Mein Leben und mein Wandern

Mein Leben und mein Wandern

von Heinrich Brugsch

Berlin, allgemeiner Verein für Deutsche Litteratur, 1894

 

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3. Meine Reise nach Ägypten

Unter würdigen Thebanern.

An meine beiden Führer in Theben, den alten Graubart Timsach (sein Name bezeichnet in der arabischen Sprache soviel als Krokodil) auf der östlichen Seite der gewaltigen Ruinenstätte und den ehrwürdigen 80jährigen Greis Anad auf der westlichen, denke ich noch heute mit dankbaren Gefühlen.

Timsach, damals etwa 65 Jahre alt, war in seinem Mannesalter der Führer Champollions des Jüngeren gewesen, als dieser in Theben weilte, und deshalb in der Lage, mir vieles von dem großen Meister zu erzählen, den er auf allen seinen Wegen begleitet hatte. Die französische Regierung hatte ihm als Belohnung für seine treu geleisteten Dienste das französische Bürgerrecht verliehen, so daß er von allen Abgaben und Steuern befreit war und mit sämtlichen Mitgliedern seiner eigenen Familie von den thebanischen Behörden in keiner Art belästigt werden durfte. Die Bevölkerung von Karnak, der er angehörte, verehrte ihn wie einen berühmten Schech und gab ihm in der Anrede den Titel »unseres Vaters«. Obgleich mein alter Timsach die Fellachentracht seiner Landsleute anlegte und sein Haupt ein achtungswerter Turban schmückte, so war er dennoch auf sein Franzosentum stolz und bemühte sich, soviel es anging, französischen Sitten und Anschauungen seinen vollen Beifall zu spenden.

Sein Kollege Anad, drüben auf der anderen Seite Thebens, die hauptsächlich die Totentempel und die Gräberregion aus dem Altertume umfaßte, war ein ebenso würdevoller Mann als das östliche »Krokodil«. Wie dieser in Champollion den eigenen Ruhm erblickte, so jener in Lepsius, dem er sich während dessen längeren Aufenthaltes in Theben zu Dienste gestellt hatte. Er empfand deshalb eine doppelte Genugthuung, in mir einen Landsmann des großen Gelehrten zu erkennen, und ich bin meinerseits in der glücklichen Lage gewesen, dem ehrwürdigen Greise für alle seine Bemühungen meine herzlichste Dankbarkeit zu beweisen. Er besaß hüben, wie Timsach drüben, eine ausgezeichnete Kenntnis der Denkmäler bis zu den Nummern der einzelnen Gräber und Katakomben hin, so daß ich mich unter seiner Führung niemals in der Irre befand.

Während meines mehrmonatigen Aufenthaltes in Theben hatte ich auf der Ostseite der alten Stadt im kleinen Tempel der Ortsgöttin Ape meine Wohnstätte aufgeschlagen, und wenn ich des Morgens in aller Frühe erwachte, so empfand ich es stets mit großem Vergnügen, an den stummen Wänden gegenüber meinem Bett die großen und kleinen Götter des altägyptischen Olympes an meinen Augen vorüberziehen zu sehen. Ape stand an der Spitze aller, wenn auch in einer für eine hehre Göttin wenig anmutigen Gestalt. Sie zeigte sich unter dem Bilde eines scheußlichen schwarzen Nilpferdes mit aufgesperrtem Rachen und nur die Krone und Szepter und sonstige Attribute an ihrem Leibe ließen vergessen, daß sie nicht bloß einem mythologischen Tiergarten angehörte. Nie habe ich die Freude der Arbeit so empfunden, als gerade in dieser meiner thebanischen Wohnung, die an Dauer nichts zu wünschen übrig ließ, keiner Feuersgefahr ausgesetzt war und außerdem deu angenehmen Vorzug hatte, daß ich ihr von Miete und Steuer befreiter Insasse war. Ein von mir nicht bewohntes Gemach besaß eine merkwürdige Eigentümlichkeit, die ihm bei den Arabern die Bezeichnung »die Kammer der Totenuhr« verschafft hatte. Wurde die steinerne Außenwand von den Strahlen der Morgensonne beleuchtet, so ließ sich ein leise klingender Ton hören, der annähernd dem langgedehnten metallenen Klang einer schlagenden Uhr glich. Die berühmte Memnonssäule bot nach den übereinstimmenden Zeugnissen des Altertums zu derselben Beobachtung Veranlassung. Über die physikalischen Ursachen des klingenden Tones einer geborstenen und von der Sonne erwärmten Steinmasse ist man längst im reinen.

Daß die Araber aus diesen und ähnlichen Erscheinungen inmitten der großartigen Denkmälerwelt Thebens einen ganzen Legendenkreis bildeten, kann nicht in Erstaunen setzen. Ihre Erzählungen und Sagen stehen auf gleicher Stufe mit unserer Ahnfrau oder weißen Frau in verrufenen Gängen alter Schlösser und Burgen. Immerhin hatten ihre Geschichten für mich einen besonderen Wert, da sie nicht ohne Zusammenhang mit wirklichen, durch die Inschriften der Tempel verbürgten Überlieferungen standen, die sich Jahrtausende hindurch von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzten.

Meine Wohnung auf der gegenüberliegenden Seite Thebens bildete das ehemalige Grab eines vornehmen Ägypters, das in einiger Höhe in den Felsen von Abd-el-Kurnah gemeißelt und mit Bildern und Inschriften geschmückt war und mir den Vorteil einer kühlen und verhältnismäßig sauberen Aufenthaltsstätte verschaffte. Trat ich des Morgens aus meinem Grabe heraus, so entzückte mich die wundervolle Beleuchtung und das zu meinen Füßen ausgebreitete Panorama, wie es nicht herrlicher, nicht großartiger gedacht werden konnte. Die Ruinenstätte der einstigen »Königin der Städte« breitete sich in mächtiger Ausdehnung zu meinen Füßen aus, durchschnitten von den Wässern und Sandinseln des Nilstroms, der ihr Gebiet in zwei große Hälften trennte. Die massigen Überreste des Reichstempels von Kurnah und die vom blauen Lichtglanze des Himmels durchbrochenen Säulenhallen des großen Heiligtums von Luxor versetzten mich in eine wahre Zauberwelt.

Die Eindrücke, die ich in solchen Augenblicken in innerster Seele empfand, ließen mich die Not vergessen, in der ich mich in den letzten Monaten meiner Wanderschaft befand. Das Reisegeld war bis zum letzten Heller aufgezehrt und ich genötigt, wie der ärmste Thebaner mein Leben zu fristen. Linsen, Bohnen, Zwiebeln, Durrabrot und nur selten einmal ein mageres Huhn sind keine Speisen, die auf die Dauer einen Europäer zu kräftigen vermögen. Dazu eine trostlose Einsamkeit in weiter Ferne von der Familie, der Mangel aller Nachrichten »von draußen«, die Entbehrung aller geistig auffrischenden Genüsse, wie sie Europa dem gebildeten Manne in unerschöpflicher Fülle darbietet, und nicht am letzten die fehlende Sicherheit und schnelle Beförderung aller brieflichen Mitteilungen. Und doch war ich dem Schicksal dafür dankbar, als ich auf der Höhe meines trostlosen Zustandes in den Besitz eines Briefes gelangte, dessen Adresse mich die zitternde Handschrift meines Beschützers Alexander von Humboldt sofort erkennen ließ. Ich jubelte auf, als ich die folgenden Zeilen auf den beiden eng beschriebenen Seiten mit aller gebotenen Andacht las:

»Mein teurer Brugsch! Ich habe mir bittere Vorwürfe zu machen, daß ich Ihnen nicht öfter und früher Zeichen des Lebens, der innigsten Freundschaft und des Dankes für so überaus wichtige und liebevolle Briefe gegeben habe. Aber der Gedanke, daß Sie auch nur einen Augenblick an meiner innigen Anhänglichkeit, an meiner immer zunehmenden Achtung für Ihr schönes Talent und Ihre beispiellose und doch so geregelte Thätigkeit zweifeln könnten, kann mir nicht in den Sinn kommen. Fast jeder Ihrer Briefe, auch die an mich gerichteten, ist dem Könige vorgelegt und von Ihm mit dem Wohlwollen, das Er Ihnen so unabänderlich geschenkt, angehört worden.

Ob diese Zeilen sicher in Ihre Hände kommen, mein teurer Doktor, scheint mir sehr ungewiß. Ihr Hauptzweck ist der, Ihnen die frohe Nachricht zu geben, daß der Wunsch, den Sie mir in Ihrem Brief an Bord der Barke »Serapis« äußerten, vollkommen befriedigt worden ist. Sie meldeten, daß Sie vom November ab ohne Fonds sein würden und im Februar zurückkommen würden. Es ist mir leicht gewesen, vom König für Sie wieder auf ein ganzes Jahr fünfzehn Hundert Thaler zu erlangen; damit ist nicht gesagt, daß Sie noch ein volles Jahr bleiben müssen, es wird Ihnen nur die Möglichkeit eröffnet, bis zu Ihrer Ankunft in Berlin noch über 1500 Thlr., nämlich jeden Monat über 125 Thlr., zu disponieren. Vielleicht gehen Sie noch in das Sinaïland, wo so alte Inschriften sind, vielleicht machen Sie die Rückreise über Malta und London, wo Sie ganz auf Bunsens Freundlichkeit rechnen können. In London ist viel, sehr viel zu lesen, und ein Aufenthalt in London wäre vielleicht in die ägyptische Reise einzurechnen, wenn die 1500 Thlr. Sie über London nach Berlin zurückführten. London werden Sie doch besuchen müssen, um Ihre Arbeiten zu vervollständigen, und von Berlin aus, nach der ägyptischen Reise, wieder Geld zu einer Londoner Reise zu erlangen, möchte nicht so leicht sein. Es wäre besser, daß Ägypten und London eins würden und daß Sie mit den neuen letzt bewilligten 1500 Thalern bis August über Malta und London nach Berlin auskämen. Ich glaube gern an Frieden, aber auf die Zukunft ist in dieser Hinsicht doch nicht mit Sicherheit zu rechnen. Ich bin mit Geh. Kab. -Rat Illaire, der Ihnen sehr gewogen ist, übereingekommen, daß Ihnen bei Herrn Kammerherrn und General-Konsul in Kairo Baron von Pentz ein Kredit von 1500 Thalern auf die Legationskasse eröffnet werde. Des Königs und Illaires Abwesenheit in Warschau und die jetzige Anwesenheit des russischen Kaisers in Potsdam haben (der bewegten Zeit wegen) die Sache noch nicht in alle Förmlichkeit gebracht, aber die freundlichste Bewilligung des Königs ist ganz gewiß. Ich denke selbst noch vor Geh. Kab.-Rat Illaire deshalb an Herrn Baron von Pentz zu schreiben.

Für alles Detail der Reise, die ich vorher berührte, handeln Sie ja ganz frei, nach eigenem Willen. Lepsius fährt fort, sehr freundlich von Ihnen zu reden. Ihren Brief an Bunsen habe ich mit einem sehr warmen begleitet. Ich billige sehr, daß Sie sich nicht mit der Böckh in der Akademie versprochenen Arbeit übereilen. Auf einer Reise, wo es an allem Bücherapparat fehlt, ist nie etwas Vollendetes zu geben, auch nicht zu fordern, aber ehe Sie zurückkommen, ist eine Arbeit für die Akademie allerdings nötig, da ich Ihre schönen Berichte an den König, die andere Zwecke der Unterhaltung haben mußten, immer geradezu Ihrem vortrefflichen Vater wiedergegeben habe. Ihren sehr gelehrten und ausgezeichneten Freund G. Weiß, Verfasser eines sehr merkwürdigen Buches, hatte ich schon sehr ehrenvoll empfangen, da ich Ihren Brief erhielt.

Meine Gesundheit ist im ganzen dieselbe d.h. Arbeit geradezu nicht hindernd geblieben, nur in der letzten Zeit habe ich die gewöhnlichen Leiden: Verstopfung wie Schnupfen und Husten mehr gehabt.

Aragos Tod hat mich tief geschmerzt, so sehr er herbeizuwünschen war. Des armen Passalacquas Schuldenfache, durch die thörichte und verfehlte Gemäldespekulation herbeigeführt, beschäftigt mich noch immer. Ich hoffe ihm wird geholfen werden können, obgleich die Minister alle Vorschüsse verweigern. Hr. von Olfers hat gegen Vermutung sich sehr wohlwollend gezeigt. Die Seifertsche Familie grüßt Sie herzlich.

Empfangen Sie, teuerster Brugsch, die erneuerte Versicherung meiner unverbrüchlichsten Anhänglichkeit.

Herrn Dr. Pfundts Meteorologische Beobachtungen (doch Réaumursche Skala), dieser Zusatz kann nicht oft genug wieder holt werden!!, sind sehr rühmlich, aber die einzelnen Monate gehen verloren. Er sollte ja immer sechs Monate zusammen schicken, am sichersten an Professor Dove (wegen der geographischen Gesellschaft), adressiert. Suchen Sie selbst doch recht ernstlichst zu ergründen 1) was die größte Hitze des Sommers ist mit Angabe der Skala und 2) was die größte Lufttemperatur im Schatten, fern von Nähe der Felsen, frei in der Luft, nicht in Zelten, nicht in mit Staub gefüllter Luft, in der Höhe von sechs bis sieben Fuß über dem Boden im Schatten ist. Sie wissen doch, daß Physiker nicht an 36 bis 37 Grad Réaumur glauben. Beobachtungen in der Sonne helfen zu garnichts. Potsdam, den 9. Oktober 1853. Ihr A. v. Humboldt.«

Die Worte des vorstehenden Briefes, den der damals 84jährige Greis mit zitternder Hand niedergeschrieben hatte, klangen wie Sphärenmusik in meine Ohren. Ich war mit einem Schlage aus aller Not und Sorge erlöst worden und fand den beinahe ganz verlorenen Mut wieder, mich mit frischer Kraft meinen Forschungen auf dem Gebiete der thebanischen Totenstadt zu widmen. Doch ließ ich es mir nicht nehmen, nach dem Nile hin meinen Weg zu richten, mich über den Strom setzen zu lassen und in dem »französischen Schlosse« in Luxor einen wahren Festtag zu feiern. Ich kam gerade zur rechten Zeit an, um ein höchst wertvolles astronomisches Denkmal aus der Kaiserzeit vor seinem Untergange zu retten. Ein braunfarbiger Diener des Schlosses war gerade damit beschäftigt, das Beil zu erheben, einen alten buntbemalten Sargkasten mit Sternbildern in Kleinholz zum Brennen zu verwandeln, als ich eintrat und das Unglück verhinderte. Das »französische Schloß« bestand durchweg aus mehreren aus allen Nilziegeln aufgeführten Zimmern, die in lustiger Höhe auf den steinernen Tragebalken und Säulen der hintersten Kammern des Amonstempels von Luxor ruhten. Eine stufenreihige, ebenfalls aus Nilziegeln aufgeführte Treppe führte zu der halb europäisch, halb arabisch eingerichteten Wohnstätte, deren Besitzer, ein Franzose Namens Mannier, hier mit seiner Gattin, einer nicht mehr ganz jugendlichen Italienerin, ein einsames Dasein verlebte, lediglich um in geeigneter Weise ein kleines Vermögen zu erringen. Er stellte Photographien her, die er an reisende Europäer, meist Engländer und Franzosen, absetzte, oder er kaufte und verkaufte Altertümer, sogar beschriebene Steine der Tempelmauern waren nicht vor ihm sicher. Außerdem verlieh er Geld gegen hohen Zinsfuß, wobei er die besten Geschäfte mit arabischen Kaufleuten machte, die durch die Wüste ihre Karawane bis nach Dongola und Kordofan abgehen ließen. Herr Maunier war deshalb eine allen Thebanern wohlbekannte Erscheinung, denn sein jahrelanger Aufenthalt, seine rührige Geschäftigkeit und nicht am letzten seine ärztliche Hilfe hatte ihn mit aller Welt zusammengeführt, und kein Nilreisender landete in Theben, fast am Fuße seiner luftigen sonderbaren Tempelwohnung, ohne ihm und seiner schönen, nur etwas melancholischen Gattin einen Besuch abzustatten, freilich nur in den kurzen Wintermonaten, denn in der heißen Jahreszeit vermied man damals, wie noch heute, den Aufenthalt in der Hölle Ägyptens.

Ich verlebte manche fröhliche Stunde im französischen Schlosse, schon weil mir die Freude zu teil wurde, mit zwei europäischen Seelen verkehren zu können und von Zeit zu Zeit Nachrichten »von drüben«, d.h. Frängistan zu erhalten. Freilich brauchten damals die Zeitungen mindestens einen Monat, um von Paris und London aus das Schloß zu erreichen. Das letztere hatte übrigens ein trauriges Schicksal, vor dem nur ein glücklicher Zufall die zur Zeit abwesenden Insassen bewahrt hatte. In nächtlicher Zeit brach der Fußboden, d.h. die quer über die Tempelmauern gelegten Palmbaumstämme durch und ein großer Teil des Hauses mit seinen Möbeln stürzte in die Tiefe des darunter liegenden Heiligtums. Herr Mannier verließ bald darauf Luxor, um nach Kairo zurückzukehren und in den Dienst eines ägyptischen Prinzen als Güterverwalter zu treten. So viel ich später hörte, siedelte er als reicher Mann nach Frankreich über.

Meine Felsenwohnung auf der westlichen Seite Thebens hatte sich im Winter manches europäischen Besuches zu erfreuen, ja ich habe sie einmal mit einem landsmännischen Reisenden teilen müssen, der sich später als Forscher auf geographischem und ethnographischem Gebiete einen Namen errungen hat. Es war der Baron v. Maltzahn, den ich gleich nach seiner Ankunft in Theben aus den Kla uen seines maltesischen Dragoman befreite. Der letztere, der sich verpflichtet hatte, meinen La ndsmann auf einem Nilboote durch Oberägypten zu führen, mißhandelte den armen Baron in unerhörtester Weise, plünderte ihn aus und vergaß sich so sehr, ihn selbst mit Schlägen zu traktieren. Wie gesagt trat ich als rettender Engel ein, befreite den Unglücklichen aus seiner gefährlichen Lage und beherbergte ihn sechs Wochen hindurch in meinem bescheidenen Felsengrabe.

Eine andere Begegnung ist mir gleichfalls im Gedächtnis geblieben, da sie mir ganz unvermutet die persönliche Bekanntschaft des katholischen Paters Ignatius Knoblecher, eines geborenen Österreichers, verschaffte, der durch sein Missionswerk am weißen Nil, 10 Grad nördl. Br., später zu einer gewissen Berühmtheit gelangte und als Bischof in Rom sein thatenreiches Leben abschloß. Abnna Soliman, »unser Vater Salomo«, wie die Araber ihn nannten, damals ein Dreißiger, kannte die oberen Nilgegenden wie seine eigene Heimat. Zur Zeit unserer ersten Begegnung befand er sich in Begleitung von zwölf Handwerkern österreichischer Abstammung, die sich dem praktischen Missionswerke zu widmen hatten, um die Neger in das europäische Handwerk einzuführen und ihren Sinn für die Segnungen unserer Kutur zu erwecken. Wie ich mehrere Jahre später aus dem Munde des Paters vernahm, ist keiner von ihnen mit dem Leben davon gekommen. Sie erlagen nach Jahresfrist dem Klima und dem Fieber, vielleicht infolge ihrer nüchternen Lebensweise und ihrer Enthaltung aller geistigen Getränke. In Begleitung der Expedition befand sich ein junger Bari-Neger, der erste, der überhaupt in Ägypten gesehen wurde und besonders durch eine eigentümliche Federkrone auf dem Kopfe die allgemeinste Aufmerksamkeit erregte. Der Pater vermochte sich nur teilweise mit ihm zu verständigen in seiner Landessprache, in welcher der s-Laut unbekannt sein soll. Der Bari wenigstens sprach das Wort Soliman nie anders als Toliman aus. Pater Ignatius erzählte mir von dem tragischen Ende des österreichischen Konsuls Dr. Reitz (eines der Teilnehmer der Müllerschen Expedition nach dem Innern des Sudan), von welchem er kurz zuvor briefliche Nachricht aus Chartum erhalten hatte. Der Konsul erlegte auf einem Jagdzuge außerhalb dieser Stadt und gegen die Warnungen der Eingeborenen eine Hyäne mit seiner Kugel. Kurz darauf verfiel er in Wahnsinn und starb elendiglich, wahrscheinlich durch Gift, das ihm seitens der Warner beigebracht worden war. Das Tier gilt dort als geheiligt und niemand wagt ihm etwas zu Leide zu thun. Knoblecher kannte diesen Glauben und erzählte mir von einem türkischen Beamten, der ihm die Versicherung gab, auch er habe einst auf eine Hyäne geschossen, sie an der Schulter getroffen und plötzlich, nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, an Stelle des Tiers ein Mädchen vor sich gesehen, dem das rote Blut aus einer Wunde an der Schulter herausfloß. Wie man sich daraus überzeugt, fehlt es auch dem Sudan nicht an Dichtungen und Jägergeschichten.

Abenteuer, am allerwenigsten gefährliche, habe ich auf meiner ganze ersten Reise in Ägypten nicht erlebt und mich überall der besten Aufnahme bei den Eingeborenen, hohen und niedrigen, erfreut. La douceur de mon caractère, wie es Alex. von Humboldt in seiner liebenswürdigen Güte von mir behauptete, öffnete mir überall die Herzen und Thüren, und wenn bei manchen Gelegenheiten meine Linke nicht wußte, was die Rechte gab, so empfand ich doch mit einer gewissen Genugthuung die Ehre des Namens, der mir seitdem von den Ägyptern beigelegt wurde: Abulmaaruf, d.i. »Der Vater der Güte«.

Von den Segenswünschen meiner Diener und Freunde überschüttet, kehrte ich glücklich nach der Heimat zurück, um den Kampf ums Dasein mit den Waffen des Geistes zu wagen. Ägypten hatte mir den Stahl dazu geliefert, und es lag an mir, ihn zur Abwehr zu schärfen; denn für die Defensive hatte ich mich gründlich vorzubereiten, das war mir klar geworden.

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