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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Medina
Sie ritten schon im Schatten des Berges Koba. Von
Granatäpfeln, Zitronen, Pfirsichen, Orangen wehte ein süßester
Duft in ihre erregten Nüstern.
Und leise, im Halbschlaf, sprach Aischa, an Mohammed
geschmiegt:
»Das Paradies!«
Mohammed erreichte Medina, als das Gestirn sich nach Westen
wandte und zwölf Nächte vom Monat Rabia-l-awwal verflossen
waren.
Die von Medina lebten in vererbter Feindschaft mit denen
von Mekka.
Sie nahmen den Propheten mit Jubel auf und zogen ihm mit
Zimbeln und Gesang entgegen.
»Das Glück hat die von Mekka verlassen,« sangen sie, »und
sucht seine Zuflucht im ragenden Medina. Der neue Gott flieht
vor den alten Göttern, aber er wird sich wenden mit Schild und
Axt und Speer und wird zerschmettern ihr tönernes Haupt und
ihre hohlen Bäuche. Die aber um die Götter glucksen, wie
gackernde Hennen: ihnen wird man die Augen aus dem Kopfe
reißen, mit denen sie die Sonne befleckten, und man wird ihre
Leiber in die Zisternen werfen, daß der Regen sie ersäufe und
die Schakale sie fressen.«
Mohammed predigte von der Mauer herab, gestützt auf Ali,
denn die lange Reise war ihm beschwerlich gewesen:
»Leute von Medina! Der Prophet segnet euch und schwingt
seine Fahne über euch! Ich gebe mich in eure Hand, gebt euch
denn in meinen Geist, und traut mir, wie ich euch vertraue.
Medina sei die Burg des lautren Gottes! Es wird niemand in
seinem Dienst dem Tode anheimfallen, der nicht in das Paradies
eingeht. Er wird schön gekleidet und edelsteingeschmückt bei
schlanken Engeln verweilen, im Kreise erlauchter Freunde.
Hundert Knaben werden einen jeden Frommen bedienen: mit
goldenen Schüsseln werden sie aufwarten und kristallenen
Pokalen. Ewig wird Wein auf seinem Tische stehen und weißes
Fleisch von jungen Tauben. Er wird essen, ohne satt, und
trinken, ohne trunken zu werden, der letzte Bissen wird ihm
munden wie der erste. Muntere Mädchen werden tanzend ihn
berauschen, und ihre Hautfarbe wird sein wie der Glanz des
Vollmondes. Hundert Frauen, die ihre Jungfräulichkeit stetig
neu gewinnen, werden ihn liebend beglücken. Dattelbäume
beschatten ihn unsterblich. Glocken klingen aus jedem
Gesträuch, wie Äolsharfen, in den Wind gehängt. Fontänen
sprühen Weisheit. Kühlung weht aus silbernen Seen, und er wird
sanft entschlafen im Schöße des schönsten Engels.«
Da schrien die Leute von Medina:
»Wir glauben dir, Mohammed, und deinem Gotte, der soviel
Seligkeit zu verschenken hat. Sei unser Feldhauptmann im
heiligen Streite!«
Da ließ Mohammed von Ali die grüne Fahne über ihnen
schwenken und krümmte die Finger seiner rechten Hand:
»Schwört bei dieser Fahne, mich nie zu verlassen, in Armut
und Elend nicht, in Rausch und Reichtum nicht, in Krieg und
Frieden nicht, im Diesseits und Jenseits nicht!«
Die Leute von Medina warfen die Arme in die Luft und
krümmten die Finger ihrer rechten Hand wie Mohammed:
»Wir schwören bei der grünen Fahne des Propheten, dich,
Mohammed, nie zu verlassen: in Armut und Elend nicht, in
Rausch und Reichtum nicht, in Krieg und Frieden nicht, im
Diesseits und Jenseits nicht.«
Über ihnen auf der Mauer flatterte die grüne Fahne im
Winde: der silberne Halbmond bog sich wie Über ihnen auf der
Mauer flatterte die grüne Fahne im Winde: der silberne
Halbmond bog sich wie eine zur Ernte erhobene Sichel.
Mohammed ließ einen Graben um Medina ziehen und verkündete
die Errichtung des Staates Medina. Von den umliegenden Stämmen
erschienen bald Abgesandte und zollten ihm Tribut. Er führte
eine Armensteuer ein und schenkte sämtlichen Sklaven und
Sklavinnen Medinas die Freiheit.
Aischa gebar ihm auf dem Dach seines Hauses, in den Armen
Marias, der Koptin, einen Sohn; der ward der Vater der
Kalifen.
Am Tage seiner Geburt begann Mohammed mit dem Bau der
Moschee. Er hatte eine Schürze umgetan wie ein Werkmann und
arbeitete mit Hammer, Spaten und Spachtel inmitten der Maurer.
Und legte das Werkzeug nicht eher aus der Hand, als bis die
Moschee vollendet war.
Die Moslems aber sangen:
Seht den Propheten: ganz einer der unsern. In Demut gekniet
vor dem Werke wie wir. Nichts ist ihm zu unwert, zu handeln
zum Heile. Herr: türme die Kirche, beglänze die Kuppel, erhöhe
den Miedern, erleuchte das Licht!
Mohammed stand auf dem Turme der vollendeten Moschee und
richtete den Blick wie einen Pfeil nach Mekka:
»Gott läßt zum zweitenmal nicht einen Stern vom Himmel
fallen. Des schwarzen Steines Schimmer umgibt mit Gloriole
mein alterndes Haupt. Ach, vielleicht auch ist es Sehnsucht
nur des kindlichen Herzens nach der Heimat: nach den Wiesen,
wo der Knabe mit den Kühen und Eseln sprang. Nach der guten,
dicken Amme Halimeh. Dem Herdfeuer Abu Talibs. Den
Weissagungen des Mönches Bahirah. Warum sah ich niemals meine
Mutter? Saß niemals auf ihren Knien und spielte Reiter?
Empfing von ihrem Munde nicht die mütterliche Lehre des edlen
Ehrgeizes? Der Erhabenheit des Gewissens? Es zieht sich mir
das Herz zusammen, als hätte ich es in Essig getaucht, wenn
ich darüber sinne.
Warum, o Gott, läßt du mit neuer Offenbarung so lange auf
dich warten? Was steht mir noch bevor ?
Ich flehte dich um den Besuch meines Freundes, des Engels
Gabriel. Er aber verzog.
Ich hatte einen Traum: da hing ich am Galgen. Ehe ich aber
den letzten Seufzer ausstieß, floß Same von mir zur Erde. Dem
entsproß eine Sonnenblume, von Farbe und Gestalt, wie ich sie
niemals sah.
Herr, laß mein Schwert nicht schartig und meinen Schild
nicht rostig werden!«