Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

31. Anweisung – Für Hasan ibn Ali (a.)

Für Hasan ibn Ali (a.), er schrieb ihm das in Hadirin auf seinem Rückweg von Siffin[1]

Von dem Vater, der zum Sterben verurteilt ist, der die harten Zeiten bestätigt, der sich vom Leben abgewandt hat, der sich (den Prüfungen) des Diesseits ergeben hat. Er bewohnt die Wohnungen der Toten und wird morgen von ihm (dem Diesseits) fortziehen. (Dies ist) an den Sohn, der auf etwas hofft, was nicht erreichbar ist, der den Weg derer entlang reist, die schon vergangen sind, er ist Ziel der Seuchen, eine Geisel der Tage, Zielscheibe der Schicksalsschläge und ein Diener des Diesseits. Er ist ein Händler des Trugs, ein Schuldner der Wünsche, ein Gefangener des Todes, ein Verbündeter der Kümmernisse, ein Gefährte der Trauer, er ist an Unglücke gekettet, von den Begierden zu Boden gestreckt und der Nachfolger der Toten.

Und im Folgenden genügt mir das, was ich an Klarheit darüber erhalten habe, dass das Diesseits sich von mir abgewandt und wie die Zeit mich überwältigt hat, vom Herannahen das Jenseits an mich und das hält mich davon ab, an jemand anderen zu denken als an mich und vom Interesse am Jenseitigen außer was mich betrifft. Jedoch wenn sich die Sorge auf mich beschränke, ohne die Sorgen der (anderen) Menschen zu beachten, so hat mich mein Urteil geschützt und mich vor meiner Begierde abgehalten. Das klärte für mich meine Sachen und führte mich zu dem Ernst, bei dem es kein Spiel gibt und zu von Lüge unbefleckter Aufrichtigkeit. Ich habe dich als einen Teil meiner selbst gesehen, vielmehr (sogar) fand ich dich wie mein Gesamtes, sogar so sehr, dass wenn dich etwas treffen würde, es so wäre, als hätte es mich selber getroffen, und wenn der Tod zu dir kommen würde, es wäre, als würde er zu mir kommen, und so bedeuteten deine Angelegenheiten für mich das gleiche wie meine eigenen. Also habe ich für dich mein Schriftstück verfasst, auf dass es dir eine Hilfe sei, ob ich nun überleben oder vergehen werde.

Ich empfehle dir die Gottesehrfurcht, mein Sohn, das Einhalten Seiner Gebote, dass du dein Herz auf das Gedenken an Ihn baust und an Seinem Seil festhältst. Und welches Mittel kann verlässlicher sein als das Mittel zwischen dir und Allah, so du es ergreifst! Belebe dein Herz mit Warnung und töte es mit Mäßigkeit, stärke es mit sicherer Gewissheit, erleuchte es mit Weisheit, demütige es mit dem Gedenken an den Tod, lasse es die Vergänglichkeit anerkennen, gewähre ihm Einsicht in die Katastrophen des Diesseits, warne es vor der Willkür der Zeit und der Ungeheuerlichkeit der Unbeständigkeit in den Nächten und Tagen, präsentiere ihm die Kunde über die Vergangenen (Völker), erinnere es an das, was die unter den Früheren traf, die vor dir waren und wandele in ihren Häusern und ihren Ruinen. So siehe, was sie taten und woher sie fortgebracht wurden, wo sie einkehrten und wo sie sich niederließen. Und du wirst wahrlich finden, dass sie von ihren Lieben fortgebracht wurden, und in die Häuser der Fremde einkehrten. Es ist als ob du schon bald wie einer von ihnen sein wirst, so verbessere deine (spätere) Ruhestätte und verkaufe nicht dein Jenseits für dein Diesseits. Unterlasse das Sprechen über das, worüber du kein Wissen hast und das Predigen über das, womit du nicht beauftragt bist. Nimm Abstand von einem Weg, wenn du fürchtest, dass er dich in die Irre führt, denn wahrlich, der Verzicht (den Weg einzuschlagen) in der Verwirrung des Irrtums ist besser, als sich auf Schrecken (der Folgen des Fehlgehens) einzulassen. Gebiete das Gute und sei (selbst) von denen (die Gutes tun), missbillige das Übel mit deiner Hand und deiner Zunge und halte dich so gut du kannst von dem fern, der es begeht. Strenge dich für Allah an, so wie es Ihm gebührt, und der Tadel eines (unberechtigt) Tadelnden soll dich nicht anfechten. Stürze dich in Härten um der Wahrheit Willen, wo es auch sein mag, und erwerbe Kenntnisse in der Religion. Gewöhne dein Ego daran, Unerwünschtes zu ertragen, denn die vortreffliche Moral ist das Ertragen (von Härten) auf dem Wege der Wahrheit. Gewähre deiner Seele in deinen sämtlichen Angelegenheiten Zuflucht bei deinem Gott, denn dann wirst du sie einem sicheren Zufluchtsort und einem mächtigen Schutz anvertrauen. Wende dich in den Problemen allein an deinen Herrn, denn wahrhaftig, Gewähren und Verweigerung befinden sich in Seiner Hand. Suche viel das Gute (indem du Allah um den besten Rat bittest). Verstehe meine Verfügung und wende dich nicht ab davon, denn die beste Rede ist die Nutzbringende. Und wisse, dass nichts Gutes in einem Wissen liegt, das keinen Nutzen bringt, und wenn von einem Wissen kein Nutzen gezogen wird, ist es nicht wert, dass man es erwirbt.

Mein Sohn, als ich mich (selbst) gesehen hatte, dass ich ein fortgeschrittenes Alter erreicht hatte und sah, dass ich an Schwäche zugenommen hatte, beeilte ich mich mit meinem Vermächtnis an dich und legte ausgewählte (Punkte) davon nieder, bevor meine Frist mich ereilen würde, bevor ich dir dargelegt habe, was in meiner Seele ist, oder meine Sicht nachlässt, so wie mein Körper nachgelassen hat und mir die überwältigenden Kräfte der Begierde und die Verlockungen des Diesseits an dich zuvorkommen und du wie ein unreitbares, halsstarriges (Kamel) wirst. Denn das Herz eines Jugendlichen ist wie unbebaute Erde, die das aufnimmt, was in sie eingebracht wird. Und so beeilte ich mich mit deiner Erziehung, bevor dein Herz sich verhärtet und dein Verstand (mit anderem) beschäftigt ist, damit du eine feste Sichtweise annimmst über das, was dir genügen soll von den Erfahrungen anderer, so dass du der Mühe enthoben bist, sie selber machen zu wollen, so dass du vom Verfassen des Experimentierens freigestellt bist. So hast du das erfahren, was wir erfahren haben, und was für uns vielleicht im Dunkeln blieb, ist dir klargeworden.

Mein Sohn, wahrhaftig, selbst wenn mir nicht das Lebensalter gewährt wird wie denen, die vor mir waren, so habe ich doch ihre Taten betrachtet und die Berichte über sie erforscht, bin in ihren Ruinen umhergereist, bis ich wie einer von ihnen wurde. Vielmehr war es (sogar) so, dass ich zur Kenntnis gelangte über ihre Angelegenheiten, als ob ich mit dem Ersten bis zum Letzten von ihnen gelebt hätte. So erkannte ich (den Unterschied) zwischen dem Reinen davon und dem Getrübten sowie zwischen dem Nützlichen und dem Schädlichen. Ich habe für dich von jedem Gegenstand das Ausgewählte herausgesucht, habe das Schöne davon für dich verfasst und das Unbekannte (nicht Nützliche) davon von dir ferngehalten. Da mich deine Angelegenheiten so betreffen, wie sie einen liebevollen Vater betreffen und ich mich entschlossen habe, dich zu erziehen, hielt ich es für gut, wenn das dann geschieht, wenn du in fortgeschrittenerem Alter bist, aber zu Beginn (deiner) Lebenszeit, mit einer heilen Absicht, einer reinen Seele, und dass ich dich das Buch Allahs Des Erhabenen und Großen und dessen Deutung lehre, die Gesetze und Vorschriften des Islam, das Erlaubte und das Unerlaubte darin, und dass ich bei dir nicht darüber hinausgehe. Dann fürchtete ich für dich, dass du verwirrt wirst wegen der verschiedenen Meinungen und Launen unter den Menschen so wie es sie verwirrt hat, und obwohl es mir zuwider ist, dich so zu warnen, ist mir die Exaktheit darin lieber, als wenn du dich einer Sache hingibst, bei der ich für dich keine Sicherheit vor der Zerstörung sehe, und ich hoffte, dass Allah dir Erfolg in deiner Rechtleitung verleiht, dass Er dich zu deinem Ziel geleitet, und deswegen habe ich dir diese meine Verfügung anvertraut.

Und du sollst wissen, mein Sohn, dass es mir am liebsten ist, wenn du von meinem Vermächtnis die Gottesehrfurcht annimmst und die Beschränkung darauf, was Allah dir auferlegt hat und dass du dich daran hältst, was die Ersten deiner Vorväter und die Rechtschaffenen in deiner Familie ausgeübt haben, denn sie haben nie aufgehört, sich um sich zu kümmern, wie du es tust (für dich), und sie haben nachgedacht, so wie du nachdenkst, dann nahmen sie davon Abstand, etwas anderes anzunehmen, als was sie kannten, und ließen das beiseite, womit sie nicht betraut wurden. Wenn sich dein Ego weigert, das zu akzeptieren, ohne dass du Kenntnis darüber erworben hast, wie sie es taten, dann soll dein Bestreben dafür durch Verständnis und Erwerb von Wissen erfolgen. Verstricke dich nicht in Zweifel und lass dich nicht in Streitigkeiten verwickeln.

Daher beginne erst, bevor du darüber nachdenkst, mit dem Ersuchen deines Gottes um Hilfe, und damit, dass du von Ihm Erfolg wünschst, und unterlasse alles Verdächtige und was dich in Zweifel bringt, oder was dich dem Irrtum anheim fallen lässt. Und wenn du sichere Gewissheit erlangt hast, dass dein Herz gereinigt und demütig ist und dass sich deine Ansicht vervollkommnet und gesammelt hat und deine Sorge darüber nur eine einzige Sorge ist, dann siehe, was ich dir auseinandergelegt habe, doch wenn es für dich nicht das umfasst sowie einen Abschluss deiner Betrachtungen und Gedanken darüber darstellt, was du für dich liebst, so wisse, dass du dann nur blindlings handelst wie eine blinde Kamelstute und in Finsternis gefallen bist, während jemand, der nach der Religion strebt, niemand ist, der (in der Finsternis) herumtappt oder (Dinge) durcheinander wirft, und es ist besser, sich davon fernzuhalten.

So bemühe dich, mein Vermächtnis zu verstehen, mein Sohn, und wisse, dass der Herrscher des Todes (ebenfalls) der Herrscher des Lebens ist, dass der Schöpfer auch Derjenige ist, Der den Tod bringt, und dass Derjenige, der Vernichtung bringt, (gleichzeitig) der Wiederherstellende ist, (wie auch) dass der Heimsuchende (ebenfalls) der Befreiende ist, und dass das Diesseits nur so weiter fortbesteht, wie Allah es geschaffen hat mit (all) den Gnadengeschenken, Heimsuchungen und der Vergeltung am Tage der Auferstehung, oder mit dem, was Allah will, was du nicht weißt. Und wenn etwas für dich unklar ist, dann schreibe es deiner Unwissenheit zu, denn als du erst geschaffen wurdest, warst du unwissend, dann wurde dir Wissen gegeben. Und wie viele Dinge gibt es, von denen du kein Wissen hast und in denen deine Sicht verwirrt ist und dein Blick darin umherirrt, dann du aber danach darin Einsicht haben wirst! So halte dich an Ihn, Der dich erschaffen, versorgt und gebildet hat, und deine Verehrung soll Ihm gehören, und Deine Sehnsucht und Deine Furcht sollen Ihm (allein) gelten.

Und wisse, mein Sohn, dass niemand von Allah Dem Erhabenen Botschaft erhalten hat, wie sie dem Gesandten Allahs – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – von Ihm zuteil wurde, und sei mit ihm als Richtschnur zufrieden und als Führer zur Rettung. Und wahrlich, ich spare nicht mit Ratschlägen an dich, und du kannst in der Tat nicht den Einblick in dich selbst erhalten, der soweit reicht wie mein Einblick in dich, und wenn du dich noch so anstrengst.

Du sollst auch wissen, mein Sohn, dass wenn dein Herr einen Partner hätte, dann wären (auch) dessen Gesandte zu dir gekommen, du hättest Spuren seiner Macht und seiner Herrschaft gesehen und seine Taten und Eigenschaften erkannt. Aber Er ist ein Einziger Gott, so wie Er sich selbst beschrieben hat, Er hat keinen Gegner in Seiner Macht, und Er besteht ewig und vergeht nicht. Er ist der Erste vor den Dingen ohne einen Anfang, und Er ist der Letzte nach den Dingen ohne ein Ende. Er ist zu großartig dafür, dass Seine Göttlichkeit festgesetzt werden könnte durch das Fassungsvermögen des Herzens oder des Blickes, und wenn du das verstanden hast, dann handle so, wie es jemandem wie dir zu handeln ansteht in seiner geringen Macht, wenigen Autorität, großen Unfähigkeit und großer Bedürftigkeit Seinem Herrn gegenüber, in dem Wunsch, Ihm gehorsam zu sein und in der Furcht vor Seiner Strafe und in Besorgnis vor Seinem Zorn: Denn Er hat Dir nur Gutes befohlen und dir nur Hässliches untersagt.

Mein Sohn, ich habe dir über das Diesseits und dessen Zustand Kunde gegeben, über seinen Niedergang und Verschwinden, und ich habe dir Kunde gebracht vom Jenseits und was seinen Bewohnern darin bereitet wurde. Für beides habe ich dir Beispiele gegeben, auf dass du daraus eine Lehre ziehst und davor gewarnt bist. Nur Leute, die das Diesseits erfahren (und richtig verstanden) haben, sind wie Reisende, denen ein unwirtlicher Lagerplatz nicht gefällt und einen fruchtbaren und viel bewachsenen Lagerplatz ansteuern. So ertrugen sie die Beschwernisse des Weges, die Trennung von Freunden, die Härte der Reise und grobe Nahrung, um die Fülle ihrer Heimstatt zu erreichen und den Ort ihres dauernden Verbleibens. Daher fühlen sie keinen Schmerz in irgendetwas davon, noch erachten sie die Ausgaben dafür als Verlust. Nichts ist ihnen lieber als das, was sie ihrer Heimstand näher bringt und sie ihrem (Ziel-) Ort annähert.

Und die, die sich davon täuschen lassen, sind wie Leute, die an einem fruchtbaren Ort sind, der ihnen nicht gefiel und die (dann) an einen unwirtlichen Ort gingen. So ist ihnen nichts mehr zuwider und verabscheuenswürdiger als sich von dem Ort zu trennen, an dem sie sich befanden und dorthin zu gehen, wo die Reise plötzlich enden wird und zu dem ihr Weg geht.

Mein Sohn, mache deine Seele zur Waage (für die Taten) zwischen dir und anderen, und liebe für jemand anderen das, was du (auch) für dich selber liebst, und verabscheue das für ihn, was du (auch) für dich verabscheust. Unterdrücke nicht, so wie auch du nicht wünschst, dass man dich unterdrückt, und tue Gutes, wie auch du wünschst, dass man dir Gutes tut. Erachtet das bei dir selbst als hässlich, was du (auch) bei anderen hässlich findest, und nimm (die Handlungen) der Leute hin, wie (auch) du möchtest, dass sie deine eigenen hinnehmen. Rede nicht von Dingen, von denen du kein Wissen hast, selbst wenn es wenig ist, was du weißt, und sage nichts, von dem du nicht willst, dass es zu dir gesagt wird.

Wisse, dass die Selbstbewunderung das Gegenteil des Richtigen und die Krankheiten des Verstandes ist. So erhöhe deine harte Mühe und werde kein Schatzmeister für andere (indem du Reichtümer aufsparst, die andere erben werden). Wenn du zu deinem Ziel geführt wirst, sei so demütig vor deinem Herrn, wie du nur kannst.

Du musst wissen, dass vor dir ein weiter Weg voller beschwerlicher Härten liegt, und dass du nicht darauf verzichten kannst, ihn auf schönste Weise zu verfolgen. Nimm soviel Wegzehrung mit, wie du brauchst (aber) von leichter Last, denn du kannst nicht mehr auf deinem Rücken tragen, als über deine Kraft geht, so dass die Belastung dadurch ein Unheil für dich ist. Wenn du jemanden von den Armen triffst, der deine Wegzehrung für dich trägt bis zum Tage der Auferstehung, so wird er es dir morgen vollständig wieder aushändigen, wenn du es benötigst, so nutze die Gelegenheit und lade sie ihm auf. Gib ihm soviel Wegzehrung, wie du fähig bist, denn vielleicht findest du ihn nicht, wenn du ihn brauchst. Wenn jemand etwas von dir leihen will, während du es nicht benötigst, um es dir wiederzugeben am Tag deiner Bedrängnis am Tag der Auferstehung), dann ergreife die Gelegenheit.

Wisse, dass sich vor dir ein steiler, schwer erklimmbarer Aufstieg befindet, auf dem der weniger Belastete besser dran ist als der schwer Belastete und der Langsame schlechter dran sein wird als der Schnelle. Dein Ort des Abstiegs davon wird entweder das Paradies oder das Feuer sein. Forsche über dich selbst nach vor deinem Abstieg und bereite die Heimstätte vor deinem Eintreffen, denn nach dem Tod gibt es keine Besänftigung mehr (von Allahs Zorn), noch eine Rückkehr zum Diesseits.

Wisse, dass Der, in Dessen Hand sich die Schätze der Himmel und der Erde befinden, dir erlaubt hat, Ihn anzurufen (im Bittgebet) und es Sich für Dich verbindlich machte, Dir zu antworten. Er hat dir befohlen, Ihn zu bitten, auf dass Er dir gebe, dass du von Ihm Barmherzigkeit erbittest, auf dass Er dir Barmherzigkeit gewähre. Er hat zwischen dich und Sich nichts gestellt, was dich von Ihm abschirmt, Er hat dich nicht geheißen, Zuflucht zu suchen bei jemandem, der für dich bei Ihm Fürsprache einlegt, und Er hat dir (den Weg der) Reue nicht versperrt, falls du Schlechtes getan haben solltest. Er hat keine Eile in deiner Bestrafung, Er macht dir keine Vorwürfe für die Rückkehr (zu Ihm), Er hat dich nicht bloßgestellt, wenn deine Bloßstellung angemessen war, und er war nicht hart zu dir bei der Akzeptanz deiner Reue. Er nahm dich nicht ins Kreuzverhör für die Vergehen und ließ dich nicht an der Barmherzigkeit verzweifeln. Vielmehr machte Er deine Abkehr von der Sünde zu einer guten Tat, Er wertete deine schlechten Taten einfach und die guten zehnfach. Er hat dir die Tür geöffnet, damit du dich Ihm wieder reuevoll zuzuwenden und Seine Zufriedenheit erbitten kannst, und wenn du Ihn rufst, dann hört Er deinen Ruf, und wenn du zu Ihm geheim sprichst, kennt Er dein Geheimnis, Ihm bringst du dein Bedürfnis vor, enthüllst deine Seele vor Ihm, klagst Ihm deine Kümmernisse und bittest Ihn um Befreiung von deinen Nöten, du ersuchst Ihn um Hilfe in deinen Angelegenheiten und bittest ihn um die Schätze Seiner Barmherzigkeit, die zu geben in keines anderen Macht steht, wie die Mehrung an Lebenszeit, Gesundheit des Körpers und Erweiterung des Lebensunterhalts. Dann legte Er die Schlüssel zu Seinen Schätzen in deine Hände, indem Er dir gestattet hat, Ihn zu fragen. So ersuche um Öffnung der Tore Seiner Gnadengeschenke durch das Bittgebet, so dass du um den zum üppigen Regen Seiner Barmherzigkeit bittest. Wenn Er dich mit Verzögerung erhört, so soll dich das nicht verzweifeln lassen, denn die Gabe bemisst sich nach der Absicht. Manchmal wird (deine Bitte) verzögert erhört, damit der Lohn für den Bittenden größer und die Gabe für den Hoffenden reichlicher wird. Manchmal hast du um eine Sache gebeten, die dir nicht gewährt wurde, aber dir (dafür) früher oder später etwas Besseres gegeben wurde, oder (etwas) wurde dir genommen für etwas, das für dich besser ist. Denn gar manches Mal hast du um etwas gebeten, das die Zerstörung deiner Religion bewirkt hätte, wenn es dir gegeben worden wäre, und darum solltest du um etwas bitten, dessen Schönheit dir bleibt und dessen Unheil von dir fernbleibt. Denn das (materielle) Eigentum bleibt weder dir, noch verbleibst du bei ihm.

So wisse, mein Sohn, dass du nur für das Jenseits erschaffen wurdest, nicht für das Diesseits, für die Vergänglichkeit (auf dieser Welt), nicht für das Verbleiben (darauf), und für den Tod, nicht für das (irdische) Leben. Du bist in einem Haus, das dir nicht gehört und von dem du nicht weißt, wann du daraus wirst fortziehen müssen, im Heim des Ausreichenden (für das Leben) und auf einem Weg ins Jenseits. Du wirst vom Tod verfolgt, vor dem der Fliehende nicht gerettet werden kann, und der den nicht verfehlt, dessen er habhaft werden will, und es gibt kein Entrinnen davor, dass er ihn ereilt. Also sei auf der Hut, dass er dich ereilt, während du dich in einem schlechten Zustand befindest und du dir selbst sagst, dass du davor Reue nehmen willst, und er aber zwischen (die Reue) und dich kommt und du so deine Seele zerstört hast.

Erinnerung an den Tod

Mein Sohn, erinnere dich viel an den Tod und daran, wohin du plötzlich gehen und wohin du nach dem Tod gelangen wirst, so dass du auf ihn vorbereitet bist, dass du dafür deine Kraft intensiviert hast, so dass er nicht unerwartet zu dir kommt und dich überwältigt. Hüte dich davor, dass du dich von dem Verharren der Anhänger des Diesseits darauf täuschen lässt und wie sie sich darauf stürzen, denn Allah hat dir schon davon Kunde gegeben, und dieses (Diesseits) hat schon seinen eigenen Tod angekündigt und dich über seine Schlechtigkeit informiert. Die von ihm angetan sind, sind wie heulende Hunde und reißende Tiere, die einander anbellen, von denen der Hochrangige den Niedrigen frisst und der Große den Kleinen niederwalzt. (Manche) sind wie angebundene Kamele und andere wie unangebundene Kamele, die ihren Verstand verloren haben und ins Unbekannte rennen. Sie sind Herden von Katastrophen, die in unwegsamen Tälern herumirren, sie haben keinen Hirten, der sich ihrer annimmt, noch einen Führer, der sie zum Grasen bringt. Das Diesseits hat sie auf den Weg der Blindheit gebracht und ihr Augenlicht von dem Leuchtturm der Rechtleitung genommen. So sind sie in ihrer Verwirrung herumgeirrt und in ihrem Wohlstand ertrunken. Sie nahmen es (das Diesseits) als Herrn, und es spielte mit ihnen, und (auch) sie spielten damit und vergaßen, was dahinter liegt.

Langsam verschwindet die Dunkelheit, und es ist, als ob die Kamelsänften gekommen sind (um die Reisenden vom Diesseits ins Jenseits zu bringen), und die Eilenden schnell (dorthin) kommen, um sie zu erreichen. Wisse, mein Sohn, dass wer nachts und tagsüber auf seinem Reittier reitet, der wird von ihm bewegt, auch wenn er steht, und er legt die Entfernung zurück, selbst wenn er stehen bleibt und rastet.

Und wisse mit Gewissheit, dass du deine (weltliche) Hoffnung nicht erfüllt sehen wirst und du deine Lebensfrist nicht wirst überschreiten können, denn du bist auf dem Weg derer, die vor dir waren. So sei mäßig in den Wünschen, strebe auf schöne Art nach Verdienst[2], denn so mancher Wunsch hat zum (finanziellen) Ruin geführt, und nicht jedem Wünschenden wurde gewährt (was er wünschte), noch wurde jedem Mäßigen (das Gewünschte) vorenthalten. Ehre deine Seele, indem du von jeglichem Niedrigen fern bleibst, selbst wenn dich das zum Gegenstand deines Wunsches bringt, denn du wirst nichts im Austausch dafür bekommen, was du von deiner Seele weggegeben hast. Sei kein Diener von anderen, denn Allah hat dich frei erschaffen. Es liegt kein Gutes in (scheinbar) Gutem, das nur durch Schlechtes erreicht werden kann, noch in Wohlleben, das nur durch (demütigende) Schwierigkeiten erreicht werden kann.

Hüte dich davor, dass die Reittiere der Gier mit dir davoneilen und dich zu den Quellen der Zerstörung führen. Und wenn du es schaffst, dass kein Wohlhabender zwischen Allah und dir steht, dann mache es so, denn du wirst das dir Zugedachte (ohnehin) erlangen und deinen Anteil bekommen. Das Wenige, was von Allah dem Erhabenen kommt, ist größer und ehrenvoller als das Viele, was von Seinen Geschöpfen kommt, auch wenn alles (letztendlich) von Ihm kommt.

Verschiedene Ratschläge

Die Behebung dessen, was dir durch dein Schweigen entgangen ist, ist leichter zu erreichen als das, was du durch dein Sprechen verfehlt hast. Die Bewahrung dessen, was sich in einem Gefäß befindet, in dem man es fest zubindet und die Bewahrung, was du in der Hand hast, sind mir lieber als dass du das verlangst, was sich in den Händen anderer befindet. Die Bitterkeit der Verzweiflung ist besser als das Bitten bei den Menschen, und Werktätigkeit mit Keuschheit ist besser als Reichtum mit Lasterhaftigkeit. Ein Mensch ist der beste Bewahrer seines Geheimnisses. Manchmal strebt er nach Dingen, die ihm schaden. Wer viel (redet), redet Unsinn, und wer nachdenkt, erhält Einsicht. Befreunde dich mit den Menschen, die Gutes tun und sei einer von ihnen, und halte dich von Leuten fern, die Schlechtes tun, auf dass du dich von ihnen unterscheidest. Die schlechteste Speise ist die verbotene!

Die Unterdrückung des Schwachen ist die abscheulichste Unterdrückung. Wenn Milde Schroffheit bedeutet[3], dann ist die Schroffheit Milde. So manche Medizin ist Krankheit, und (manche) Krankheit (auch) Medizin. Manchmal ist ein (sonst) Nicht-Aufrichtiger ehrlich, während jemand, der gern Ratschläge erteilt, betrügt. Hüte dich davor, nach Wünschen zu messen, denn das sind die Handelswaren der Törichten.

Verstand bedeutet die Bewahrung von Erfahrungen, und das Beste deiner Erfahrungen sind die, die dir eine Ermahnung sind. Nutze die freie Zeit (um Gutes zu tun), bevor sie zur Qual wird (im Moment des Todes). Nicht jeder Wünschende erreicht (was er will), und nicht jeder Abwesende kommt wieder. Der Verlust von Wegzehrung (fürs Jenseits) ist Verderbnis und die Ursache für Verderbnis am Tag des Gerichts. Jede Sache hat Folgen. Das, was dir bestimmt ist, wird bald zu dir kommen. Ein Händler geht Risiken ein.

So manches Wenige ist gedeihlicher als Vieles (manchmal ist weniger mehr). Es liegt kein Gutes in einem niederträchtigen Helfer, noch in einem verdächtigen Freund. Nimm deinen Anteil an der Welt leicht, solange du sie unter Kontrolle hast, und riskiere nichts bei einer Sache, bei der du dir mehr erhoffst.

Hüte dich davor, dass das Reittier der Streitigkeit mit dir durchgeht. Trage deiner Seele Freundlichkeit und Nähe gegen deinen Bruder auf, (selbst) wenn er die Bindungen zu dir kappt und sich von dir trennt, sowie Freigiebigkeit, wenn er geizig zu dir ist, sei ihm nahe, wenn er sich entfernt, über Weichheit, wenn er hart zu dir ist und (finde) Entschuldigungen, wenn er Schlechtes tut, bis es so ist, als ob du ein Sklave von ihm bist und er dir gegenüber ein Wohltäter ist.

Doch hüte dich davor, dass du das anwendest, wenn es fehl am Platz ist oder jemanden so behandelst, der dessen nicht würdig ist. Nimm nicht den Feind deines Freundes zum Freund, weil du dann mit deinem Freund in Feindschaft gerätst. Sei aufrichtig zu deinem Bruder, wenn du ihm einen Rat gibst, sei es schön oder unschön. Schlucke deine Wut hinunter, denn ich sehe keinen süßeren Schluck als die Folge davon (des Hinunterschluckens), und nichts ist angenehmer in der Konsequenz. So sei weich zu dem, der dich grob behandelt, denn dann fehlt wenig daran, dass er dir gegenüber weich ist. Behandle deinen Feind huldvoll, denn das ist das Süßere der beiden Siege (der Sieg der Rache und der Sieg, ihm Gutes zu tun).

Wenn du die Beziehung zu deinem Bruder abbrechen willst, gewähre ihm eine Restzeit von dir aus, so dass er darauf zurückkommt, wenn es ihm eines Tages einfällt. Wenn jemand Gutes von dir annimmt, so bestätige seine Vermutung (mit guten Taten), und achte das Recht deines Bruders nicht gering unter Erwägung, was es zwischen dir und ihm (an Streitigkeiten) gibt, denn er ist nicht dein Bruder, dessen Rechte du gering schätzt. Deine Familienangehörigen sollen nicht die elendesten Geschöpfe sein durch dich. Du sollst nicht nach jemandem Sehnsucht haben, der sich von dir fernhält. Dein Bruder soll sich nicht in stärkerem Maße von dir trennen, als du die Bindung zu ihm suchst, und sein schlechtes Verhalten (gegenüber dir) darf nicht stärker sein als deine Güte (gegen ihn). Die Unterdrückung desjenigen, der dich unterdrückt, soll nicht schwer für dich wiegen, denn er müht sich (nur) darin, sich selber zu schaden und dir zu nützen, und der Lohn dessen, der dich erfreut, liegt nicht darin, dass du ihm Schlechtes tust.

Und wisse, mein Sohn, dass der Lebensunterhalt aus Zweien besteht: Der Lebensunterhalt, den du verlangst, und der Lebensunterhalt, der dich verlangt, der dann zu dir kommt, (selbst) wenn du nicht daran kommst. Wie hässlich ist die Demütigung in der Bedürftigkeit und die Rauheit im Reichtum? Dir steht nur das zu von deinem Diesseits, mit dem du deine bleibende Heimstatt (das Jenseits) verbesserst. Wenn du darüber bekümmert bist, was dir aus den Händen geglitten ist, dann sei auch bekümmert über das, was (noch) nicht zu dir gelangt ist. Suche Aufschluss über das, was nicht geschah, anhand dessen, was geschah, denn die Dinge ähneln sich. Sei nicht wie jemand, dem die Ermahnung nichts nützt, außer wenn du ihm Schmerzen zufügst, denn der Verständige lässt sich mahnen durch feine Bildung, während das Vieh sich nur durch Schläge mahnen lässt.

Wehre das Erscheinen des Kummers ab mit entschlossener Standhaftigkeit und schöner Gewissheit. Wer die Mäßigkeit unterlässt, begeht Überschreitung (des Maßes). Ein Gefährte ist wie ein naher Verwandter, und der Freund ist der, dessen Abwesenheit die Freundschaft bestätigt (der auch in deiner Abwesenheit aufrichtig zu dir ist).

Lust und Laune sind der Partner der Blindheit. Manch ein Entfernter (nicht-Verwandter) ist näher als ein Naher (Verwandter), und manch nahe (Verwandter) ist ferner als ein Entfernter. Der Fremde ist der, der niemanden hat, den er liebt.

Wer das Recht überschreitet, dessen Weg wird eng. Wer sich auf sein Maß beschränkt, für den ist es bleibender. Der vertrauenswürdigste Mittler ist derjenige, den du zwischen dir und Allah Dem Erhabenen nimmst. Wer sich nicht für dich interessiert, ist dein Feind. Wenn die Gier zu Ruin führt, ist die Verzweiflung eine Errungenschaft. Nicht jeder Mangel kann überwunden, und nicht jede Gelegenheit ergriffen werden. Manches Mal verfehlt der Sehende sein Ziel, während der Blinde seine Rechtleitung erreicht. Verzögere das Schlechte, denn wenn du willst, kannst du es beschleunigen.

Die Beendigung der Beziehung zu einem Unwissenden ist mit der Bindung zum Verständigen gleichzusetzen. Wer sich auf die Zeit verlässt, den wird sie verraten, und wer sie hochschätzt, den wird sie erniedrigen. Nicht jeder, der schießt, trifft auch. Wenn die Obrigkeit sich verändert, verändert sich die Zeit. Frage nach dem Weggefährten, bevor du einen Weg einschlägst, und nach dem Nachbarn, bevor du ein Haus (beziehst). Hüte dich davor, in deiner Rede etwas zu erwähnen, was als alberner Spaß wirkt, selbst wenn du es von anderen (gehört hast) und erzählst.

Über Frauen

Hüte dich davor, dich mit Frauen zu beraten, denn ihre Ansicht ist mangelhaft und ihre Entschlossenheit schwach. Schirme dich ab von ihnen und ihren Augen mit deinem Vorhang, denn die Strenge des Vorhanges ist bleibender für sie. Ihr Ausgehen (aus dem Haus) ist so schlimm, als würdest du einem Unzuverlässigen erlauben, zu ihnen zu gehen. Wenn du es schaffst, dass sie niemanden kennen außer dir, dann tue es so. Übertrage der Frau nichts an ihren Angelegenheiten, was über (das Fassungsvermögen) ihrer Seele geht, denn die Frau ist eine duftende Blume und keine Kommandantin. Ehre sie nicht mehr, als ihr zusteht, so dass du sie nicht dazu verlockst, für andere (unrechtmäßige) Fürsprache einzulegen. Hüte dich davor, Eifersucht zu zeigen, wenn es fehl am Platz ist, denn das führt bei einer gesunden Frau zu ihrer Krankheit und bei einer Unschuldigen zu Zweifelhaftigkeiten.

Teile jedem unter deinen Dienern eine Arbeit zu, für die du ihn zur Verantwortung ziehst, denn das sorgt dafür, dass sie nicht einander die (die Arbeiten) zuschieben, die in ihre Dienerschaft für dich fallen. Ehre deine Verwandten, denn sie sind der Flügel, mit dem du fliegst, und dein Ursprung, zu dem du (wieder) gelangen wirst, und deine Hand, mit der du (die Feinde) angreifst.

Vertraue Allah deine Religion und dein Diesseits an, und bitte Ihn um den für dich besten Ratschluss in deinem Jetzt und in deiner Zukunft, in deinem Diesseits und deinem Jenseits,

und Frieden (sei mit dir).

Erläuterung

Ibn Maitham al-Bahrani[4] zitierte Abu Dschafar ibn Babawaih al-Qummi, dass er ausgesagt habe, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) diese Ratschläge für seinen Sohn Muhammad Hanafiyya geschrieben haben soll, während Sayyid Radhi schrieb, dass der Adressat Imam Hasan (a.) gewesen sein. Doch es ist Tatsache, dass der Befehlshaber der Gläubigen (a.) ein anderes Schriftstück mit Ratschlägen an Ibn Hanafiyya schrieb, das einen Teil dessen enthielt, was er auch an Imam Hasan (a.) geschrieben hatte.[5] Es ist unklar, ob das eher ein Argument dafür ist, dass der Brief an Ibn Hanafiyya gerichtet war oder nicht.

Auf jeden Fall, ob der Adressat Imam Hasan oder Muhammad ibn Hanafiyya war, ist dieses Manifest des Imam Ali (a.) eine Lektion der Rechtleitung für die Handlungen, mit denen die Wege von Erfolg und Errungenschaften eröffnet werden können und die abgeirrten Karawanen der Menschheit den Pfad der Rechtleitung verfolgen können. Es beinhaltet Prinzipien der Korrektur der dies- und der jenseitigen Dinge, schafft den Sinn für Moral und verbessert wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte, und bloße Gelehrte und Philosophen hätten nicht Gleiches produzieren können. Seine wahrhaftigen Predigten sind ein Anreiz, die Menschheit an die Lektionen zu erinnern, die sie vergessen hat, um die toten Richtlinien sozialer Handlungsweisen zu beleben und den moralischen Standard zu heben.

Der Abschnitt über Frauen gilt als eines der “kritischsten“ Abschnitte im Nahdsch-ul-Balagha, da der genaue Zusammenhang hier nicht deutlich wird. Die Aufforderung, sich davor zu hüten, sich mit Frauen zu beraten, kann unmöglich allgemeingültiger Art gewesen sein, da selbst große Propheten wie Zacharias (a.) von der Heiligen Maria (a.) beraten wurden. Und es ist auch bekannt, wie liebevoll Prophet Muhammad (s.) seine spätere Ehefrau Chadidscha beraten hat, als es um die Leitung ihrer Karawane ging. Obwohl er (s.) als Krönung der Schöpfung keines Ratschlages bedurft hätte, hat er ihren Vorstellungen liebevoll gelauscht. Und wie oft hat Imam Ali (a.) Frauen mit ihren Fragen zu Fatima (a.) gesandt, damit sie die Scheu ablegen konnten, die sie vor einem Mann hatten und sich von dieser fehlerfreien Frau haben beraten lassen. So kann die Aufforderung an einen seiner Söhne sich nicht mit Frauen zu beraten, weder allgemein für alle Männer gelten, noch für die Beratungsfähigkeit von Frauen im Allgemeinen.

Es ist aber bereits aus verschiedenen allgemeingültig erscheinenden Anweisungen der Ahl-ul-Bait bekannt, dass sie einen sehr speziellen Charakter hatten, wenn z.B. Imam Ali (a.) sich unmittelbar nach der Kamelschlacht über Frauen äußert, was mit Aischa zu tun hatte. Vergleiche dazu die Erläuterung der 80. Predigt.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Imam Hasan (a.) – falls der Brief an ihn gerichtet gewesen wäre – als reiner Imam der Ahl-ul-Bait ja derartiger Hinweise gar nicht bedarf, sondern solch ein Vermächtnis insbesondere für die Anhänger der Ahl-ul-Bait dient, sich an diesen Vorbildern zu orientieren und Informationen von ihnen zu erhalten über ihre Weisheit und Weitsicht. Die Tatsache, dass Imam Ali (a.) ausgerechnet Imam Hasan (a.) in dieser eindringlichen Art vor Frauen warnt, ist ein Hinweis darauf, dass Imam Ali (a.) seine Anhänger indirekt darüber zu informieren sucht, dass Imam Hasan (a.) von einer seiner Ehefrauen ermordet werden sollte. Denn mit welch anderer Frau hätte Imam Hasan (a.) sich überhaupt beraten; selbst wenn er selbst keiner Beratung bedurfte?

Tatsächlich gilt der Hinweis „ihre Ansicht ist mangelhaft und ihre Entschlossenheit schwach“ eben nicht für eine so mutige und entschlossene Frau wie Imam Hasans (a.) Schwester Zainab (a.), die zu einer der Heldinnen der islamischen Geschichte werden sollte. Der Hinweis könnte vielmehr der Ehefrau von Imam Hasan (a.) namens Dschadah bint Aschath gegolten haben, die im Auftrag Muawiyas Imam Hasan (a.) vergiftete. Ihre Ansicht war schwach über den reinen Imam und ihre Entschlossenheit zur Treue wurde geschwächt durch das Angebot Muawiyas, nach erfolgter Vergiftung Yazid ehelichen zu dürfen (woran sich Muawiya aber nicht hielt). Die Aussage „Ihr Ausgehen (aus dem Haus) ist so schlimm, als würdest du einem Unzuverlässigen erlauben, zu ihnen zu gehen“ kann auf ihren Vater Aschath ibn Qais bezogen sein, der für Muawiya arbeitete und das Gift in das Haus brachte. Der Wechsel von den speziellen Hinweisen auf die allgemeingültigen Hinweise wird deutlich mit dem Lob, dass die Frau wie eine Blume ist.

Eine Betrachtung jener Aussagen ohne die geschichtlichen Hintergründe und die Berücksichtigung der Fähigkeit zur Prophezeiung durch Imam Ali (a.) würde zu falschen Schlüssen führen. Der vorhersehende Charakter des Vermächtnisses wird allerdings bereits im ersten Teil deutlich, als Imam Ali (a.) an seinen Sohn schreibt: „… er ist an Unglücke gekettet, von den Begierden zu Boden gestreckt und der Nachfolger der Toten.“ Imam Hasan war mit jener Dschadah bint Aschath verheiratet, wurde durch sie vergiftet und war der nächste der Ahl-ul-Bait, der Imam Ali (a.) folgte.

[1] Obwohl der Brief nach Sayyid Radhi an Imam Hasan (a.) gerichtet ist, ist aus dem Inhalt zu vermuten, dass ein anderer Sohn Imam Alis (a.) gemeint war. Manche Gelehrte glauben, dass Muhammad ibn Hanafiyya gemeint war, andere wollen sich gar nicht festlegen.

[2] d.h., nicht gierig, da das oft zu unerlaubtem Verdienst führt

[3] d.h., in manchen Fällen eher am Platz ist

[4] Band 5, S. 2

[5] “Kaschf al-Mahadscha“ von Ibn Tawus, S. 157-159; “Bihar“, Band 77, S. 196-198

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