägyptischen Museums
geradezu als eine schwierige Aufgabe erscheint. Meine
Neugierde hat in den vergangenen 50 Jahren vollauf Gelegenheit
gehabt, in ausreichendstem Maße befriedigt zu werden, um so
mehr, als ich durch eigene Arbeiten das gebotene Material für
meine Ansprüche erschöpft habe und es gerne jüngeren und
fähigeren Kräften überlasse, auf meinen Untersuchungen
weiterzubauen, mit andern Worten, dieselben zu bestätigen oder
zu berichtigen und zu vermehren. Alles hat eben seine Zeit und
das menschliche Wissen und Können ist von diesem Gesetz nicht
ausgeschlossen.