Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

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1989 n.Chr.

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Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

Die höchste Stufe des Verstandes ist die Selbsterkenntnis. (Imam Riza (a.))

Ein Roman und die Meinungsfreiheit

Eines der Argumente aus westlicher Sicht zur Verteidigung des Buches ist die Behauptung, es handle sich schließlich nur um einen Roman. Es sei eine fiktive Geschichte, und daher könne sie nicht als Beleidigung aufgefaßt werden. Dieses Argument ist sehr irreführend, denn es ist unerheblich ob eine Beleidigung gegen lebende oder verstorbene Personen direkt ausgeschrieben oder im Deckmantel eines Romans veröffentlicht wird. Für einen Muslim zumindest ist es völlig unerheblich, ob jemand ihn direkt ins Gesicht beschimpft: "Deine Mutter ist eine Hure", oder ob er sagt: "Ich schreibe in einem fiktiven Roman, daß jemand träumt, daß eine Frau, die alle Merkmale und den Namen deiner Mutter trägt, eine Hure ist". In beiden Fällen wäre die Schwere der Beleidigung gleich. Genau diese Beleidigung aber schrieb Rushdie in seinem Buch gegen eine Milliarde Muslime aus, denn gemäß dem Heiligen Quran sind die Frauen des Propheten Mütter aller Gläubigen: "Der Prophet steht den Gläubigen näher als sie sich selber, und seine Frauen sind ihre Mütter" (Heiliger Qur'an, Sure 33/6).

Ohne Zweifel war Rushdie sich darüber im klaren, welche Beleidigung er aufschrieb, zumal er aus einer muslimischen Familie stammt. Für Muslime ist Hurerei eine der großen Sünden. In einem Wertesystem jedoch, in dem Prostitution ohnehin legalisiert bzw. geduldet ist, und Ehebruch von der Mehrheit als gewöhnlich betrachtet wird, kann das Ausmaß einer derartigen Beleidigung kaum verstanden werden.

Wahrscheinlich im Bewußtsein der Schwere seiner Beleidigung leugnete Rushdie Ende Januar 1989 in einer Fernsehdiskussion in England, die Frauen des Propheten beleidigt zu haben (Auslandsjournal 17.2.89). Doch die Beleidigung ist für jeden lesbar abgedruckt (Satanic Verses u. a. S.376-380) und durch die Zunge des Autors nicht wegdiskutierbar. Wohlgemerkt, er distanzierte sich nicht von den geschriebenen Beleidigungen, sondern leugnete diese. Der versuchte Betrug Rushdies im englischen Fernsehen ist nur die Fortsetzung einer versuchten Manipulation in Rushdies Brief an den indischen Ministerpräsidenten Ghandi.

Nach dem Verbot von Rushdies Buch in Indien im Oktober 1988 schrieb Rushdie an Ghandi mit der Aufforderung, das Verbot aufzuheben. In seinem Brief heißt es u.a.: "... Im fraglichen Teil des Buches ... geht es um einen Propheten, der nicht Muhammad heißt - er ist von fiktiven Anhängern umgeben, von denen einer zufällig meinen Vornamen trägt" (nachzulesen in taz 21.2.89). Abgesehen davon, daß Rushdie den Propheten des Islam im Roman sowohl namentlich nennt als auch mit einem Schimpfwort belegt, und abgesehen davon, daß die, wie er sagt, "fiktiven Gefährten" in seinem Buch viele Merkmale der tatsächlichen Gefährten aufweisen und ihre Namen tragen, steckt in Rushdies Brief ein unglaublich unverfrorener Versuch der bewußten Täuschung: Rushdie schreibt von einem Gefährten, der seinen Vornamen trägt. Um den fiktiven Charakter seines Romans zu unterstreichen versucht er mit dieser Erklärung zu behaupten, daß auch heute lebende Personen in der Rolle von Prophetengefährten im Buch vorkommen. Selbst wenn Rushdies Aussage korrekt wäre, würde das in keiner Weise den sonstigen beleidigenden Charakter seines Buches schmälern. Zwar kommt im Roman Rushdies ein Gefährte des Propheten mit dem Namen /Salman/ vor; doch verschweigt Rushdie, daß es tatsächlich einen großen Gefährten des Propheten namens "Salman-e-Farsi" (Salman der Perser) gegeben hat, den die Romanfigur darstellt, zumal auch die Romanfigur aus dem Iran stammt. Rushdie muß bei seinem Brief an Ghandi davon ausgegangen sein, daß Ghandi sich in der islamischen Geschichte nicht auskennt.

Auch die Zeitung "taz", die den Brief veröffentlichte, muß entweder selbst die islamische Geschichte nicht kennen oder davon ausgegangen sein, daß zumindest ihre Leser wenig über den Islam wissen. Denn sonst hätten sie Rushdies krampfhaften und manipulatorischen Versuch, sich zu verteidigen, nicht dermaßen bloßgestellt.

Es heißt oft, daß ein derartiges Buch schon wegen der herrschenden Meinungsfreiheit nicht verboten werden darf. Der Islam ist weltgeschichtlich gesehen einer der Vorreiter bei der Etablierung der Meinungsfreiheit. Diskussionsrunden mit These und Antithese sind Grundbestandteil der islamischen Ausbildung bei vielen theologischen Vorlesungen. Meinungsfreiheit jedoch setzt eine Meinung voraus. Eine Beleidigung aber ist keine Meinung, sondern ein Straftatbestand. Es gibt schließlich Hunderte von Büchern, geschrieben von westlichen Autoren, gedruckt und verbreitet im Westen, welche sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzen. Doch in keinem Fall kam es von Seiten der Autoren, trotz ablehnender Haltung zum Islam, jemals zu solchen Beleidigungen. Autoren, die eine Meinung haben, bedürfen nicht des Mittels der Beleidigung.

Andersherum könnte festgestellt werden, daß Rushdie nichts Kritisierbares am Islam finden konnte, und deswegen zum Mittel der Beleidigung greifen mußte, um den Islam anzugreifen. Die Gelegenheit der Rushdie-Affaire wurde wieder einmal dafür benutzt, die angebliche Meinungsbeschränkung im Iran anzuprangern. Doch jeder Iran-Reisende weiß, daß es im Iran persische Übersetzungen von wahrlich unislamischen Autoren wie z.B. Nietzsche, Sartre und Castro frei zu kaufen gibt. Auch wurde ein früheres Buch Rushdies im Iran verkauft.

Die Muslime scheuen keine sachliche Auseinandersetzung mit irgendeiner Ideologie dieser Erde. So wie im Fall Rushdie von den fanatischen Verfechtern der Meinungsfreiheit argumentiert wird, darf ein Autor alles nur Erdenkliche schreiben. Dabei sind ihm absolut keine Grenzen gesetzt. Dann aber darf nach diesen Maßstäben auch Imam Khomeini seine Meinung niederschreiben. Und Imam Khomeini war der Meinung, daß Rushdie bestraft werden muß. Gibt es dagegen Grenzen in der Meinungsfreiheit, so müssen diese doch zuallererst zur Wahrung der Würde aller Menschen, auch der Propheten dienen. Ursache und Wirkung dürfen nicht vertauscht werden. Die Ursache von Imam Khomeinis Meinungsäußerung war die Veröffentlichung, die Verbreitung und die allseitige Unterstützung der "Satanischen Verse" durch den Westen.

Darüberhinaus ist für die Muslime unverkennbar, daß der Westen, was Meinungsfreiheit angeht, eine Doppelmoral demonstriert. Einen Beweis dafür lieferte die internationale Buchmesse in Genf in der letzten Aprilwoche 1989: Dort wurden vier Exemplare der englischen Ausgabe der "Satanischen Verse" auf dem Stand eines lokalen privaten Senders verkauft, trotz erheblicher Proteste von Seiten des iranischen Buchstandes. Ein Jahr zuvor mußte der iranische Stand ein kritisches Buch über den Zionismus wegen angeblich anti-semitischer Haltung entfernen. Gerhard Geiger, Sprecher der Buch-Messe verteidigte den Verkauf von Rushdies Buch damit, daß das Buch überall in der Schweiz frei erhältlich sei.

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