.Nahdsch-ul-Balagha
als Buch finden Sie im Verlag Eslamica.
Nahdsch-ul-Balagha - Pfad
der Eloquenz
Vorwort zur deutschen Übersetzung
Alle Dankbarkeit gebührt dem Herrn der
Welten, und Allahs Segnungen und Sein Gruß seien mit dem
Propheten Muhammad (s.)
und den Reinen seiner Familie, den Ahl-ul-Bait
(a.), deren Worte in deutscher
Übersetzung vorstellen zu dürfen, Anlass zu noch mehr
Dankbarkeit ist.
Nahdsch-ul-Balagha ist eine Sammlung der
Predigten, Aussprüche, Ratschläge, Verfügungen, Briefe und
Maximen des Befehlshabers der Gläubigen, Ali ibn Abi Talib
(a.), dem Cousin und Schwiegersohn des Propheten (s.). Das
Werk ist einzigartig in Redekunst und Rhetorik, und behandelt
die grundlegenden Themen der islamischen Religion, die
Rechtsurteile, die für diese Grundlagen erforderlich sind
sowie die politischen Umstände, die zu diesen Urteilen
führten. Vieles von dem, was der Prophet des Islam Muhammad
(s.) an Imam Ali (a.) vererbt hat, umfasst dieses Werk mit der
Faszination des umfangreichen Wissens. Es informiert aber auch
über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme der
damaligen Zeit und der Zukunft und klärt über das Menschenbild
des Islam auf. Es erläutert zudem die geschichtlichen
Ereignisse und deren Ursachen und Wirkungen. Der Name des
Sammelwerks Nahdsch-ul-Balagha setzt sich zusammen aus den
Begriffen Weg, Pfad, Methode [nahdsch] und die Eloquenz, die
Redekunst, die Rhetorik [al-balagha] und wurde für die
deutsche Übersetzung „Pfad der Eloquenz“ genannt.
Das umfangreiche und wertvolle Werk hat
Scharif Radhi zusammengetragen und zu einem Buch
zusammengefasst. Der erste Teil enthält Imam Alis (a.)
Predigten einschließlich einiger Aussprüche und Bittgebete,
der zweite Teil vor allem seine Briefe, und der dritte Teil
seine Maximen. In der deutschen Ausgabe ist der erste Teil
größtenteils in Band 1 enthalten. Der Rest der Predigten
sowie der zweite und dritte Teil sind in Band 2
zusammengefasst.
Abu al-Hassan Muhammad, Sohn von
Abi Ahmad al-Husain, der unter dem Namen „Scharif al-Radhi“
oder „Sayyid al-Radhi“ bekannt ist, ist der Sohn von Ahmad
al-Husain ibn Musa ibn Muhammad ibn Musa ibn Ibrahim ibn Imam
Musa al-Kadhim (a.).
Er stammt über seine Mutter Fatima auch von Imam Husain (a.)
ab und ist somit sowohl väterlicher- als auch
mütterlicherseits ein Sayyid.
Er wurde 359 n.d.H.
(969/970 n.Chr.) geboren und erreichte in seinem Leben einen
recht hohen Grad in Methodik und Literaturwissenschaft. Im
Jahr 383 n.d.H. (993) übernahm er die Funktion des Dekan bei
den Sayyids in Bagdad.
Sayyid al-Radhi hat zahlreiche Bücher
geschrieben wie „Kitab-ul-Mutaschabih fi´l Qur´an (Buch des
Mehrdeutigen im Qur´an)“; „Mudschazat-ul-Asar´in-Nabawiyya
(Die Spuren der Wunder des Propheten)“, „Talchis-ul-Bayan
al-Mudschazat-il Qur´an (Zusammenfassung der Erläuterung der
Wunder des Qur´an)“, „Kitab-ul-Chasa´is (Buch der
Charakteristiken)“, ein Buch über seinen Vater und drei
Bände religiöses Regelwerk [risala].
Zudem hatte er auch eine Auswahl der Gedichte und gesammelten
Werke von Abu Abdullah Husain ibn Ahmad ibn Hadschadsch
(gest. 391 n.d.H./1000 n.Chr.) herausgegeben. Sein mit Abstand
berühmtesten Werk aber ist zweifelsohne Nahdsch-ul-Balagha, in
der er die Predigten, Briefe und Aussprüche Imam Alis (a.)
sammelte.
Scharif Radhi starb am 6. Muharram 406
n.d.H. (26.6.1015) in Bagdad, und er wurde in seinem Haus in
Karch, einem Stadtteil von Bagdad, beigesetzt.
Sayyid al-Radhi besaß reichhaltige
Quellen bei der Sammlung der Predigten, Briefe und Maximen
Imam Alis (a.). Abu Dscha´far Muhammad ibn Hassan ibn Ali
al-Tusi
überlieferte, dass der Kufit
Zaid ibn Wahab al-Dschuhni bei Versammlungen, Festen und
anderen Gelegenheiten die Predigten aufschrieb, die Imam Ali
(a.) gehalten hatte. Zaid ibn Wahab war einer der Gefährten
Imam Alis (a.) und war in dessen Gefolge, als er nach Nahrawan
in den Krieg zog. Al-Tusi hatte diese Schriften von Abu
Michnaf Lut ibn Yahya erhalten, dieser von Abu Mansur
al-Dschuhni und der wiederum von Zaid ibn Wahab. Zaid hatte
die überlieferten Predigten von Imam Ali (a.) selber gehört.
Eine Person namens Hadschar, der Zaid ibn Wahab in der Zeit
seiner Unwissenheit [dschahiliyya]
und im Goldenen Zeitalter
kennengelernt, den Propheten (s.) aber nie getroffen hatte,
stellte fest, dass er zu den geehrtesten Gefährtennachfolgern
[tabi´un]
gehörte, sich in Kufa niedergelassen hatte und im Jahre 96
n.d.H. (714) starb. Das bedeutet, dass Zaid mehr als hundert
Jahre gelebt hat, falls er noch die Zeit vor der Berufung des
Propheten (s.) erlebt hatte. Jedenfalls gilt der Zaid aus Kufa
als der Erste, der die Predigten Imam Alis (a.) schriftlich
gesammelt und dessen Sammlung bis in Sayyid al-Radhis Zeit
hinein überliefert wurde. Auch Sunniten betrachten Zaid ibn
Wahabi als vertrauenswürdig, und in den Sahih-Büchern
gibt es Überlieferungen von ihm.
Ibrahim ibn Hakam ibn Zuhair al-Fazari
gehörte ebenfalls zu denen, welche die Predigten des
Befehlshabers der Gläubigen (a.) niedergeschrieben haben. Sein
Vater Hakam ibn Zuhair hatte die Qur´an-Interpretation [tafsir]
von Ismail ibn Abdurrahman al-Suddi
überliefert. Obwohl er Schiit war, gibt es keine
Qur´an-Interpretation [tafsir], die nicht einiges daraus
übernommen hat. Auch in Sahih von Tirmidhi
gibt es Überlieferungen von ihm. Hakam ibn Zuhair starb um 180
n.d.H. (796). Sein Sohn Ibrahim hatte ein Buch geschrieben,
das die Predigten des Befehlshaber der Gläubigen (a.)
enthielt.
Auch Ismail ibn Mihran al-Sukuni hatte
die Predigten gesammelt. Er hatte in der Zeit von Imam
Dscha´far al-Sadiq (a.)
und Imam Ali al-Ridha (a.)
gelebt und mit ihnen war er geehrt worden. Er hatte eine Reihe
von Büchern geschrieben. In der Zeit hatte er die Predigten
Imam Alis (a.) aufgeschrieben, die Ali ibn Hassan ibn Fadhal
von ihm überliefert hatte.
Asbagh ibn Nubata war einer der
herausragenden Gefährten Imam Alis (a.), der auch die Zeit
Imam Hassans (a.) erlebte. Er überlieferte den
Regierungsauftrag Imam Alis (a.) an Malik al-Aschtar, als er
ihn zum Gouverneur von Ägypten ernannte, und die Vermächtnisse
von Muhammad al-Hanafiyya.
Die Briefe Imam Alis (a.) an die Ägypter, die mit Malik
al-Aschtar geschickt wurden, wurden von dem prominenten
Gefährten Imam Alis (a.) Sa´sa´a ibn Suhan überliefert, der
mit Imam Ali (a.) in der Kamelschlacht
gekämpft hatte.
Auch Salih ibn Abu Hammad Abu al-Chair
al-Radhi, der noch die Zeit von Imam Ali al-Naqi al-Hadi (a.)
erlebte, hatte ein Buch geschrieben, das die Predigten Imam
Alis (a.) enthielt. Auch Abdul-Azim ibn Abdullah ibn Hassan
ibn Zaid ibn Imam Hassan, der die Zeit des gleichen Imams
erlebte, gehörte zu denen, welche die Predigten sammelten.
Abgesehen davon waren noch Ibrahim ibn Muhammad ibn Said
al-Thaqafi
aus der Familie von Sa´d, des Onkels von Muchtar ibn Abu
Ubaida al-Thaqafi, Abdul Aziz ibn Yahya al-Dschaludi al-Basri,
der ca. zweihundert Bücher geschrieben hat und Hischam ibn
Muhammad ibn Sa´ib,
dessen Vater die Zeit Imam Sadiqs (a.) erlebt hatte, unter
denen, welche die Predigten gesammelt haben. Hischams Vater,
der sowohl in den Büchern der Qur´an-Interpretation wie auch
in den Überlieferungen vorkommt, hatte auch selber eine Reihe
von Büchern über die Geschichte und Abstammung der Ahl-ul-Bait
(a.) geschrieben. Abu Ahmad Muhammad ibn Chalid al-Barqi, der
in der Zeit von Imam Ali al-Naqi (a.) lebte und „Kitab
al-Mahasin (Buch der Schönheiten)“ geschrieben hatte,
Muhammad ibn Isa ibn Abdullah ibn Sa´d al-Asch´ari, Muhammad
ibn Ahmad al-Dschu´fi, der viele Bücher über die islamische
Rechtswissenschaft [fiqh] geschrieben hatte, sie alle hatten
Bücher geschrieben, welche die Predigten des Befehlshabers der
Gläubigen (a.) enthielten. Davon abgesehen, hat der berühmte
Historiker Abu al-Hassan Ali bin Muhammad al-Mada´ini,
der viele Werke verfasst hat, die nichts mit der Schia zu tun
haben, die Predigten des Befehlshabers der Gläubigen (a.) und
die Briefe, die dieser an seine Gouverneure geschrieben hatte,
in einem Buch zusammengestellt.
Zudem wird in den meisten Büchern über
Geschichte, über die Sira,
Kriege und die Familie des Propheten berichtet und Imam Alis
(a.) Feldzüge der Kamelschlacht sowie Siffin und Nahrawan
erwähnt, und wenn dort von seinem Märtyrertod die Rede ist,
wurden seine Worte zu diesem Anlass überliefert. Davon haben
außerdem auch Ya´qubi, Tabari und andere Geschichtsschreiber
in ihren Büchern Zeugnis abgelegt. Mas´udi
besaß 480 Predigten von Imam Ali (a.). In „al-Kafi (das
Hinreichende)“ von Muhammad ibn Ya´qub al-Kulaini und im
Buch von Sulaim ibn Qais al-Halali, der die Zeit von Imam Ali
(a.) erlebt und bis in die Zeit von Imam Muhammad al-Baqir
(a.) gelebt hatte, kommen auch die Worte Imam Alis (a.) vor.
Wie zu erkennen, standen Sayyid al-Radhi
zahlreiche Quellen zur Verfügung, die noch aus der Zeit vor
ihm stammten, als er die Predigten, Briefe und Maximen
zusammenstellte. Auch die zeitgenössischen Quellen waren mit
diesen Quellen, die er gesammelt hatte, zu vergleichen. Sein
Bruder Alam al-Huda besaß 80.000 Bücher in seiner Bibliothek.
Das Sammelwerk „Mudscham-ul-Buldan (Lexikon der Länder)“
informiert uns darüber, dass diese Bibliothek auf der Welt
einzigartig war und ihre gesamten Bücher von Gelehrten
geschrieben worden waren.
In der Schahpur-Bibliothek, die im Bagdader Stadtteil Karch
für die Schia gegründet wurde, befand sich auch eine
stattliche Anzahl von Büchern. Zweifellos gab es in dieser
Bibliothek auch Bücher, welche die Predigten Imam Alis (a.)
beinhalteten. Aber all diese Bücher fielen dem Brand von 447
n.d.H. (1055 n.Chr.) zum Opfer. Daher war Sayyid al-Radhis
Dienst für die Muslime in dieser Hinsicht wahrhaftig sehr
groß. Wenn er Nahdsch-ul-Balagha nicht zusammengestellt hätte,
dann wären uns diese Predigten, Briefe und Maximen
möglicherweise nicht überliefert worden.
Imam Ali (a.) wurden auch einige
Predigten zugeschrieben, die nicht in Nahdsch-ul-Balagha
vorhanden sind, darunter „al-Lu´lu (die Perlen)“, „al-Iftichar
(der Stolz)“, die auch als „Chutba al-Bayyan (Predigt
der Erläuterungen)“ bekannt ist, „al-Wasila (das
Mittel)“, wie sie denn auch Ibn Schahraschub
in seinem „al-Manaqib (die Tugenden)“ erwähnt. In
unserem Zeitalter hatte Scheich Hadi aus der Familie von
Kaschif al-Ghita
die Predigten zusammengestellt und gedruckt, die sich nicht in
Nahdsch-ul-Balagha befinden.
Zweifellos gibt es noch andere Predigten und Briefe Imam Alis
(a.) außer denen, die in Nahdsch-ul-Balagha gesammelt wurden,
wie sich ja auch in „Ghurar al-Hikam (Edles der Weisheiten)“
von Amidi Tausende von Imam Alis (a.) kurzen Reden und Maximen
befinden. Allerdings sind an manchen Predigten wie etwa „Chutba
al-Bayyan (Predigt der Erläuterungen)“ berechtigte Zweifel
aufgetreten, dass sie von Imam Ali (a.) stammen, da es dort
Worte gibt, die den Glauben derer nähren, die sich in
Übertreibung flüchten.
Ibn Abu´l Hadid Abdulhamid,
der einen weitreichenden Kommentar zu Nahdsch-ul-Balagha
geschrieben und in dieser Form ein sehr wertvolles
geschichtliches Werk hervorgebracht hat, sagte, dass es an der
Authentizität der in Nahdsch-ul-Balagha befindlichen Reden
kaum Zweifel geben kann, über die ein bestätigter Konsens [tawatur]
besteht. Da die anderen Reden den gleichen Stil und die
gleiche Methode aufweisen, sagte er, dass sie mit Sicherheit
von Imam Ali (a.) stammten und dass diejenigen, die mit
Literatur vertraut sind und deren stilistische Besonderheiten
kennen, wie Dichter, Prediger, Schriftsteller, die Gedichte,
Predigten und Schriften unterschiedlicher Autoren leicht
erkennen und auseinander halten können. Ibn Abu´l Hadid wird
in den Erläuterungen zu der vorliegenden Übersetzung oft
zitiert.
Ibn Chaschab, der in seiner Zeit ein
einzigartiges Wissen über Grammatik, Sprache, Dichtkunst,
Qur´an-Auslegung [tafsir], Überlieferung [hadith],
Rechtswissenschaft [fiqh], Abstammungslehre und Lesekunst
besaß und zudem noch Wissen über Mathematik, Technik und
Weisheit, sagte über die Zweifel, die man äußerte, dass
Nahdsch-ul-Balagha und die Predigten und Ansprachen von Sayyid
al-Radhi selbst stammen könnten statt von Imam Ali (a.):
„Wie könnte Sayyid al-Radhi oder irgendjemand anderer diese
Fähigkeit haben? Wir haben Sayyid al-Radhis religiöses
Regelwerk [risala] gesehen und wir kennen den Prosa-Stil
seiner Worte.“ Ibn Abu´l Hadid überliefert von seinem
Lehrer Musaddid ibn Schabib, dass Ibn Chaschab die berühmte
Predigt „al-Schiqschiqiyya“, welche die dritte Predigt
in dem vorliegenden Buch ist, schon in Büchern gesehen hat,
die zweihundert Jahre vor Sayyid al-Radhis Geburt geschrieben
worden waren.
Wenn einige Leute, ohne irgendeinen
Beweis zu haben, behauptet haben, dass diese Worte später
erfunden wurden, und sogar, dass es unmöglich sei, dass so
viele Predigten auswendig gelernt und niedergeschrieben wurden
und nahezu vierhundert Jahre später zu Sayyid al-Radhi gelangt
sind, dann taten sie das nur deshalb, weil sie die
Besonderheiten der damaligen Araber nicht kannten. Die
arabischen Historiker haben die Predigten von Leuten wie etwa
Hadschadsch, Sahban oder Wa´il aus vorislamischer Zeit sowie
die der Kalifen und Befehlshaber aus der Zeit des Islams wie
Chalid ibn Abdullah, Mutasim oder Ziyad überliefert, so dass
sie in den Geschichtsbüchern vorhanden sind. Die Gedichte der
Dichter aus vorislamischer Zeit sind seitens der Überlieferer
bewahrt und auswendig gelernt und durch ihre Überlieferungen
festgelegt worden. Das Bewahren im Gedächtnis war für die
Völker, die nicht lesen und schreiben konnten, von großer
Bedeutung. Außerdem waren die Araber sehr große Liebhaber von
Redekunst und Rhetorik. Es ist eine Tradition bei den Arabern,
Reden und Gedichte, die für Redekunst und Rhetorik
beispielhaft waren, auswendig zu lernen. Selbst der berühmte
Schreiber Abdulhamid, der mit dem letzten Umayyaden-Kalifen
Marwan getötet wurde, sagte auf die Frage, wie er in seinen
Schriften diese Rhetorik erreicht hatte, dass er von Alis (a.)
Predigten siebzig auswendig gelernt und mit ihnen diesen Grad
der Rhetorik erreicht habe.
Es wurde bereits dargelegt, dass die
Predigten vieler Leute auswendig gelernt und nieder
geschrieben wurden, deren Redekunst und Rhetorik mit der des
Befehlshabers der Gläubigen (a.) nicht vergleichbar war. Und
es ist nicht möglich, dass insbesondere die Predigten einer
Persönlichkeit, die so eine herausragende Stellung im Islam
hat, nicht auswendig gelernt, überliefert und
niedergeschrieben worden sein sollen. Und es gab in der
Zeitspanne vor der Zeit Sayyid al-Radhis zahlreiche Menschen,
die Imam Alis (a.) Predigten, Briefe und Aussprüche
registriert haben.
Es gab auch Leute, die sagten, dass in
den Predigten von Nahdsch-ul-Balagha Worte wie „azal (ewig)“
„azaliyyah (Ewigkeit)“ oder „ma´lul (krank,
schwach)“ existieren, die in jener Zeit nicht verwendet
wurden und daher einem philosophischen Gedanken entsprungen
seien, und dass das Vorhandensein dieser Worte darauf
hindeute, dass diese Predigten nicht von Imam Ali (a.) stammen
würden oder zumindest den Predigten etwas hinzugefügt worden
sei. Indessen ist laut den Verfassern von Werken wie „Sihah
(die Wahren)“, „Asas-ul-Lughah (Grundlagen der
Sprachen)“ oder „Lisan al-Arab (die Sprache der Araber)“
und anderen von beispielsweise das arabische Wort „azal“
vom Begriff „lam yazal“ abgeleitet worden und mit der
Zeit sagte man nicht mehr „lam“, stattdessen wurde „azal“
gebraucht. Was die späteren philosophischen Fachausdrücke
angeht: Das Wissen Imam Alis (a.) stammte von der „Krone der
Schöpfung“ dem Propheten Muhammad (s.), und Imam Ali (a.) war
das Tor zu jenem Wissen. Der Prophet (s.) ist durch Allahs
Befehl von dem „an Macht Mächtigen [schadid-ul-quwa]“,
also von Allah Selbst gelehrt worden.
In dieser Hinsicht ist er zum Kern sowohl der Einheit Allahs [tauhid]
als auch der Schöpfung vorgedrungen, er war der Erzieher der
Welt [murabbi al-alam], die Krone der Schöpfung, er war es,
der Ursachen und Wirkungen analysierte und erklärte. Maulana
Dschalaladdin Rumi
drückte es folgendermaßen aus:
„Der Weg derer, die nach Intuition gehen, ist aus Holz;
und wenn Holz der Weg ist, dann ist es ein Holzweg“
Basierte
Wissen jedoch nicht auf Intuition, sondern auf Gewissheit [yaqin],
dann drückt es Rumi folgendermaßen aus:
„Lerne von Ali die Läuterung [ichlas] und Werke,
wisse, dass der Löwe der Wahrheit rein von List und Täuschung
ist.
Denn du bist das Tor zur Stadt des Wissens, oh Ali,
Denn du bist das Strahlen der Sonne der Langmut,
Oh Tor der Barmherzigkeit,
bleibe offen bis in alle Ewigkeit, zu unserer Audienz
Dessen, Dem keiner gleicht.
Hinsichtlich Mut bist du der Löwe Gottes,
Hinsichtlich deiner Tapferkeit, wer weiß schon, wer du bist?“
Aus diesem Blickwinkel brauchten die
Philosophen ihn, nicht er brauchte die Philosophen.
Allerdings ist auch Folgendes anzumerken:
Es kann sein, dass in einigen späteren Ausgaben von
Nahdsch-ul-Balagha die Predigten gekürzt worden sind. Es ist
möglich, dass, wenn jemand abschreibt, er nach seiner eigenen
Lust und Laune, wenn er es für nötig hält, einige Sätze nicht
schreibt, daher begegnen wir in einigen Ausgaben eines so
alten Buches immer Auslassungen und Hinzufügungen. Derartige
Sätze haben aber nichts mit Sayyid al-Radhi zu tun, sondern
mit späteren Abschriften. So sind beispielsweise die
Randbemerkungen in der Druckausgabe von „Schaqaq-i-Nu´maniyya“
von der Istanbuler Universität, die sich zwischen dem
türkischen Text befinden, im Vergleich zum Haupttext ziemlich
fehlerhaft. Es kann auch sein, dass sowohl die, welche die
Worte auswendig gelernt haben als auch die Schreiber manche
Worte verändert haben, nicht in der Bedeutung, aber dass sie
diese durch zeitgemäßere Worte ersetzt haben. Selbst die
Überlieferer von Überlieferungen [hadith] des Propheten
Muhammad (s.) sagen: „Der Prophet hat dies gesagt, oder in
Worten ähnlich diesem“. Von den Gefährten [sahaba] des
Propheten (s.) und von anderen, die dazu berechtigt waren
Überlieferungen aufzuschreiben, wurden Aussagen
herausgebracht, in denen eine Überlieferung mit gleicher
Bedeutung und gleichem Thema mit unterschiedlichen Worten
vorkam. Sayyid al-Radhi erläutert diesen Aspekt in seinem
eigenen Vorwort weitergehend. Im Heiligen Qur´an hingegen gibt
es diese Unterschiede nicht, abgesehen von Besonderheiten in
der Lesart. Und bei allen Muslimen ist der Heilige Qur´an das
Buch Allahs, in dem kein Wort verändert, weggelassen oder
hinzugefügt wurde.
Ein Teil der Predigten, Vermächtnisse und
kurzen Ansprachen in Nahdsch-ul-Balagha wurden in vielen
späteren Werken gesondert erläutert und interpretiert. Zu der
„Chutba al-Schiqschiqiyya“ gibt es bereits in der
Frühzeit allein ins Persische sechzehn Übersetzungen und
Kommentare.
Imam Alis (a.) Vermächtnis an Imam Hassan (a.) wurden mit
ihren Originalen und zwei anderen Vermächtnissen auf Persisch
im Jahre 1329 in Istanbul, wiederum auf Persisch mit dem Namen
„Hadiyat-ul-Umam“ 1381 in Nadschaf gedruckt. Zu diesem
Vermächtnis gibt es abgesehen von mehreren Übersetzungen sechs
Erläuterungen. Abu Dscha´far Muhammad ibn Ya´qub al-Kulaini
hat dieses Vermächtnis auch überliefert. Und der
Regierungsauftrag, den Imam Ali (a.) an Malik al-Aschtar
geschrieben hatte, wurde gleich unter mehreren sehr
unterschiedlichen Namen herausgebracht.
Zu seiner Predigt, die unter dem Namen “Chutba
al-Hammam”
bekannt ist und von Gottesehrfurcht und den
Gottesehrfürchtigen handelt, gibt es mindestens fünfzehn
Erläuterungen. Auch die „Chutaba Kaasia“,
„Chutba Istischka“,
die Predigt über die Erkenntnis Allahs vor der Religion, seine
Ansprache beim Begräbnis der gesegneten Fatima (a.) und einige
weitere Predigten sind alle einzeln erklärt worden. Einigen
dieser Erläuterungen wurden auch Extra-Namen gegeben. Die Zahl
der Erläuterungen des gesamten oder des gekürzten
Nahdsch-ul-Balagha einschließlich Erklärung der Worte oder
auch in Form von öffentlichen Aushängen beträgt aus der frühen
Zeit nach dem Erscheinen mehr als siebzig. Davon abgesehen,
gibt es drei Erläuterungen in Gedichtform, siebenunddreißig in
Prosaform, vierzig auf Persisch, fünf auf Urdu und eine auf
Gudschrati. Zudem hatte der bekannte Dschahiz
die Maximen und kurzen Aussprüche des Befehlshabers der
Gläubigen (a.) unter dem Namen „Mi´a Kalima“ (Hundert
Aussprüche) zusammengefasst. Es wurde von einem Dichter namens
Adil aus der Safawiden-Zeit sowie von Muhammad ibn Abu
Talib-i-Esterabadi, der in der gleichen Zeitspanne lebte, ins
Persische übersetzt. Abu Ali al-Tabrassi bzw. Ali ibn Sayyid
Fadhlullah al-Rawandi
hat die “Hundert Sprüche” in Kapitel nach
alphabetischer Reihenfolge eingeteilt und sie “Nasr
al-Leali“ genannt. Dieses Buch wurde 1312 n.d.H. gedruckt.
Scheich Abdul-Salam Ahmad, der im 14. Jahrhundert nach der
Auswanderung lebte, hatte in seinem „Marak al-Nadschaba fi
Qawa´id al-Kitaba“ Sprüche aus „Nasr al-Leali“
verwendet.
Die Predigten und Ansprachen, die Sayyid
al-Radhi zusammengestellt hatte, sind an die 233. Teils kamen
sie aus verschiedenen Überlieferungen, teils aus Imam Alis
(a.) Worten, nachdem er ein Bittgebet, einen Vers aus dem
Heiligen Qur´an oder eine Sure
gelesen hatte, aus dem Gebet um Regen, und als er die geehrten
Gefährten zu guter Moral, Gottesdienst und Gehorsam aufrief,
oder aus seinen Worten, mit denen er die in der Schöpfung
enthaltene Weisheit und Kraft erklärte. Und das meiste ergänzt
einander. Was in einer Predigt erwähnt wird, wird in einer
anderen auf eine andere Art und Weise wiederholt.
Auch ins Deutsche haben viele Teile des
großen Werkes ihren Weg gefunden. Kleinere Teile wurden
bereits sehr früh, größere Teile, wie z.B. die oben erwähnten
„Hundert Aussprüche“ in den letzten 30 Jahren ins
Deutsche übertragen. Den „Regierungsauftrag Imam Alis an
Malik al-Aschtar“ hatte die Botschaft der Islamischen
Republik Iran kurz nach der Islamischen Revolution 1979 im
Deutschen veröffentlicht. Auch größere Passagen wurden unter
eingeweihten Kreisen verteilt, aber sie waren hinsichtlich
Übersetzungsqualität nicht hinreichend, da sie zumeist nicht
aus dem arabischen Original, sondern aus Übersetzungen (meist
aus dem Englischen) ins Deutsche übertragen wurden, worunter
die Qualität litt.
Die vorliegende Übersetzung ist nach
Kenntnis der Übersetzerin und der Herausgeber die erste
vollständige Übersetzung dieses überragenden Werks in die
deutsche Sprache und wurde direkt aus dem Arabischen
übertragen. Mit zahlreichen Fußnoten und Hinzufügungen in
Klammern wird versucht, auch dem im Islam weniger kundigen
Leser den Zugang zu dem Text zu ermöglichen. Am Ende einzelner
Predigten und Abschnitte erfolgen zudem weitere Erläuterungen,
die als solche gekennzeichnet sind und im arabischen
Originaltext nicht existieren! Ein Großteil jener
Erläuterungen stammt aus einer ausführlich erläuterten
englischen Übersetzung.
Weitere Erläuterungen wurden für den deutschsprachigen Leser
hinzugefügt. In eckigen Klammern werden zudem an geeigneten
Stellen arabische Begriffe in deutscher Umschrift hinzugefügt,
um mögliche Missverständnisse der Übersetzung zu vermindern.
An der Arbeit haben viele helfende Hände
mitgearbeitet, die sich alle in Dankbarkeit der Widmung des
Buches anschließen. Gott vergebe, wenn es nicht gelungen ist,
die Redekunst Imam Alis (a.) aus dem Arabischen hinreichend
eloquent ins Deutsche zu übertragen, da mehr auf Sinn und
Inhalt geachtet wurde, und Gott vergebe auch alle anderen
Unzulänglichkeiten dieser Arbeit, denn Er ist der
Gnadenreiche.
Möge diese Arbeit ein Beitrag zur
Weiterentwicklung des Verständnisses für den Islam im
deutschsprachigen Raum sein und mögen auch die verehrten Leser
Unzulänglichkeiten und Schwächen verzeihen.
Alle Lobpreisung gebührt Allah, Der uns
Seine Gnade gewährt hat, diese Übersetzung vorlegen zu dürfen,
und wir senden unendliche Grüße und Segenswünsche dem
Gesandten der Wahrheit (s.) und seiner gesegneten und reinen
Ahl-ul-Bait
(a.).
Fatima Özoguz